Madrids Straßen

Einleitung | Gran Via | Die drei Paseos: | del Prado | del Recoletos | de la Castellana

Einleitung und kleiner Überblick

Madrid kann eine recht hohe Anzahl von Prachtstraßen für sich gelten machen. Diese äußerst repräsentativen Schneisen durch die Architektur und Landschaft verliehen der spanischen Hauptstadt den Glanz, der europäische Metropolen ausmacht. Wer auf der niemals müden Gran Via entlang spaziert, der wird sich unweigerlich fühlen, in einer pulsierenden Weltstadt zu sein, egal ob man sich Samstagnachmittags an den bummelnden Einkäufern oder den Schlange stehenden Musicalbesuchern vorbeischiebt, oder an einem Montag morgen die letzten Feiernden des Wochenendes begegnet, die sich in der langsam geschäftig werdenden Stadt verlieren.

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Oder man entdeckt einen der drei Paseos für sich, von der eleganten Präsentation historisierender Pracht und Kunst auf dem Paseo del Prado bis hin zum hinauf ragenden Ende der Castellana, die stetig aufwärts führend bei den Wolkenkratzern des CTBA endet. Die unterschiedlichsten Straßen finden sich in Madrid. Kleine und enge Gassen in der Latina, oder in Chueca erinnern an die mittelalterliche Stadt und sind heute beliebte Ausgehpassagen mit Bars, Restaurants und Geschäften. Die größeren Boulevards, besonders im noblen Osten der Stadt, wie Calle Serrano oder Principe de Vergara durchschneiden das quadratische Nobelviertel Salamanca und sind Heimat von Luxusmarken und edlen Boutiquen. Die Hortaleza, die Fuencarral und die Calle San Bernardo ziehen sich wie kleine Ausfallstraßen durch die nördliche Innenstadt und auf, sowie rechts und links von ihnen gibt es viel zu entdecken, die neusten Bars, trendige Restaurants, einschlägige Clubs oder hipster-magnetisierende Bekleidungsgeschäfte. Alle drei genannten Straßen münden in die Calle de Alberto Aguilera, wo das verwinkelte und alte Madrid der Gassen endet und die planvolle Stadt der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts beginnt. Hier liegt die erste Ringstraße (gelb auf der Karte eingezeichnet) von Madrid und nicht wie man vermutet am Autobahnring M-30, der verkehrsreichsten Straße des ganzen Landes. Die M-30 heißt nicht umsonst 30, weil es schon zwei weitere historisch vorher angelegte Ringstraßen, weiter innerhalb der Stadt liegende Boulevards gibt, die gleichfalls einen Ring um das Innerste der Stadt bilden. Der innerste Ring ist dabei schon in der Zeit Philip IV als Umrundung der Stadt entstanden. Man kann ihn heute noch erahnen, wenn man sich vom Bahnhof Atocha nach Osten bis hinter dem Retiro aufmacht um über den Plaza de Colon auf den Boulevards zu kommen, der an jeder größeren Kreuzung seinen Namen zu ändern scheint (erst Genova, dann Sagasta, dann Carranza, schließlich Alberto Aguilera). Bis man in den im Westen etwas orientierungslos wird, denn hier ist er bis hinunter zur Puerta de Toledo etwas unklar. Das gilt eigentümlicherweise auch für den zweiten Ring (dunkelgelb auf der Karte), der im Norden mit der Avenida de la Reina Victoria beginnt und sich in einem größeren Bogen im Osten (über die Calle de Raimundo Fernández Villaverde, Calle de Joaquín Costa, Calle de Francisco Silvela, Calle del Doctor Esquerdo und Calle de Pedro Bosch) bis zur Calle Méndez Álvaró zieht. Im Westen gibt es eigentlich nur die M-30, welche im vielleicht aufregendsten urbanen Bauprojekt der letzten Jahrzehnte in Madrid unterirdisch geführt wird und Platz für den Madrid-Rio Park macht.

Das hier eine Autobahn unter der Erde verschwindet ist zwar kostspielig, aber keinesfalls bedauerlich, denn Schnellstraßen (wie übrigens Tunnel auch) meint man im Großraum Madrid genug zu besitzen. Es gibt freie und zu bezahlende Schnellstraßen und an Tagen, wo die „Operacion Salida“ ausgerufen wird (also beispielsweise vor Ostern, oder zum Beginn der Sommerferien) sollte man sich überlegen, ob die zahlungspflichtigen Autobahnen, die ein R statt eines M in der Bezeichnung tragen, nicht eine bessere Alternative sind, die Stadt zu verlassen, so wie das scheinbar in diesen Momenten auch jeder andere Autobesitzer Madrids zu planen scheint.
Straßen gibt es also genug und in allen möglichen Variationen in Madrid. Als nächstes sollen die oben schon angedeuteten besonderen Prachtstraßen etwas näher beschrieben werden.

Gran Via

Daten: Länge: 1,3km | Breite: 25-35m | Richtungsverlauf: Ost-West| grün auf der Karte verzeichnet

1910 begann man in der spanischen Hauptstadt, einen neuen Prachtboulevard zu errichten, welcher der Stadt ein weltstädtisches Gesicht einer Metropole geben sollte schließlich wollte man auch etwas vom Glanz Paris haben. König Alfons XIII. selbst hatte großen Einfluss darauf genommen, den nördlichen Teil der Innenstadt, mit ihrem verwinkelten Gässchen aus dem Mittelalter zu durchbrechen und eine Verbindung von der Calle Alcalá zur nordwestlichen Stadtausfahrt herzustellen. Zwar sollte die Gran Vía erst 30 Jahre später komplett fertiggestellt sein (von der Calle Alcalá bis zum Plaza de España), doch bis heute erfreut sie sich großer Popularität. Anders als der Paseo de la Castellana (die Nord-Süd Achse der Stadt) ist die Gran Vía keine Straße der Bürogebäude, sondern eine Geschäfts- und Vergnügungsmeile mit Bars, Restaurants, Kinos, Musical-Theatern und den üblichen Bekleidungsgeschäftsketten.

Architektonisch ist die Gran Vía wie eine Reise von den Boulevards Paris bis hin zu den Hochhäusern New Yorks und drückt so auch das wechselnde Lebensgefühl und die unterschiedliche Ideologie der Zeit ihres Entstehens aus. Sie startet mit eleganten Häusern des Belle-Époque Zeitalters, was den historischen Stil der ersten Jahre ihrer Bauzeit repräsentiert. Ein erstes Mal durchbrochen wird dies durch das Telefónica-Hochhaus. Das 1929 fertiggestellte (89m hohe) Hochhaus gilt als einer der ersten Wolkenkratzer Europas. Die Architekten Ignacio de Cárdenas und Louis S. Weeks schufen hier ein Wahrzeichen der Madrider Innenstadt, das besonders im Bürgerkrieg im Brennpunkt der Luftangriffe stand (auch weil es wegen seiner Höhe einen ziemlich guten Markierungspunkt abgab). Der Palacio de la Música von Secundino Zuazo, der sich etwas weiter in Richtung des Platzes Callao befindet ist der architekturhistorische Wendepunkt der Gran Vía. Das 1928 beendete Gebäude steht genau zwischen dem historischen Stil des Belle-Epoche der ersten Häuser und dem nun einsetzenden sachlichen Stil, der bis zum Monumentalen getrieben werden konnte. Hier am Callao angekommen, einem von Madrids geschäftigsten Plätzen, sticht das vielleicht berühmteste Gebäude der Straße in die Augen, das Edificio Carrión mit dem Kino Capitol. 1933 beendet, unter der Leitung der Architekten Luis Martínez Feduchi und Vicente Eced, ist es zwar mit seiner Getränkemarkenwerbung in den letzten Jahren bekannt geworden, aber seine architektonische Qualität liegt hinter dem blinkenden Schildern. Im Stil der modernen Sachlichkeit erbaut und von den runden, sich über Eck ziehenden horizontalen Fensterbänken, bei Erich Mendelsohns sich inspirieren lassend, ist das Edificio Carríon ein elegantes Meisterwerk, das man nicht zuletzt deshalb auch in einigen spanischen Filmen wiederfindet, wie in „El dia de la bestía” (von Alex de la Iglesia) und das 2010 gleichfalls das Logo der 100 Jahresfeier zum Geburtstag der ganzen Straße zierte. Von hier verläuft die Gran Vía – für eine solch breite Straße ungewöhnlich – recht steil bergab bis hin zum Plaza de España. Dort thronen die monumentalen Hochhäuser der frühen Franco-Zeit. Sowohl das 117m hohe im rötlichen Ton gehaltene Edeficio España, als auch der weiße Torre de Madrid (124m) sind beide von den Architektengebrüdern Joaquín und Julián Otamendi. In den 1950er Jahren errichtet, sollen die Hochhäuser die Potenz des „neuen Spaniens” unter Franco zeigen. Auch wenn hier die Gran Via endet ist ihre Erweiterung die Calle de la Princesa der Ausgang aus der Innenstadt, der nochmals einen monumentalen Abschluss am Plaza Moncloa findet mit einer Art eigenem Forum des Franco-Regimes. Dies beinhaltet zum einen das von Luis Gutiérrez Soto geplante Luftfahrtministerium, dass eine zeitgenössische Version des Escorials darstellen soll. Zum anderen ist noch der triumphale Arco de la Victoria, der seit 1956 daran erinnert das das Franco Regime den spanischen Bürgerkrieg gewann.

Im Jahr 2010 wurde stadtmarketingtechnisch hoch professionell ausgedacht, der 100. Geburtstag der Gran Via gefeiert. Das man dafür so viel Aufwand betrieben hat, zeigt schon die Stellung und das Renommee das die Straße in ganz Spanien genießt. Anders als bei Nachbarschaftsfesten, wo die Straße der Ort des Festes ist und die Bewohner des Ortes dort mit ihren Gästen feiern, ist es bei den Festlichkeiten zu „100 Jahre Gran Vía” so gewesen, dass die Straße zelebriert wurde. Ein ganzes Jahr lang stand die Gran Vía im Mittelpunkt der Feierlichkeiten. TV-Berichte, Ausstellungen und insbesondere, der Ort an für sich, wurden in immer neuen Events in den Vordergrund gehoben. Einen ganz besonderen Anlass erzielte man in Madrid zu San Isidro, dem traditionellen Fest der Stadt. An diesem Tag, dem 15.5. wurde ein blauer Teppich auf der Straße verlegt, um den Autoverkehr für einen Samstag zu verbannen und nur die Menschen auf diesem Teppich laufen zu lassen. Drei verschiedene Bühnen zeigten Konzerte jedweder musikalischer Richtung und zur großen Freude insbesondere aller Restaurantbetreiber, wurde der Genuss, einmal auf der breiten Straße ohne Autoverkehr zu laufen, auch nicht von Imbiss- oder Getränkebuden gestört. Madrid hat es damit geschafft ein Event zu veranstalten, dass die Stadt, ihre Einwohner und Besucher das ganze Jahr beschäftigte, Kommunikation generierte und damit etwas zum Mythos und vielleicht auch zur Aura der Gran Via und damit auch zur Stadt beitrug. In wie weit sich dieses Ereignis ins kulturelle Gedächtnis eingräbt bleibt abzuwarten. Erfreulich ist dabei, dass sich die kommerzielle Nutzung dieses Projektes angenehm zurückhaltend präsentierte und die vielen Ausstellungen und Reportagen durchaus einen Bildungsgedanken in sich trugen, der einen guten Blick auf das letzte Jahrhundert spanischer Geschichte in Madrid zuließ.

In den letzten Jahren wurde die Gran Via dem immer starker werdenden Fußgängerverkehr angepasst und die Bürgersteige gegenüber der Fahrbahn erheblich verbreitert, während der Autoverkehr zunehmend für reine Durchfahrten gesperrt wurde. Das trägt nicht nur dem allgemeinen Trend Rechnung, Innenstädte wieder in die Hände von Fußgängern und Radfahrer zu legen. Ihre Stellung für den Autoverkehr verliert die Gran Via zunehmend und man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass es von Jahr zu Jahr mehr Fußgänger werden, welche die Gran Via zu jeder Tageszeit zu einer quriligen Großstadtmagistrale machen. Doch im Gewirr der Musicalbesucher, afrikanischen Handtaschen und Fußballtrikothändler, Schuhputzer, Selfiestangen tragenden Touristen, gestressten Madrilenen, Flaneuren aller Art und Flagshipstore Bummlern verliert die Straße auch etwas. Das gilt besonders für die Restaurants der Straße. Seit 1981 hier das erste McDonalds Spanien eröffnete, hat sich die Gran Via in ein Sammelbecken von Bar- und Restaurantketten gewandelt, was die Straße zwar einerseits zu einem Musterbeispiel der globalisierten Welt des weltweiten Marktplatzes macht, andererseits aber auch etwas unspannend werden lässt, denn eine traditionelle spanische Bar findet sich auf der ganzen Gran Via nicht mehr.

Die drei Paseos: Prado, Recoletos und Castellana

Madrids Nord-Süd Achse ist ein gewaltiger Straßenzug, der sich vom Hauptbahnhof der Stadt Atocha im Süden bis zum neuen Wolkenkratzergebiet im Norden dem CTBA zieht. Diese über acht Kilometer lange Schneise am früheren östlichen Ende der Stadt, die heute Mitten in Madrid liegt, unterteilt sich in drei unterschiedliche Straßen, deren Gemeinsamkeit im ersten Wort ihrer Namen liegen. Es sind die Paseos … del Prado, …del Recoletos und …de la Castellana (alle in unterschiedlichen blau Tönen auf Karte verzeichnet).

Paseo del Prado

Daten: Länge: 1,1km | vom: Plaza del Emperador Carlos V (S) zum Plaza de Cibeles (N) führend

Der Paseo del Prado ist der historisch erste Abschnitt der Nord-Süd Achse, der zum Zeitpunkt seiner Entstehung aber eher der Ostabschluss der Stadt Madrid war. Früher lag hier ein kleines Tal, dass man noch heute in seiner geographischen Lage erkennt, wenn man vom Retiro-Park abwärts zum Paseo del Prado läuft, ihn überquert und dann die Calle Atocha wiederum steil aufwärts spaziert. Besondere Bedeutung bekam die in diesem Abschnitt entstehenden Straße, als im Laufe des 18. Jahrhunderts das Schloss, der Palacio Real neu aufgebaut werden musste, da das alte Bauwerk 1734 ein Opfer der Flammen wurde. Die königliche Familie verlegte daraufhin ihren Sitz in den heute nicht mehr existierenden Palacio Buen Retiro, von dem quasi nur der Park übrigblieb. Die Nähe der höchstmöglichen Gesellschaft verleitete die feine Madrider Gesellschaft den Paseo zum Flanieren zu benutzen, zum Sehen und Gesehen werden, ob nun mit Kutsche, Pferd oder nur zu Fuß. José de Hermosilla legte 1767 einen Plan für das Projekt „Salón de Prado“ vor, dass eine breite Allee beinhaltete, die von runden Plätzen mit Brunnen unterbrochen wurden, ideal für das städtische Bedürfnis nach aristokratischem Flanieren. Da er aber verstarb, setzte Ventura Rodríguez seine Pläne um und ließ den Kybele Brunnen, (im spanischen „Cibeles“), den Neptunbrunnen (beide je 1782), den Vierjahreszeitenbrunnen, der auch als Apollobrunnen (1802) bekannt ist und den Artischockenbrunnen (1781) bauen. Damals war vollkommen unklar und sicherlich unvorstellbar, dass Cibeles und Neptuno heute für die Siegesfeierlichkeiten der beiden großen Fußballklubs Real und Atletico Madrid benutzt werden und dann als Sammlungspunkt für ausgelassene Feierlichkeiten dienen. Die Arbeiten am neuen „Salón de Prado“ fanden in einer Epoche statt, in welcher der Paseo so etwas wie der erste Ort der Umgestaltung Madrids hin zu einer europäischen Metropole der Aufklärung wurde. Im Geiste dieser Bewegung wurde der Botanische Garten angelegt. 1785 entstand nördlich vom Park ein Bau, der eine wissenschaftliche Akademie aufnehmen sollte, ein Kabinett der Naturgeschichte und ein chemisches Labor. Letztendlich wurde es 1808 fertiggestellt, doch die französische Besetzung Spaniens verhinderte seine Nutzung. Erst 11 Jahre später, am 19. November 1819 wurde der Bau eröffnet, allerdings in vollkommen anderer Nutzung, als Kunstmuseum „Prado“. Heute ist er der Mittelpunkt einer ganzen Ansammlung von Museen, die allesamt Weltruhm genießen. Ganz im Süden des Paseos, entlässt die erst kürzlich umbenannte Metro-Station „Estacion de las Artes“, jede Menge Kunstbegeisterte aus dem Untergrund, welche hier in die bis heute entstandene „Museumsmeile“ einbiegen können. Ob nun in das „Reina Sofia“ (das allerdings nicht mehr auf dem Paseo liegt, aber in unmittelbarer Nachbarschaft), das Caixa Forum, das Thyssen-Bornamiza oder eben den Prado, dem Kunstliebhaber bietet der Paseo del Prado so viel an, wie er es sonst kaum noch in Europa in so einer zusammengeballten Dichte finden kann. Der Ausdruck von Eleganz und Stil, gern im historisierenden Stil (lediglich das Caixa Forum bildet da eine gewisse Ausnahme bei den Bautwerken der Straße) ist das äußerliche Credo des Paseos del Prados. Das zeigt sich architektonisch nicht nur in den Luxushotels am Plaza Neptuno, sondern auch am Bauwerk der Börse oder der spanischen Staatsbank, der Banco de España, die am nördlichen Ende des Paseos thront und Madrids vielleicht repräsentativste Straße abschließt.

Paseo de Recoletos (oder auch nur kurz: Recoletos)

Daten: Länge: 0,7 km | vom Plaza de Cibeles (S) zum Plaza de Colón (N) führend

Immer noch elegant wird am Plaza de Cibeles aus dem Paseo del Prado der Paseo del Recoletos. Sein in der Straßenmitte führender Fußgängerboulevard macht diesen Teil der großen Paseo Nord-Süd-Achse zu einem sehr einladenden Abschnitt für einen Spaziergang. Es finden sich Wasserspiele und Denkmäler, Straßencafes laden zum Verweilen ein und viele Menschen nutzen diesen Mittelteil der Straße zum schlendern (auch weil die an den Straßenseiten angebrachten Fußwege ärgerlich eng sind). So finden auf diesem mittleren Fußgängerboulevard im Laufe des Jahres auch immer wieder kleinere Märkte statt, wie die Bücherstände im Frühjahr und Herbst des Jahres, bei denen man fast vergisst hier eigentlich im Mitten des Madrider Verkehrs zu stehen. Geschichtlich ist Recoletos eng mit dem Paseo del Prado verbunden und quasi eine Erweiterung des Boulevards, den man im kleinen Abroñigal Flusstal baute. Benannt ist dieser Abschnitt nach dem Augustiner-Rekolleten-Kloster welches in dieser Gegend seit 1592 existierte. Die Straße endet schließlich im großen Plaza Colón, dessen Größe nur noch von der auf ihm aufgestellten spanischen Flagge überboten wird.

