Patagonien

Die Faszination PatagoniensDie Größe PatagoniensDie Spezifik PatagoniensDie Geschichte PatagoniensPatagonien in wenigen FaktenLiteratur und Fotos zu PatagonienKarte Patagoniens

Die Faszination Patagoniens

Wann ich das erste Mal von Patagonien hörte kann ich nicht mehr sagen, wohl aber dass sich unter dem Namen für mich immer eine ferne und raue Welt verbarg, deren Besonderheit wohl darin lag, dass sie so weit weg lag. Ich erinnere mich an Fernsehberichte (vielleicht der von Klaus Bednarz, aber sicher bin ich mir nicht mehr), in denen Punta Arenas beschrieben wurde, die südlichste Großstadt der Welt und der Ausgangspunkt für Antarktisexpeditionen. Für mich bedeutete dies, der Endpunkt einer möglichen Reise meinerseits, denn Expeditionen ins ewige Eis kamen (und kommen) mir unangenehm kalt und noch dazu nicht ungefährlich vor. Obwohl Australien viel weiter weg von Dresden aus liegt, schien es mir keinen entfernteren Ort zu geben als die Südspitze Südamerikas. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich sehr gern einen Globus bei meiner Oma betrachtete und entsprechend drehte. Die Südspitze Amerikas waren auf ihm immer am schwierigsten zu sehen und die vielen Fjorde, Inseln und Wasserstraßen ließen nicht wirklich klar werden, welcher Punkt bereist werden konnte und welcher Ort verlassen auf den ersten Menschen wartete. Es waren die gezackten Linien von Wasser und Land die zu verschwimmen schienen, welche diese Gegend so reizvoll und gleichzeitig geheimnisvoll machten. Patagonien und Feuerland waren gewissermaßen die größten Ausläufer meines Fernwehs.
Im Jahr 2000 kaufte ich das Buch „In Patagonien“ von Bruce Chatwin und auch hier bin ich mir nicht sicher, ob die Kaufmotivation aus einer Lobpreisung des Autors und seines Textes  (vom wem, diese kam ist mir nicht mehr erklärlich) oder dem Interesse des Gegenstandes galten. Jedoch muss ich, zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht wirklich weit mit dem Buch gekommen bin. Der Kassenzettel als Lesezeichen wanderte nicht weiter als ins erste Drittel. Vielleicht war die Beschreibung dieses fernen Landes mir dann doch zu fern.

Die Größe Patagoniens

Patagonien ist keine wirklich klar definierte Region. Da es in zwei Ländern, nämlich Chile und Argentinien liegt, gibt es auch kein einheitliches Verwaltungsorgan Patagoniens. Ebenfalls gibt es in keinem der Länder eine Provinz die Patagonien umreisen würde, außerdem sind die politischen Mitsprachemöglichkeiten der Provinzen in beiden Ländern sehr unterschiedlich. In Argentinien werden die Provinzparlamente und Gouverneure gewählt, während sie in Chile von der Zentralregierung eingesetzt werden. Einen Patagonier, scheint es daher so nicht zu geben.
Während man mit natürlichen Grenzen klar sagen kann, dass die Region im Osten an den Atlantik und im Westen an den Pazifischen Ozean grenzt, ist die Ausdehnung nach Norden, als auch nach Süden nicht deutlich definiert. Orientiert man sich an geografischen Grenzen, so wird Patagonien im Norden an den Flussläufen des Rio Negro in Argentinien und des Rio Bío Bío in Chile festgemacht. Genauso kann man jedoch argumentieren, dass die nördliche Ausbreitung in Argentinien erst mit dem Rio Colorado endet (der etwas nördlicher der Rio Negro verläuft), während man das Ende Patagoniens in Chile mit dem Reloncaví Fjord begrenzen kann, was weitaus südlicher als der Bío Bío liegt. Eine Karte von 1862 spart sogar die Insel Chiloé in Chile aus. Auch im Süden der Region stellt sich die Frage, ob die Magellanstraße Patagonien von Feuerland trennt, oder ob Feuerland ein Teil Patagoniens ist. Im Regelfall wird letzteres heute so gesehen (um bei Bruce Chatwin zu bleiben, den ich mittlerweile gelesen habe, er bereist Feuerland und verschwendet nicht ein Wort darüber, dass es vielleicht gar nicht zu Patagonien gehören könnte).
Wie auch immer man zu den genauen Verläufen der Region stehen mag (siehe dazu unten in den statistischen Daten mehr), viel wichtiger ist ihre grobe geografische Zweiteilung, welche durch die Anden erfolgt. Der westliche Teil ist daher gebirgig und verregnet, während der östliche Teil trocken, flach und sehr vegetationsarm ist. Gemeinsam ist beiden, der Mangel an menschlicher Besiedlung. Nur rund 2 Menschen leben hier auf einem Quadratkilometer, so wenige wie in keinem anderen Gebiet Südamerikas und das bei einer Größe, die mit über 1 Million Quadratkilometer die Fläche von Deutschland und all seiner Nachbarländer (ausgenommen Frankreich) übersteigt.

