Geschichte Liberecs
Im 13.Jahrhundert wurde die Gegend zwischen Iser- und Jeschkengebirge, von deutschen Siedlern erschlossen, in denen bis dato nur wenige Slawen wohnten. Die älteste Siedlung der Gegend ist Frydlant (deutsch: Friedland) und war lange der dominante Ort in der Region. Reichenberg wurde erstmal 1352 erwähnt und vergrößerte sich stätig, wenn auch langsam. Schon im Mittelalter lag die Sprachgrenze zwischen Deutsch und Tschechisch rund 10km südlich der Stadt in etwa auf der Höhe des Jeschkenkamms. Ein wirtschaftlicher Aufschwung erlebte Reichenberg im 16.Jahrhundert mit dem Aufbau der Textilherstellung, vorher hatte das Örtchen fast keinerlei Bedeutung. Nordböhmen wurde zu einem Zentrum der Tuchmacherei und Leinenweberei, wovon auch die Stadt Reichenberg profitierte und 1577 mit dem Stadtrecht bedacht wurde. Der 30-jährige Krieg warf, wie so viele andere Gebiete, die gesamte Region stark zurück. Auch im Siebenjährigen Krieg war Reichenberg Ort einer Schlacht zwischen Österreich und Preußen (1757). Im späteren 18. Jahrhundert entstanden mit der Welle des Frühkapitalismus zahlreiche Manufakturen, diese zogen auch immer mehr tschechisch sprechende Menschen an und in diese Zeit fällt die erstmalige Erwähnung des Ortes mit dem tschechischen Namen Liberec. Durch die gute Lage an wasserstarken Flüssen in der bergigen Landschaft wurde der Energiebedarf einer florierenden Wirtschaft gut kompensiert. Bald entstanden andere Industriezweige, wie die Maschinenindustrie, die hauptsächlich Textilmaschinen lieferte. Die Firma Liebieg errang damit beispielsweise Weltruhm und war sogar das größte Unternehmen der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Die Stadt zog also verstärkt Menschen an, die in den Fabriken der Stadt arbeiteten, dies waren zunehmend tschechisch sprechende Arbeiter. So waren 1860 nur 1% der Einwohner Reichenbergs tschechische Muttersprachler, 1900 waren es bereits 8%. Um die Jahrhundertwende war Reichenberg die zweitgrößte Stadt Böhmens (nach Prag) und die Stadt hatte einigen Wohlstand durch die industrielle Entwicklung gewonnen. Ausdruck davon ist beispielswiese das Rathaus der Stadt (1893 eingeweiht), dass von Franz von Neumann, einem Mitarbeiter des Baumeisters des Wiener Rathauses errichtet wurde und das in seiner Form diesem auch stark ähnelt. Zahlreiche größere Villen entstanden und trugen auch dazu bei, Reichenbergs Image als reiche deutsche Stadt in Böhmen zu festigen. Immer wieder versuchte man in Konkurrenz zum verstärkt tschechisch geprägten Prag zu treten, eine Situation die aufkommende nationale Konflikte eher verstärkte. Der 1. Weltkrieg brachte Hunger und Armut nach Reichenberg, das ohne militärische Schwerindustrie nur wenig Möglichkeiten hatte, an einer Kriegswirtschaft zu verdienen. Nach dem Ausrufen der Tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1918, wurde als Reaktion der deutschsprachigen Bevölkerung, nur kurze Zeit später die Provinz Deutschböhmen ausgerufen, deren Hauptstadt Reichenberg sein sollte. Jedoch wurden die Gebiete, die zwar mehrheitlich von Deutschen bewohnt wurden, aber zum neuen Staat Tschechoslowakei gehörten, schnell vom letztgenannten Militär besetzt. Der Anteil der tschechischen Bevölkerung nahm in den Folgejahren weiter zu, genauso wie politische Konflikte zwischen den Volksgruppen, die sich insbesondere in der Weltwirtschaftskrise verstärkten. Mit dem Münchner Abkommen 1938 fiel die Stadt an das Deutsche Reich und wurde in die „Sudentendeutsche Gebiete“ eingegliedert. Im Mai 1945 – nachdem Ende des 2.Weltkrieges – fiel Liberec wieder an die Tschechoslowakei zurück. Die deutsche Bevölkerung verließ mehrheitlich Böhmen, viele davon hatten nach ihrer Enteignung fast keinen Besitz mehr. Sie wurden teilweise ersetzt durch Neuansiedlungen aus Mittelböhmen und der Slowakei. Ebenso zogen zahlreiche Roma in die Stadt, wie in weite Teile Nordböhmens (siehe auch in Ústí nad Labem). Im Prager Frühling 1968 mussten in Liberec Todesopfer beklagt werden. Der Wiederstand gegen die einfahrenden sowjetischen Panzer wurde mit einer Verwirrungstatktik der Liberecer geführt, so tauschten die Bürger der Stadt alle Straßenschilder aus und nannten jede Straße von nun an „Dubĉekova ulice“ in Verbundenheit mit dem damaligen tschechischen Parteichef Alexander Dubĉek. Nach der Revolution 1989 suchte die Stadt verstärkt Anschluss an neu entstehende regionale Netzwerke, wie der Euroregion. In den letzten Jahren erregte Liberec Aufmerksamkeit, da die Stadt 2009 die Nordische Ski Weltmeisterschaft austragen durfte. Heute ist sie die 5. größte Stadt Tschechiens.