Paseo de la Castellana (oder auch nur kurz: Castellana)

Daten: Länge: 6,3km | vom Plaza de Colón (S) zur M30 (N) führend

Der Paseo de la Castellana ist die mit Abstand breiteste Straße der Stadt (ausgenommen die Autobahnen der Stadt) und sie bildet den Hauptteil der Nord-Süd Achse Madrids. Anders als auf der Gran Via ist die Castellana aber eine Straße des Autoverkehrs. Nur ausgewiesene Enthusiasten würden die Straße von ihrem Beginn am Plaza de Colón bis zu ihrer Einmündung in die Autobahn M-30 im Norden komplett spazierend abgehen, zumal die Castellana auch anders als die beiden anderen Paseos keinen breiten mittleren Fußgängerweg mehr hat. So finden sich auf der Castellana auch keine Theater (ausgenommen vielleicht vom Estadio Bernabeu, dem Stadion von Real Madrid) sondern hauptsächlich Banken, Botschaften, Bürokomplexe und Hochhäuser. Noch dazu ist die Straße Schauplatz jährlicher Großveranstaltungen, angefangen von der Drei Königsparade am 5.Januar, einem besonders von den Kindern der Stadt überaus geschätzter Termin über Festveranstaltungen zum Nationalfeiertag bis hin zu Sportevents wie der letzten Etappe der Radrundfahrt Vuelta de España.
Die Straße beginnt am Plaza Colón und endet nach rund 6km im Norden der Stadt an der Autobahn M30. Ihre Geschichte ist aber abgekoppelt von den beiden anderen Paseos und beginnt weitaus später. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Stadt stark nach nördlicher Richtung hinaus, ungefähr bis auf die Höhe des heutigen Komplexes Nuevos Ministerios, wo damals noch eine alte Pferderennbahn stand, die in ihrer schieren Größe das Wachstum der Stadt an dieser Stelle bremste und verlegt wurde. Dafür wurden hier seit 1933 die neuen Ministerien gebaut, ein großzügiger Verwaltungskomplex, der von Secundino Zuazo geplant wurde, aber im Bürgerkrieg gestoppt wurde und schließlich 1942 fertiggestellt wurde. Daran anschließend sollte eine Hauptstraße weiter nach Norden führen, für die schon in den 1930er Jahren Pläne angefertigt wurden. Erst nach dem Bürgerkrieg wurden diese Überlegungen im sogenannten Plan Bidagor umgesetzt. Damit bildet der Paseo de la Castellana (im Volksmund auch nur Castellana) die entscheidende städtebauliche Nord-Süd Achse der spanischen Hauptstadt. Die Castellana wurde dabei als moderne Straße geplant, deren erster Ausdruck das Hochhaus und Verwaltungszentrum AZCA wurde, dem ersten Komplex von Wolkenkratzern in Spanien. Es dauerte aber bis in die 1980er Jahre als die Bauwerke in den Himmel schossen, trotzdem sind hohe Häuser zu einem Erkennungszeichen der weiterführenden Castellana geworden, die sich über den Plaza de Cuzco zum Plaza de Castilla zieht und dort mit den Torres KIO einen vermeintlichen Abschluss findet. Erst nach der Jahrtausendwende entstand noch weiter nördlich das CTBA, ein weiterer – noch höherer – Wolkenkratzerkomplex. (Mehr Informationen zu den Hochhäusern in Madrid finden sich hier)
Wie es sich für eine gute Verkehrsstraße gehört endet die Castellana im Norden einfach damit in die Ringautobahn M-30 zu fließen, was urbanistisch gesehen, äußerst unspektakulär verläuft, aber nur nochmal den Charakter dieser Straße als Autostraße verdeutlicht.

Bayonne

Name auf Baskisch: Baiona | Einwohner: 49.207 (2015) | Ballungsraum: 288.359 (2012) | Fläche: 21,6 km² | Hauptstadt des Arrondissements Bayonne | 55km NO von Donostia-San Sebastian, 180km SW von Bordeaux

Wer in den ersten Augusttagen nach Bayonne kommt, der wird schon weit bevor er die Innenstadt erreicht von einem eigenartigen Dress-Code der Einheimischen erwartet. Scheinbar jedermann, ob alt oder jung, Mann, Frau oder Kind trägt weiße Kleidung und dazu ein rotes Halstuch, einige – besonders jüngere Männer – haben ihre weiße Kleidung schon beschmutzt, so als wären sie durch den Schmutz gerobbt. Schnell vermutet man richtig, dass hier ein großes Volksfest stattfinden muss und tatsächlich Fêtes de Bayonnes eines der populärsten und meistbesuchten Feste Frankreichs. Die Idee dahinter stammt übrigens aus Pamplona bzw. wurde 1932 erstmals von dort übernommen. Seinerzeit wollten die Einwohner der Stadt eine ähnliche Feierlichkeit, wie das seinerzeit in Pamplona hoch geschätzte San Fermín haben, wobei in Bayonne Stiere nicht durch die Straßen der Stadt hetzen sollten, sondern auf einem Platz verblieben, dem Place Sant André. Mit über einer Millionen Besucher ist die Fête auch die zweitgrößte Veranstaltung nach San Fermín im Baskenland. In jenen Tagen ist ein Besuch der Innenstadt, nur um die Stadt zu erkunden zwecklos, denn diese ist voll mit Feiernden, die aus dem ganzen Umland und noch weiter weg her kommen. So empfiehlt es sich an einem anderen Tag wiederzukommen und Bayonne zu besichtigen.

Bayonne ist wenn man so will die letzte größere und nördlichste baskische Stadt, auch wenn „Baskisch“ in Frankreich viel mehr mit Folklore zu tun hat als mit tatsächlichem Leben (wenn man mal Baskisch auf der Straße hört ist man sich nicht sicher, ob es Einheimische sind, oder Touristen von der anderen Seite der Pyrenäen).

Die Geschichte der Stadt geht bis in die Antike zurück und besaß damals den Namen Lapurdum, der sich wohl von der so bezeichneten Region Labourd ableitete. Im 3. Jahrhundert war es ein befestigter Handelsplatz und wichtigster Hafen in der weiteren Umgebung. Nach römischer Herrschaft wechselten sich viele Herrscher ab; Westgoten, Basken, Franken und Normannen. Am Ende des 10. Jahrhunderts gaben die Herzöge der Gascoigne und später Aquitaniens der Stadt so viele Privilegien, dass sie sich prächtig entwickelte und die Menschen schon vor den Stadtmauern siedelten. 1130 versuchte sich Alfons I. von Aragón die Stadt zu erobern, was aber misslang und vorsichtigerweise zum weiteren Ausbau der Stadtmauern führte. Schon damals hatte sich der baskische Name Baiona eingebürgert, der übersetzt „einzige Bucht“ bedeutet.
Nach der Hochzeit von Eleonore von Aquitanien mit dem zukünftigen englischen König Heinrich kam die Stadt, ebenso wie beispielsweise Bordeaux in englische Hände. Es gelang die städtischen Freiheiten zu verbessern, als auch den Wohlstand zu mehren. Doch mit dem Hundertjährigen Krieg, den über lange Sicht nur, das weitaus bevölkerungsreichere, Frankreich gewinnen konnte, fiel Bayonne 1451 letztendlich wieder an Frankreich, wodurch sie allerdings zahlreiche Selbstbestimmungsrechte verlor. Erschwerend kam für die Stadt hinzu, dass der Fluss Andour, der hier in den Atlantik mündet, seit dem 15.Jahrhundert versandete und seine Mündung veränderte, womit Schiffe nicht mehr den Hafen anlaufen konnten und in benachbarten Dörfern, wie Capbreton, entladen werden mussten. Erst 1579 wurden effektive Maßnahmen ergriffen, diesen Zustand zu korrigieren. Trotzdem war Bayonne noch ein lohnenswertes Ziel, was die Spanier mehrmals dazu bewog die Stadt zu erobern, was allerdings stets misslang.
Gegen 1640 herum soll in der Stadt das Bajonett erfunden worden sein, welches den Namen der Stadt trägt. Irreguläre Truppen der Stadt sollen bei heiß geschossenen Musketen einfach ihre Jagdmesser in den Mündungsschacht gesteckt haben um damit weiterzukämpfen. Tatsächlich wurde Bayonne als strategischer Ort, nahe der Pyrenäen immer wichtiger und wurde von Frankreich zunehmend besser befestigt. Obwohl sich adlige Personen in der Stadt niederließen. verarmte Bayonne mit den Jahrzehnten immer mehr, Probleme mit der Flussmündung des Adour traten immer wieder auf und wurden nur unzureichend behoben, woraufhin auch der Handel niederging. Von rund 16.000 Einwohnern zu Beginn des 18. Jahrhunderts, waren in der zweiten Hälfte weniger als 10.000 Bewohner übrig. Bilbao und San Sebastian wurden als Hafenstädte bedeutender und erst 1784 mit der Abschaffung des merkantilistischen Verbotssystem änderte sich die wirtschaftliche Situation der Stadt wieder zum besseren. Bayonne wurde Freihafen und konnte in den Handel mit Amerika einsteigen. In nur sechs Jahren blühte der Handel wieder auf, Bevölkerungszahl und Preise sollen beide um ein rund ein Drittel angestiegen sein.
1808 traf sich Napoleon mit Karl IV. von Spanien und dessen Sohn Ferdinand im Schloss Marraq, nahe der Stadt. Ergebnis dieses Treffens war die Einsetzung einer spanischen Nationaljunta von Napoleon, die sich in Bayonne versammelte und eine Konstitution verabschiedete, in welcher Napoleons Bruder Joseph Bonaparte zum neuen spanischen König erhoben wurde und am 9.Juli von Bayonne nach Madrid reiste, was zum ersten Guerillakrieg der Geschichte in Spanien führte. Nach dem spanischen Unabhängigkeitskrieg wurde Bayonne von den Briten in der Schlacht von Bayonne belagert und schließlich erobert, was eine der letzten Schlachten der napoleonischen Kriege auf der iberischen Halbinsel war. Andersherum wurde Bayonne in der Zeit der spanischen Karlistenkriege zu einem Zufluchtsort für spanische Emigranten.
Seit 1854 verband die Eisenbahn die Stadt mit Paris, was auch zum Aufstieg der Nachbarstadt Biarritz zu einem noblen Seebad führte. Während sich dort Adlige und Reiche niederließen verwandelte sich Bayonne in eine Hafenstadt, in welcher auch die Stahlindustrie operierte. Jedoch schrumpfte die Bedeutung des Hafens schon im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts und ist heute ohne Bedeutung.
So ist Bayonne heute eine Stadt mit regionaler Bedeutung, aber großer Historie, die man durchaus noch in der schönen Altstadt erkennt. Sie ist auch Bistumssitz der katholischen Kirche. In den letzten Jahren wuchs die Bayonne mit Biarritz und Anglet (das nur unwesentlich kleiner ist) zusammen. Obwohl Didier Dechamps, der französische Fußballweltmeister als Spieler und Trainer aus der Stadt kommt, ist Bayonne eher eine Rugbyhochburg mit dem ortsansässigen Club Aviron, der 3 mal französischer Meister wurde und heute in der 2.französischen Liga spielt.

Geschichte Bordeaux

Antike und Mittelalter: Von Kelten, Römern und Briten

Bordeaux geht geschichtlich zurück bis weit vor die Zeitenwende und gehört damit zu den älteren Städten des Kontinents. Schon im 3. Jahrhundert v.Chr. lebte der keltische Stamm der Bituriger im Gebiet des Zusammenflusses von Garonne und Dordogne. Der Hauptort dieses Stammes war verkehrstechnisch günstig gelegen an der Stelle der heutigen Stadt, denn hier bestand die Möglichkeit die Garonne zu queren (was einem heute gar nicht so klar wird, wenn man die Mächtigkeit der Garonne sieht).
Als die Römer Gallien eroberten, nannten sie fortan die Stadt Burdigala und die ehemalige keltische Siedlung sollte in ihrer Bedeutung wachsen, denn sie war einerseits ein Umschlagplatz für in der Region angebauten Weizen, andererseits wurden hier größere Mengen von Metallen im Seehafen umgeschlagen und ins Imperium verschifft. Die Römer waren es auch, die den Weinanbau in der Region einführten, der sich hier glänzend entwickelte und zu einem Markenzeichen wurde. Schon in der Antike wurde daraus ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Produkt der Gegend, das sich die Römer gern in die Hauptstadt exportiert ließen und somit die wirtschaftliche Bedeutung Burdigalas stetig erhöhten. Als führende Handelsmetropole im 2.Jahrhundert (AD) wurde Burdigala zur neuen Hauptstadt der römischen Provinz Aquitania ernannt. Bis zum 3.Jahrhundert entwickelte sich eine reiche und blühende Stadt. Davon zeugen noch heute die Reste des alten Amphitheaters, das 15.000 Menschen Platz bot (!) und dass bei einer Gesamtgröße der Stadt von rund 20.000 Einwohnern. Manche Zeitgenossen sprachen anerkennend von einem „kleinen Rom“.
Nachdem die Grenzen des römischen Reiches unsicherer wurden und 276 die Barbaren in die Stadt einfielen, wurde eine erste Stadtmauer errichtet, die damals aber lediglich 32ha beschützte. Mit dem endgültigen Untergang des Reiches begann auch für die Stadt eine lange Zeit ständiger Unsicherheit. Nach dem Einfall der Mauren und deren Zurückdrängung in der Schlacht von Poitiers, erhob Karl der Große Aquitanien zum Königreich und übergab dieses im Jahr 781 an seinen Sohn Ludwig dem Frommen. Gleichwohl bedeutet dies ebenso keine Zeit der Ruhe. Immer wieder überfielen Wikinger die Region und das Königreich Aquitanien existierte nur bis ins Jahr 863, wurde aber 1036 wieder als Lehen, zusammen mit der Gascoigne errichtet.
Einen wirklichen Aufstieg der Stadt gelang unter Eleonore von Aquitanien, die das Lehen von ihrem Vater erbte und eine Ehe mit Ludwig IX. von Frankreich einging. Die Hochzeit wurde 1137 in Bordeaux gefeiert. Tatsächlich blieb die Verbindung kinderlos und damit machtpolitisch wenig erfolgreich und wurde im Jahr 1152 annulliert. Kurz darauf heiratete Eleonore Henri Plantagenêt, der zwei Jahre danach zum englischen König Heinrich II. gekrönt wurde und damit Aquitanien zum englischen Kronland machte. Somit wurde Bordeaux eine englische Stadt und erlebte einen wirtschaftlichen Aufstieg, den der Handel mit der Insel sollte schnell florieren. Der Erfolg zeigte sich unter anderem darin, dass eine zweite Stadtmauer gebaut werden konnte, die im 14.Jahrhundert wiederum weiter ausgebaut wurde. Bordeaux wurde Hauptstadt des Fürstentums Guyenne (die englische Version von Aquitanien). Der Export von Wein war die Erfolgsformel und führte zu einem für die Gegend außerordentlichen hohen Lebensstandard in jenen Jahren des späten Mittelalters. Die kirchlichen Bauwerke wie Saint Michel oder Saint André wurden erbaut und 1441 wurde die Universität der Stadt gegründet. Erst mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges in der finalen Schlacht von Castillon fiel die englische Provinz Guyenne und gehörte ab 1453 wieder zu Frankreich.

Die Neuzeit – Zwischen Misstrauen, Goldenem Zeitalter und Revolution

Begeisterung war aber keinesfalls zu spüren, als die Bourdelais, wie die Einwohner der Stadt genannt werden, wieder zu Frankreich gehörten und das schon allein aus ökonomischer Sicht; Bordeaux Absatzmärkte in England waren von einem auf den anderen Tag weggefallen. Gleichfalls waren die französischen Autoritäten nicht von der Loyalität der neuen Mitbürger überzeugt und ließen als erstes zwei Festungen mitten in der Stadt bauen. Es handelte sich bei dem Château de la Trompette und dem Château du Hâ zwar um Verteidigungsbauten, die eigentlich vor fremden Mächten Schutz bieten sollten, aber die Geschütze konnten ohne Probleme auch gegen potentiell Aufständige in der Stadt gerichtet werden. Dies wiederum sah die Bevölkerung als größtmögliche Provokation. Der Neustart lief also erstmal ohne großes Vertrauen beider Seiten ab, doch das Verhältnis sollte sich entspannen. 1494 bekam die Stadt erstmals wieder die Möglichkeit, eine begrenzte Selbstverwaltung durchzuführen. Tatsächlich waren aber wirtschaftliche Blütezeiten nun seltener. Dafür war Bordeaux ein Ort des aufblühenden Humanismus, so war Michel de Montaigne Bürgermeister der Stadt. Die eher antiroyal geneigte Stadtbevölkerung versäumte es aber auch nicht ihren Unmut gegen den königlichen Hof zu zeigen und im 17. Jahrhundert kam es zu einigen Aufständen, die allerdings niedergeschlagen wurden.
Dem folgte aber eine dritte Blütezeit der Stadt, denn Bordeaux bekam das französische Monopol für den Westindien-Handel, in denen die Franzosen mehr und mehr einstiegen und wurde schnell zum zweitgrößten Hafen Europas. Im 18. Jahrhundert erlebte Bordeaux daher sein Goldenes Zeitalter. Der geschäftige Hafen, der Teil des lukrativen, aber moralisch äußerst fragwürdigen Dreieckshandels zwischen Europa, Afrika und Amerika war, brachte Reichtümer an die Garonne. Prächtige Stadthäuser entstanden und schon in dieser Zeit wurden die Fortifikationsanlagen abgerissen, allein schon deshalb, um den Hafen am Fluss weiter ausbauen zu können. 1733 wurde der glorreiche Place de la Bourse eröffnet, welcher vom Fluss ankommenden Gästen schon auf dem ersten Blick den selbstbewusst zur Schau gestellten Prunk der Stadt ankündigte. Neue Straßenzüge und Promenaden wurden angelegt, öffentliche Gärten angepflanzt und urbane Plätze angelegt, so wie die heutigen Place Gambetta oder Victoire. 1773 öffnet schließlich das Grand Théâtre, das zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Es sind die klassizistischen Bauten dieser Epoche, die auch heute noch das Stadtbild von Bordeaux prägen.
Die Französische Revolution brach mit dem Sturm auf das Château de la Trompette auch in Bordeaux aus. Zwar wurde die Stadt 1790 die Hauptstadt des neu geschaffenen Départements Gironde und mit den Girondisten wurde sogar eine liberale Gruppe in der neugeschaffenen Nationalversammlung in Paris in den Anfangszeiten der Republik federführend, aber schon bald übernahmen die Jakubiner die Herrschaft und mit ihnen schwappte der Terror über Frankreich. Über 300 Bordelais wurden öffentlich geköpft. Die wirtschaftliche Katastrophe setzte nur wenig später mit den napoleonischen Kriegen ein, denn mit der Kontinentalsperre gegenüber Großbritannien, kam der Handel der Hafenstadt fast zum Erliegen. Einzig die Verlegung von Truppen in den Süden brachte eine Verbesserung der Infrastruktur, dessen bedeutendstes heutiges Zeichen, die 1807 begonnene Pont die Pierre ist, die seit 1821 den gewaltigen Strömungen der Garonne ausgesetzt ist (in Bordeaux sind die Auswirkungen von Ebbe und Flut deutlich zu spüren). An die Stelle des Château de la Trompette wurden die Esplanades des Quinconces, der damals größte Platz der Welt angelegt, der jedoch heute wie ein überdimensioniertes Exerzierfeld wirkt.

