Geschichte Liverpools

Liverpools Gründung und das MittelalterLiverpools Aufstieg im 17. und 18. Jahrhundert: Erfolg durch Handel aller Art Liverpool im 19. Jahrhundert: Urbanisierung, Eisenbahn, Armut und AuswanderungBis zum 1.Weltkrieg: Liverpool als zweite Stadt des Empires  | Das 20. Jahrhundert: Arbeitslosigkeit, Mersey Sound und Abwanderung | Liverpool heute

Liverpools Gründung und das Mittelalter

Der englische König John begann sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf Reisen durch das nordöstliche Gebiet seines Reiches. Er besuchte Chester, an dessen Hafen Reisen nach Irland möglich waren. Doch John plante eine größere Expedition und war so auf der Suche nach einem geeigneten Anlegeplatz. Dabei war die Mündung des Flusses Mersey ins Gespräch gekommen. Dort befand sich eine kleine Bucht, welche als „Liver“ oder „Lever“ bekannt war. Eine Bezeichnung die auf schwerfälliges und träges Wasser hinwies. König John erwarb dort das Land und ließ im Jahr 1207 eine Stadt gründen; Liverpool. In dieser Stadt sollten freie Menschen leben (in feudalen Zeiten war dies keine Selbstverständlichkeit). Die ersten Siedler kamen, ein Markt wurde abgehalten und den Bürgern wurde versprochen eine eigene Gerichtsbarkeit abzuhalten. Zünfte durften gegründet werden eine kleine Burg wurde errichtet.
Die kleine Stadt entwickelte sich, jedoch war sie nur eine von vielen „royal boroughs“ des Mittelalters. Die Fischerei war die hauptsächliche Einkommensquelle der Stadt. Im Jahre 1515 wurde das erste Rathaus errichtet. Strategisch lag die Stadt gut geschützt durch die schwierig zu bewältigende Hafeneinfahrt an der Mersey.

Liverpools Aufstieg im 17. und 18. Jahrhundert: Erfolg durch Handel aller Art

Im englischen Bürgerkrieg litt Liverpool. Mehrmals wechselten die Seiten bzw. Fronten hier und die Stadt wurde letztendliche eine Garnisonsstadt der parlamentarischen Truppen.  Im Laufe des 17. Jahrhunderts stieg der Anteil am irischen Handel der durch Liverpool lief. Die Stadt hatte um 1650 rund 4.000 Einwohner und ihr Einfluss, als auch ihr Wachstum vergrößerten sich ständig. Schon 1674 musste ein neues Rathaus gebaut werden, dem auch die Börse innewohnte. Die StadtChester wurde überflügelt und Liverpool stieg zu einem überregionalen Handelsplatz auf, der sich schon bald mit Bristol messen konnte. Berühmte Persönlichkeiten der damaligen Zeit bereisten die Stadt, so wie Daniel Dafoe, welcher bemerkte: „In a word, there is no town in England, London excepted, that can equal Liverpool for the fineness of its streets and the beauty of the buildings.“
Um den Handel weiter voranzutreiben beschloss man eine spektakuläre Investion zu tätigen. Der alte „Pool“ war längst zu klein für die zahlreichen Schiffe und er war von den Gezeiten bestimmt. Unter dem Ingenieur Thomas Steer wurde 1708 ein Dock entwickelt, welches durch Schleußen von den Gezeiten geschützt, immer voll Wasser war und somit das Be- und Entladen entscheidend verbesserte. Es wurde zu einem weltweit kopierten Muster für den Dockbau.
Der Liverpooler Hafen wuchs, schon 1734 wurde ein zweites Dock errichtet. Wichtig für Liverpools Position war dabei das Hinterland Lancanshires. In den Manufakturen Manchesters, Boltons und Wigans wurden zahlreiche Güter hergestellt, die in Liverpool verschifft wurden. Diese gingen nicht mehr nur nach Irland und später nach Spanien oder Frankreich. Zunehmend stärker wurde auch der Atlantikhandel. Dabei hatte Liverpool auch die wenig schmeichelhafte Ehre, eine der Hauptstützpunkte des Sklavenhandels zu werden. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts dominierte die Stadt den Handel mit Afrika. Dieser Dreieckshandel sah vor, das englische Waren wie Töpfe und Krüge (zumeist aus zweiter Hand) nach Afrika geschafft wurden, dort wurden sie gegen Sklaven getauscht, welche nach Amerika deportiert wurden. Die Bedingungen an Bord waren katastrophal. Die Mortalitätsrate auf der Überfahrt konnte 20% erreichen (auch die Bedingungen für die Seeleute waren keineswegs komfortabel). Erst durch die Einführung der Pflicht einen Arzt mit an Bord zu haben wurde diese Rate auf rund 5% gesenkt. Die Schwarzen wurden dann an Plantagenbesitzern verkauft und Zucker, Rum oder Tabak aufgeladen und nach Europa gebracht. Die Sklaven selbst kamen im Normalfall nie bis nach England. Die Händler, die diesen Handel betrieben, fuhren nie mit bei diesen Routen, obwohl gläubige Menschen hatten sie auch kein moralischen Probleme mit dieser Form des Handels und so wehrten sich auch die Liverpooler Händler am stärksten gegen die zu Beginn des 19. Jahrhunderts verabschiedeten Abolitionistengesetze.

