Geschichte Bordeaux

Antike und Mittelalter: Von Kelten, Römern und Briten

Bordeaux geht geschichtlich zurück bis weit vor die Zeitenwende und gehört damit zu den älteren Städten des Kontinents. Schon im 3. Jahrhundert v.Chr. lebte der keltische Stamm der Bituriger im Gebiet des Zusammenflusses von Garonne und Dordogne. Der Hauptort dieses Stammes war verkehrstechnisch günstig gelegen an der Stelle der heutigen Stadt, denn hier bestand die Möglichkeit die Garonne zu queren (was einem heute gar nicht so klar wird, wenn man die Mächtigkeit der Garonne sieht).
Als die Römer Gallien eroberten, nannten sie fortan die Stadt Burdigala und die ehemalige keltische Siedlung sollte in ihrer Bedeutung wachsen, denn sie war einerseits ein Umschlagplatz für in der Region angebauten Weizen, andererseits wurden hier größere Mengen von Metallen im Seehafen umgeschlagen und ins Imperium verschifft. Die Römer waren es auch, die den Weinanbau in der Region einführten, der sich hier glänzend entwickelte und zu einem Markenzeichen wurde. Schon in der Antike wurde daraus ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Produkt der Gegend, das sich die Römer gern in die Hauptstadt exportiert ließen und somit die wirtschaftliche Bedeutung Burdigalas stetig erhöhten. Als führende Handelsmetropole im 2.Jahrhundert (AD) wurde Burdigala zur neuen Hauptstadt der römischen Provinz Aquitania ernannt. Bis zum 3.Jahrhundert entwickelte sich eine reiche und blühende Stadt. Davon zeugen noch heute die Reste des alten Amphitheaters, das 15.000 Menschen Platz bot (!) und dass bei einer Gesamtgröße der Stadt von rund 20.000 Einwohnern. Manche Zeitgenossen sprachen anerkennend von einem „kleinen Rom“.
Nachdem die Grenzen des römischen Reiches unsicherer wurden und 276 die Barbaren in die Stadt einfielen, wurde eine erste Stadtmauer errichtet, die damals aber lediglich 32ha beschützte. Mit dem endgültigen Untergang des Reiches begann auch für die Stadt eine lange Zeit ständiger Unsicherheit. Nach dem Einfall der Mauren und deren Zurückdrängung in der Schlacht von Poitiers, erhob Karl der Große Aquitanien zum Königreich und übergab dieses im Jahr 781 an seinen Sohn Ludwig dem Frommen. Gleichwohl bedeutet dies ebenso keine Zeit der Ruhe. Immer wieder überfielen Wikinger die Region und das Königreich Aquitanien existierte nur bis ins Jahr 863, wurde aber 1036 wieder als Lehen, zusammen mit der Gascoigne errichtet.
Einen wirklichen Aufstieg der Stadt gelang unter Eleonore von Aquitanien, die das Lehen von ihrem Vater erbte und eine Ehe mit Ludwig IX. von Frankreich einging. Die Hochzeit wurde 1137 in Bordeaux gefeiert. Tatsächlich blieb die Verbindung kinderlos und damit machtpolitisch wenig erfolgreich und wurde im Jahr 1152 annulliert. Kurz darauf heiratete Eleonore Henri Plantagenêt, der zwei Jahre danach zum englischen König Heinrich II. gekrönt wurde und damit Aquitanien zum englischen Kronland machte. Somit wurde Bordeaux eine englische Stadt und erlebte einen wirtschaftlichen Aufstieg, den der Handel mit der Insel sollte schnell florieren. Der Erfolg zeigte sich unter anderem darin, dass eine zweite Stadtmauer gebaut werden konnte, die im 14.Jahrhundert wiederum weiter ausgebaut wurde. Bordeaux wurde Hauptstadt des Fürstentums Guyenne (die englische Version von Aquitanien). Der Export von Wein war die Erfolgsformel und führte zu einem für die Gegend außerordentlichen hohen Lebensstandard in jenen Jahren des späten Mittelalters. Die kirchlichen Bauwerke wie Saint Michel oder Saint André wurden erbaut und 1441 wurde die Universität der Stadt gegründet. Erst mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges in der finalen Schlacht von Castillon fiel die englische Provinz Guyenne und gehörte ab 1453 wieder zu Frankreich.

