Ibiza
Größe: 571,8 km² | Einwohner: 142.065 | 235 Einw./km² | Hauptstadt: Eivissa (49.549 Einwohner) | 3. größte der balearischen Inseln | höchster Punkt: Se Talaia 476m | Küstenlänge: 210km | Klima: Regenmenge: 427mm; Regentage: 45; Sonnenstunden: 2744
Die Marketingstrategen der spanischen Automarke Seat haben sich seit der Einführung ihres ersten Modells 1984 überlegt, ihre Modelle größtenteils nach spanischen Orten zu benennen. Eben jenes erstes Modell war der „Seat Ibiza“ und irgendwann in den späten Neunziger Jahren fuhr ein Freund von mir ein eben solches Gefährt. Ich erinnere mich an eine Fahrt nach Leipzig zu einem Rolling Stones Konzert. So reizvoll diese frühen Auto-Fahrten meines Lebens auch waren, blieb doch auch die Erkenntnis haften, das es einen Ort geben müsste, der Ibiza hieß und den ich irgendwann einmal besuchen könnte, womit die Marketingexperten aus Martorell, wo Seat beheimatet ist, wohl netten Nebeneffekt erzielt haben.
Ibiza ist die größte Insel der Pityusen, der südwestlichen Inselgruppe der Balearen. Geologisch gehören diese noch zu den Betischen Kordilleren (einer Gebirgskette die bis weit nach Andalusien reicht) und waren vor rund 6 Millionen Jahren auch mit diesen über den Landweg verbunden, in einer Zeit allerdings als das Mittelmeer ausgetrocknet war.
Heute sind es die Strände und das blaue Meer, das die Menschen nach Ibiza treibt, denn das Eiland wird von mehreren Millionen Gästen im Jahr besucht. Waren es in den 1970er Jahren noch Hippies, die das Bild Ibizas prägten, so sind es heute vor allem Familien und Menschen auf der Suche nach guten Partys und den oben genannten Stränden. Kaum ein Ort in Europa steht so sehr im Fokus einer eigenen Ausgeh-Szene wie Ibiza. Dazu gehört ein eigener Sound, der in den zahlreichen Radiosendern auf und ab gespielt wird, die es auf Ibiza nur dafür gibt und natürlich die vielen Diskotheken im Süden der Insel, die zu den beliebtesten (und größten) Clubs der Welt zählen. Ibiza ist eine Party-Insel, allerdings des gehobenen Stils. Die Eintrittspreise für Diskos wie „Amnesia“, „Pacha“ (der einzige auch im Winter geöffnete Club, alle anderen nur von Mai bis September) oder „Privilege“ (dem größten Club der Welt, in den Sommernächsten im Juli und August sollen durchschnittlich rund 10.000 Gäste pro Abend im Haus sein) bewegen sich gern zwischen 40€ und 60€, dafür lassen sich dann auch internationale Star-DJs in schöner Regelmäßigkeit hier sehen, so wie der von mir als Teenager vergötterte Sven Väth beispielsweise. Große Anzeigenwände der nächsten großen Partys dominieren die zahlreichen großflächigen Werbetafeln auf der Insel. Doch nicht nur die elektronische Musik, auch das Ausgehen selbst wird in Ibiza zelebriert, die Lounge mit Pool (und Poolbar) sowie einem lokalen DJ, inklusive der Gäste, die ihre gebräunten und für den Urlaub in Form gebrachten Körper in Bademode oder elegantes Weiß gesteckt haben, sind in jeder größeren Ansiedlung zu finden. Und von diesen Orten gibt es eine ganze Menge. Nicht nur hat fast jede, der über 50 Calas (oder auch Badebuchte mit Stränden) einen eigenen Kiosco (einen gehobenen Imbissstand) oder ein Restaurant, sondern an einigen Stränden haben sich ganze Ferienressorts gebildet, die nicht nur für Partygänger, sondern mehr noch für Familien einen beliebten Unterkunftsort darstellen. Und so sind viele Besucher auf Ibiza damit beschäftigt, ins wunderbar blaue Nass des Mittelmeers zu springen (nur auf Formentera und hier hat das Wasser des Mittelmeeres auf den Balearen, dieses wunderbare Blau, das einen glauben lässt, man sitze in einem frisch gefüllten Pool), sich auf den großen Strandtüchern zu bräunen, in den Lounges zu chillen, versonnen den Sonnenuntergang im Cafe del Mar entgegen zu träumen oder sich in den Feiereinrichtungen bis weit in den nächsten Tag zu vergnügen. Doch dabei vergessen nicht wenige (oder sogar fast alle) das Ibiza auch eine abwechslungsreiche und lange Geschichte hat, die man durchaus noch bewundern kann.