Doch nicht nur von See aus war Liverpool immer schneller zu erreichen. Ab 1761 wurde ein ständiger Kutschenverkehr nach London, Manchester oder Glasgow angeboten. Kanäle wurden errichtet um die Güter sicherer und schneller in die Stadt zu bringen. Durch den Liverpool Leeds Kanal konnte man sogar bald mit der anderen Seite der englischen Küste durch das Land reisen und musste nicht die gesamte Insel umrunden.

Liverpool im 19. Jahrhundert: Urbanisierung, Eisenbahn, Armut und Auswanderung

Im Jahr 1800 erreichte Liverpool 60.000 Einwohner. Doch bei weitem nicht alle davon waren wohlhabend. Es entwickelte sich ein Proletariat, dessen Arbeits- und Wohnbedingungen, freundlich ausgedrückt, miserabel waren. Zahlreiche irische Immigranten gehörten dazu, welche in den sich entwickelnden Fabriken oder im Hafen arbeiteten. Doch Liverpool bot  nicht nur Arbeitsplätze für die aus dem Land zuziehenden Schichten. Es bot ebenso reichlich Abwechslung. Theater wurden errichtet, sogar Badeanstalten am Meer, welche die Menschen zum Sprung in die kalte Irische See einluden gab es, jedoch waren diese nur von kurzer Dauer, denn der ständig wachsende Hafen verbrauchte viel Platz und so wurde recht bald das nördlich der Stadt gelegene Southport zum eleganten Badeort für die Oberschicht. Wissenschaftliche und literarische Gesellschaften gründeten sich, wie der Athenaeum Club 1798 oder der berühmte Lycaeum. Pferderennen wurden veranstaltet. Ein Rennkurs in Aintree erlangte dabei großer Popularität. 1839 wurde dort erstmals ein großes nationales Rennen ausgetragen. Das „Grand National“ war geboren, noch heute das bedeutendste Hindernisrennen im britischen Pferdesport. Die Vororte wie Everton, Kirkdale oder Bootle zogen begüterte Schichten an, die alte mittelalterliche Struktur der Stadt mit dem „town field“, das zeitlebens als landwirtschaftliches Gebiet genutzt wurde zerbrach. Bald wurden dort Ziegel hergestellt, um den Bauboom weiter zu treiben.