Die Neuzeit – Zwischen Misstrauen, Goldenem Zeitalter und Revolution

Begeisterung war aber keinesfalls zu spüren, als die Bourdelais, wie die Einwohner der Stadt genannt werden, wieder zu Frankreich gehörten und das schon allein aus ökonomischer Sicht; Bordeaux Absatzmärkte in England waren von einem auf den anderen Tag weggefallen. Gleichfalls waren die französischen Autoritäten nicht von der Loyalität der neuen Mitbürger überzeugt und ließen als erstes zwei Festungen mitten in der Stadt bauen. Es handelte sich bei dem Château de la Trompette und dem Château du Hâ zwar um Verteidigungsbauten, die eigentlich vor fremden Mächten Schutz bieten sollten, aber die Geschütze konnten ohne Probleme auch gegen potentiell Aufständige in der Stadt gerichtet werden. Dies wiederum sah die Bevölkerung als größtmögliche Provokation. Der Neustart lief also erstmal ohne großes Vertrauen beider Seiten ab, doch das Verhältnis sollte sich entspannen. 1494 bekam die Stadt erstmals wieder die Möglichkeit, eine begrenzte Selbstverwaltung durchzuführen. Tatsächlich waren aber wirtschaftliche Blütezeiten nun seltener. Dafür war Bordeaux ein Ort des aufblühenden Humanismus, so war Michel de Montaigne Bürgermeister der Stadt. Die eher antiroyal geneigte Stadtbevölkerung versäumte es aber auch nicht ihren Unmut gegen den königlichen Hof zu zeigen und im 17. Jahrhundert kam es zu einigen Aufständen, die allerdings niedergeschlagen wurden.
Dem folgte aber eine dritte Blütezeit der Stadt, denn Bordeaux bekam das französische Monopol für den Westindien-Handel, in denen die Franzosen mehr und mehr einstiegen und wurde schnell zum zweitgrößten Hafen Europas. Im 18. Jahrhundert erlebte Bordeaux daher sein Goldenes Zeitalter. Der geschäftige Hafen, der Teil des lukrativen, aber moralisch äußerst fragwürdigen Dreieckshandels zwischen Europa, Afrika und Amerika war, brachte Reichtümer an die Garonne. Prächtige Stadthäuser entstanden und schon in dieser Zeit wurden die Fortifikationsanlagen abgerissen, allein schon deshalb, um den Hafen am Fluss weiter ausbauen zu können. 1733 wurde der glorreiche Place de la Bourse eröffnet, welcher vom Fluss ankommenden Gästen schon auf dem ersten Blick den selbstbewusst zur Schau gestellten Prunk der Stadt ankündigte. Neue Straßenzüge und Promenaden wurden angelegt, öffentliche Gärten angepflanzt und urbane Plätze angelegt, so wie die heutigen Place Gambetta oder Victoire. 1773 öffnet schließlich das Grand Théâtre, das zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Es sind die klassizistischen Bauten dieser Epoche, die auch heute noch das Stadtbild von Bordeaux prägen.