Das beginnt schon beim Namen und bei der Sprache, worüber hier noch einige klärende Bemerkungen gemacht werden müssen. Die Einheimischen, die „Evissenc“ sprechen Katalanisch und so heißt die Insel auch bei ihnen „Eivissa“, wie auch deren Hauptstadt. Auf Spanisch hat die Insel den international gebräuchlichen Namen „Ibiza“, weshalb dieser auch für die Insel als ganzes hier verwendet wird, während versucht wird, für alle anderen Orte und Bezeichnungen den katalanischen Begriff zu benutzen.
Doch weit bevor die Katalanen auf die hier her kamen und ihre Sprache mitbrachten, waren es wohl die Phönizier die einen Stützpunkt auf der Insel anlegten. Im 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wurde – wohl von Kolonisten aus Karthago – ein Dorf an der Felsenbucht Se Caleta erbaut. Einige Jahrzehnte später entschieden sich die Bewohner aber lieber auf einen viel besser geschützten Felsen im Osten der Insel zu ziehen, der heute die Altstadt von Eivissa ist. Damit begann eine lange Geschichte, die in den ersten Jahrhunderten stark von Karthago beeinflusst wurde. 654 v.u.Z. wird „Ibosim“ gegründet. Der Name ist wohl dem karthagischen Gott Bes gewidmet (im Gegensatz zum obersten karthagischen Gott Baal Hamon, übrigens ein weitaus freundlicherer Charakter). So entstand der Begriff IBSM, der als „Insel des Bes“ verstanden werden konnte. Die strategisch günstige Lage (auf die spanische Halbinsel ist es rund 100km, nach Afrika rund 250km) ließen einen prosperierenden Handelsort entstehen und produziert auch bald eigene Waren, hauptsächlich Salz, aus den Salinen im Süden der Insel (welche noch heute betrieben werden). Die Kolonie Ibosim gedieh und bald baute man eine eigene Flotte und kräftige Festungsmauern, welche die Hauptstadt schützen sollten. Die damaligen Einwohner der befestigten Stadt, sollen aus vielen Teilen des Mittelalters gestammt haben und der Ort muss durchaus eine erhebliche Größe gehabt haben, denn er brachte eine beträchtliche Nekropole hervor, eine eigene Stadt für die Toten. Diese ist übrigens heute zu besichtigen am Puig de Molins in Eivissa, der größten bekannten karthagischen Grabfläche die es überhaupt zu sehen gibt. Erst mit dem Auftauchen der Römer im Mittelmeer ändert sich die Situation. Bis zum 3. Jahrhundert v.u.Z. dominieren die Karthager den westlichen Mittelmeerraum, doch die Römer wurden zunehmend stärker und Streitigkeiten mündeten in den drei Punischen Kriegen, die final 146 v.u.Z. endeten, als die Römer die Stadt Karthago vollständig zerstörten. Als ehemalige karthagische Kolonie fällt Ibiza nun an die neuen Herrscher, welche 123 v.u.Z. einen Vertrag mit „Ebusus“ (so wie die Stadt und die Insel in der römischen Antike genannt werden) aushandeln. Dieser sieht den Status einer konförderierten Stadt vor, der eine größere Autonomie für sie regelt. Man durfte eigene Münzen prägen und weiterhin karthagischen Kulten nachgehen. Wirtschaftlich blieb Ibiza ein wichtiges Zentrum, verlor aber nach der Zeitenwende immer mehr von seiner Autonomie und wurde zu einem normalen Teil des Römischen Reiches.