Vom 19.Jahrhundert bis heute: Ringstraßen, verlegte Regierungen und der Zusammenschluss zur Metropole

Im 19.Jahrhundert hatte Bordeaux einen guten Ruf in der Welt der Kunst, so lebten Stendhal und Francisco de Goya hier (letztere starb auch in der Stadt). Die Bevölkerung der Stadt wuchs schneller an als je zuvor, die Welle der Industrialisierung jedoch, die die meisten Städte Europas maßgeblich veränderte betraf Bordeaux weniger. Die Glasindustrie entwickelte sich, als man Wein nun in Flaschen abfüllte. Tatsächlich entstand in Bordeaux aber nie eine wirklich bedeutende Schicht der Arbeiterschaft.  
Das Bordeaux keine Industriestadt wurde hat auch damit zu tun, dass die Weinproduktion in der Region schon seit der Antike eine hohe wirtschaftliche Bedeutung hatte und zusammen mit dem Hafen die guten Geschäfte beförderte. In eine fast existentielle Krise kam damit nicht nur dieser Wirtschaftszweig, sondern die gesamte Weinregion als die Reblaus in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts in Europa ihr Unwesen trieb und Millionen von Hektar Rebfläche vernichtete. Nur unter sehr hohem Einsatz und der Einführung resistenter Weinstöcke gelang es diese Krise zu überwinden.
Im Jahr 1853 beschloss man den Bau einer Ringstraße, um die Stadt herum. Dieses Unternehmen war Grund für zahlreiche kontroverse Überlegungen, wo ein günstiger Verlauf der Straßen liegen sollte, denn Bordeaux wuchs aus seinen engen Grenzen immer weiter in die Vorstädte hinaus. So wurde beschlossen die Ringstraße, die zukünftig nur die „Boulevards“ genannt wurden, in einer Linie zu ziehen, die einige Vorstädte außerhalb beließ, so wie Caudéran, dass sich im weiteren Verlauf aber zu einem eleganten Vorort entwickelte. Bis in die 1880er Jahre wurde an den Boulevards gebaut, die die gesamte linke Uferseite der Garonne umfasst, den weitaus größten Teil Bordeaux. An diese Boulevards setzen dann die neuen Stadtviertel an, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden. Diese waren dabei recht homogen, von einfachen Siedlungen bis hin zum gehobenen Vorort mit seinen Jugendstil Bauten, wie im schon erwähnten Caudéran. Der Schienenverkehr erreichte ebenfalls die Stadt, zwei wichtige Eisenbahnlinien begannen in Bordeaux und das auch heute noch sichtbarste Zeichen dafür ist der 1898 eröffnete Gare Saint Jean.
Schon einige Jahre vorher, nämlich 1870, wurde Bordeaux kurzzeitig Hauptstadt Frankreichs, als die Nationalversammlung im Deutsch-Französischen Krieg flüchten musste. Dieses Szenario wiederholte sich noch zweimal; 1914 und im Juni 1940, beides wieder im Zusammenhang mit der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen. So hat sich bis heute noch der Ruf Bordeaux gehalten, die „heimliche Hauptstadt“ Frankreichs zu sein.
In den Zwischenkriegsjahren war der Hafen, die Weinproduktion und der Holzabbau in Les Landes die wichtigsten Standbeine der Ökonomie der Region, auch wenn diese Produktionszweige immer mal wieder mit größeren Krisen zu kämpfen hatte. Nicht unerheblich ist der Fakt, dass die Neubauten jener Jahre sich ins Stadtbild integrierten, als Beispiele können hier die Bourse de Travail (1938) oder die Piscine Judaique gelten (die allerdings in neuster Zeit ein recht unansehnliches Glasvordach bekam).
Nach dem 2.Weltkrieg übernahm Jacques Chaban-Delmas das Amt des Bürgermeisters in einer fast schon rekordverdächtigen Amtszeit von 1947 bis 1995! Unter seiner Führung entstanden modernistische Projekte wie das Mèriadeck-Viertel in direkter Nachbarschaft zur Innenstadt, dass einen deutlichen Bruch mit dem klassizistischen Erbe der Bausubstanz darstellt. Chaban-Delmas dachte aber Bordeaux auch als metropolitane Region, das aus Kernstadt und in die Region wachsenden Städten besteht, die eng zusammenarbeiten sollten. Die Universität der Stadt wurde in den Vorort Talence verlegt, zum einen, um einen geschlossenen Campus zu erhalten, zum anderen vielleicht aber auch, um potentiell revoltierende Studenten aus der Innenstadt raushalten zu können. Der Hafen wurde aus der Stadt entfernt und flussabwärts nach La Verdon an die Gironde verlegt (aus der Bordeaux durchfließenden Garonne und der Dordogne wird wenige Kilometer nach Bordeaux die Gironde, welche in den Atlantik fließt). 1966 wurde der Gemeindeverband Communauté urbaine de Bordeaux gegründet, der heute den Namen Bordeaux Métropole trägt und der mit seiner Größe auch ein deutlicheres Bild über den Umfang von Bordeaux abgibt, als die viel engeren Grenzen der administrativen Kernstadt. Er ist für alle Probleme zuständig die über die jeweiligen Gemeindegrenzen hinausgehen und besitzt ein eigenes Parlament. Zu seinen wichtigsten Aufgaben in letzter Zeit gehört die Koordination der öffentlichen Verkehrsbetriebe. In jene Jahre des Zusammenschließens fällt auch der Bau und die Öffnung (1972) des Autobahnrings der Stadt (der A630), der wie die Boulevards des 19. Jahrhunderts wiederum die gewachsene Stadt neu umschließt. Innerhalb des Autobahnrings trifft man heute auf dichte Bebauung, dahinter wird die Siedlungsdichte erheblich dünner.
Ein neuer Abschnitt in der Verkehrsplanung der Stadt ist die Wiedereinführung der Straßenbahn, die seit 2008 auf drei Linien die Innenstadt mit den Vororten verbindet und dabei über 200.000 Passagiere pro Tag befördert. Nicht zuletzt die Berufung als UNESCO-Weltkulturerbe 1976 förderte das Bewusstsein für das einzigartig erhaltene Stadtbild Bordeaux mit seinen vielen klassizistischen Bauten, das auch seit den 1990er Jahren weiter aufgewertet wird, wie beispielsweise durch die neuangelegte Uferpromenade. Gleichzeitig möchte Bordeaux natürlich auch nicht den Sprung in die Gegenwart verpassen, wie man am neuen Viertel um die Brücke Chaban-Delmas und die Cité du Vin sehen kann. Für die Zukunft plant die Stadt auch mit dem nationalen Projekt „Bordeaux – Euratlantique“, das nicht nur den Bahnhof Sant Jean mit einem TGV Anschluss nach Paris erhöht, sondern den gesamten Umkreis des Bahnhofs, der tatsächlich nicht unbedingt zu den Glanzlichtern der Stadt zählt, zu einem neuen blühenden Stadtteil aufwertet, der hauptsächlich als Wirtschaftsstandort funktionieren soll.    

Geschichte San Franciscos

Vorgeschichte: Indianer, Forts und Missionen

Städte an der amerikanischen Westküste haben immer eine – im europäischen Vergleich – sehr kurze Geschichte, allerdings kann man am Beispiel San Franciscos gut beobachten, wie reichhaltig, vielfältig und sprunghaft auch eine Stadthistorie sein kann, die gerade erst einmal rund 170 Jahre hinter sich gebracht hat. Dabei sind die Anfänge menschlichen Lebens in dieser Gegend natürlich weitaus älter. Vor rund 5000 Jahren siedelten hier der Indianerstamm der Ohlone. Da die Gegenden reich an natürlichen Nahrungsquellen waren standen die Einwohner unter keinem großen Druck sich zivilisatorisch weiter zu entwickeln und so hatten sie keine festen Siedlungen gebaut, als zum ersten Mal Europäer in diesen Teil der Welt vordrangen. Einer der ersten war Francis Drake, der britische Weltumsegler und Pirat, welcher auf der von ehemals fünf Schiffen einzig verbliebenen „Golden Hind“ die Welt umrundete und wohl nördlich der Einfahrt zum Golden Gate Station machte. Tatsächlich war es ihm, wie vielen weiteren Seefahrern in seiner Nachfolge, entgangen, dass es einen schmalen Zugang zu einer weiten Bucht gab, einem der wohl besten Naturhäfen der Welt, dessen größter Nachteil es war, lange nicht entdeckt worden zu sein und die heute den Namen San Francisco Bay trägt.

Es war erst das Missionswesen der in diesem Teil der Neuen Welt umher zivilisierenden Spanier, welche die Bucht erstmals wahrnahmen und das auch erst, nachdem sie schon rund 200 Jahre lang mehr oder besser zumeist weniger intensiv an den Küsten Kaliforniens segelten. Tatsächlich wurden ab 1769 Missionen in Alta California (übersetzt das „obere Kalifornien“, der heutige zur USA gehörende Bundestaat, „Niederkalifornien“ gehört zu Mexiko) gegründet, welche nicht nur dafür da waren, dass der katholische Glauben sich entlang des Pazifiks ausbreiten konnte, sondern mit denen der spanische Besitzanspruch auf das ungenutzte Land verdeutlicht werden sollte. Im Zuge der Etablierung eines Netzes aus etwa einem Tagesmarsch entfernten Missionen wurde 1776 der ersten Außenposten an der Bucht von San Francisco erbaut, wobei man sich auf der sandigen Spitze der Halbinsel niederließ, die heute das Stadtgebiet von San Francisco ausmacht. Unter Leitung von Juan Bautista de Anza wurde ein Presidio erbaut, dessen Nachfolger heute das Fort Point unter der Golden Gate Brücke ist. Drei Meilen südlich davon wurde eine Mission errichtet. Der Begründer des kalifornischen Missionswesens, Junipero Serra, plante sie nach Heiligen zu bennen, so bekam diese Einrichtung den Namen des Heiligen Franzi von Assisi. Als mit der San Carlos, erstmals ein Schiff durch das Golden Gate fuhr, und das benötigte Baumaterial brachte, konnte am 17. September 1776 das Presidio eingeweiht werden. Drei Wochen später folgte die Mission.

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Die ersten Jahrzehnte in diesem damals entlegenen Winkel der Welt, müssen langweilig und einsam gewesen sein und schon gegen Ende des 18.Jahrhunderts war Berichten zufolge das Fort in einem heruntergekommen und erbärmlichen Zustand. Auch die Zusammenarbeit von Fort und Mission war wohl häufig von Unwägbarkeiten geprägt und insbesondere die Soldaten beschwerten sich darüber, dass ihre Versorgung durch die Mission alles andere als zufriedenstellend war. An dieser Situation änderte sich auch nicht viel, als Mexiko seine Unabhängigkeit erklärte und Kalifornien nun zum neu entstanden Staat gehörten. Seit 1824 Republik, hatte das neue Land kaum Ressourcen das Gebiet wirklich zu besiedeln und in die eigene Infrastruktur aufzunehmen. Eine einigermaßen wirksame Strategie war die Verteilung von Land an Farmer und Rancher, die Viehwirtschaft betrieben. Dadurch entstand ein kleiner Handelsplatz in der Bucht von San Francisco, die ihren Namen nach dem Titel der Mission erhielt. Der Warenaustausch folgte dem Prinzip des hide an tallow trade. Da es zu damaliger Zeit mehr Rinder gab, als die relativ kleine Bevölkerung essen konnte, gleichzeitig aber ein Mangel an anderen Waren vorlag, sogar an einer Zahlungseinheit, wurde das Fell des Rindes als Währung benutzt. Eine sehr hübsche Anekdote darüber stammt vom Presidio von Monterey, dem damals wichtigsten Ort Kaliforniens. Da selbst hier das Kanonenpulver so knapp war, soll es vorgekommen sein, das einkommenden Schiffen erst Schießpulver abgekauft werden musste, bevor man diese mit Kanonen-Salut offiziell begrüßen konnte. Sogar Richter konnten Geldstrafen in Formen von Rinderfällen aussprechen.
Schon damals wurde jedoch den Ersten bewusst, dass Kalifornien Potential haben könnte und wenn, dann würde es in der Bucht von San Francisco sein, dessen Herz und Mittelpunkt sie darstellte. Hier entwickelte sich seit den 1830er Jahren der kleine Hafen von Yerba Buena zu einem Anlaufpunkt, der am nordöstlichen Ende der Halbinsel entstanden war. Der englische Walfänger William Richardson war wohl der erste Bewohner von Yerba Buena, als er hier 1835 das erste Haus baute. Nachdem er die Tochter des Kommandanten des hiesigen Presidios ehelichte, wurde er Mexikaner. Bald darauf, zu etwas Wohlstand durch Fährtätigkeiten auf der Bucht gekommen, ließ er ein zweites Haus bauen, die Casa Grande, die heute der ältesten Straße der Stadt, der Grant Street ihren Namen gab. In den folgenden Jahren kamen einige weitere Häuser dazu und eine kleine Siedlung entwickelte sich, die sich allerdings keinerlei Schönheit rühmen konnte. Hütten und Adobehäuser gaben mit der Zeit mehreren hundert Menschen Platz zum wohnen. Die Einwohner jener Tage, die „Old Saw“ waren ein Gemisch aus Mexikanern, Amerikanern, Indianern, Holländern, Hawaiianern und Spaniern. Jeder ging seinen mehr oder meist weniger legalen Geschäften nach und Yerba Buena war eine Ansammlung an Betrügern, Vagabunden, Exzentrikern und Hedonisten, vor allem aber Händlern, während sich an den Gefilden der Bucht die durch Viehwirtschaft reich gewordenen mexikanisch-spanischen Familien, die „Caballeros“ niederließen. Diese wenigen Familien lebten durch die Arbeit ihrer Knechte und spannten ein enges soziales Netz untereinander. Diese Familien stellten mit einigem Missfallen fest, dass es immer mehr Amerikaner waren, die aus dem Osten in ihr Gebiet einwanderten. Man beschloss sie, mit Billigung des mexikanischen Staates, zu benachteiligen. Doch in dem dünn besiedelten Landstrich ließen sich trotzdem immer mehr Yankees nieder und schon bald kippte die Stimmung und es kamen Forderungen auf, die sich ein von Mexiko unabhängiges Territoriums wünschten, dass lieber zur USA gehören sollte.
1846 erreichten 70 Soldaten des Kriegsschiffs Portssmith Yerba Buena und eroberten kampflos die Siedlung für die USA. Es sollten noch zwei Jahre vergehen bis der amerikanisch-mexikanische Krieg mit dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo beendet wurde und ein riesiges Gebiet, das unter anderem den heutigen Bundesstaat Kalifornien umfasste, von Mexiko an die USA übergeben wurde.
Dem damaligen Ortvorsteher von Yerba Buena Lt. Washington A. Bartlett, ist ein weiterer wichtiger Schritt in der Stadtgeschichte zu verdanken. Am 30. Januar 1847 ließ er die Siedlung Yerba Buena in San Francisco umbenennen und erhoffte sich damit einen Popularitätsgewinn des Ortes, war doch die breite Bucht gleichen Namens schon überregional bekannt. Viel schneller als erwartet sollte San Francisco zu einem Zentrum werden, nicht nur der Bucht oder Kaliforniens, sondern sogar des gesamten neuen Westens der USA, doch am neuen Namen lag dies weniger.

Der Goldrausch und San Franciscos kometenhafter Aufstieg

Schon die ersten Europäer, die nach Amerika kamen, verband der Traum vom Ort mit unendlichen Goldschätzen und der damit verbundenen Suche nach dem El Dorado. Es war 1849, als dieses sagenumwobene Glücksversprechen gültig wurde, als unweit von San Francisco Gold gefunden wurde (unweit in den Maßstäben des riesigen Landes, der Ort des ersten Fundes liegt 115 Meilen von der Stadt entfernt). Die Aussicht auf schnellen Reichtum zog Menschen wie ein Magnet an.
Begonnen hatte alles mit dem Zimmermann James Marshall, der von John Augustus Sutter angeheuert wurde, ihm eine Sägemühle zu bauen. Sutter wurde in mexikanischer Zeit mit reichlich Land ausgestattet und hatte sich hier im nördlichen Kalifornien ein Fort und weite Landstriche gesichert, die er in Erinnerung an seine alte Heimat „New Helvetia“ nannte. Er ließ ein Fort bauen, wo heute die kalifornische Hauptstadt Sacramento steht. Am 24. Januar 1848 schaute Marshall in den neugeschaffenen Mühlgraben und entdeckte dabei einen Goldklumpen. Nach einigen Untersuchungen war man sicher: es ist tatsächlich Gold! Sofort bemühte man sich den Fund geheim zu halten, doch das hatte nur wenig Erfolg. Am 15. März schon kam in der jüngst nach San Francisco gezogenen Zeitung „Californian“ eine kleine Meldung heraus, dass man Gold gefunden haben könnte. Diese mediale Zurückhaltung war darin begründet, dass es solche Meldung nicht gerade selten gab, tatsächlich aber bis zu jenem Zeitpunkt eigentlich nie etwas dahinter stand. Das Konkurrenzblatt, der „Californian Star“, sendete sogar einen Reporter in das Gebiet des American River, einem Zufluss zum im Golden Gate mündenden Sacramento River, um herauszubekommen, ob etwas dran war an den Gerüchten. Doch die dortigen Arbeiter konnten den Reporter überzeugen, nichts sei hier zu holen. Die Gerüchte jedoch hielten sich und als schließlich der Herausgeber des Star, Sam Brennan, durch die Straßen der Stadt lief und laut „Gold! Gold! Gold! Am American River“ brüllte (nicht ohne vorher seinen Laden an Sutter’s Fort mit ausreichend Schaufeln, Spaten und weiterem Material zum ausgraben bestückt zu haben) da waren die Einwohner vom Goldfieber gepackt und die Stadt schien für kurze Zeit ausgestorben, da jeder in die Region reiste um sein Glück zu finden. Werkzeuge wurden den Händlern aus den Händen gerissen und diese setzten sofort neue Bestellungen ab. Somit zog die Nachricht immer weitere Kreise, dass in Kalifornien Gold gefunden wurde. Im Dezember diskutierte der Kongress in Washington die Goldfunde und der damalige Präsident Polk gab schließlich öffentlich die Goldfunde bekannt. Spätestens jetzt gab es kein Halten mehr und eine riesige Menge Goldsuchenden, die sogenannten „fortyniners“ (49er – noch heute im Namen des Footballteams von San Francisco wird an sie erinnert), strömten nach Kalifornien.
Als erstes kamen sie nach San Francisco. Die Wege hierin waren aber alles andere als einfach. Es gab drei Routen von der dicht besiedelten amerikanischen Ostküste aus. Die schnellste und teuerste führte mit dem Schiff an den Isthmus von Panama, dort über das Land vom Atlantik zum Pazifik und an Ozean angekommen, mit dem Schiff nach Norden. Billiger, aber länger und weiter, war die Schiffspassage über ganz Südamerika mit der Umfahrung von Feuerland, was nicht nur zeitraubend war, sondern gleichfalls anspruchsvoll und gefährlich. Und schließlich die Route quer über den riesigen nordamerikanischen Kontinent, der allerdings gleichfalls viele Entbehrungen mit sich brachte, sei es durch Krankheiten, nicht immer glimpfliche Begegnungen mit Indianern oder die Passage des staubtrockenen Great Basins sowie anschließend der hoch aufragenden und verschneiten Gebirgsgipfel der Sierra Nevada. Letztendlich sind rund 200.000 Menschen in den ersten drei Jahren des Goldrausches nach Kalifornien gegangen und rund 50% sind über den Seeweg gekommen. San Francisco wurde mit einem Schlag überrannt und zwar von zwei Phänomenen. Zum einen von Menschenmassen, die das Golden Gate kreuzten und hier ihr Glück suchten und zum anderen vom Reichtum derer, die ihr Glück in Form von Gold schon gefunden hatten. Die Stadt wurde zu einer Boomtown, in welcher sich spätere Western-Autoren sich ihrer Klischees bedienten. Die vielen errichteten Zelte und die wenigen Holzgebäude wurden zur Heimat von Glückspielern. Die Spekulation trat um sich und das nicht nur um Immobilien. Was gerade nicht in San Francisco verfügbar war, wurde extrem teuer gehandelt, denn Finanzen waren ja fast unbegrenzt vorhanden und manch ein Reederer soll einfach Schiffe mit Waren auf gut Glück in die Bucht gesendet haben, in der Hoffnung hier alles extra-teuer verkaufen zu können, denn die Gewinne die man in San Francisco erzielen konnte, schienen gigantisch.
Die eigentlichen Goldsucher waren an der sogenannten Mother Lode dabei ihr Glück zu suchen, einem rund 120 Meilen langen Streifen, der von Fort Suttner nach Süden reichte. In der Anfangszeit konnten, die rund 120.000 Goldsucher noch mit normalen Gerät nach Gold suchen, bevor es ab 1850 bis 53 nur noch mit schwereren Bergbaumaschinen möglich war, das Edelmetall in ausreichenden Mengen zu abzubauen, dies dann aber umso profitabler. Jeder Sucher konnte sich ein Stück abstecken auf dem er Gold suchte, wenn er dies tatsächlich praktisch dort auch tat. Dies war ein ziemlich ordentlicher und selbstregulierter Vorgang. Zahlreiche Goldgräberstädtchen entwickelten sich, Boomtowns, die jedoch schon nach Abflauen des Rausches wieder aufgegeben worden. Trotzdem war das Leben rau, hart und reich an Entbehrungen. Gleichfalls war es zunehmend rassistisch, denn schon seit 1850 wurde es nur noch Amerikanern erlaubt, nach Gold zu suchen, wohlgemerkt zu einer Zeit, als Kalifornien noch nicht mal ein amerikanischer Bundesstaat war. Schwarzen oder Indianern blieb nur die Möglichkeit, für einen Goldsucher zu arbeiten.
Vom Goldrausch getragen entwickelte sich San Francisco zum unumstrittenen Zentrum des am 9.September 1850 ausgerufenen Bundesstaates Kalifornien und die Stadt schien stündlich zu wachsen. Zeitgenössische Schätzungen gehen davon aus, das die Stadt in nur vier Monaten von 6.000 auf 30.000 Einwohner wuchs. Die allermeisten neuen Siedler waren Männer. Erst 1880 soll sich der Frauenanteil in San Francisco bei der Hälfte eingepegelt haben. Neuer Wohnraum wurde an allen Ecken gewonnen. Alte Schiffe wurden verarbeitet, Teile der Bucht aufgeschüttet, um neue Wohnungen, Hotels oder Shops zu bauen. Teile des heutigen Financial Districts beispielsweise wurden erst 1851 dem Wasser der Bucht abgerungen. San Francisco muss in jenen Jahren wie eine große matschige Baustelle ausgesehen haben in der jeder versuchte innovativ seinen Teil des großen Kuchens abzubekommen. Ein deutscher Migrant, geboren als Löb Strauß im oberfränkischen Buttenheim, hatte die Idee den Arbeitern besonders strapazierfähige Hosen zu nähen und produzierte sogenannte Duck-Pants. Als er 1872 den Schneider Jacob Davies (ein geborener Lette) kennenlernte, erzählte ihm dieser von einer Idee einer robusten Hose mit Nieten und bat ihm um 68 Dollar für die Einreichung eines Patents. Strauß, der sich in Amerika Levi Strauss nannte, willigte ein und daraus wurden die heutigen Jeans.
Doch Geld wurde in San Francisco in den 1850er Jahren mit fast allem gemacht, am meisten aber mit Landbesitz (oder mit einer Glücksspiellizenz). Der Macht der Landspekulation und des Grundbesitzes ist auch das recht uneinfallsreiche Grundgerüst der Stadt „zu verdanken“, dass aus rechtwinkligen Straßengittern besteht, die sich an keinerlei morphologischen Besonderheiten der bergigen Halbinsel orientieren (was heute dazu führen kann, dass man das Gefühl hat an der nächsten Straßenecke beginnt ein Abgrund, aber tatsächlich geht die Straße nur steil nach unten). Auf den Flächen der Straßengittern zog Leben ein, dass in vollen Zügen genossen wurde. Schon 1853 wurden 573 Orte gezählt, die Alkohol verkauften. Bei einer Quote von einem Laden pro 60 Einwohner konnte man in San Francisco schon fast von einer Trunksucht reden, die gepaart wurde mit einer Leidenschaft für das Glücksspiel aller Art. Und so schrieb der gebürtige Kalifornier und Philosoph Josiah Royce später über San Francisco, dass die Männer die sich nicht dem Glückspiel hingaben, zu wenige waren um bemerkt zu werden. Aber es entstanden auch Restaurants, Hotels und Theater und San Francisco wurde zu einem beliebten Stopp für wandernde Theatergruppen. Gleichzeitig entwickelte sich ein lebhafter Zeitungsmarkt, den San Francisco war in den 1850er Jahren noch immer abgeschnitten vom großen Rest der USA und viele Leser dürsteten nach Informationen und Geschichten aus dem Rest des Landes und der Welt. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass durch das rasante Wachstum viele Menschen noch in Zelten wohnten und Krankheiten sich schnell ausbreiten konnten. Lungenentzündungen oder Cholera waren keine selten zu findenden Erkrankungen in jenen Jahren. Ein anderes Problem stellte die hohe Kriminalität dar, die sich einer anfangs kaum vorhandenen polizeilichen Staatsmacht gegenüber sah. Bandenkriminalität, die berühmteste Gang waren die Sydney Ducks, war ein großes Übel und ein Schwerpunkt waren Brandstiftung. Sechs schwere Feuer zerstörten rund 3000 Gebäude und auch, wenn alles wieder schnell aufgebaut wurde, waren die Schäden natürlich beträchtlich. Als Gegenmaßnahme wurde ein Komitee der Wachsamkeit („Committee of Vigilance“) gegründet, ein Prototyp für alle späteren Bürgerpatrolien und Nachbarschaftswachen in den USA. Und das Komitee war keinesfalls zimperlich. Wenn sie einen Kriminellen habhaft wurden, verurteilten sie diesen und ließen ihn hängen, was ihnen den nicht unbegründeten Vorwurf der Lynchjustiz einbrachte.