Die Französische Revolution brach mit dem Sturm auf das Château de la Trompette auch in Bordeaux aus. Zwar wurde die Stadt 1790 die Hauptstadt des neu geschaffenen Départements Gironde und mit den Girondisten wurde sogar eine liberale Gruppe in der neugeschaffenen Nationalversammlung in Paris in den Anfangszeiten der Republik federführend, aber schon bald übernahmen die Jakubiner die Herrschaft und mit ihnen schwappte der Terror über Frankreich. Über 300 Bordelais wurden öffentlich geköpft. Die wirtschaftliche Katastrophe setzte nur wenig später mit den napoleonischen Kriegen ein, denn mit der Kontinentalsperre gegenüber Großbritannien, kam der Handel der Hafenstadt fast zum Erliegen. Einzig die Verlegung von Truppen in den Süden brachte eine Verbesserung der Infrastruktur, dessen bedeutendstes heutiges Zeichen, die 1807 begonnene Pont die Pierre ist, die seit 1821 den gewaltigen Strömungen der Garonne ausgesetzt ist (in Bordeaux sind die Auswirkungen von Ebbe und Flut deutlich zu spüren). An die Stelle des Château de la Trompette wurden die Esplanades des Quinconces, der damals größte Platz der Welt angelegt, der jedoch heute wie ein überdimensioniertes Exerzierfeld wirkt.

Vom 19.Jahrhundert bis heute: Ringstraßen, verlegte Regierungen und der Zusammenschluss zur Metropole

Im 19.Jahrhundert hatte Bordeaux einen guten Ruf in der Welt der Kunst, so lebten Stendhal und Francisco de Goya hier (letztere starb auch in der Stadt). Die Bevölkerung der Stadt wuchs schneller an als je zuvor, die Welle der Industrialisierung jedoch, die die meisten Städte Europas maßgeblich veränderte betraf Bordeaux weniger. Die Glasindustrie entwickelte sich, als man Wein nun in Flaschen abfüllte. Tatsächlich entstand in Bordeaux aber nie eine wirklich bedeutende Schicht der Arbeiterschaft.  
Das Bordeaux keine Industriestadt wurde hat auch damit zu tun, dass die Weinproduktion in der Region schon seit der Antike eine hohe wirtschaftliche Bedeutung hatte und zusammen mit dem Hafen die guten Geschäfte beförderte. In eine fast existentielle Krise kam damit nicht nur dieser Wirtschaftszweig, sondern die gesamte Weinregion als die Reblaus in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts in Europa ihr Unwesen trieb und Millionen von Hektar Rebfläche vernichtete. Nur unter sehr hohem Einsatz und der Einführung resistenter Weinstöcke gelang es diese Krise zu überwinden.
Im Jahr 1853 beschloss man den Bau einer Ringstraße, um die Stadt herum. Dieses Unternehmen war Grund für zahlreiche kontroverse Überlegungen, wo ein günstiger Verlauf der Straßen liegen sollte, denn Bordeaux wuchs aus seinen engen Grenzen immer weiter in die Vorstädte hinaus. So wurde beschlossen die Ringstraße, die zukünftig nur die „Boulevards“ genannt wurden, in einer Linie zu ziehen, die einige Vorstädte außerhalb beließ, so wie Caudéran, dass sich im weiteren Verlauf aber zu einem eleganten Vorort entwickelte. Bis in die 1880er Jahre wurde an den Boulevards gebaut, die die gesamte linke Uferseite der Garonne umfasst, den weitaus größten Teil Bordeaux. An diese Boulevards setzen dann die neuen Stadtviertel an, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden. Diese waren dabei recht homogen, von einfachen Siedlungen bis hin zum gehobenen Vorort mit seinen Jugendstil Bauten, wie im schon erwähnten Caudéran. Der Schienenverkehr erreichte ebenfalls die Stadt, zwei wichtige Eisenbahnlinien begannen in Bordeaux und das auch heute noch sichtbarste Zeichen dafür ist der 1898 eröffnete Gare Saint Jean.
Schon einige Jahre vorher, nämlich 1870, wurde Bordeaux kurzzeitig Hauptstadt Frankreichs, als die Nationalversammlung im Deutsch-Französischen Krieg flüchten musste. Dieses Szenario wiederholte sich noch zweimal; 1914 und im Juni 1940, beides wieder im Zusammenhang mit der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen. So hat sich bis heute noch der Ruf Bordeaux gehalten, die „heimliche Hauptstadt“ Frankreichs zu sein.