Liverpools Geschichte ist neben dem Trockendock aber auch mit einer anderen infrastrukturellen Erfindung von Weltruhm verbunden, der Eisenbahn. Schon vor 1820 kam die Idee auf, die expandierenden Textilunternehmen um Manchester schneller mit dem Hafen in Liverpool zu verbinden. Zwar gab es schon Eisenbahnverbindungen, insbesondere für den Transport von Kohle, aber ein so großes Projekt, wie eine Verbindung zwischen diesen beiden Städten gab es noch nicht. Es wäre ein erster Schritt in einer landesweiten Vernetzung aller Städte. Ein Plan sah vor, die 33 Meilen mit je einer Fahrspur je Richtung zu verlegen, sowie entsprechende Tunnel und Brücken zu bauen. 1828 mitten in den Bauarbeiten entbrannte eine Diskussion, ob Dampflokomotiven stark und zuverlässig genug wären, um die Strecke regelmäßig und pünktlich zu bedienen und ein Wettkampf wurde ausgetragen, um die beste Maschine zu küren, welche zukünftig die Linie bedienen durfte. Am 6.Oktober 1829 wurde der erste Wettkampf zwischen Lokomotiven, vor einer begeisterten Menge ausgetragen, bei dem sich klar die „Rocket“ von George Stephenson durchsetzte. Nur ein Jahr später wurde die neue Eisenbahnlinie eröffnet und hunderttausende von Zuschauern sollen die Strecke gesäumt haben. In einer Art von Prozession fuhren die ersten Züge von Liverpool nach Manchester. Allerdings nicht unfallfrei, so kam Parlamentsmitglied Huskinson in einer Pause, zum Nachfüllen von Wasser, unter die Räder. Trotzdem wurde die Fahrt nach Manchester fortgesetzt, auch um die dort wartende Bevölkerung nicht zu enttäuschen. Trotz des Unfalls wurde die Eisenbahnverbindung von und nach Liverpool ein voller Erfolg und die erste längere Passagierverbindung ein Musterbeispiel für den daraufhin einsetzenden Eisenbahnboom.

Aber auch für Passagiere, die Europa in Richtung Westen verlassen wollten war Liverpool ein wichtiger Platz. Im Laufe des 19.Jahrhunderts entwickelten sich große Reederein, wie die Red Star Line. Sie boten zumeist Passagen nach New York an. Ihr Geschäft begann zu florieren, als die Arbeitslosigkeit um sich griff, gefolgt von einer Lockerung der Anti-Emmigrationsgesetze. In den 1840er und 1850er erreichte die Auswanderungswelle nach Amerika ihren Höhepunkt, fast ⅔ aller Passagiere wählten Liverpool als Startpunkt für ein neues Leben am anderen Ende der Welt. Einer Reise die oft unter vielen Entbehrungen und Krankheiten für die Ausreisenden erfolgte und der Möglichkeit, auch den noch so wenigen Besitz an Subjekte zu verlieren, die mit dem Schicksal der Menschen Geschäfte machten (die Frage ist, ob dies heute nicht auch noch so anzutreffen ist, wenn man an die Flüchtlinge nach Europa denkt).
Der Hafen jedoch wurde immer größer und auch vor Traditionen wurde kein Halt gemacht, so wurde das historische Old Dock 1827 verfüllt um Platz für neue Hafengebäude zu machen. Immer größere Schiffe konnten am Ufer der Mersey halt machen, die aufkommenden Dampfer nach Amerika wie Handelsschiffe aus aller Welt. Hafenkneipen und nach Amüsement trachtende Seeleute waren aus dem Stadtbild kaum mehr wegzudenken. So zogen die reichen Bürger an die Stadtgrenze oder gar in „Vorstädte“, während die Ärmeren in der Stadtmitte blieben. Zwar versuchten kirchliche Gemeinden das Leid zu mindern und unterstützten beispielsweise zahlreiche Schulprojekte, doch Armut war im Liverpool des 19. Jahrhunderts an jeder Straßenecke anzutreffen. Durch neue Grenzziehung und Eingemeindungen im Jahr 1835 (u.a. wurde Everton, Kirkdale und Toxteeth zu Liverpool geschlagen) gehörten auch wieder zahlungskräftigere Steuerzahler zur Stadt, die es ermöglichten das Liverpool wieder mehr Mittel zuflossen. Als jedoch in den 1840er Jahren Hungersnöte in Irland auftraten, erlebte Liverpool einen immensen Zuzug von der grünen Insel. Die meisten Migranten sahen die Stadt nur als Zwischenstation nach Amerika, konnten sich aber eine Überfahrt über den Atlantik nicht leisten. So sollen bis allein 1847 rund 300.000 Iren nach Liverpool gekommen sein. Der städtische Zensus zeigte innerhalb von 10 Jahren einen Bevölkerungsanstieg von 223.000 Einwohnern (1841) auf 376.000 Einwohner (1851). Die Konsequenzen daraus waren, dass Liverpool den ersten Gesundheitsbeauftragten einer Stadt in Großbritannien hatte, der 1846 leider feststellen musste, dass rund 50% der Bevölkerung in unhygienischen Behausungen wohnte.