Nach dem Rausch: Krisen, Komitees und neue Anschlüsse

Ab 1853 ebbte der Goldrausch ab und war schließlich ebenso schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Die Stadt geriet ab der Mitte der 1850er Jahre in eine wirtschaftliche Krise. Die Immobilienpreise sanken dramatisch, rund ein Drittel aller Geschäfte in der Stadt standen leer. Erschwerend kam hinzu, dass Korruption gang und gebe war und der Glaube an staatliche Administration nicht existierte. Als 1856 ein Stadtverordneter, einen Zeitungsmacher erschoss, welcher gegen diesen (wahr oder/ und unwahr) angeschrieben hatte, bildete sich sofort ein neues Komitee aus Bürgern. In nur 3 Tagen schrieben sich 5.000 Menschen in das neue Wachsamkeits-Korps ein und schnell entwickelte sich daraus eine schlagfertige paramilitärische Truppe, die praktisch die Aufgaben der Stadtverwaltung nach ihrem Dünken übernahm. Im Namen des Komitees wurden vier Menschen gehängt und zahlreiche andere deportiert. Nachdem es nach eigenen Dünken in der Stadt aufgeräumt hatte, löste das Komitee sich bereits im Juli wieder auf und transformierte sich zu einer Partei. Damit kam wieder Ruhe in die Stadt und gegen Ende der 1850er Jahre setzte tatsächlich wieder ein beträchtliches Wachstum an der Bucht ein.
Rund 50.000 Menschen lebten da bereits in San Francisco und das nur 10 Jahre nachdem die Stadt überhaupt gegründet wurde. Wofür Boston 200 Jahre brauchte oder New York 190, schaffte San Francisco also in einer Dekade. Die Stadt wurde zu einer Metropole, die vielleicht noch multikultureller und vielsprachiger war, als die Städte der Ostküste. Der weitere Aufstieg setze sich in den 1860er Jahren fort, getragen von Silberfunden in der Sierra Nevada, die in San Francisco gehandelt wurden. 1870 erreichte man bereits die Zahl von 150.000 Einwohnern. Fünf Jahre später wurde das Palace Hotel eröffnet, dass mit seinem Reichtum, Service und seinen Dimensionen sogar dafür ausgelegt war, dass die Stadt noch viel weiter wuchs (bevor sich solch ein Hotel rentierte). Die Ausbreitung der Stadt gestaltete sich weiterhin rund um ihrem Ausgangspunkt an der Nordostecke der Halbinsel, während die direkte Pazifikküste noch unbewohntes Hinterland war. Doch es war klar das bei anhaltenden rasanten Wachstum schon bald auch dieser Teil bewohnt werden würde. Hier sahen innovative Bürger die Möglichkeit, einen Teil der Fläche zur Stadtverschönerung zu benutzen. 1868 wurde ein drei Meilen langer und eine halbe Meile breiter Streifen sich vom Ocean Beach nach Osten ziehender Streifen unter Schutz gestellt. Hier sollte der Golden Gate Park entstehen, ein urbanes Mammutprojekt. Die Größe der Aufgabe lag nicht nur in den Dimensionen für einen solchen Park (seine Fläche ist größer als der Central Park in New York), sondern auch darin, dass es sich hier um eine Dünenlandschaft handelte. Der Vater des Projekts William Hammond Hall musste sich also einerseits um das Problem der ständigen Versandung kümmern, als andererseits auch um eine ausreichende Bewässerung des Parks. Das Letztere wurde durch zwei Windmühlen gelöst, die noch heute am Westende des Parks zu sehen sind und Wasser in diesen pumpen. Die ständige Versandung wurde durch eine Mauer gelöst, auf der heute der Küsten Highway 1 entlang läuft. Die Bauarbeiten starteten in den 1870er Jahren und zogen sich bis ins nächste Jahrhundert. Im Park wurde 1894 die San Francisco Midwinter International Exhibtion eröffnet, welche 2,5 Millionen Besucher anzog. Lediglich der Japanische Garten wurde danach erhalten, denn man legte Wert darauf die Parklandschaft zu erhalten. So blieb gleichfalls nur der Name des geistigen Vaters der Ausstellung M.H. de Young in Erinnerung, nach welchem heute das zentrale Kunstmuseum im Park benannt ist, welches allerdings erst 2005 öffnete.

San Franciscos Bedeutung und seine Einzigartigkeit als abgeschiedene Metropole im Westen der USA änderten sich mit der Eröffnung der Transkontinentalen Eisenbahnverbindung 1869, die eine schnelle Verbindung in den Osten des Landes ermöglichte. Durch staatliche Förderung entstanden zwei Eisenbahngesellschaften, Union Pacific und Central Pacific, welche eine Linie durch die Weiten des Westens und die gewaltige Gebirgslandschaft der Sierra Nevada bauen ließ. Obwohl daran viele chinesische Arbeitskräfte beteiligt waren, wurden hauptsächlich vier Männer, die später sogenannten Big Four, davon steinreich. Mark Hopkins, Leland Stanford, Collis Huntington und Charles Crocker sollten mit der Eisenbahn nicht nur großartige Einnahmen erzielen, sondern sie erhielten großen Einfluss auf das Geschehen im Westen der USA, war doch die Eisenbahngesellschaft (1884 wurde sie zur Southern Pacific) zum wichtigsten Landbesitzer in Kalifornien geworden und wurde zu einem der wichtigsten Akteure, wenn es um politische Entscheidungen im Staat ging.
Für San Francisco war der neue Anschluss keinesfalls so fantastisch, wie es sich die Zeitgenossen ausmalten, denn nicht nur verlor die Stadt etwas von ihrer Einzigartigkeit am Rande des riesigen Landes, sie selbst wurde auch gar nicht ans Netz angeschlossen, denn die Verbindung endete am anderen Ende der Bucht in Oakland. Schnell neidete man der kleinen Nachbarstadt den Bahnhof und befürchtete diese könnte dem großen San Francisco den Rang ablaufen. Doch tatsächlich wurde die Bucht, wie der gesamte Westen nun als Markt für billigere Produkte aus dem Rest des Landes attraktiv. Gleichfalls kamen weitere Neuankömmlinge, doch für sie war es jetzt viel schwieriger geworden einen guten Job zu bekommen, denn tatsächlich schlitterte die Stadt in die ökonomische Krise der 1870er Jahre welche das gesamte Bundesgebiet der USA betraf. Der Westen konnte durch seinen neuen Anschlüsse diesen Krisen nun nicht mehr entrinnen. Ein markantestes Symbol der Krise war der Kollaps der Bank of California am 26. August 1875, dessen einflussreicher Besitzer Billy Ralston am nächsten Tag beim Schwimmen ertrank.

San Francisco bis zur Jahrhundertwende: Painted Ladies und Cable Cars

Mit der wirtschaftlichen Krise der 1870er Jahre erlebten die Arbeiter und Beschäftigten der Stadt erstmals die Auswirkungen ökonomischer Probleme. Die Arbeitslosigkeit griff um sich, ein Phänomen, dass bis dato nahezu unbekannt war. Schnell war ein Sündenbock für die Probleme gefunden, es waren die nach dem Eisenbahnbau unbeschäftigten Chinesen, welche die Aufmerksamkeit der Arbeiterschaft erwarben und für die Krise verantwortlich gemacht wurden. Bisher waren sie als exotische Minderheit wahrgenommen wurden, die in ihrem Viertel - Chinatown - lebten und nicht groß auffielen, die aber in den 1870er Jahren durch harte Arbeit, in der Zigarettenindustrie und der Textilverarbeitung zu Marktführern an der Bay wurden und die 1872 rund die Hälfte aller Fabrikjobs in San Francisco besetzten. Eine „anti-chinesische“ Stimmung machte sich breit, die auch durch administrative Reglungen weiter befeuert wurde. Viele Chinesen erfuhren Gewalt am eigenen Leib. Den Höhepunkt erreichten die rassistische Wut im Sommer 1877, als ein Mob Geschäfte und Häuser in Chinatown anzündeten. Erst ein erneut gegründetes Sicherheitskomitee konnte die Gewalt eindämmen. Aus der sich erhebenden Arbeitermasse entstand gleichfalls eine politische Bewegung, die Ungleichheiten in Kalifornien anprangerte und aus welcher sich die Workingsmen’s Party formierte, die zweifellos notwendige politische Reformen anmahnte, gleichzeitig aber nicht ihre rassistischen Tendenzen ablegte. Trotzdem wurde sie 1877 in den California Constitutional Convent gewählt, konnte dort aber keine wirklich wichtigen politischen Änderungen durchsetzen.
Die äußere Gestalt San Francisco wurde gleichfalls ab den 1870er Jahren verändert und ist noch heute sichtbar, denn bis zur Jahrhundertwende setzte die Epoche der Hausbauten im Viktorianischen Stil ein. Diese Redwood-Häuser prägen heute noch das Bild von San Francisco und obwohl sie in ihrer Ornamentierung so individualistisch wirken, sind sie doch meistens Produkte von großangelegten Projekten einiger Baufirmen, die in Katalogen ihre Entwürfe anboten und die dann reihenweise diese Häuser über die hügelige Landschaft San Franciscos setzten. Diese liebevoll Painted Ladies genannten Wohnhäuser gelten heute als Sehenswürdigkeit der Stadt, auch wenn viele von ihnen das Erdbeben von 1906 nicht überstanden.
Die Stadt erlebte trotz wirtschaftlich angespannten Zeiten bis zur Jahrhundertwende ein weiteres stetiges bis rasantes Wachstum und um die Jahrhundertwende wohnten bereits fast 350.000 Menschen in San Francisco. Die Stadt expandierte nun vor allem in der Fläche. Sie vergrößerte sich vom nordöstlichen Teil der Halbinsel aus und umschloss schon bald den im Westen der Stadt angelegten Golden Gate Park und dehnte sich weiter nach Süden aus. Die zahlreichen – nicht gerade flachen – Hügel der Stadt wurden durch ein neues Transportmittel erschlossen und zu beliebten Wohnquartieren gemacht, durch die cable car. Diese Kabelstraßenbahn in San Francisco – die heute ein bekanntes weiteres Wahrzeichen der Stadt ist – geht zurück auf den Schotten Andrew Hallidie. Dieser wurde aufgeschreckt durch die zahlreichen und teilweise grausamen Unfälle, die sich mit Pferdebahnen auf den steilen Hängen der Stadt ereigneten und ersann einen Plan. Ein unter der Straße angebrachtes Kabel, dass von einer Dampfmaschine angetrieben wurde, sollte die Straßenbahnwagen führen. 1873 eröffnete die erste Linie, die Clay-Street-Line und bald wurde seine Erfindung ein boomender Erfolg, der sich nicht nur in San Francisco ausbreitete, sondern in den USA und auch weltweit weitere Anwender fand. Allerdings war das Transportsystem spätestens seit den 1920er Jahren technisch veraltet und wurde überall aufgegeben, außer in San Francisco, wo noch immer 3 Linien in Betrieb sind und für den allerdings nicht gerade zimperlichen Preis von 7 Dollar pro Fahrt bestiegen werden können.
Auf den Hügeln der Stadt ließen sich die Reichen nieder und zeigten ihr Vermögen mit prunkvollen Villen. Nob Hill wurde zur elegantesten Adresse des amerikanischen Westens. In der Stadt etablierten sich vier große Tageszeitungen, welche die öffentliche Meinung in Kalifornien prägten und San Francisco zu so etwas wie einem Medienzentrum des Westens machten. Chinatown entwickelte sich derweil zu so etwas wie einer frühen Touristendestination. Verwaltet von den Six Companies war es die Heimat von rund 50.000 Chinesen in der Stadt, wo man als Tourist in die exotische Welt Asiens eintauchen konnte (was übrigens auch heute noch funktioniert). Die Zeitungen verwiesen gern auf den halb-legalen, moralisch anrüchigen Charakter des Viertels, waren doch hier auch Opium-Höhlen zu finden, welche nur ein Teil des sündigen Lebens in San Francisco um die Jahrhundertwende ausmachten, der auch bei weitem nicht auf Chinatown begrenzt war.
San Francisco war in jener Zeit das unumstrittene Zentrum in einem zunehmend wohlhabender werdenden Kalifornien. Jeder vierte Kalifornier lebte hier und die Stadt war nach New York der wichtigste Umschlagplatz des Außenhandels. Gleichwohl war die Politik des Bundesstaats, als auch der Stadt geprägt von Vetternwirtschaft und Korruption. 1901 riefen die immer stärker werdenden Gewerkschaften zu einem Streik auf, da sie einen Teil des Kuchens abhaben wollten, der bisher nur unter den Einflussreichen verteilt wurde. Tatsächlich kam es im September zu einem Generalstreik, der die Rolle der Gewerkschaften noch weiter stärkte und schließlich zum Gewinn des Bürgermeisterpostens für die Union Labour Party führte, in welcher der in der Stadt geborene Abu Ruef seine Fäden zog, der später allerdings ebenso wegen Korruption angeklagt wurde und letztendlich 14 Jahre im Gefängnis St.Quentin verbrachte.

Das Erdbeben von 1906

San Franciscos wohl einschneidenstes Ereignis war das Erdbeben vom 18.April 1906. Auf Grund der Lage an der San Andreas Verwerfung ist die Stadt bis heute ein Gebiet, dass mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von solchen Naturkatastrophen betroffen ist. Das letzte größere Beben lag schon fast 40 Jahre zurück, als um kurz nach 5 Uhr morgens die Einwohner der Stadt aus dem Schlaf gerissen wurden. Heutigen Schätzungen zur Folge lag die Stärke bei rund 7,8 auf der Richterskala und brachte zahlreiche Häuser, besonders im Financial District und North Beach zu Fall, was wohl insbesondere daran lag, dass in dieser alten Sumpfregion der Untergrund weniger fest ist. Das Beben war in fast ganz Kalifornien zu spüren und tatsächlich waren die Schäden durch die Erschütterungen in einigen Städten sogar verheerender als in San Francisco. Was die zerstörerische Wirkung des Bebens aber potenzierte, war ein darauf einsetzendes Feuer, das für 80% der zerstörten Häuser verantwortlich war. Geborstene Gasleitungen entfachten einen wahren Feuersturm, der vom Stadtzentrum startend sich über die Stadt wälzte. Zu allem Unglück war schon beim Beben der Feuerwehrchef der Stadt ums Leben gekommen, was die Koordination der Rettung stark einschränkte. Auch die gebrochenen Wasserleitungen trugen dazu bei, dass die Feuerwehr nur schwer arbeiten konnte und gegen Abend breiteten sich die Brände immer weiter aus. Die viktorianischen Holzhäuser boten dafür eine gute Angriffsfläche und man kann von Glück sprechen, dass sich die Winde drehten und so weiter westlich gelegene Teile der Stadt vom Feuer verschonten. Bürgermeister Schmitz rief die Armee, die im Presidio stationiert war zur Hilfe, die sowohl den Brand bekämpfte, als auch Plünderungen verhinderte. Doch auch mit ihrer Hilfe konnten die letzten Flamen erst drei Tage nachdem Beben endgültig gelöscht werden. Nach offiziellen Angaben starben rund 3.000 Menschen, während mindestens 10mal, nach anderen Schätzungen 100mal so viele Menschen Obdachlos wurden (was bei damals rund 400.000 Einwohner, dreiviertel der Bevölkerung ausmachen würde). Die Armee errichtete Zeltstädte um die Opfer unterzubringen, die auch dank der raschen Solidarität der Nachbarstädte bald mit dem Notwendigsten versorgt werden konnten. Tatsächlich erinnerte diese Situation ein wenig an die rasche Besiedlung zu Zeiten des Goldrausches, als viele Menschen gemeinsam in Zelten oder unter freiem Himmel schliefen mussten und Klassen oder Standesgrenzen keine größere Rolle spielten, sondern nur die Verbesserung der Situation in Angriff genommen wurde. Rund 28.000 Gebäude waren zerstört und – so die Legende – der Wiederaufbau startete, als die Ruinen noch rauchten. Schnell wurden aus 20.000 in der Stadt tätigen Bauarbeitern 60.000.

