Geschichte Lissabons
Antike Wurzeln, Römerzeit und maurische Herrschaft | Christliche Eroberung und Aufstieg zur europäischen Metropole |Von der spanischen Regentschaft bis zum Erdbeben von 1755 | Lissabon vom 18. Jahrhundert bis heute
Antike Wurzeln, Römerzeit und maurische Herrschaft
Der Ort an dem heute Lissabon liegt, geht wohl zurück auf griechische Siedlungsspuren (auch wenn einige Forscher und das hiesige Stadtmuseum behaupten die Phönizier hätten hier schon ca. 1000 Jahre vor Christus gesiedelt, jedoch wurde dies bisher nicht archäologisch bewiesen). Die Bucht des Tejo hatte sich dabei als sehr gut geeigneter Naturhafen angeboten. Die Römer, welche seit 205 v. Chr. die Macht in der Region übernahmen, nannten den Ort Olisipo. Er bekam ab 48 v. Chr. die Rechte einer römischen Stadt. Olisipo lag in der römischen Provinz Lusitania, einem Gebiet das dem heutigen Portugal geografisch ähnelt und den westlichen Teil der iberischen Halbinsel abdeckte. Schon hier sehen einige den Beginn der Eigenentwicklung die später den eigenständigen Staat Portugals darstellt. Im Fall von Lissabon ist jedoch zu sagen, dass der wichtigste Ort und die Hauptstadt Lusitanias, Merida war, was heute in der spanischen Provinz Extramadura liegt.
Ab 409 drangen immer wieder barbarische Stämme auf die iberische Halbinsel vor und schließlich übergab 468 der römische Stadtkommandant Lusidius die Stadt an die Sueben. Nur wenige Jahre später zerstörte ein Erdbeben die Stadt beträchtlich und die Westgoten übernahmen die Führungsrolle, wie auf der gesamten iberischen Halbinsel. Sie erneuerten die römischen Verteidigungsmauern des Ortes. Gleichzeitig waren es die Westgoten, die die für die ungehinderte Entwicklung des Christentums in der Region verantwortlich waren. Doch schon 718 unterwarfen die Mauren Lissabon und fast die gesamte Halbinsel. Die Stadt wurde ein Teil des Emirats von Córdoba, das der Region zu einem großen Aufschwung verhalf; Handel, Landwirtschaft, Kunst, Wissenschaft und Seefahrt erblühten. Der heute noch sichtbarste Einfluss stellen die Azulejos dar, die blauen Fließen an den Häusern, die eine maurische Tradition besitzen. Auch der heutige Stadtname „Lisboa“ stammt vom maurischen „Al-Ashbourna“ ab, von dem es abgeleitet wurde.
Christliche Eroberung und Aufstieg zur europäischen Metropole
Immer wieder versuchten christliche Truppen den Ort zu besetzen, der durch seine günstige Lage, eine hohe strategische Bedeutung besaß. Aber die Angriffe scheiterten oder aber die Besetzungen fielen nach kurzer Zeit wieder an die Mauren zurück. Erst Dom Afonso I. gelang es 1147 die Stadt endgültig von den Mauren zu befreien und sie in das von ihm geschaffene Königreich Portugal einzugliedern. Die rund viermonatige Belagerung von Lissabon, die Dom Afonso mit einem Heer von Kreuzfahrern durchführte sicherte ihm die Herrschaft über Portugal und eine reiche Beute, als die Besitztümer der Mauren geplündert wurde. Afonso nannte sich von da an „König von Portucale“. Die Reconquista wurde bis 1249 auf portugiesischem Gebiet weiter betrieben, bis auch die Algarve vollständig unter christlicher Kontrolle stand. Lissabon wurde zur Hauptstadt des Königreiches Portugal, als 1256 Afonso III. den Königssitz von Coimbra in die Stadt verlegt.