In den Zwischenkriegsjahren war der Hafen, die Weinproduktion und der Holzabbau in Les Landes die wichtigsten Standbeine der Ökonomie der Region, auch wenn diese Produktionszweige immer mal wieder mit größeren Krisen zu kämpfen hatte. Nicht unerheblich ist der Fakt, dass die Neubauten jener Jahre sich ins Stadtbild integrierten, als Beispiele können hier die Bourse de Travail (1938) oder die Piscine Judaique gelten (die allerdings in neuster Zeit ein recht unansehnliches Glasvordach bekam).
Nach dem 2.Weltkrieg übernahm Jacques Chaban-Delmas das Amt des Bürgermeisters in einer fast schon rekordverdächtigen Amtszeit von 1947 bis 1995! Unter seiner Führung entstanden modernistische Projekte wie das Mèriadeck-Viertel in direkter Nachbarschaft zur Innenstadt, dass einen deutlichen Bruch mit dem klassizistischen Erbe der Bausubstanz darstellt. Chaban-Delmas dachte aber Bordeaux auch als metropolitane Region, das aus Kernstadt und in die Region wachsenden Städten besteht, die eng zusammenarbeiten sollten. Die Universität der Stadt wurde in den Vorort Talence verlegt, zum einen, um einen geschlossenen Campus zu erhalten, zum anderen vielleicht aber auch, um potentiell revoltierende Studenten aus der Innenstadt raushalten zu können. Der Hafen wurde aus der Stadt entfernt und flussabwärts nach La Verdon an die Gironde verlegt (aus der Bordeaux durchfließenden Garonne und der Dordogne wird wenige Kilometer nach Bordeaux die Gironde, welche in den Atlantik fließt). 1966 wurde der Gemeindeverband Communauté urbaine de Bordeaux gegründet, der heute den Namen Bordeaux Métropole trägt und der mit seiner Größe auch ein deutlicheres Bild über den Umfang von Bordeaux abgibt, als die viel engeren Grenzen der administrativen Kernstadt. Er ist für alle Probleme zuständig die über die jeweiligen Gemeindegrenzen hinausgehen und besitzt ein eigenes Parlament. Zu seinen wichtigsten Aufgaben in letzter Zeit gehört die Koordination der öffentlichen Verkehrsbetriebe. In jene Jahre des Zusammenschließens fällt auch der Bau und die Öffnung (1972) des Autobahnrings der Stadt (der A630), der wie die Boulevards des 19. Jahrhunderts wiederum die gewachsene Stadt neu umschließt. Innerhalb des Autobahnrings trifft man heute auf dichte Bebauung, dahinter wird die Siedlungsdichte erheblich dünner.
Ein neuer Abschnitt in der Verkehrsplanung der Stadt ist die Wiedereinführung der Straßenbahn, die seit 2008 auf drei Linien die Innenstadt mit den Vororten verbindet und dabei über 200.000 Passagiere pro Tag befördert. Nicht zuletzt die Berufung als UNESCO-Weltkulturerbe 1976 förderte das Bewusstsein für das einzigartig erhaltene Stadtbild Bordeaux mit seinen vielen klassizistischen Bauten, das auch seit den 1990er Jahren weiter aufgewertet wird, wie beispielsweise durch die neuangelegte Uferpromenade. Gleichzeitig möchte Bordeaux natürlich auch nicht den Sprung in die Gegenwart verpassen, wie man am neuen Viertel um die Brücke Chaban-Delmas und die Cité du Vin sehen kann. Für die Zukunft plant die Stadt auch mit dem nationalen Projekt „Bordeaux – Euratlantique“, das nicht nur den Bahnhof Sant Jean mit einem TGV Anschluss nach Paris erhöht, sondern den gesamten Umkreis des Bahnhofs, der tatsächlich nicht unbedingt zu den Glanzlichtern der Stadt zählt, zu einem neuen blühenden Stadtteil aufwertet, der hauptsächlich als Wirtschaftsstandort funktionieren soll.