Wiederaufbau und neuer Glanz - San Francisco bis zum 2.Weltkrieg

Es stellte sich kurz die Frage, eine historische Chance zu nutzen. Durch die zahlreichen Zerstörungen war es möglich San Francisco besser und schöner aufzubauen als zuvor. Das starre grid-Muster aus Blöcken hätte man für eine Gestalt der Stadt verändern können, welche die Landschaft einschließt. Tatsächlich hätten Ideen dazu bereitgestanden. Die Bewegung des „City Beautiful“ hatten den bekannten Architekten Daniel Burnham mit einem Masterplan für die Stadt beauftragt. Burnhams Idee war es, die Hügel von Besiedelung zu befreien, lange Boulevards anzulegen, die Sichtachsen zu einem neuen neoklassischen Stadtzentrum erlaubten und neue Straßen zu bauen, welche sich der Oberfläche der Stadt besser anpassten und aus dem rechtwinkligen Muster ausbrachen. Burnham veröffentlichte seinen Masterplan 1905 in einem Buch, doch tatsächlich war die große Chance für den Start seiner Idee – die weitreichende Zerstörung der Stadt, insbesondere der Innenstadt – der eigentliche Todesstoß für ein Konzept das zahlreiche Anhänger in der Stadt hatte. Nach dem Beben war der wichtigste Punkt der schnelle Wiederaufbau, es ging darum, dass Leben so zügig wie möglich wieder zu normalisieren und nicht um einen teuren und zeitaufwendigeren Plan für die Anlage einer neuen Stadt. San Francisco verpasste es damit zu einer Planstadt zu werden und behielt damit „it’s birthmark as an instant city“, wie Tom Cole schreibt, bei.
Zu einem Symbol des Wiederaufbaus der Stadt wurde das neue Rathaus, denn das Alte stürzte beim Erdbeben ein. Auch wenn es erst 1912 bewilligt wurde, war es so etwas wie ein kleines Überbleibsel der City Beautiful Bewegung, denn es war im Beaux-Artes Stil von den Architekten Bakewell und Brown als zentraler Bau mit großer Kuppel geplant. 1915 wurde die City Hall eröffnet worden und wurde zum Zentrum eines neuen „Civic Centers“, das gleichfalls im historisierenden Stil noch ein Civic Auditorium bekam und eine Bibliothek, sowie das California State Building, die sich alle um das Rathaus herum positionierten. 1932 kam schließlich noch das Opernhaus der Stadt dazu, wo übrigens 1945 51 Nationen die Gründungscharta der Vereinten Nationen unterzeichneten.
Ein Höhepunkt der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts war die Weltausstellung, die „Panama-Pacific International Exposition“, im Jahr 1915, die allerdings etwas unter den Umständen des 1.Weltkriegs in Europa litt. Ein Hauptanliegen der Schau war der Durchbruch des Panamakanals, welcher den Anlass zur Feier gab (der Kanal konnte mit einem großen Modell studiert werden). Eine heute noch eindrucksvolle Hinterlassenschaft des Ausstellungsgeländes ist der Palast der feinen Künste von Bernard Maybeck.
Trotzdem erlebte San Francisco in jenen Jahren auch Spannungen, so wie beim Bombenanschlag beim Preparedness Day 1916, als 10 Menschen getötet wurden. Das hatte jedoch keine Auswirkungen auf die Bevölkerungszahl die bis 1920 rasant anwuchs. Die Stadt lebte in den 1920er Jahren in großer Prosperität bis auch hier die Weltwirtschaftskrise 1929 zuschlug und insbesondere den Hafen der Stadt und die (bis dahin) dort beschäftigten Arbeiter stark traf. Die schlechte ökonomische Situation führte zu weiteren Spannungen, so wie zum „Bloody Sunday“am 5.Juli 1934 als ein Streik gewaltsam von Streikbrechern aufgelöst werden sollte und zwei Menschen starben und über 100 verletzt wurden.
Die 1930er Jahre waren aber das Jahrzehnt, dass der Stadt zahlreiche heute noch bekannte Wahrzeichen bescherte. Dem Nachlass einer großen Freundin der Feuerwehr, Lillie Coit ist der nach ihr benannte Coit Tower auf dem Telegraph Hill entstanden, welcher an die städtische Feuerwehr erinnern soll und gleichzeitig wohl einen der besten Blicke auf die Stadt ermöglicht.
Ein fast noch bekannteres Wahrzeichen und gleichzeitig ein heutiger Touristenhotspot ist die eher ungemütliche Insel Alcatraz mit ihrem Gefängnis. Schon seit 1886 wurde die Insel vom Militär genutzt, aber im Jahr 1934 zu einem Hochsicherheitsgefängnis des Bundes umgebaut. Hier saßen so klangvolle Namen wie „Machine Gun“ Kelly oder Al Capone ein. Angeblich war die Insel ausbruchsicher, da die Strömung es nur schwer zulässt von ihr an Land zu entkommen und man große Gefahr läuft, über das Golden Gate ins Meer gespült zu werden. Tatsächlich beflügelte diese Tatsache noch weiter die Fantasie und nach der kostenbedingten Schließung des Gefängnisses wurde es zu einem beliebten Drehort für zahlreiche Filme, unter anderem „Der Gefangene von Alcatraz“ mit Burt Lancaster oder „Flucht von Alcatraz“ mit Clint Eastwood. Nach einer Besetzung durch Indianer in den 1970er Jahren wurde es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und mittlerweile von 1,3 Millionen Menschen per annum besucht.
Kein Besuchermagnet, aber für die Wasserversorgung der ständig wachsenden Stadt zentral, war der Bau des Hetch Hetchy Water Projects. Das 1934 fertiggestellte Projekt sicherte zwar die Wasserversorgung der Stadt, war aber aus einem anderen Grund äußerst umstritten, denn für das Wasser wurde das Hetch Hetchy Valley aufgestaut, das als eines der schönsten Naturgebiete Kaliforniens galt.
Die heute noch am sichtbarsten und vielleicht schönsten Leistungen der 1930er Baumaßnahmen sind die zwei Brücken, welche von der Stadt über die Bucht führen. Da ist zum einen der etwas weniger beachtete Bay Bridge, die vom Stadtzentrum über die Yerba Buena Island nach Oakland führt. Sie ersetzt die zahlreichen Fähren, die zwischen den beiden Fähren fuhren und das Ferry Terminal in San Francisco zur stärkst frequentierten Transitstation der USA machte. Als im November 1936 die Brücke eröffnete, konnte man über eine doppelte Hängebrücke fahren, eine Konstruktion die eine absolute Weltneuheit war und eine Investitionssumme von 80 Millionen Dollar kostete, eine für damalige Zeit enorme Summe. Für die weltweite Imagination San Franciscos war aber die 1937 eröffnete Golden Gate Bridge noch wichtiger, die als eine der schönsten Brücken der Welt gilt. Dabei war die Hängebrücke sehr umstritten, denn die reizvolle Landschaft an der Durchfahrt des Golden Gates sollte nicht mit einem so gigantischen Bauwerk verschandelt werden, immerhin war die Brücke die damals Größte ihrer Art. Letztendlich war aber die Gestalt und die Farbgebung der Brücke so gut gewählt, dass das Bauwerk zu den schönsten Brücken der Welt gezählt wird.
Im Februar 1939 eröffnete erneut eine Weltausstellung in San Francisco. Auf der künstlich aufgeschütteten Insel Treasure Island, welche sich an die Yerba Buena Island anschloss, wurde die Golden Gate International Exposition eröffnet, welche zwar nicht an die Strahlkraft und Innovation der Panama-Pacific Exposition heranreichte, aber immerhin auch 17 Millionen Gäste erreichte. Im Herbst des gleichen Jahres startete der 2.Weltkrieg, bei dem die USA erst später eingriffen, dann aber San Francisco zu einem der wichtigsten Plätze der Kriegsökonomie werden ließ. Und so erlebte die Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung, der sich nur noch mit den Zeiten des Goldrausches vergleichen ließ. Mehr als 1,5 Millionen Soldaten fuhren unter der Golden Gate Bridge hinaus in den Krieg während die Anzahl der Fabriken in der Stadt um ein Drittel zunahm und die Zahl an Arbeitskräften sich verdoppelte, wobei erstmals eine größere Menge Schwarzer sich in der Stadt niederließ und die Stadt insgesamt eine Einwohnerzahl von 775.000 erreichte, einen Höchstwert, der erst im Jahr 1990 wieder erreicht wurde.

San Francisco nach dem 2.Weltkriegs: Beatniks, Hippies and Milk

Die Nachkriegszeit und der bald darauf einsetzende Kalte Krieg machten San Francisco und die Umgebung der Stadt nicht nur zu einem wirtschaftlichen Zentrum, sondern auch zu einem kulturellen Hotspot der westlichen Welt. Das Begann bereits in den 1950er Jahren mit dem Beatnik-Movement, einer für die damaligen Zeit nonkonformistischen und rebellischen Bewegung, die als Vorläufer der Hippie-Bewegung gelten kann. In ihrer Mitte standen Schriftsteller, wie beispielsweise Jack Kerouac, der den Begriff der „Beat Generation“ erfand, der für den Konsum von Marihuana, freie Liebe und einer standhaften Nonkonformität gegenüber der Welt der 1950er Jahre stand. In Kaffees und dem legendären „City Lights Bookshop“ trafen sich die Beatniks und prangerten den Materialismus und die zunehmende Vereinnahmung der Gesellschaft von rechts an.
Dies hatte in den 1960er Jahren Nachfolger als neue linke Protestbewegung, die sich insbesondere auf dem Campus der Berkeley University auf der anderen Seite der Bucht einrichtete und Rassismus, Materialismus und Krieg kritisierte. Die Hippies, welche gleichfalls in den 1960er Jahren, insbesondere im Stadtteil Haight-Ashbury auftauchten waren viel weniger politisch, als das sie die Welt mit liebevollem Umgang und der Entsagung von Konsumismus (außer vielleicht von Drogen) begegnen wollten. Mit ihren langen Haaren und Bärten und zusammengewürfelten Klamotten setzen sie sich vom Rest der Stadt (des Landes und der Welt) ab und veranstalteten große „Be Ins“, wie den „Summer of Love“, der sich musikalisch in Scott McKenzies „San Francisco“ manifestierte und der Welt von einem neuen Lebensgefühl kündete. Doch die eher auf Disziplinlosigkeit angelegte Bewegung verwässerte sich schnell und wurde zu einem zeit-geistigen Modebegriff und schon zu Beginn der 1970er Jahre verwandelte sich Haight-Ashbury zu einem „New Age slum“ (so Cole S. 142). Und so wurde es wieder etwas rauer in San Francisco, in einer Stadt die aber weiterhin für Toleranz und Diversität stand. Im Viertel um die Castro-Street siedelten sich mehr und mehr Homosexuelle an, die ihren Liebe hier frei ausleben konnten. Hier wurde auch Harvey Milk zum ersten offen schwulen Stadtrat in den USA gewählt, der jedoch am 28. November 1978 gemeinsam mit dem Bürgermeister George Moscone vom einem ehemaligen konservativen Stadtrat, namens San White, erschossen wurde, weil dieser sich über die neue Politik in der Stadt erregte, seinen Posten zurückgab, diesen aber auf Betreiben von Milk und Moscone nicht wiederbekam. Als White mit einem recht milden Urteil von nur 7 Jahren Gefängnis wegen Totschlags davonkam, protestierten zahlreiche Schwule und deren Sympathisanten am 22. Mai 1979 in der sogenannten „White Night Riot“, bei der die Polizei rigoros von Gewalt Gebrauch machte.
So begannen die 1980er Jahre, die Dekade von AIDS, welche in der Stadt wütete und in welcher auch die nationale Wirtschaftskrise der USA nicht halt machte. So verlor der Hafen der Stadt mehr oder weniger seine Bedeutung mit der Erweiterung der Anlagen im gegenüberliegenden Oakland. San Francisco transformierte sich zu einer post-industriellen Stadt, die unter anderem sich als touristische Destination mit neuen Hotspots wie der Fisherman’s Wharf für Touristen attraktiv machte. Während im Stadtzentrum immer mehr Hochhäuser der Hochfinanz in den Himmel schossen und der Stadt einen neue Skyline und neue Blickwinkel bescherten, formierte sich quasi am anderen Ende der Interessen eine kraftvolle Umweltschutzbewegung, die unter anderem durchsetzte, dass schon 1973 sich eine Golden Gate National Recreation Area bilden konnte und die skeptisch auf die Auswüchse des Hochhausbaus und der Umgestaltung von einem urbanen Lebensraum zu einer Touristendestination blickten.
Das Erdbeben am 17.10 1989 beschloss ein nicht immer glückliches Jahrzehnt der 1980er, mit 63 Toten und über 3700 verletzten Menschen. Zwar war es nicht so dramatisch wie das Beben von 1906, aber mit 16.000 unbewohnbaren Wohnungen in der Bay Area und einer nicht mehr befahrbaren Bay Bridge hatte es erheblichen Einfluss in das Leben an der Bucht.
Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der nächsten 20 Jahre veränderte abermals das Aussehen der Stadt, denn mit dem Erfolg des Sillicon Valley und vieler neuer wohlhabender Menschen durchflutete die Gentrifizierung die Straßen San Franciscos, die es für Familien der Unter- aber auch der Mittel-schicht immer schwieriger machten, in der Stadt zu leben. So soll es schon 2007 mehr Hunde in San Francisco gegeben haben als Kinder und auch heute noch muss man befürchten, dass San Francisco sich zu einer teuren Stadt für Wohlhabende entwickelt (denn die Immobilien-Preise hier sind bereits die höchsten in den USA). Trotzdem wäre es falsch in der Stadt nicht auch heute noch viele Überbleibsel der kurzen aber so wechselvollen Geschichte zu sehen.

Literatur: Dieser Artikel stützt sich maßgeblich auf Tom Coles „A short history of San Francisco“

 

Geschichte Kopenhagens

Erstmals erwähnt wurde das heutige Kopenhagen im Jahr 1043. Damals war von einem Hafen („havn“) geschrieben wurden, die wohl eine kleinere Fischersiedlung in der Gegend beherbergte. Als der Bischof von Roskilde, der damaligen Hauptstadt Dänemarks, den Ort 1160 übernahm, ließ er eine Burg erbauen, den schon damals war die strategische Bedeutung des Ortes aufgefallen, war es doch am engen Öresund zwischen Seeland und Schonen der beste natürliche Anlegepunkt und noch dazu ein Ort mit reichlich Fischgründen, insbesondere Heringen. Nicht zu vergessen ist, dass Havn an einer engen Stelle des Øresunds lag und damit einen guten Übergang zwischen den beiden wichtigen Städten Roskilde und Lund schuf. So wuchs das Örtchen zu einem Handelsort heran und wurde auch bald so genannt, nämlich „Kaufmannshafen“, oder auf Dänisch: „Køpmannæhafn“. Mit rund 5.000 Einwohner bekam der Ort 1254 das Stadtrecht. Gleichwohl war Kopenhagens Lage auch Grund für Rivalität. Die im späten Mittelalter mächtige Hanse, ließ die Stadt im 13.Jahrhundert gleich zweimal Kopenhagen zerstören, wohl auch deshalb, weil die Dänen den Schiffsverkehr der Hanse störten. Doch der Konkurrent war nicht leicht abzuschütteln, Kopenhagen wurde immer wieder aufgebaut. 1413 machte Eric von Pommern die Stadt zu seiner Residenz und 1443 sogar zur dänischen Hauptstadt. Sie beerbte damit Roskilde. Dies und die Gründung der Universität Kopenhagens im Jahr 1479 (damit ist sie die zweitälteste Uni Skandinaviens und eine der Ältesten in Europa) machten die Stadt zu einem bedeutenden Zentrum im Nordeuropa des 16. Jahrhunderts. Den Reichtum der dänischen Könige mehrte sich durch den Öresundzoll, den jedes Schiff zu zahlen hatte, welche den Meeresabschnitt passieren musste.