Das 14.Jahrhundert brachte zahlreiche Rückschläge für Lissabon. 1344 zerrüttete ein weiteres Erdbeben die Stadt und nur vier Jahre später begann eine große Pestwelle, welcher in wenigen Monaten wohl rund ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer fielen. Der 1367 auf den Thron gekommene Fernando ließ eine neue Befestigungsanlage bauen, welche schon 1373 fertig gestellt wurde. In jener Zeit wurde auch die Igreja do Carme Kirche gebaut, die heute nur noch in Ruinen zu sehen ist, aber das einzige Bauwerk mit gotischen Ursprung in Lissabon ist. 1383 wurde Lissabon Schauplatz einer Art von (früher) bürgerlicher Revolution, als die Witwe des König Fernandos I. die Macht übernahm (gemeinsam mit ihrem Liebhaber). Große Unruhen entstanden, die Handwerkerzünfte probten den Aufstand. Bürgertum und niederer Adel unterstützten João I. (den nicht ehelichen Sohn von Fernandos Vater Dom PedroI.) und machten ihn zu ihrem neuen König (welcher dann eigenhändig den Liebhaber der ehemaligen Königin umbrachte). Letzendlich war dies auch ein Versuch die portugiesische Unabhängigkeit zu bewahren, denn Fernando war Kinderlos geblieben und die Krone hätte in die Hände Kastiliens fallen können. João war Großmeister des Ritterordens von Avis und sah sich dem Ziel der Verbreitung des Christentums in alle Himmelsrichtungen verpflichtet.
Unter seinem Sohn Dom Infante Henrique el Navigador wurde dieses Ziel in die Tat umgesetzt. Der in Deutschland unter dem Namen Heinrich der Seefahrer bekannte König entwickelte die Flotte der Portugiesen entscheidend weiter. Dies führte unter anderem zur Gründung der Seefahrerschule in Sagres. Die hier ausgebildeten Kapitäne konnten schnell erste Erfolge erzielen. Von Belèm (das wenige Kilometer westlich der Stadt liegt und heute zu Lissabon gehört) aus starteten zahlreiche erfolgreiche Expeditionen in den Atlantik. 1432 wurden die Azoren entdeckt und dem Land einverleibt, 1434 das Kap Bojador umsegelt, was bis dato als unmöglich galt. 1444 begann, mit der Entdeckung des Senegals, der Gewürz- und Sklavenhandel. Die wohl erfolgreichste Zeit Portugals steht eng mit König Manuel I. in Verbindung. Dieser führt die Expeditionen weiter und seine Kapitäne leisten weltbewegendes. 1488 umsegelt Diaz als erster Europäer das Kap der guten Hoffnung und bereitet Vasco da Gamas Mission zur Entdeckung des Seewegs nach Indien vor. Dieser erreicht 1498 Calcutta. 1500 landete Cabral in Brasilien und beansprucht es für Portugal. Heute erinnert das Seefahrerdenkmal an die Pioniere der europäischen Welteroberung. Durch all diese Erfolge wurde Lissabon zu einer der reichsten und wohlhabendsten Städte der Erde und Portugal zur Weltmacht. 1503 wurde die Casa da Índia gegründet, die zentrale Verwaltungsbehörde für alle Aktivitäten in Übersee, der Hafen der Stadt war einer der größten in Europa geworden. Gegen 1530 hatte Lissabon zwischen 50.000 und 65.000 Einwohner und war auch in ihrer Größe eine europäische Metropole. Noch König Manuel I. veranlasste einen Umzug seines Hofes in die Unterstadt, der sogenannten Baixa. Hier ließ er zahlreiche Gebäude bauen, die sich durch eine besonders reichhaltige Verzierung auszeichnen, welche Motive aus der Seefahrt aufnahm. Dieser Stil wird „Manuelinik“ genannt und ist noch heute im Kloster Mosteiro dos Jerónimos und in der Festungsanlage Torre de Belém zu bewundern und beide unter UNESCO-Welterbeschutz stehen.