Mit dem Zerfall Roms kamen wechselvolle Zeiten auf Ibiza zu. 425 eroberten die Vandalen die gesamte Insel, 110 Jahre später wurde die Insel Teil des oströmischen Reiches unter Byzanz und nur wenig später sollten die Westgoten die Macht übernehmen. Das änderte sich wieder 711 mit der Eroberung der islamischen Mauren auf der iberischen Halbinsel und den Balearen. „Yabisa“, wie Ort und Insel nun hießen, gehörte erst zu berühmten Kalifat von Cordoba und später zum Taifa von Denia. Nach den eher wechselvollen Jahrhunderten florierte die Insel nun wieder. Die landwirtschaftliche Nutzung wurde in jener Zeit stark vorangetrieben. Doch die Reconquista, die christliche Rückeroberung, die auf dem Festland startete, wurde von der Krone Aragons auch auf den Balearen weiter betrieben und so ist es der Katalane Jaume I. der 1235 Ibiza für die Krone Aragons erobert. Als 1276 das Königreich Mallorca von Jaume II ausgerufen wurde, wurde Ibiza ein Teil dieses neuen Königreiches. Mit den neuen Herrschern zieht eine neue Sprache ein; katalanisch, das noch heute von der Bevölkerung gesprochen wird und damit entstand wiederum ein neuer Inselname: „Eivissa“. Die Insel wurde in vier Quartóns (daher: Viertel) aufgeteilt, welche jeweils eine eigene Kirche bekamen. Nur die Kathedrale in Eivissas Oberstadt thront(e) in mehrfacher Hinsicht über allen hinweg. Die eigenständigen Herrscher des Königreiches Mallorca wurden 1344 wieder unter die Krone Aragons gestellt, deren Institutionen jedoch blieben bis zum spanischen Erbfolgekrieg im 18. Jahrhundert bestehen. Als 1469 die Kronen von Aragon und Kastilien vereinigt wurden, wird auch Ibiza Teil des neu entstehenden Spaniens. Durch die spanischen Eroberungen in Amerika geriet jedoch die Mittelmeerregion aus dem Blickfeld des Interesses und ein stetiger Niedergang setzte ein. Währenddessen eroberten mehr und mehr Piraten das Mittelmeer und plünderten immer wieder Ibiza, wie auch deren kleine Nachbarinsel Formentera, die bald schon keine Einwohner mehr hatte, auch weil die Piraten, die Einwohner versklavten und anderswo verkauften. 1556 wurde mit dem Bau der riesigen Festungsmauern in Eivissa begonnen, der die Oberstadt schützen sollte. Nicht verschwiegen werden darf an dieser Stelle jedoch auch, das es auch Ibizenker waren, die sich als Piraten im westlichen Mittelmeer einen zweifelhaften Ruf verdienten. Viele von ihnen wurden aber fast schon durch die Umstände dazu gezwungen, denn einerseits wurden die restlichen Mauren aus ganz Spanien vertrieben und mit ihnen jede verlor man jede Menge an Wissen, das katastrophale Folgen hatte für die wirtschaftliche Entwicklung, andererseits errichtete die Inquisition eine Schreckensherrschaft, die fast schon willkürlich Menschen verfolgte.