Bis zur Regierung von Christian IV. (1588-1648) veränderte sich der Grundriss der Stadt kaum. Inzwischen Protestantisch wuchs Kopenhagen, als im südlich gelegenen Zentraleuropa die Wirren des 30-jährigen Krieges mit Verlust, Tod und Niedergang über das Land wehten. Um 1650 sollen bereits 30.000 Menschen in Kopenhagen gelebt haben. Der König ließ die Stadt im großen Stil ausbauen. Schloss Rosenborg entstand nördlich der Stadt als Sommerresidenz (heute liegt es mehr oder weniger im Stadtzentrum), in der Nähe wurde außerhalb der Stadtmauern, das Quartier Nyboder erbaut, ein Wohngebiet für die Angehörigen der Marine. Auf der südlich der Stadt gelegenen Insel Amagar wurde die Stadt Christianshavn erbaut, welche jedoch schon nach 57 Jahren um 1674 eingemeindet wurde. Das Unheil der Gewalt kam erst mit dem zweiten nordische Krieg (1655 bis 1671) ins Land, im Detail mit dem dänisch-schwedischen Krieg, in welcher die Stadt 1658 von den Schweden belagert und ein Jahr später sogar angegriffen wurde, denn den Schweden lag daran ganz Dänemark zu beherrschen. Die darauf folgenden Aufbauarbeiten sahen auch die Erweiterung des nördlich der Stadt erbauten Kastellets vor, einer Einrichtung für ein Heer von 3.000 Mann. Zahlreiche Bastionen wurden angelegt, denn nach dem Krieg lag Kopenhagen nun am östlichen Rande Dänemarks, das auf der anderen Seite des Öresunds gelegene Malmö und die Provinz Schonen wurden von Schweden annektiert. Um als Handelsstandpunkt attraktiv zu bleiben, wurde der Nyhavn angelegt, an dessen nördlichem Ende der repräsentative königliche Platz Kongens Nytorv entstand. Bis zum Jahr 1690 wuchs Kopenhagen weiter stark an und hatte da bereits eine Einwohnerzahl von 60.000 erreicht.
Dieses Wachstum verlangsamte sich im 18. Jahrhundert beträchtlich. Die Pest (1711), und große Stadtbrände (1728 und 1795) warfen die Entwicklung der Stadt zurück. Jedoch wurden in jenem Jahrhundert die großen Schlossanlagen gebaut, die heute noch in und um die Hauptstadt stehen und Einheimische und Gäste gleichermaßen beeindrucken. 1709 wurde das Renaissanceschloss Frederiksberg in Hillerød (etwas 30km NO der Stadt) erweitert, etwas weiter östlich davon entstand das Schloss Fredensborg 1722. Das neue Schloss Christiansborg entstand nach dem Brand 1728, was heute das wichtigste Bauwerk des dänischen Staates ist, denn hier sitzt das Parlament, der oberste Gerichtshof, der Ministerpräsident und hier befinden sich ebenso die königlichen Empfangsräume (allerdings sollte der damalige Bau ein Feuer 1794 nicht überleben, sein Nachfolger fiel ebenso einem Feuer zum Opfer und das heutige Schloss stammt erst aus dem 20. Jahrhundert). Nicht zu vergessen ist Schloss Amalienborg, was als Zentrum des neuen Barock Viertels Frederiksstaden gebaut wurde.
 Kopenhagen wuchs zur Großstadt heran und erreichte 1800 die 100.000 Einwohnermarke. Doch die Auswirkungen der französischen Revolution sollten die Stadt treffen, denn Kopenhagen wurde auf Grund der dänischen Neutralität mit Schweden, Preußen und Russland von der englischen Flotte erst 1801 bombardiert und 1807 gar eingenommen. Die Briten plünderten die Stadt. Noch schlimmer war, dass durch die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß die Stadt ihre Bedeutung als wichtigster Hafen Nordeuropas an die Stadt Hamburg verlor und so auch der Wiederaufbau recht langsam von statten ging und erst ab den 1830er jahren ein langsamer Wirtschaftsaufschwung begann.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die industrielle Revolution auch in Dänemark ein. 1847 wurde eine erste Eisenbahnlinie zwischen Kopenhagen und Roskilde eröffnet. Die ländliche Bevölkerung suchte ihr Glück in der Hauptstadt und diese platzte mehr und mehr aus ihren Nähten, hatte sie doch noch eine mittelalterliche Verteidigungsanlage, innerhalb die meisten Menschen wohnten. In den immer beengter werdenden Platzverhältnissen verschlechterten sich die hygienischen Bedingungen dramatisch. 1853 kam es zu einer Cholera-Epidemie, an der 5.000 Menschen starben. Danach folgten zahlreiche Maßnahmen die Stadt für ihre neue Größe anzupassen, 1859 wurde die Frischwasserzufuhr verbessert und ein Gaswerk gebaut, das die Straßen nachts beleuchtete. 1868 schließlich wurden die Stadtmauern geschleift und Kopenhagen wuchs schnell über seine alten Grenzen hinaus. Die Viertel Østerbro (im N), Nørrebro (im W) und Vesterbro (im S) entstanden. Die Lage der alten Stadtgrenzen und ihrer Befestigungsmauern lässt sich heute noch erahnen, liegen doch der Tivoli, sowie die Parks Ørestedparken und Østre Anlæge an ihrer Stelle. Es bedurfte nur wenig Zeit bis Kopenhagen mit der Nachbargemeinde Frederiksberg zusammenwuchs. Noch heute ist die mittlerweile über 100.000 Einwohner zählende Stadt selbstständig wird aber von der Stadt Kopenhagen komplett umschlossen.
Im 2.Weltkrieg wurde Kopenhagen am 9.April 1940 kampflos von der deutschen Wehrmacht eingenommen. Seit dem Dänisch-Deutschen Krieg 1864, der mit erheblichen Territorialverlusten in Schleswig und Holstein für die Dänen endete, präferierte Dänemark eine strenge Neutralitätspolitik gegenüber Deutschland (wie bereits im 1.Weltkrieg), bei der das gesamte Land kampflos an Nazideutschland übergeben wurde. Einige dänische Widerstandskämpfer griffen in den Jahren des Krieges Industrieanlagen an und 1944 kam es zu einem landesweiten Generalstreik, in dessen Folge der SS-Korps Schalburg-Gruppe den Tivoli als Vergeltung zerstörte. Ein Bombardement alliierter Flugzeuge am 21. März 1945 führte zur unbeabsichtigten Zerstörung einer französischen Schule und deren Umfeldes, bei dem mehr als 900 Menschen ihr Leben ließen (ein Kampfflugzeug der Alliierten stürzte versehentlich über der Schule ab und die Explosion wurde von den anderen Flugzeugen als Zeichen betrachtet, die Gegend zu bombardieren). Betrachtet man aber die Ereignisse und Zerstörungen des 2.Weltkrieges insgesamt, so wurde Kopenhagen fast unbeschadet aus diesem schlimmsten aller Kriege. Dazu passte auch das es in ganz Dänemark keine wirkliche Nazifizierung gab, die dänische Regierung unter den gegebenen Umständen relativ selbstständig handeln konnte und man dabei beispielsweise sehr viele jüdische Bürger vor dem Holocaust retten konnte.
Nach 1945 benötigte man einen Plan, wie man mit einer wachsenden Stadt (Kopenhagen hatte 1940 bereits über 700.000 Einwohner und erreichte seinen Höchststand von 768.000 zehn Jahre später) umgehen wollte. Dazu wurde 1947 ein offizieller Stadtentwicklungsplan vorgestellt, der „Fingerplan“. Sein Name nimmt sich ein Beispiel an der Figur einer Hand, von der sich die einzelnen Finger lösen. Die Handfläche ist die Innenstadt und die Finger sind verkehrstechnisch gut angeschlossene Zentren mit Wohn- und Arbeitsgebieten, sowie Freizeiteinrichtungen. In den Leerräumen zwischen den Fingern sollten Grünflächen entstehen. Für die verkehrstechnische Anbindung wurde sich dem 1934 eingeführten S-bahnnetz S-tog bedient. Ziel dieses Stadtentwicklungsplans war der moderne Geist der räumlichen Trennung von Arbeits- und Wohnort bei einer gleichzeitigen Kontrolle des Außenwachstums der Stadt. Auch wenn der Fingerplan, der von Peter Bredsdorff entwickelt wurde, sich mehrfach neuen Realitäten anpassen musste, so ist er als basales Ordnungsprinzip für die Kopenhagener Stadtentwicklung nach dem 2.Weltkrieg elementar. Obwohl der Großraum Kopenhagen noch bis weit in die 1970er Jahre wuchs (während die eigentliche Stadt schon Bevölkerung verlor), hielt man an den grünen Zwischenräumen im Umfeld der Stadt fest. Ab den 1980er Jahren trafen sich vertiefende wirtschaftliche Strukturprobleme mehr und mehr die Stadt. Industriebrachen entstanden und Gründerzeitviertel verarmten. Erst Mitte der 1990er Jahre erholt sich Kopenhagen davon. 1996 kann als Startschuss für das Entstehen der neuen nordischen Metropole Kopenhagen gelten, war man in jenem Jahr doch europäische Kulturhauptstadt. Der Einwohnerverlust wurde gestoppt (1992 zählte man nur noch 464.566 Bürger Kopenhagens) und es erfolgte eine stetige Verbesserung des Anschlusses an das europäische Verkehrsnetz, in Richtung Westen mit der Großen Belt Überquerung und in Richtung Osten mit der unmittelbar an die Stadt grenzenden Öresundbrücke, die seit 2000 Kopenhagen mit dem schwedischen Malmö verbindet. 2002 wurde die Kopenhagener Metro eröffnet, zu deren zwei Linien in den nächsten Jahren zwei weitere hinzukommen werden. Noch mehr zeigt sich das aber an den fast unendlich vielen Bauprojekten die in der Stadt wachsen und die neben zahlreichen Wohn- und Arbeitsquartieren auch einige neue bauliche Wahrzeichen der Stadt bescherten.                 

Der Bahnhof

Aufteilung in BahnhofstypenPhasen des BahnhofsbausDie Elemente des BahnhofsDer Bahnhof und die StadtLiteratur

Einleitung

Obwohl Bahnhöfe nur ganz selten älter als 150 Jahre sind, haben sie sich doch tief in die DNA einer jeden Stadt eingebrannt. Sie sind nicht nur Orte des Transits, des Verlassens und Ankommens, sondern haben auch eine eigene urbane Lebenswelt erschaffen und nicht zuletzt sind sie erstaunliche architektonische Leistungen, die wegen ihrer Größe und Lage, das Aussehen einer Stadt mitbestimmen.
Bahnhöfe können auch zum Mittelpunkt städtischen Lebens werde, ohne das von ihrer Transitfunktion Gebrauch gemacht wird. Als Dresdner erinnere ich mich (wenngleich nur vom Hören-Sagen) an den Herbst 1989, als der hiesige Hauptbahnhof Zentrum einer sich bildenden Protestbewegung wurde. Der Bahnhof war damals dunkel und vor allem sehr schmutzig, eine Entwicklung die in die 1980er Jahre passt, als Bahnhöfe (fast schon weltweit) einen schweren Stand hatten. Erst als ein führender Politiker (leider erinnere ich mich nicht wer) mit dem Zug nach Dresden kommen sollte, wurde ordentlich geputzt und gesäubert, was den normalen Bürger und Zugbenutzer natürlich aufregte, weil es implizierte das für den täglichen Bedarf es ruhig schmutzig aussehen durfte. Einige Zeit später sollten die Prager Botschaftsflüchtlinge in die BRD ausgefahren werden, wobei die Strecke durch den Hauptbahnhof verlief, ohne das die Züge hier stoppen sollten. Der potentiell republikflüchtige und konterrevolutionäre Teil der Dresdner ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, den Zug vielleicht sogar zu stoppen, um selbst mit aufzuspringen. So kam es zu einem heftigen Polizeieinsatz. Und auch als sich später die Gruppe der 20 bildete, die zwischen Demonstranten und politischer Führung im Herbst 1989 vermitteln wollte, setzte sich diese Gruppe auf der Prager Straße in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs zusammen.
Allein diese Ereignisse aus dem Jahr 1989 zeigen, welche große, über einen Nicht-Ort des Transits hinausgehende Bedeutung, ein Bahnhof in einer Stadt haben kann. Deshalb werfen wir als nächstes einen Blick auf Bahnhöfe, als erstes mit der Frage, welche Typen man grob unterscheiden kann, dann welche Phasen im Bahnhofsbau geschichtlich identifiziert werden können, bevor wir einige Elemente des Bahnhofs herausarbeiten und als folgenden Punkt wollen wir grob umreißen, welche Rolle der Bahnhof bei der Umgestaltung und Erweiterung der Stadt gespielt hat. Als letztes sollen einige Bahnhöfe vorgestellt werden.

Aufteilung in Bahnhofstypen

Bahnhöfe tauchen in den unterschiedlichsten Formen in der (Stadt-)Landschaft auf. Ganz grundsätzlich kann man zwischen Güter- und Personenbahnhöfen unterscheiden. Güterbahnhöfe sollen hier nicht weiter betrachtet werden. Personenbahnhöfe wiederum können nach ihrer Lage im Liniennetz unterteilt werden (beispielsweise Endbahnhof, Kreuzungsbahnhof etc.). Wesentlich interessanter ist jedoch eine Einteilung von Personenbahnhöfen nach ihrem Grundriss. Damit zeigen sich die Formen, die der Bahnhof in der Stadt einnimmt und die Verbindungen mit dem einen Bahnhof das Aussehen einer Stadt formt.

Die häufigste Form des Bahnhofs ist der Durchgangsbahnhof. An ihm kann ein einfahrender Zug, zur anderen Seite wieder ausfahren. Sonderform des Durchgangsbahnhofs ist der Reiterbahnhof, bei dem das Empfangsgebäude quer über den Gleisen gebaut wurde. Ein bekanntes Beispiel ist der Hauptbahnhof Hamburg. Eine andere Form ist der Inselbahnhof, wo die Gleise das Empfangsgebäude komplett umschließen, so wie beispielsweise in Halle (Saale).  So etwas wie ein doppelter Durchgangsbahnhof ist ein Turm- oder auch Etagenbahnhof. Hier führen die zumeist durchgehenden Gleisanlagen auf unterschiedlichen Ebenen über- bzw. untereinander vorbei. Ein bedeutendes Beispiel dafür ist der Hauptbahnhof Berlin, wo sich die Strecken von Ost nach West und Nord nach Süd auf unterschiedlichen Ebenen kreuzen.

Dem gegenüber ist bei einem Kopfbahnhof keine Durchfahrt möglich. In Kopfbahnhöfen endet das Gleis. Diese Grundrißform entstand in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Da man keine Eisenbahnverbindung weiter in die Innenstädte vorließ, oder die Grundstückspreise einen Weiterbau nicht finanzierbar machte, entstanden an den zumeist an den damaligen Stadträndern Kopfbahnhöfe. Hatte die Stadt noch eine Stadtmauer, so wurden die Stationen bis zu diesen gebaut. Nachdem Verschwinden der städtischen Befestigungen wurden so die Bahnhöfe zu so etwas wie den Toren zur Stadt für ankommende und abfahrende Passagiere. Da die Städte auch durch die Anbindung der Eisenbahn enorm wuchsen, finden sie sich heute am Rande der Innenstadt wieder. Meist konnten, insbesondere in größeren Städten, mehrere Kopfbahnhöfe errichtet werden, da es unterschiedliche Eisenbahngesellschaften gab. Das konnte sogar zu einer ganzen Reihe von Bahnhöfen in unmittelbarer Nähe führen, wie in London, wo keine Bahnlinie näher an die Stadt ranfahren durfte,  als bis zur Euston Street. Tatsächlich konnten sich aber zahlreiche Gesellschaften mit ihren Gleisen dort treffen, bauten jedoch jeweils eigene Bahnhöfe, die man auch heute noch so finden kann, mit der Euston Station, Kings Cross und St.Pancras Station. In anderen Städten wurden diese Bahnhöfe später zusammengelegt, wie in Frankfurt oder Leipzig (wo je drei Endhaltestellen auf engstem Raum ankamen) und riesige Großbahnhöfe entstanden.

Phasen des Bahnhofsbaus

Im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert hatten neue Bahnhofsbauten  eine große architektonische Bedeutung. Die Eisenbahn wurde zum bedeutendsten und fortschrittlichsten Transportmittel der Welt. Sie revolutionierte nicht nur das Reisen, sondern die gesamte Lebensweise der Menschen, die in der Nähe eines Eisenbahnanschluss wohnten. Um nur ein Beispiel zu nennen, die heutigen Zeitzonen unserer Erde, mussten erst durch die Erfindung der Eisenbahn geschaffen werden, da man eine standardisierte Zeit für die korrekte Abwicklung der Fahrpläne benötigte. Durch die Bahnfahrt wurde eine Distanz nicht mehr räumlich, sondern zeitlich gedacht (das geschieht auch heute noch, neue Hochgeschwindigkeitsstrecken werben mit der Zeitersparnis gegenüber alten Routen).
Die Eisenbahn erneuerte die Bewegung der Menschen. Jede Stadt wollte daher im 19. Jahrhundert möglichst schnell an das Eisenbahnnetz angeschlossen werden und so wurde auch der Bahnhofsbau zu einem Brennpunkt der Bauplanung. Schon allein wegen seiner fortschrittlichen Rolle, wurde er zu einem der zukunftsweisendsten Bauwerke der Stadt.
Obwohl die Literatur über Bahnhöfe eher bescheiden anmutet, wenn man ihre Größe und Bedeutung betrachtet (eine kleine Aufstellung findet sich am Ende des Beitrags), hat sich doch eine historische Einteilung für den Bau von Bahnhofsgebäuden durchgesetzt.
Die erste Phase war die Pionierzeit von 1830 bis 1850. Erste Linien wurden angelegt und verbunden. Der Bahnhof wurde dabei der Poststation nachgeahmt, die bis zu seiner Erfindung für den Betrieb der Postkutschen zuständig war und bei denen die Pferde gewechselt wurden. Die ersten Bahnhöfe wurden daher auch im Abstand von rund 15 bis 20km eingerichtet, um die Wasser- und Kohlenvorräte zu erneuern. Daraus entstammt auch der Name „Bahnhof“ im deutschen Sprachgebrauch, da es sich um eine geschlossene Anlage für die Eisenbahn handelte. Er bestand aus Hochbauten auf beiden Gleisseiten, die mit Zäunen gesichert wurden, wobei sogar die Gleise umzäunt waren.
In den 1850er Jahren folgte die Phase der Vereinheitlichung, die vor allem besagt, dass aus einzelnen Linien, Netze wurden. Auch die unterschiedlichen Spurweiten pegelten sich ein, was hauptsächlich daran lag, dass die Lokomotiven aus Großbritannien gekauft wurden und damit die Spurweiten vorgegeben wurden. Bahngesellschaften versuchten verstärkt bei ihren Stationen ein einheitliches Bild abzugeben.
 Von 1860-90 folgte die Phase der stilistischen Verfeinerung. In dieser Zeit kann für Europa festgestellt werden, dass die Hauptrouten fertiggestellt wurden und der Ausbau kleinerer Strecken begann. Dem folgte bis zum 1.Weltkrieg die Phase der Megalomanie, dass heißt der Bahnhofsbauten die immer größer und gigantischer wurden. Diese entstanden, da Vereinheitlichungen vorgenommen wurden und Großbahnhöfe die vielen kleinen Haltepunkte, die gern auch nebeneinander lagen, vereinen sollten.
Danach sind die Einteilungen nicht mehr einfach zu treffen, da je nach Nation unterschiedliche Wege gegangen wurden. Der 2.Weltkrieg betraf insbesondere Europa und führte zu riesigen Beschädigungen die selbstverständlich auch Bahnhöfe trafen, die sehr häufig Ziele der Bombardements wurden. Klar ist, dass nach dem 2.Weltkrieg das Zeitalter des Automobils begann und damit die Eisenbahn zurück gedrängt wurde. Spätestens in den 1960er Jahren ist ein massiver Rückbau von Bauwerken zu beobachten gewesen, einige der besten und schönsten Stationen vielen dem Abriss zum Opfer, so wie die historische Penn Station in New York oder die alte Euston Station in London. Auch wenn zu jener Zeit die ersten Bewegungen entstanden, die darauf drängten Bahnhöfe als kulturelles Erbe zu erhalten (und die einigen Erfolg hatten, wie sich an der Grand Central Station in New York zeigt, die abgerissen werden sollte, oder am Gare d’Orsay in Paris, der zwar kein Bahnhof blieb, aber zu einem Kunstmuseum umgebaut wurde), konnte man bis in die 1980er Jahre hinein, eine zunehmende Verwahrlosung von Bahnhöfen feststellen, die dann ab den 1990er Jahren in einer Renaissance endeten, als Bahnhöfe mit neuen zusätzlichen Funktionen ausgestattet wurden. Bahnhöfe wurden zu Orten des Konsums, nicht nur für die Reisenden, sondern auch für andere Bürger, die lediglich seine nicht enden wollende Öffnungszeiten benutzen wollten. Damit veränderte sich sukzessive seine Eigenschaften und teilweise wurden Bahnhöfe zu Malls mit Gleisanschluss.

Die Elemente des Bahnhofs

Als gegen 1830 die ersten Bahnhöfe gebaut wurden, folgten diese Bauten meist dem architektonischen Stils des Zeitgeistes von Neogotik oder Neoklassik. Trotzdem durften Architekten beim Bahnhofsbau durchaus Neuerungen einsetzen, war doch der Bahnhof Symbol einer modernen Welt. Einige Eisenbahngesellschaften wollten einen eigenen, wiedererkennbaren Stil durchsetzen, während bei anderen Unternehmen der Architekt frei entscheiden konnte, was er für die beste stilistische Lösung hielt. Die ersten Stationen hatten zumeist ein Verwaltungsgebäude, was an der Längsseite des oftmals einzigen Gleises stand. Später wurden doppelseitige Bahnhöfe gebaut, an Endpunkten Kopfbahnhöfe. Die ersten Bahnsteighallen, die mehrere Gleise in sich vereinten, wurden fast immer mit einem gewölbten Dach gebaut. Interessanterweise war dies aber keine Tätigkeit für einen Architekten. Es sollte von den künstlerisch weniger beschlagenen und solideren Ingenieuren konzipiert werden, die für Innovationen bekannt waren, aber nicht für Kunst. Diese bauten  leichte, weite Hallen, deren Bogenrippen erst aus Holz, später aus Eisen errichtet wurden. Das erste gewölbte Eisendach entstand 1849 an der Liverpooler Lime Street Station. Diese Hallen wurden mit den Jahren immer größer und orientierten sich an den neuesten Stand der Technologie, welcher sich zumeist in den großen Ausstellungsgebäuden der Weltausstellungen der 2.Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigte.  Später wurden die Hallen sogar mehrfach überspannt. Den Rekord hält der Leipziger Hauptbahnhof, der sechsfach überspannt ist.
Jedoch waren es meist die Abmessungen der Bahnsteighalle, welche die Größe des Gesamtbaus definierte. Das Empfangsgebäude, das für das künstlerische Aussehen des Bahnhofs stand, wurde von Architekten erdacht, wobei es dabei durchaus Spezialisten für Bahnhofsarchitektur gab. Selbstverständlich waren diese Bauwerke nicht nur rein funktionale Bauten, sondern mussten auch Repräsentieren, ob nun die Stadt oder die Eisenbahngesellschaft oder beide zusammen. Hier lassen sich zwei Merkmale aufzeigen, die für Bahnhofsgebäude typisch wurden.
Seit den 1880er Jahren kamen Torbögen an der Eingangsfront in Mode. Sie hatten zum einen die symbolische Funktion, als ein neues Stadttor zu fungieren (man darf nicht vergessen, die meisten Stadtmauern und Tore wurden erst im 19. Jahrhundert abgerissen und waren noch nicht weit aus dem kollektiven Gedächtnis entschwunden). Zum anderen hatten sie den gewachsenen Andrang an Passagieren zu bewältigen, denn die Eisenbahn wurde zu dem Massentransportmittel schlechthin. Dabei konnte der Torbogen sich in der Fassadengestaltung wiederholen. Steve Parissien schreibt, dass deutsche Bahnhöfe besonders gern dreibogige Eingänge haben.
Ein weiteres typisches Bahnhofscharakteristikum ist die Turmuhr oder auch der Uhrenturm, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchsetzte und die die Rolle der Zeit nochmals objektiv darstellte. Diese Türme unterbrachen zumeist die eher horizontale Wirkung der breiten Bauten und fügten ein vertikales Element ein. Eine der ersten Uhrentürme wurde von George Gilbert Scott am ausschweifenden Bahnhof St. Pancras in London angebracht. Uhrentürme konnten dabei sowohl als symmetrisches Element in die Mitte der Gesamtstruktur eingebaut werden, gleichfalls eigneten sie sich aber auch als unsymmetrisches Bauteil, dass den Bahnhof auflockerte. Uhrentürme waren bei Nord- und mitteleuropäischen Bahnhöfen übrigens weitaus verbreiteter als in Südeuropa.