Von der spanischen Regentschaft bis zum Erdbeben von 1755
Doch auch Leid und Not ereilten Stadt und Land. 1531 sorgte ein weiteres Erdbeben für Zerstörung, 1536 wurde die Inquisition eingeführt (schon 1506 kam es zu einem Pogrom gegen getaufte Juden), 1568 raffte eine weitere schwere Pestepidemie tausende Lissaboner dahin. Der portugiesische Kolonialismus endete mit der Herrschaft König Sebastiãos 1578, der in einer verlorenen Schlacht in Marokko fiel. Da kein Thronfolger existierte, übernahm der spanische König Philip auch das Königreich Portugal. 60 Jahre regierten die Spanier auch Portugal. In diese Zeit fiel auch die größte Niederlage der gewaltigen spanischen Armada von 1588 gegen England. Die Armada bestehend aus 130 Schiffen lief damals in Lissabon aus. 1640 führte der Herzog von Bragança den Wiederstand gegen die spanische Fremdherrschaft an. Unterstützt von Frankreich wurden die Statthalter gestürzt und das Familienoberhaupt der Braganças wurde König João IV. Spanien erklärte daraufhin Portugal den Krieg, doch mit Hilfe Englands konnte man die staatliche Eigenständigkeit verteidigten und sich schließlich 1669 mit Spanien auf einen Friedensvertrag einigen. Damit begann eine Phase in dem Portugal immer mehr in die Abhängigkeit Englands gelangte. Bestes Beispiel dafür ist der Methuen-Vertrag (nach dem britischen Botschafter in Lissabon genannt) der nur britische Textilien als ausländische Ware auf dem portugiesischen Markt erlaubte. Lissabons Blütezeit war aber Mitte des 17. Jahrhunderts eingetrübt. In einem Gewirr schmaler Gässchen waren nur die beiden Hauptplätze Terreiro do Paço am Tejo und den einwärts gelegenen Rossio größere Auflockerungen, der mittelalterlichen Stadt. Goldfunde um die Jahrhundertwende 1700 in Brasilien führten zu einer weiteren wirtschaftlichen Hochzeit und zu einem starken Anstieg der Bevölkerung in der Stadt. Lissabon wuchs nun unkoordiniert auch am Tejoufer entlang und soll eine Bevölkerungszahl von rund 250.000 erreicht haben.
Die größte Katastrophe seiner Geschichte erfuhr die Stadt am 1.November 1755, am Allerheiligentag. Ein Erdbeben apokalyptischen Ausmaßes vernichtete große Teile der Stadt, ihm folgte nur wenige Minuten später eine gewaltige Tsunamiflutwelle, welche Menschen und Häuser wegspülte. Von 25.000 Gebäuden sollen nur ca. 3.000 verschont geblieben wurden sein. Besonders die dichtbesiedelte Baixa wurde vollkommen zerstört. Die genauen Opferzahlen sind unbekannt gehen aber von 10% der Bevölkerung (daher rund 25.000) bis zu Größen von 60.000 Toten aus. Das Erdbeben wurde als schwere Erschütterung in ganz Europa aufgenommen. Ein tiefe Verunsicherung machte sich breit, wieso Gott am Allerheiligentag eine solche Katastrophe zulassen konnte und warum es Lissabon traf und nicht eine andere Stadt. Die Gelehrten der Aufklärung (wie Voltaire) warten erschüttert über ein Desaster solchen Ausmaßes, dass das weitere Denken der damaligen Zeit nicht unwesentlich bestimmte. Die Melancholie die sich im Nationalgesang des Fado ausdrückt, als auch das Konzept des Saudade, einer sehnsuchtsvollen Traurigkeit sollen auch im Erdbeben des Lissabons ihren Ursprung gefunden haben.
Die vollkommen zerstörte Stadt wurde vom Grafen Marquês de Pombal mit strenger Hand wieder aufgebaut. Er ließ schon zwei Tage nach dem Beben die Arbeiten beginnen. Statt eines Wiederaufbaues der mittelalterlichen Baixa wurde diese schachbrettartig angelegt, wodurch sich breite Straßen und großzügige Plätze realisieren ließen. Der Architekt Eugenio dos Santos de Cervalho plante acht parallel verlaufende Straßen, mit der Rua Augusta als populärster Weg. Jede Straße ist einer Handwerkszunft gewidmet und alle Häuser der Baixa folgen einem funktionalem Aufbau. Das Erdgeschoss war Ladenfläche, zweite und dritte Etage dienten als Büro- oder Lagerfläche und in den Stockwerken darüber wurde gewohnt.