Der spanische Erbfolgekrieg bis 1715 ändert auch in Ibiza die administrative Stellung der Insel im Verhältnis zum neuen zentralistisch-geführten Staat Spanien. Die Selbstverwaltung der Inseln wurde ebenso abgeschafft, wie die kollektive Nutzbarkeit der Salinen, die seit langer Zeit der Allgemeinheit zur Verfügung stand. Diese gehören nun dem spanischen Staat, was die Einheimischen natürlich nicht erfreute. Ebenso wurde die spanische Sprache offiziell eingeführt und das Katalanische verdrängt, aus Eivissa wurde Ibiza. 1782 allerdings bekommt Ibiza einen eigenes Bistum (vorher gehörte es zu Tarragona) zugesprochen, dass nun für die ganzen Pityusen zuständig ist. Das 19. Jahrhundert, das auf der iberischen Halbinsel durch innenpolitische Auseinandersetzungen insbesondere in den Karlistenkriegen geprägt war, lässt auch auf Ibiza keinen wirtschaftlichen Aufschwung zu und das Eiland stagniert vor sich hin. Ganz im Gegenteil, 1871 verkaufte der Staat die Salinen an private Investoren, doch die Not wurde immer größer, so dass sich einige Ibizenker dazu entschieden, die Insel für immer zu verlassen und nach Amerika zu gehen. Erst mit der Jahrhundertwende kehrte ein langsam einsetzender Wohlstand zurück. Ab den 1920er Jahren entdeckten die ersten Gäste die Insel und 1934 eröffnete das erste Hotel Ibizas. Nach dem spanischen Bürgerkrieg und der Machtübernahme des Franco-Regimes, insbesondere ab den 1950er Jahren setzten die neuen Autoritäten verstärkt auf den Ausbau des Tourismus. Dieser beginnt erst auf dem iberischen Festland, während auf Ibiza ab den 1960er Jahren die Hippies Einzug hielten. So wurde ab 1970 die Insel ein Paradies für Menschen jener freiheitsliebenden und offenen Bewegung (das diese sich dabei in einem Staat aufhielten der immer noch autoritär geführt wurde, schien nur wenige zu stören). Mit ihnen kamen für die Insulaner vollkommen unbekannte Phänomene, wie der Konsum bewusstseinserweiternder Stimulanzen oder das unbekleidete Bad im Meer. Der Mythos von der magischen Insel bildete sich heraus, der heute zwar kaum noch zu finden ist, aber dessen Image immer noch gepflegt wird, wie auf den Hippie-Märkten, dessen Größter jeden Mittwoch in Es Canar abgehalten wird. Mit den ersten internationalen Flugverbindungen vom Flughafen Ibiza aus kam ab 1966 auch langsam der Massentourismus in Fahrt und schon ab 1970 bot Neckermann Pauschalreisen auf die Insel an.
Dies veränderte das Aussehen der Insel zutiefst. Zwar wuchsen auf Ibiza keine Hochhäuser in den Himmel, aber zahlreiche Buchten und die Orte Eivissa und Sant Antoni werden von ausschweifenden Hotelanlagen in Meerlage bis heute immer mehr vereinnahmt. Während sich in Mallorca, insbesondere in Magaluf und El Arenal, Touristenhorden in Saufgelagen am Strand hingeben, bleibt es in Ibiza jedoch beim eher gediegeneren und zahlungskräftigen Publikum, das hier einen eigenen Stil entwickelte, der eine gewisse Eleganz mit Feiern, Ausgehen und Party verbindet. Ibiza ist aber auch ein Hotspot für Familienurlaube geworden, die sich in den Hotelanlagen bester Unterhaltung bedienen können und das glasklare und im Sommer sehr angenehm temperierte Meereswasser genießen. Die größte Urlaubergruppe der Touristen auf Ibiza sind übrigens die Briten, die in Sant Antoni übrigens ein eigenes „West End“ Pubviertel haben, was nicht überall den besten Ruf genießt, erst danach kommen Spanier und Deutsche (die dafür aber Mallorca ihre Badetücher mehrheitlich auf den Strand platzieren). Die Reize der Insel haben auf Ibiza dann auch zu einem massiven Bevölkerungswachstum geführt, waren es anfangs Festlandsspanier, die hier einen Job in der Tourismusindustrie fanden, so sind es seit den 1990er Jahren vermehrt andere Europäer, welche die Insel zu ihrer neuen Heimat mach(t)en. Gab es 1960 auf Ibiza rund 35.000 Einwohner, sind 2016 bereits 142.056 gewesen, bei einem für spanische Verhältnisse sehr hohen Ausländeranteil von fast 30%.
Und so bietet Ibiza heute tatsächlich für viele Reisende eine ganze Menge. Hier ist man richtig wenn man die besten (und vielleicht auch teuersten) Clubs der Welt für elektronische Musik sucht, oder wenn man traumhafte Buchten mit kristallklaren Wasser haben möchte, und natürlich auch wenn man einen Blick auf eine geschichtsträchtige Insel sucht, welcher bis weit in die Antike reicht. Man sieht eine Insel, die nicht nur wegen ihrer biologischen Vielfalt, sondern auch wegen der historischen Anlagen 1999 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde. Wenn man dabei die Monate Juli und August vermeidet, ist Ibiza dabei noch nicht mal überfüllt.