Ein Bahnhof besteht aus sehr unterschiedlichen Elementen. Als wichtigstes ist natürlich die Anbindung an seine Infrastruktur zu bemerken. Das heißt, es führen Gleise durch oder um die Stadt bis ins Gebäude hinein. Die Gleise im Bahnhof sind zumeist überdacht, entweder mit einem Bahnsteigdach oder in Form einer Bahnhofshalle, die imposante Maße annehmen kann. Die ersten Bahnhöfe hatten zumeist auch ein Verwaltungsgebäude, was an der Längsseite des oftmals einzigen Gleises stand. Später wurden doppelseitige Bahnhöfe gebaut, dass heißt an beiden Seiten befanden sich Gebäude, dessen Zweck es zu Beginn des Eisenbahnzeitalters war, die ankommenden und die abfahrenden Passagiere voneinander zu trennen und Ein- und Ausstieg zu regeln, so wie man es heute noch bei Flughäfen kennt. Diese Bauwerke wurden auch als Empfangsgebäude bezeichnet.  Am Anfang war dies zumeist nur ein simpler Bau, der aber mit der Zeit zunehmende Wichtigkeit errang, weil er neben seinen Funktionen auch repräsentieren musste. Diese Bauwerke standen zumeist neben den Gleisen, auch bei Kopfbahnhöfen. Erst danach entstanden unterschiedliche Grundrissformen. Erst danach entstanden unterschiedliche Grundrissformen. Gerade Kopfbahnhöfe konnten U-förmig, L-förmig oder auch mit anderen Lösungen die Gleise umbauen. Dabei entstand auch der Querbahnsteig (daher die begehbare Fläche die rechtwinklig nach dem Ende der Gleise begann), der anfangs noch geteilt war, zum einen als Teil der Empfangshalle, zum anderen als Teil der Bahnsteighalle.
Das gesamte Prozedere der Bahnreise war anfangs von einigen Regeln geleitet, welche die Reise erheblich zeitaufwändiger machten, als wir dies heute praktiziert wird. Kann man heutzutage, quasi in letzter Minute, noch seinen Zug bekommen, war die Bahnreise früher ein sehr geordneter Prozess, der sich tatsächlich mit der heutigen Flugreise vergleichen lässt. Die Passagiere fanden sich weit vor dem Abfahrtszeitpunkt der Reise ein und saßen in einem Wartesaal, welcher auch nach Klassen unterteilt werden konnte. Sie wurden dann für ihren Zug aufgerufen und zum Bahnsteig geleitet. Mit der Vereinfachung dieses recht aufwendigen Prozesses, wurden architektonische Veränderungen möglich. Die Wartesäle verloren an Bedeutung, das Empfangsgebäude wurde zum Durchgang degradiert. Der Zug konnte nun zügig, vom Eingang des Bahnhofsvorplatzes über die lange Empfangshalle erreicht werden. Im Mittelpunkt standen dabei die Fahrscheinschalter, an denen Billets erworben werden konnten. In den Zwischenräumen siedelten sich kleine Verkaufsläden an, die Reisebedarf anboten. Heute sind daraus, oft nach massivem Umbau, ganze Malls geworden, wie am Leipziger Hauptbahnhof. Diese gestalten die Funktionalität eines Bahnhofes erheblich um. Teilweise werden aus Bahnhöfen dann Einkaufszentren, die mit anderen Shoppingcentern in der Stadt konkurrieren. Dabei können sie teilweise ihren Charakter als öffentlicher Ort stark verändern. 

Am Ende des 19.Jahrhunderts zeigte sich, das Hochbauten im Vergleich zur Trassierung und zur Wartung der Strecke recht preisgünstig waren, wodurch sich die Überlegung ergab, zu Werbe- und Repräsentationszwecken stattliche und bewundernswerte Bauwerke zu errichten. Weiterhin entwickelten sich die Bahnhöfe zu Orten des öffentlichen Raumes der Stadt, die sich aber von anderen Bauwerken im urbanen Kontext unterschieden. So war es nicht das Empfangsgebäude, welches das Stadtbild erneuerte, sondern die Bahnsteighalle, welche sich zumeist dahinter emporschwang. Für die bauliche Qualität sprach dann, wenn es einem Bahnhof gelang Halle und Empfangsgebäude in eine künstlerische Einheit zu bringen.
Eine Bahnsteighalle gehörte bald zum guten Ton eines Bahnhofes, denn man wollte die Passagiere nicht den Wetterbedingungen aussetzen. Diese Hallen wurden zu den charakteristischen Gebäuden des 19. Jahrhunderts und waren damals der Höhepunkt an baulichen Möglichkeiten der Raumbedeckung mit immer größerer Spannweite. Hatten die ersten Bahnhöfe zumeist nur einfache Zimmermannsdächer, so wurden später Gus- und Schmiedeeisenkonstruktionen herangezogen, auch weil sie einen höheren Schutz vor Feuergefahr brachte. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Stahlkonstruktionen für die Dachträger üblich. Obwohl gerade nach der Jahrhundertwende die Hallen immer gigantischer wurden, gab es doch auch Bahnhöfe, die es bei einem simplen Bahnsteigdach beließen. Ein Beispiel ist der der Madrider Bahnhof Chamartín, ein Neubau aus den 1970er Jahren, der nur mit Bahnsteigdächern und ohne Halle gebaut wurde.

Der Bahnhof und die Stadt

Historisch gesehen folgt der Bahnhof dem Postkutschverkehr. Deren Abfertigungsstationen lagen zumeist mitten in der Stadt und unterschieden sich kaum von anderen Häusern der Ortschaft. Nur der Name des nahen Gasthofes „Zur Post“ und alte Postmeilensäulen erinnern heute noch daran. Mit der Bahn ändert sich die Position der Stationen der neuen Transportmittel, denn die ersten Bahnhöfe lagen außerhalb der Stadtmauern, da innerhalb dieser das Land stark benutzt und teuer war. Doch mit der Eisenbahn kam die Veränderung. Die Transformation der engen mittelalterlichen Stadt zur modernen Stadtlandschaft, die sich so rasend schnell im 19. Jahrhundert vollzieht ist das „Resultat der Industriellen Revolution im allgemeinen, der Transportrevolution der Eisenbahn im besonderen.“ (Schievelbusch; S. 158). Die Eisenbahn war – zumindest in Europa – mitverantwortlich für die dichte Bebauung in der Innenstadt und sie prägte den Charakter der ihr anliegenden neuen Vorstädte, nicht zuletzt war sie ein entscheidender Faktor des Immobilienmarktes des 19. Jahrhunderts.  
Der neu entstehenden Bahnhöfe hatte bald eine Scharnierfunktion (der Ausdruck stammt von Thomas Hengartner aus seinem Aufsatz „Bahnhöfische Welten“) in der Stadt eingenommen. Erst war er ein Appendix, der am Rande der Stadt gebaut wurde, doch wurde er bald zu einer Schleuse, der den Strom der Reisenden in die Stadt hinein bündelte. Der Bahnhof wurde das Tor zur Stadt, für Personen, die in sie hinein wollen, gleichzeitig aber auch das Tor zur Welt, für die Reisenden, die die Stadt verlassen wollten. Schon das ist in gewisser Weise in die Architektur – gerade von Kopfbahnhöfen – eingeschrieben. Das steinerne Gebäude des Empfangsgebäudes ist der Stadt zugwendet und hat eine urbane Dimension, während die weite Bahnsteighalle dahinter die Ausweitung des Raumes mit seinen oft riesigen Bögen bereits andeutet. Außerdem geht dieser Einteilung eine langsame lebensweltliche Annäherung der Stadtbewohner und Passagiere voraus. Das steinerne – dem Stadtbild einbezogene – Gewand der Empfangshalle, milderte in gewisser Weise die dahinterliegende Technologie ab und bettete sie in die Stadt ein. Die zur damaligen Zeit als futuristisch einzuordnenden Hallen, wurden also gegenüber dem alten Stadtkern etwas versteckt.
Wie schon erwähnt, wurde die Eisenbahn zu einem gewaltigen Faktor für die Industriealisierung, insbesondere in Europa. Wo ein Bahnhof entstand, konnte sich neue Industrie ansiedeln. So wurde der Bahnhof auch schnell zu einem Faktor für frühe Segregation. Die Innenstadt wurde zu einem Zentrum, in das Menschen einströmen konnten.
Auf der anderen Seite der Bahnhöfe, abgewandt vom Stadtkern entwickelten sich städtische Infrastrukturbauten (wie Gaswerke, Schlachthöfe etc.) ebenso wie Wohnanlagen für die unterprivilegierten Schichten. Die jeweilige Dynamik der städtischen Entwicklung spielte hier eine große Rolle. In London beispielsweise wurden die Bahnanlagen nur durch proletarische und damit billige Gebiete gebaut. Die Bahnhöfe im armen East End konnten viel tiefer in die Stadt eingesetzt werden, als im reichen West End, wo sie nur an der Peripherie entstanden. Gleichzeitig wuchs die Stadt schier unaufhörlich und bald lagen die Bahnhöfe nicht mehr am Rande, sondern fast in ihrer Mitte.
Der Bahnhof trug nach seiner Eröffnung auch zu einer erheblichen Steigerung des Verkehrsflusses in der Stadt bei. Die umliegenden Straßen veränderten ihren Charakter in großer Geschwindigkeit. Die Bahnhofsstraße entstand, welche – wie gerade gesagt – die Station mit dem Stadtkern verband und die strömenden Menschenmassen anzog. Das ging nicht ohne eine Erweiterung oder gar einen Neubau, der bisherigen Struktur. Straßenbahnen rollten über sie, Geschäfte der neuen bürgerlichen Welt eröffneten und luden zum Konsumieren ebenso ein, wie zum Flanieren. Das Kaufhaus entstand nicht zufällig auf diesen neuen Straßen. Es basierte auf dem Prinzip des hohen Umsatzes bei niedriger Profitrate. Die Preise wurden fest ausgezeichnet und der Eintritt in das Kaufhaus verpflichtete niemanden zum Kauf.  Der Konsum im Kaufhaus wurde unpersönlicher, da eine Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer, anders als in traditionellen kleinen Läden, nicht notwendig wurde. Das Preisschild ersetzte in gewisser Weise das Verkaufsgespräch.
Die Umgestaltung von Paris unter Baron Hausmann ist ein gutes Beispiel, wie diese neue Stra0ßenform die Struktur und auch das Leben in der Stadt veränderten. Der massive Stadtumbau beginnt mit dem Boulevard de Strasbourg, welcher in gerader Linie (einer Bahnlinie nicht unähnlich) vom Gare de l’Est in die Innenstadt führt. Der Bahnhof wurde zum Brückenkopf für den Verkehr in der Stadt und die (Bahnhofs-) Straße leitete diesen Verkehr weiter. Sie existierte von ihm und für ihn und das unterscheidet sie von der mittelalterlichen Gasse, die der Schauplatz des gemeinschaftlichen Lebens war. (Exkurs: der gerade Boulevard des hausmannschen Paris unterscheidet sich ebenso von der barocken Allee. Zwar sind auch beide gerade angelegt, doch während die Allee auf den Fluchtpunkt zielte, der die königliche Macht repräsentierte, ist der Boulevard in erster Linie gerade, weil er damit am schnellsten von A nach B führt.) Die Eisenbahn und mit ihr der Bahnhof bringen den Verkehr in die Stadt und dieser wird zu einem solch dominanten Faktor, dass er von nun an, für die Planung der Stadt von großer Relevanz wird.
Der Bahnhof wiederum, als Quelle des urbanen Lebens, wie als kaum zu übersehende architektonische Markierung, wurde zu einem – wenn nicht gar dem – städtischen Orientierungspunkt und Wahrzeichen.

Literatur

Parissien, Steven (1997); Bahnhöfe der Welt. Eine Architektur- und Kulturgeschichte;
Eines der wenigen Bücher, die sich insbesondere um Bahnhöfe drehen. Wunderbar bebildert, aber leider sehr aus der britischen Perspektive des Autors beschrieben, der an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas weniger Wertung und mehr Struktur in seine Ausführungen gebracht hätte. Allerdings als Einführung ins Thema wunderbar!

Schivelbusch, Wolfgang (1977); Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert;
Der Klassiker zur Kulturgeschichte der Eisenbahn. Ein fast schon unverzichtbares Standartwerk, dass Bahnhöfe aber nur am Rande behandelt.

Kubinszky, Mihály (1969); Bahnhöfe Europas. Ihre Geschichte, Kunst und Technik;
Wer sich für europäische Bahnhöfe interessiert kommt an Kubinszky nicht vorbei. Die ersten 65 Seiten geben einen Überblick über die Geschichte des Bahnhofsbaus. Die restlichen 250 Seiten stellen europäische Bahnhöfe dar, wobei ein Schwerpunkt auf Deutschland liegt.

Geschichte Bilbaos

Wie bei so vielen Städten hat auch Bilbao eine Geschichte die vor dem Geburtsdatum der Stadt beginnt. Am 15. Juni 1300 war es Diego López de Haro, der die Stadt Bilbao offiziell gründete, doch tatsächlich stand an dieser Stelle, wo der Fluss Nervión an seiner rechten Seite eine flache Uferlandschaft im ansonsten steilen Tal lies, schon eine Siedlung. Der Atlantik war von hier nicht weit entfernt und konnte bequem erreicht werden, während am rechten Flussufer ein Hafen leicht zu errichten war. Ebenso waren die Eisenminen von Mirivilla leicht zu erreichen und eine Verbindung zum spanischen Hinterland war ebenso vorhanden. Ein guter Platz zum Handeln und um Geschäfte zu machen. Das wussten schon die Römer, die hier angeblich schon in der Antike siedelten. Der König von Kastilien, der die Herrschaft über das Baskenland hatte, erkannte ebenso das Potential des Ortes und bestätigte 1301 den Gründungsbrief der Stadt. Schon zehn Jahre später wurden Bilbao weitreichende Rechte verliehen. Alle kastilischen Produkte, die zum Meer geschafft wurden, mussten über Bilbao gebracht werden. Insbesondere das baskische Eisen der Region wurde zum wichtigsten Handelsgut nicht nur der Stadt, sondern der ganzen Region Biskaya.
Bis zum 16. Jahrhundert baute Bilbao seine Funktion als wichtigster Handelsort von Biskaya aus. Die Stadt wuchs an Bevölkerung und Fläche, gegen 1500 hatte man rund 1.200 Einwohner, was selbst zur damaligen Zeit noch eine überschaubare Größe war. Das ursprüngliche Bilbao hatte drei Straßen: die obere Straße Somera oder auch Goiencalle, die Hauptstraße Artecalle und die Tendería. In der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden vier weitere Straßen angelegt und noch heute kann man  von der Altstadt als  „siete calles“, den „sieben Straßen“ sprechen. Auch hat sich der Grundriss der „casco Viejo“ bis heute erhalten mit seinen engen Gassen, auch wenn die Häuser nicht mehr aus jenen Tagen stammen. Schon um 1379 wurde die Kathedrale von Santiago begonnen, welche auf dem Gelände der ehemaligen Santiago Kapelle gebaut wurde. 1511 wurde das Konsulat von Bilbao gegründet, eine dreihundert Jahre lang, sehr einflussreiche Institution der Stadt, welche für die Jurisdiktion der Schifffahrt bis zum Meer, als auch für den Auf- und Ausbau der Hafenanlagen zuständig war. Auch diesem „Consulado de Bilbao“ war es zu verdanken, dass die Stadt der wichtigste Handelsort der Region blieb. Die hier ansässige Handelsflotte verschiffte das baskische Eisen und die kastilischen Wolle nach Europa.  Freilich war Bilbao nicht vor Katastrophen gefeit, 1571 brannte ein großes Feuer viele Häuser nieder und 1593 wurde unter anderem das Rathaus als auch die Brücken der Stadt überflutet.
Doch durch die Einkünfte aus dem Handel entwickelte sich eine begüterte Bürgerschaft, die wiederum den Ausbau der Stadt voran trieb. Gleichzeitig ließen sich holländische und britische Händler in Bilbao nieder und um das Jahr 1700 hatte Bilbao bereits 6.000 Einwohner. Der Aufschwung setzte sich bis in das nächste Jahrhundert fort, auch wenn immer wieder Krisen, wie die Matxinada (1718) oder die Zamakoleda (1804) die Stadt in Aufruhr versetzten. Um 1800 hatte Bilbao bereits mehr als 10.000 Einwohner.