Lissabon vom 18. Jahrhundert bis heute
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts konnte man in Lissabon die ersten Errungenschaften der modernen Stadt beobachten. So wurde 1780 die erste Straßenbeleuchtung installiert. 1800 eröffnete das erste Postamt. 1851 wurde die erste Eisenbahnlinie nach Carregado eröffnet und 1873 konnte man die erste Pferdestraßenbahn, der Vorgänger der heutigen Straßenbahn in Betrieb nehmen. Politisch begann das 19. Jahrhundert mit der Fremdherrschaft des napoleonischen Frankreichs, das bis 1811 andauerte. Mit Hilfe der Briten wurden letztendlich die Franzosen besiegt, jedoch erhöhte dies nur den britischen Einfluss, was allerdings nicht hieß, das Portugals Industrialisierung auch nur annähernd so rasant verlief, wie das des Empires. Der König weilte statt dessen in Brasilien von wo er der Verfassung 1820 ein liberaleres Gesicht gab, da es im ganzen Land Portugal zu Aufständen kam. 1833 kam es zum Miguelistenkrieg bei dem sich Konservative und Liberale gegenüber standen. Die Liberalen unter Thronfolger Pedro siegten und dessen Bruder Miguel wurde ans Cabo de São Vicente verbannt.
Die zunehmende Distanz zu anderen wirtschaftlich erfolgreicheren Nationen in Europa sorgte für Unmut in der Bevölkerung, die 1910 zur Ausrufung der Republik führte. Das Königshaus floh nach Großbritannien. Die Republik wird jedoch alles andere als stabil. 44 Regierungswechsel in nur 16 Jahren destabilisierten das Land weiter. Im Jahr 1926 putschte das Militär unter Gomes da Costa. Im weiteren Verlauf gewann General Carmona immer mehr an Macht und übernahm 1932 das Amt des Ministerpräsidenten und wird zum Diktator António de Oliveira Salazar. Er ruft den „Estado Novo“ aus, eine konservativ- autoritäre Diktatur unter Führung der União Nacional, der Einheitspartei Salazars. Lissabon , als Hauptstadt des Regimes wurde aber weiterhin ausgebaut, auch auf Kosten des restlichen Landes. 1959 wurde die Christo-Rey Statue eingeweiht, im gleichen Jahr die erste Metro-Linie eröffnete und 1966 die Hängebrücke unter dem Tejo, die nach Salazar benannt wurde.
Mit der Nelkenrevolution von 1974 wurde nicht nur die Brücke umbenannt, sondern auch die gesamte politische Struktur des Landes gestürzt. Hauptsächlich linksorientierte Interessen setzten sich in Portugal durch und führten zu einer kommunistisch-sozialistischen Verfassung. Die Kolonien wurden in die Freiheit entlassen, was zu einer großen Fluchtwelle aus Angola und Mosambik führte, insbesondere nach Lissabon. 1976 wurde die Verfassung nach dem Sieg der Sozialisten modifiziert und 1986 wurde Portugal schließlich Mitglied in der Europäischen Union.
Die Stadt Lissabon erlebte seit dem Ende des 20. Jahrhunderts große Modernisierungsschübe. 1995 war sie Kulturhauptstadt Europas und für die Expo 1998 wurde nicht nur die längste Brücke Europas über die Tejo-Bucht eingeweiht (die Vasco da Gama Brücke), sondern mit dem Expo-Gelände Parque dos Nações ein vollkommen neuer und moderner Stadtteil errichtet. Auch politisch wurden in Lissabon wichtige Weichen für ganz Europa gestellt, nach der Lissabon-Strategie aus dem Jahr 2000 wurde 2007 unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Socrates der Vertrag von Lissabon unterzeichnet, der einen Grundlagenvertrag aller EU-Staaten darstellt.