Bis zum 1.Weltkrieg: Liverpool als zweite Stadt des Empires

Doch Liverpool war keineswegs nur arm. So sollten noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein neues Gerichtsgebäude und ein neues Konzerthaus errichtet werden. An den jeweiligen Ausschreibungen beteiligte sich ein junger Architekt namens Harvey Lonsdale Elmes, der gerade einmal 23 Jahre alt war. Er gewann tatsächlich beide Wettbewerbe und wurde von den kühl kalkulierenden Autoritäten gefragt, ob er nicht beide Einrichtungen unter einem Dach bauen könnte. Elmes entwarf die „St. Georges Hall“, für die 1838 der Grundstein gelegt wurde. Leider verstarb er schon 1847. Sein Nachfolger Charles Robert Cockerell führte die Arbeiten weiter und unter ihm konnte 1855 das Bauwerk eröffnet werden. Von außen ist es eines der beeindrucktesten neo-klassizistischsten Gebäude Europas, im Inneren beherbergt es die „Great Hall“ einen Ball- und Konzertsaal, der mit aller Deutlichkeit klarmacht, wie wohlhabend die Stadt Liverpool war. Das Gebäude galt damals als eines der hervorragendsten Bauten der Welt und ist auch heute noch, gemeinsam mit seinen Nachbarn der William Brown Bibliothek oder der Walker Art Gallery und in Abstrichen der Lime Street Station, ein Zeugniss der Repräsentationsbemühungen des 19.Jahrhunderts. Auch in Sachen Transport ging man immer wieder neue Wege. So wurde 1886 der erste Eisenbahntunnel unter der Mersey nach Birkenhead eröffnet und noch vor dem Jahrhundertwechsel wurde an den Docks eine elektrische Hochbahn eröffnet, welche leider  heute nicht mehr existiert.
Derweil nahm die Bedeutung des Hafens immer noch zu. Zwar wurde die Anzahl der anlegenden Schiffe kaum noch erhöht, jedoch wurden diese immer größer. Um die Jahrhundertwende hatte Liverpool Bristol als zweitwichtigster Hafen des Königreichs abgelöst und hatte nun ähnliche Kapazitäten wie der Hafen in London erreicht. Der Hafen und die Schiffsindustrie boten viele Arbeitsplätze, aber weitere Industriezweige wuchsen nur langsam. So bleib Liverpool immer vor allem Handelsstadt und war weniger eine Industriestadt. Im Jahr 1901 erreichte man 648.000 Einwohner (allerdings auch durch weitere Eingemeindungen). Im Bildungsbereich wurde die Academy of Arts gegründet, aus der 1905 die University of Liverpool hervorging.