Das 19. Jahrhundert – dass insbesondere in Westeuropa den Durchbruch der Industrialisierung brachte – ließ Spanien eher unberührt, ausgenommen jedoch waren Katalonien und das Baskenland und hier insbesondere Bilbao, die Teil der Industriellen Revolution und ihren damit verbundenen Umwälzungen wurden. Doch davor kam es zu konflikthaften Auseinandersetzungen im jungen Jahrhunert, als französische Truppen das Baskenland 1808 besetzten und Napoleons Bruder als neuen König einsetzten, begannen in Bilbao zahlreiche Auseinandersetzungen und die Stadt wurde zu einem Zentrum des Widerstandes gegen die französische Fremdherrschaft. Als dann die Karlistenkriege, ein innerspanischer Konflikt, immer wieder im Laufe des 19. Jahrhunderts aufflammten, lag das Baskenland zumeist in deren Zentrum und immer wieder wurde versucht die Stadt zu erobern.
Im 2.Teil des Jahrhunderts setzte dann die Industrialisierung ein. 1862 wurde eine erste Bahnlinie in Betrieb genommen. Eisen, Stahl und die Schiffsbauindustrie wurden zu Schlüsselfaktoren des industriellen Aufschwungs jener Tage. Im Handelszentrum Bilbao gründeten sich erste Banken, wie die Banco de Bilbao 1851 (die heute als BBVA eine der größten Banken der Welt ist). Rasant vergrößerte sich die Stadt. Ein erster Expansionsplan projektierte die Abando Gegend (1876), die heute als Stadtzentrum gelten kann, später wurde eine weitere Vergrößerung in Richtung Basurto geplant (1905). Neue architektonische Bauten  zierten die Stadt, wie der Plaza Nueva, der schon 1819 begonnen wurde und die Stadt mit dem Vorort San Nicolás verband, oder das neue Rathaus von Joaquín de Rucoba (1892) und nicht zu vergessen das Arriaga Theater vom gleichen Architekten, der sich am Pariser Opernhaus orientierte.
Mit Beginn des 20.Jahrhunderts intensivierte sich die industrielle Entwicklung. 1900 wurde die Euskalduna Schiffswert gegründet (wo heute das gleichnamige Konferenzzentrum steht) und nur zwei Jahre später gründeten sich die Hochöfen der Altos Hornos de Vizcaya (AHV), der für lange Zeit größte Konzern Spaniens.  Gleichzeitig entstanden politische Bewegungen. Die Arbeiterbewegung erhielt raschen Zulauf, auch gespeist von den teilweise erbärmlichen Lebensbedingungen, die sie in den schnell wachsenden Städten wie Bilbao vorfanden. Eine andere Entwicklung betraf das aufkommende nationale Empfinden der Basken, das in Bilbao sein Zentrum fand. Menschen wie Sabino Arana Goiri versuchten sowohl die baskische Sprache als auch die baskischen Kultur  eine eigene Bewegung zu geben, die im Baskenland auch immer erfolgreicher wurde. So wurden in Bilbao die Baskische Nationalistische Partei EAJ-PNV gegründet, 1917 kam die Gesellschaft für baskische Studien (Eusko Ikaskuntza) und 1918 die Königliche Akademie der baskischen Sprache (Euskaltzaindia) hinzu. In den 1920er Jahren wurden die ebenso rasch wachsenden Vororte Begoňa, Deusto und Lutxana eingemeindet, damit zog sich Bilbao nun an beiden Seiten des Flusses kurvenreich fließenden Flusses entlang.
Im spanischen Bürgerkrieg stand Bilbao schnell im Fokus. Während sich weite Teile des Baskenlandes rasch den faschistischen Gruppen Francos ergaben. Bilbao wurde mit Bomben angegriffen und ab 1937 belagert und musste sich schließlich im selben Jahr ergeben. Nach harten Nachkriegsjahren begann die wirtschaftliche Entwicklung in den 1950er Jahren wieder zu boomen. Bilbao wurde zu einer der führenden Industriestädte Spaniens und die guten Verdienstmöglichkeiten lockten zahlreiche Einwanderer aus anderen Teilen des Landes an, was dazu führte, dass Bilbao nicht mehr nur eine baskische Metropole wurde. Gleichzeitig wuchsen auch die Vororte, die sich entlang des Flusses bis zum Meer bildeten und das Ballungsgebiet „Gran Bilbao“ entstand, was rund eine Millionen Einwohner zählte und damit zur fünftgrößten Stadtregion Spaniens wurde. Doch der Aufschwung wehrte nicht ewig, spätestens seit den 1980er Jahren gerieten die Eisen- und Stahlindustrie in tiefe ökonomische Krisen. Symbolhaft für den Niedergang stand die Schließung der Euskalduna Schiffswerft 1988, bei der sich die Arbeiter lange gegen die Schließung wehrten. In nur 10 Jahren (von 1981 bis 1991) verlor die Stadt 61.000 Bürger, oder fast 15% der Einwohner.  Ein Plan musste her, wie die Stadt den Niedergang abwenden konnte.
Das neue Bilbao wurde ökonomisch zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft hingeführt. Doch dabei bleib es nicht. Mit dem Projekt Bilbao 2000 wurde ganz Gran Bilbao in die Veränderungen einbezogen, alte ungenutzte Industriebrachen wurden beseitigt und neu bebaut. Das Symbol dieser Entwicklung ist das Guggenheim Museum, dass 1997 eröffnet wurde. Ein glanzvoller und höchst ungewöhnlicher Museumsbau des Kanadiers Frank O. Gehry, der damit nicht nur sein berühmtestes Gebäude schuf, sondern gleichzeitig ein Highlight des Dekonstruktivismus. Das Museum wurde zum Werbebanner für eine Stadt, die plötzlich vom immer stärker werdenden Strom der Städtetouristen erfasst wurde und deren Stadtumbau vielerlei Facetten hatte. Stararchitekten wie Santiago Calatrava, der ein neues Terminal des Flughafen plante, und Norman Foster, der die Metro projektierte, schufen eine Atmosphäre des Aufschwungs und der Veränderung in Bilbao, die sich auch an vielen kleineren Projekten zeigt. Man sprach seither vom Bilbao-Effekt, der einsetzt, wenn eine Stadt sich ein neues modernes Wahrzeichen gibt und damit sein Markenimage neu anlegt und insbesondere auf dem touristischen Markt neue Wege einführt. So zeigt sich Bilbao heute als trendige Stadt, mit zahlreicher moderner Architektur, die aber ebenso ihre Herkunft nicht verleugnet, sei es als Industriestadt oder als größte Metropole des Baskenlandes.

Die Entwicklung von Hochhäusern am Beispiel von New York City

Schon seit den 1870er Jahren startet eine Entwicklung, die noch heute New York City prägt und die Stadt weltweit bekannt machte, es ist  der Bau von Hochhäusern. Der Trend immer weiter in die Höhe zu bauen wurde, als eine Variante für Gebäude die Menschen auch vertikal nutzen können (im Gegensatz zu Kirchtürmen beispielsweise), erst mit dem schnellen und sicheren Transport von Aufzügen möglich. 1859 stellte Elisha Otis seinen Sicherheitsaufzug vor und legte damit einen Grundstein für den zügigen vertikalen Transport von Personen innerhalb eines Hauses. Die Entwicklung des Hochhausbaues startete aber nicht in New York, sondern in Chicago. Dort wurde bei einem Brand im Jahre 1871 die Innenstadt zerstört. Damals war „the windy city“, wie die Stadt in Illinois auch genannt wird, der am meisten boomende Ort der ganzen USA. Schnell wurden neue Häuser gebaut, welche aber mehr Platz bieten sollten. Logischerweise musste man dann auf dem begrenzten Raum nach oben bauen.
Die ersten Hochhäuser waren noch in Massivbauweise errichte Gebäude, welche aber den Nachteil hatten, nur eine bestimmte Höhe erreichen zu können, ohne das Gebäude nach unten hin, extrem zu verbreitern. Die Nutzfläche von massiven Hochhäusern war in den unteren Etagen sehr gering, da große Flächen für die Traglast vorgesehen werden mussten.  Eine spektakuläre Erfindung, welche den Hochhausbau revolutionierte, war das Stahlskelettgebäude. Diese Bauweise wurde von der „Chicago School“ erdacht und vertreten, einer Architektengruppe zu der neben William Le Baron Jenny auch Louis Sullivan gehörte, der mit dem „Wainwright Building“ in St. Louis  eines der bedeutendsten, heute noch erhaltenen Gebäude dieser neuen Bauweise lieferte. Der Legende nach soll einer der Architekten, auf die Idee des Stahlskelettbaus gekommen sein, als er sah, wie auf dem Käfig seines Vogels ein schweres Buch gelegt wurde. Der Käfig konnte durch sein Gitternetz das Buch bequem tragen. Nach dieser Grundidee, werden auch heute noch hohe Gebäude erstellt, denn die Stahlskelettbauweise ermöglicht es Ebene auf Ebene (oder Vogelkäfig auf Vogelkäfig) zu stellen und trotzdem eine leichte und stabile Architektur vorzufinden. So konnten nun neue Hochhäuser gebaut werden, die bei höherer Stabilität einen geringeren Platz benötigten.
In ihrer Ausformung unterscheiden sich die ersten Hochhäuser von Chicago und New York. Folgten die Bauwerke in Illinois mehr einer einheitlichen klaren Linie mit einem Flachdach, so war in New York ein größerer Stilmix zu beobachten. Zumeist waren die Häuser mit historischem Anlehnen verziert, mit einem Auge nach Europa schielend. Um die Jahrhundertwende setzten sich Stahlskelettkonstruktionen immer mehr durch, die Verfahren zur Bearbeitung des Materials verbesserten sich ständig und die Bedenken nahmen ab. Die Architekten der Chicago School entwickelten auch die Technik, oder den Stil der „Curtain Wall“. Damit wurde die Fassade als tragendes Element abgelöst und diente nur noch als Begrenzung von Innen nach Außen, oder anders gesagt: zum Schutz vor schlechten Wetter. Erst mit einer Änderung der Bauordnung im Jahre 1892 konnten die Curtain Walls auch in New York gebaut werden (als einziges Beispiel eines Gebäudes von Louis Sullivan in NYC ist heute das „Condict Building“ erhalten, es wurde mit einer Terrakotta Vorhangfassade ausgestaltet).

Mit der Beschränkung der Höhe der Gebäude in Chicago auf 40m zog New York am Konkurrenten aus dem Mittleren Westen schnell vorbei, zumindest was den Wettstreit um die höchsten Gebäude der Welt betraf. Dabei waren die Hochhäuser an der Ostküste nicht nur höher, sondern sie offenbarten auch spektakulärere Formen, wie das 1902 entstehende „Flatrion Building“. Zusammen mit dem „Singer“ und dem „Woolworth Building“ bildeten diese Wolkenkratzer die Vorreiter für reichverzierte Himmelsstürmer.

Die Wolkenkratzer erreichen immer größere Höhen, schon seit Ende des 19. Jahrhunderts herrschte ein Bauboom, der skurrile Formen annahm. Manchmal wurden Hochhäuser schon nach wenigen Jahren weggerissen, um für noch größere Bauwerke Platz zu schaffen. 1908 entstand das „Singer Building“, dass mit 186m das höchste Haus der Welt war. Schon ein Jahr später wurde es deutlich vom „Metropolitan Life Tower“ mit 213m übertrumpft. Der Wettkampf schien kein Ende zu finden, denn 1913 wurde das neogotische „Woolworth Building“ mit 241m das neue höchste Haus der Welt. Diesen Status konnte es über einige Jahre verteidigen, auch deshalb weil der 1. Weltkrieg ausbrach. Zwar bekam man das in New York nur mit, weil in der Stadt der größte Marineumschlagplatz der Navy war, aber die einsetzende Weltwirtschaftskrise machte auch den Bauboom zunichte.

Die Bauentwicklung in New York wurde aber nicht nur von wirtschaftlichen Faktoren und technologischen Entwicklungen geleitet, sondern ebenfalls von administrativen Regularien, so wie ein neues Baugesetz der Stadt, das sogenannte „Zoning Law“ von 1916. Anlass dafür war das „Equitable Life Building“, ein 38 stöckiger Klotz der schnurrgerade am Rand des Broadways nach oben aufsteigt. Das Gebäude warf einen so starken Schatten, das sich zahlreiche Anwohner darüber beschwerten.  Mit dem „Equitable Life Building“,  wurde ein Trend fortgesetzt, der damals schon seit einigen Jahren anhielt. Nämlich die Gebäude immer breiter zu bauen, um den vorhandenen Platz innerhalb der Fassade zu maximieren. Das „Equitable Biulding“ nutze die ganze Breite eines Blocks aus, bei einer Höhe von 164m, was seine Nachbarn in weniger hohen Höhen in „ewige Dunkelheit“ hüllte. Die neue Verordnung regelte daher die Bebauung von neuen Grundstücken. Eine zentrale Regel besagte, dass wenn ein Gebäude mehr als 25% der Grundstücksfläche (bzw. der Blockbreite) einnimmt, es sich nach oben hin verjüngen muss, um der Straße etwas mehr Sonnenlicht zu geben. Mit dieser Reglung konnten die typischen Wolkenkratzer entstehen, welche wie Hochzeitstorten zu ihrer Spitze hin immer schmaler werden, ohne das dabei jedoch eine Höhenbeschränkung beachtet werden musste. Durch den Zoning Code wurden auch sogenannte „Air Rights“ festgelegt. Dabei handelt es sich um die Verlängerung der Bodenrechte von Grundstücken in die Höhe. Ab den 1920er Jahren begann ein intensiver Handel mit den „Air Rights“.

Die Goldenen Zwanziger und die steigende Weltwirtschaft führten zu einem neuen Bauboom. Die neuen Hochhäuser zeigten sich zumeist als elegante und wohl proportionierte Himmelsstürmer, welche fast alle mit einer Spitze versehen wurden. Spätestens in der zweiten Hälfte der 20er Jahre wurden die neuen Häuser so geplant, dass sie neue Höhenrekorde brechen würden. Noch vor der schlagartig einsetzenden Depression wurden zahlreiche neue Gebäudetürme begonnen, welche aber alle erst nach dem 24. Oktober 1929 fertig gestellt wurden (dem „schwarzen Donnerstag“ mit dramatischen Kurseinbrüchen, der zur Weltwirtschaftskrise führte, mit einem Tag Verzögerung kam es dann in Europa zum „schwarzen Freitag“). 1930 wurde das 282m hohe „40 Wall Street“ Gebäude eröffnet, dass das „Woolworth“ als höchstes Haus der Welt ablöste. Nur wenige Wochen später erreichte das „Chrysler Building“ 319m und es entstand erstmals ein Haus, welches höher als der Eiffelturm war.

Das „Chrysler Building“ war und ist ein Mustergebäude des „Art Deco“, eines Baustils, der zur damaligen Zeit fast alle Hochhausbauten in New York formte. Dieser Stil etablierte sich seit der 1925 in Paris durchgeführten Ausstellung „Exposition Internationale des Arts Dècoratifs et Industriels Modernes“. Art Deco kann dabei als „verzierende Künste“ übersetzt werden. Außerhalb der Architektur konnte sich diese Bewegung ebenso in Kleidermode, Gebrauchsgegenständen oder Möbeln manifestieren. Allerdings fehlt es dem Stil an einem einheitlichen Merkmal. Am besten deutlich in der Architektur wird Art Deco durch seine Verwendung von stilisierten und flächigen Darstellungen und einem Hang zum Ornamentalen.

Schon rund ein Jahr später überragte das „Empire State Building“ mit 381m alles andere, nicht nur in New York sondern weltweit. In der Mitte der 1930er Jahre wurde New York zu einem der außergewöhnlichsten Orte der Welt. 18 der 20 höchsten Gebäude unseres Planeten standen in der Stadt am Hudson River.  Andere Projekte fielen jedoch der Wirtschaftskrise zum Opfer. Bestes Beispiel dafür ist das „Metropolitan Life North Building“. Es sollte eine ähnliche Höhe wie das „Empire State“ erreichen. Doch die wirtschaftliche Depression führte zum Baustopp, das Gebäude wurde nach dem 28. Stock nicht weitergebaut und wurde dann für die namensgebende Versicherung zum Lagerhaus von Akten benutzte.

Nur ein einziges Vorhaben trotzte damals der Krise. Es war das „Rockefeller Center“, einer Hochhausstadt, in der Stadt der Wolkenkratzer. Das Mammutprojekt brachte hunderttausenden Menschen Arbeit, in einer Zeit von 25% Arbeitslosigkeit. Die Arbeiter ließen einen riesigen Büro- und Unterhaltungskomplex entstehen, mit eigener Straße, Platz, Hochhäusern. Im Areal entstand auch die Radio Music Hall, die bis heute größte Konzerthalle der Welt.

Auch der „Art Deco“ Stil wurde mit dem Bau des Rockefeller Centers zurückgedrängt. Die europäische Moderne hielt Einzug in der Architektur der Hochhäuser. Diese neue künstlerische Bewegung erhielt einen ersten Schub in Amerika, durch eine 1932 im „Museum of Modern Art“ durchgeführte Architektur-Ausstellung. Der Ausstellungskatalog trug den Namen „The International Style“ und bezeichnete damit den Stil der vom Bauhaus geprägten Moderne. So wurde der Internationale Stil geboren, wobei er noch einige Jahre benötigte ehe er vollkommen durchsetzte.

1940 wurde der Bau am „Rockefeller Center“ beendet und mit ihm endete ebenso endgültig der Boom von Hochhausbauten, auch hier nicht nur in New York sondern global. Der 2. Weltkrieg war im vollen Gange und sollte erst 5 Jahre später, nach Hiroshima und Nagasaki beendet sein. Die Zeit des „Art Deco“ mit seinen kostspieligen und ausufernden Ornamenten und seinem handwerklichen Bedarf war vorbei. Gebäude wurden mehr und mehr industriell erschaffen, was einen immer höheren Grad der Standardisierung von Bauprozessen und Formen beinhaltete. Bald entstand die „Glass box“ und schien schon kurz darauf das einzig legitime Mittel zu sein, neue Wolkenkratzer zu bauen. Dabei wurde das Prinzip des „Curtain Wall“, oder zu Deutsch: Vorhangfassade perfektioniert. Die Außenwände setzten sich aus zwei elementaren Komponenten zusammen, einem Stahlrahmen und einer Glasfront zumeist in Form von Fenstern. Glanzvolle Bauten wie das „Gebäude der Vereinten Nationen“, das „Lever House“ oder das „Seagram Building“ waren die Vorbilder dieser Entwicklung. Insbesondere das „Seagram Building“ kann als Höhepunkt des „International Style“ angesehen werden. Dieses von Mies van der Rohe und Philip Johnson erbaute „nur“ 157m hohe Gebäude, ließ keine wirkliche Steigerung dieses Baustils mehr zu, alles danach war größtenteils Imitation, die bald auch ihre Kritiker fand; zu monoton, gleichförmig und kalt wurden die wie Pilze aus dem Boden schießenden Glas-Gebäude empfunden. Doch das „Seagram Building“ war noch aus einem anderen Grund historisch außerordentlich wichtig. Anders als seine Vorgängerbauten, wurde das Haus 27m von der Straße aus, in das Grundstück eingerückt und gab damit Raum für einen öffentlichen Vorplatz. Diese Idee kam bei der Administration von New York so gut an, dass sie das 1916 beschlossene Baugesetz veränderten. Halböffentliche Plätze sollten auf Teilen der Grundstücke vor den Bürotürmen angelegt werden können. Das neue Gesetz von 1961 ermöglichte nun Bauherren, die Dichte ihrer Bebauung zu erhöhen, wenn sie dafür auf ihrem Baugrund öffentliche Plazas errichteten.

Immer neue technische Verfahren wurden im Laufe der 1960er und 70er Jahre entwickelt und bei Hochhausbauten angewendet. Die einfache und kalte viereckige Glassbox wurde erweitert und variiert. So legte Eero Saarinen mit seinem „CBS Building“ wieder großen Wert auf horizontale Orientierung. Es kann dabei aber kein wirklicher Bruch bei den Architekturstilen festgestellt werden, vielmehr wird daher von der Spätmoderne gesprochen. Ein weiteres Beispiel dafür ist das“ Citigroup Building“ mit seinem abgestuften Dach. Der im wahrsten Sinne überragende Vertreter der Hochhäuser dieser Zeit war das „World Trade Center“. Mit seinen beiden „Twin Towers“ stellte es für ein Jahr die höchsten Gebäude der Welt (überholt vom „Sears Tower“, heute „Willis Tower“ in Chicago).  Mit den riesigen Erdmassen, die für das Fundament der zahlreichen Gebäude entstanden, wurde später der Battery Park angelegt, der dem Hudson River entrissen wurde.

Auch der architektonische Übergang zur Postmoderne ist eher fließend. Ein größer werdender Mix von Gebäudeformen tritt im Laufe der 1970er Jahre zu Tage. Kein stilistisches Element hatte mehr absolute Priorität und so etablierten sich wiederum Steinfassaden, welche größere Möglichkeiten von Farbgebung und Formung eines Hauses brachten. Ein weltweites Wahrzeichen dieser Form des Bauens stellt das „AT&T Building“ von Philip Johnson dar.

Heute stellt New York wohl immer noch eine der beeindrucktesten Skylines der Welt, wenngleich die neuen Rekordhalter der Höhe in Asien zu Hause sind. Aber die Stadt erlebte und erlebt einen neuen Bauboom. Auch wenn dieser nicht mehr Rekordhöhen erreicht, ist die Stadt die niemals schläft weiterhin eine der, wenn nicht sogar die Hochhausstadt der Erde. Und auch in New York geht der Trend zu ökologisch orientierten Bauwerken nicht vorbei und so entstehen heute immer mehr „bioclymatic skyscraper“, welche Versuchen, die nicht immer sehr positiven Ökobilanzen der Wolkenkratzer zumindest zu verbessern.