Portbou

Einwohner: 1170 | gehört zur Comarca Alt Emporadá in Katalonien | 170km NO von Barcelona

Ganz am Rande von Spanien, wo die Pyrenäen ins Mittelmeer stürzen, liegt das kleine katalanische Städtchen Portbou an der hier beginnenden Costa Brava. Seit dem Pyrenäenfrieden von 1659 markiert der nächste nördliche Bergpass die Grenze zwischen Frankreich und Spanien. Damals wurden große Teile von Katalonien an Frankreich gegeben und Portbou begann durch seine neue Grenzlage einige Bedeutung zu erhalten.

Anders als so viele Orte weiter südlich ist der Tourismus in Portbou scheinbar immer nur auf der Durchreise. Der örtliche Badestrand liegt an der Rattenbucht und ist hauptsächlich ein Kieselstrand, allerdings ohne jede Ratte. Das Wetter wird hier noch sehr vom Gebirge geprägt und so lebt der knapp über 1.000 Einwohner zählende Ort heute hauptsächlich vom kleinen Grenzverkehr. Es war diese Grenze der die Gestalt des Ortes ausmacht. Heute ist dies besonders zu sehen am verhältnismäßig übergroßen Bahnhof, der oberhalb der Häuser thront. Schon 1872 wurde eine erste Bahnlinie hier über die Grenze gezogen und zusammen mit Irun, am anderen Ende des Gebirges am Atlantik, lag hier der wichtigste Grenzbahnhof Spaniens mit dem Rest Europas. Als 1929 die Weltausstellung in Barcelona stattfand, wurde der heutige Bahnhof gebaut. In der großen Bahnsteighalle sitzen heute vereinzelte Touristen herum, die auf eine Weiterfahrt nach Barcelona warten, während Grenzpolizisten noch entspannt eine Zigarette rauchen, bevor der nächste Zug einfährt. Überhaupt hat die Bedeutung des Bahnhofes seit der Eröffnung der Hochgeschwindigkeitslinie LGV Perpignan-Figueres im Jahr 2010 nachgelassen. Die meisten Passagiere nutzen nun die schnellen AVEs oder TGVs um zwischen den Mittelmeerküstenstädten zu pendeln.

Was heute so einfach und schnell ist, war noch vor nicht allzu langer Zeit eine schreckliche Demarkationslinie, dessen bekanntestes Opfer der deutsch-jüdische Philosoph Walter Benjamin war. Seit die Nationalsozialisten 1933 in Deutschland an der Macht waren, musste Benjamin sein Land verlassen und lebte fortan in Paris. Nach dem Ausbruch des 2.Weltkrieges zog es ihn weiter südlich, erst nach Lourdes, dann nach Marseille und schließlich im September 1940 an die spanische Grenze. Sein Plan war, über die iberische Halbinsel nach Lissabon zu gelangen und dort über Portugal mit seinem USA-Visum nach Amerika auszureisen. Selbstverständlich war ein einfacher Grenzübertritt zu jener Zeit nicht mehr möglich und das franquistische Spanien war Hitler-Deutschland gewogen. So nahm er Hilfe von der österreichischen Fluchthelferin Lisa Fittko an, welche mit ihm und anderen Flüchtlingen durch die Berge wanderte und nach Portbou gelangte. Diese Passage war für den gesundheitlich angeschlagenen Benjamin nur schwer zu schaffen, trotzdem erreichte er am 26. September 1940 Katalonien. Die spanischen Beamten forderten von ihm hier jedoch ein offizielles Ausreisedokument aus Frankreich, was er natürlich nicht besaß und drohten damit ihn wieder abzuweisen. In der Nacht zum 27. September, nahm Benjamin sich daraufhin das Leben. Die genauen Gründe geben heute noch Anlass zur Spekulation, denn ein Abschiedsbrief an Theodor W. Adorno existiert nur als Diktat an seinen mitflüchtenden Gefährten Henny Gurland. Im 2005 veröffentlichten Dokumentarfilm „Wer tötete Walter Benjamin“ des Argentiniers David Mauas wurde sogar die These aufgestellt, dass sein Tod kein Suizid war. Fest steht, das Portbou in jenen Jahren ein Ort war, der Etappenziel einer Flucht vor den Schrecken des 3.Reichs war. Bedenkt man, dass nur wenige Jahre zuvor viele Spanier versuchten an dieser Stelle ihr Land zu verlassen, da der Bürgerkrieg mit dem Sieg der faschistischen Seite unter Franco endete, kann man nur erahnen, wie viele Schicksale und Tragödien, wie viel Hoffnung und Verzweiflung Menschen durch und über Portbou trieb.
Heute erinnert daran das beeindruckende Kunstwerk „Passagen“ des Israelis Dani Karavan. Das aus mehreren Elementen bestehende Denkmal scheint vom Himmel durch den Fels zum Meer zu führen und referiert Walter Benjamin mit dem Satz „Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht.“ Es entstammt aus Benjamins letzten Aufsatz „Über den Begriff der Geschichte“ (Eine ärgerliche Randnotiz ist es, dass es in den 1990er Jahren eine recht populistische Kritik der Bild-Zeitung und der Neuen Revue gab, welche anprangerten, dass das Projekt von Seiten des Auswärtigen Amtes bezahlt werden sollte, diese Argumentation nahm auch der Bundesrechnungshof auf. Letztendlich bezahlten die deutschen Bundesländer und die Regionalregierung Kataloniens den Bau). Scheinbar entrückt von der Zeit steht das Monument gleich neben dem Friedhof der Stadt, wo Benjamin begraben liegt, hoch über dem Meer. An einem heute so friedlich wirkenden Fleckchen Erde.