Das Pier Head am Hafen entwickelte derweil sich zum neuen Mittelpunkt der Stadt. Hier legten die Mersey Fähren ab und zahlreiche Pendler stiegen in die Hochbahn. 1907 wurde das Harbour Board Gebäude mit seiner beeindruckenden Kuppel hinzugefügt. Fast im Anschluss daran wurde das Royal Liver Building gebaut. Es war das Hauptgebäude der Royal Liver Friendly Society, einer Versicherung. Eröffnet 1911, war es ein Zeichen beeindruckender Baukunst. Architekt Aubrey Thomas führte das Hochhaus als eine Stahlbetonkonstruktion aus, eine damals noch neue Form des Bauens, die später für zahlreiche Wolkenkratzer genutzt wurde. So gilt das immerhin 90m hohe Gebäude auch als Vorläufer der Hochhausbeuten des 20. Jahrhunderts und als erstes Hochhaus des europäischen Kontinents. Der 13 stöckige Bau wird abgeschlossen durch zwei Glockentürme, welche jeweils eine Uhr tragen (die genau zum Zeitpunkt der Krönung von König George eingeschaltet wurden und daher auch „Great George“ genannt werden) und zwei Liver Vogel Statuen als Krönung. Die mythischen Wappentiere der Stadt schauen in entgegengesetzte Richtungen und sind mit dem Bauwerk vernetzt. Denn die Legende besagt, sie sind wie ein altes Ehepaar, wenn man die Stricke, die sie halten entfernen würde, sähen sie sich und würden sofort in jeweils andere Richtungen wegfliegen. Ein drittes Gebäude wurde kurz danach errichtet, es ist das Canard Building, der Hauptsitz der gleichnamigen Reederei. Alle drei Bauwerke zusammen werden die drei Grazien genannt und bilden eine der sehenswertesten Uferpromenaden Nordeuropas. Die stetig wachsende Stadt verlangte auch nach religiösen Orten und so wurde 1901 ein Wettbewerb für eine neue Kathedrale ausgetragen, die der junge Architekt Giles Gilbert Scott gewann. Eigentlich plante er ein an die mittelalterliche Gotik angelehntes Gebäude mit zwei Türmen, überarbeitete aber nochmals seinen Vorschlag zu einem Zentralbau mit einem Turm über der Vierung. Das Projekt hatte riesige Dimensionen und so schlug sich dies auch in der Bauzeit nieder, denn die Kirche wurde erst 1996 geweiht. Immer noch an Motiven der Gotik festhaltend, ist die Kathedrale jedoch ein äußerst beeindruckendes Gebäude geworden, das seine ganz eigene Form aufweist.

Das 20. Jahrhundert: Arbeitslosigkeit, Mersey Sound und Abwanderung

Nach dem 1. Weltkrieg verbesserte sich die wirtschaftliche Situation der meisten Liverpooler nicht wirklich. Arbeitslosigkeit wurde zu einem Massenphänomen, die Arbeitslosenzahlen waren in Liverpool weitaus höher als beispielsweise in den Textilhochburgen in unmittelbarer Nachbarschaft. Noch kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs wurde in der Stadt doppelt soviele Arbeitslose gezählt, wie im Landesdurchschnitt. Der Krieg traf die Stadt hart. Durch die deutschen Luftangriffe wurden rund 50% der Bauten der Stadt in Mitleidenschaft gezogen, rund 4.000 Menschen fielen den Attacken zum Opfer.  Im Anschluss daran, hatte die Stadt weiterhin ein sehr ernsthaftes Wohnungsproblem. Obwohl die Stadt schon im Jahr 1869 mit dem Bau sozialer Wohnungen begann (was für die damalige Zeit eine Pionierleistung war) war dieses Problem bis weit in die 1940er Jahre bei weitem nicht gelöst und so konnte George Orwell von den Liverpooler Verhältnissen als „teure Slums“ sprechen.  Dabei war die Stadt ein Gemisch verschiedenster Ethnien. Protestanten und zumeist irisch stämmiger Katholiken, welche nicht zusammen arbeiteten und schon gar nicht zusammen wohnten, Juden, Walisern, Chinesen und Schwarzen, welche alle in unterschiedlichen Vierteln lebten. Die immer zahlreicher werdende katholische Gemeinde baute sich schließlich eine eigene Kathedrale, die aber als sie 1967 geweiht wurde ganz anders aussah, als die urspünglichen Planungen des Architekten Edwin Lutyens. Dieser wollte eine Kirche vom Ausmaß des Petersdoms errichten. Die Bauarbeiten wurden auch in den 1930er Jahren begonnen, konnten aber schon einige Jahrer später aus finanziellen Gründen nicht weitergeführt werden. Frederick Gibberd legte einen modernen Entwurf vor, der sich an die Vorgabe zu halten hatte, nicht mehr als eine Millionen Pfund für den Bau zu veranschlagen und in 5 Jahren fertiggestellt zu werden. So wurde 1962 die katholische Kathedrale begonnen und tatsächlich nur 5 Jahre später eingeweiht. Die im Volksmund als „Paddys Wigwam“ bezeichnete Kirche ist durchaus originell.

Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg brachte zwar Liverpool nicht mehr die wirtschaftliche Stärke zurück, aber den Aufstieg zu einer der wichtigsten Zentren der Popkultur der Welt. In den 1950er Jahren begann die jungendliche Bevölkerung gefallen am Rock-n-Roll zu finden. Woraufhin Liverpool eine Explosion an neuer populärer Musik erlebte, den Mersey Sound, dessen zentrale Figuren die Beatles waren und deren wichtigster Ort der Cavern Club in der Matthew Street war. 293-mal spielte die wohl größte Band der Popmusik hier und noch heute ist der Cavern Club eine Pilgerstätte für Touristen und Beatlesfans aus aller Welt. Doch auch andere namhafte Bands kamen aus der Stadt, so waren Gerry and the Peacemakers in den 1960ern äußerst populär, wie auch Frankie Goes to Hollywood in den 1980ern.

Doch außerhalb der Bars und Clubs ging der Verfall der Stadt weiter. Die städtische Bevölkerung ging Jahr für Jahr zurück. 1937 hatte die Stadt die meisten Einwohner in ihrer Geschichte gehabt, man zählte 867.000 Bürger. Nur 54 Jahre später, 1991 waren es 481.000, ein Rückgang um fast die Hälfte. Die 1980er Jahre waren ein Paradebeispiel für den Verfall. 1981 kam es zu den Toxteth Riots, bei dem sich mehrheitliche schwarze Liverpooler gegen die Lokalpolizei auflehnten. Die Wohnungsprobleme sollten – wie bei der Idee vom modernen Bauen üblich – mit Hochhäusern behoben werden, doch wie in so vielen anderen Städten entwickelten sich daraus neue soziale Probleme und Brennpunkte.

Liverpool heute

Seit rund 20 Jahren wurde der Abwärtstrend gestoppt. Zahlreiche Maßnahmen ließen Liverpool wieder aufblühen. Die Öffnung des Docksystems für die Öffentlichkeit war eines dieser Beispiele, die schlussendlich dazu führte, dass die Stadt ihre historischen Hafenanlagen durch die UNESCO zum Welterbetitel anerkennen lies. Obwohl die Liverpool immer noch zahlreiche Probleme hat (das Durchschnittseinkommen ist niedriger als im Landesschnitt, die Gefahr durch falsche Ernährung an Herz-Kreislaufkrankheiten zu sterben ist allerdings weitaus höher als im Rest des Königreiches) sieht man positive Zeichen an vielen Ecken. Die Innenstadt wurde wiederbelebt, neue Studentenwohnheime entstanden, ebenso wie Wohnungen für Geschäftsleute. LIVERPOOL ONE ist ein neues riesiges Einkaufsareal, dass zahlreiche Shoppingtouristen anlockt, der Flughafen ist ein Drehkreuz für Billigfluglinien geworden und neue Gebäude laden zum Entdecken ein, wie das neue Liverpool Museum oder die Echo Arena. Als im Jahr 2007 die Stadt ihr 800 jähriges Bestehen feierte, war der Neuanfang an allen Ecken zu spüren. Die neue Stadtmitte rund um das Albert Dock mit seinen Museen (wie der Tate Liverpool), locken viele Menschen an, die gern vorbei an den drei Grazien in die zahlreichen Pubs der Stadt schlendern und dort bei der ortsüblichen Karaoke einen Beatles-Song zu schmettern. Liverpool 2011 ist eine sehr lebenswerte Stadt, immer noch sehr preiswert, teilweise schmutzig, doch an jeder Ecke kann man viel entdecken.