Die Spezifik Patagoniens

Diese Fakten machen dann auch das Wesen Patagoniens aus. Wie auch immer man zu dieser Region steht, auffallend ist ihre Leere an Menschen und teilweise auch an Vegetation, gepaart mit ihrer Weite. Drei bekannte Straßen führen durch Patagonien. Die Ruta National 3, die von der Bahia Lapataia im Nationalpark Tierra del Fuego entlang der Atlantikküste nach Norden verläuft, die Ruta National 40 die am argentinischen Rand der Anden entlang führt, wie auch die Carretera Austral in Chile, die sich durch die Anden schlängelt. Allen drein ist gemeinsam, dass sie über viele Kilometer durch das Nichts führen, es kann manchmal Stunden dauern, bis man zur nächsten Ortschaft gelangt oder das sich die Landschaft verändert. Die beiden letzten Straßen bestehen weiterhin zu einem nicht unerheblichen Teil aus Schotterpiste, was die Fortbewegungszeit erheblich streckt. Eine bei Reisenden beliebte Busfahrt auf der RN 40 von El Calafate nach Bariloche dauert ungefähr 25 Stunden, bei einer Distanz von rund 1.500km. Einheimische tendieren daher lieber dazu, die besser ausgebaute RN3 zu nehmen. Die Carretera Austral in Chile hat den Nachteil in der Fjordlandschaft der Anden zu enden und nicht die südlich gelegenen Orte Punta Arenas und Puerto Natales mit dem Rest des Landes zu verbinden. Wer von dort in den Norden Chiles möchte, muss die Fähre nehmen, oder über Argentinien fahren, oder sich in ein Flugzeug setzen, eine inner-chilenische Straße gibt es nicht.
Das zweite Markenzeichen der Region ist der Wind. Umso südlicher man kommt, umso mehr scheint es zu stürmen. Wer beispielsweise nur für einen Tag nach Punta Arenas kommt, um sich einer sehr beliebten Tour zu den Pinguininseln anzuschließen, der muss damit leben, dass diese sehr häufig abgesagt werden müssen, da der Sturm eine Ausfahrt der Boote unmöglich macht.
Sturm und Leere scheinen die Essenzen zu sein, die Patagonien ausmachen. Und diese werden je nach Sichtweise unterschiedlich bewertet. Man kann in dieser Einsamkeit bei teilweise tagelang grauenhaftem Wetter verzweifeln, wie der Kapitän der HMS Beagle, Prinkle Stockes, bei deren erster Erkundungsfahrt. 1828 notierte er in sein Tagebuch: „Nothing could be more dreary than the scene around us. … The weather was that in which … the soul of a man dies in him.” (zitiert aus Moss; Patagonia S. 93). Diese wenig erfreuliche Einschätzung des patagonischen Winters schrieb er im Juni 1828 nieder. Drei Monate später schoss er sich in den Kopf und verstarb einige Tage später. Selbstverständlich kann man auch ganz anders urteilen, nicht zuletzt die immer zahlreicher werdenden Touristen, die von Hotspot zu Hotspot ziehen (so wie der Autor dieser Zeilen). Diese lassen sich von der atemberaubenden Landschaft der Torres del Paine begeistern, der Ruhe des Perito Moreno Gletschers, die bin in die Seele vordringt, sie steigen auf den Cerro Campanario und haben plötzlich ein traumhaftes Märchenpanorama aus Bergen und Seen vor sich liegen, oder sie lassen sich von der Tierwelt der Halbinsel Valdes im Atlantik verzücken. Vielleicht begeistert sich der ein oder andere Reisende, gerade wenn er aus Europa kommt, auch am Gefühl am anderen Ende der Welt zu sein, oder den Platz anzusehen, wo die Atombombe mit ihrer Zerstörungskraft wohl als letztes hingelangt, ein Motiv das schon Bruce Chatwin erwähnte und das ich tatsächlich vor nicht langer Zeit wieder hörte. Keine Kondensstreifen erscheinen in Patagonien am Himmel, denn es gibt einfach keine Flugrouten mehr, die so weit unten im Süden entlang laufen. Überhaupt wird für Mitteleuropäer der Begriff Süden hier umgedeutet. Steht er in Deutschland für die Wärme und den Lebensgeist des Mittelmeers, so wird in Südamerika daraus die große Freiheit, die Einsamkeit, die Leere, der Rand des Globus und das Ende der Welt, so wie Keimzeit es in ihrem Lied „Kling Klang“ besingen. Aber vielleicht ist ja auch gerade hier der Anfang unserer Erde.

Die Geschichte Patagoniens

Die Geschichte Patagoniens muss mit dem Einheimischen beginnen, den indigenen Völkern, die hier Jahrtausende lang lebten, gern einmal auch kriegerisch gegeneinander vorgingen, aber nie in existenzbedrohende Zeiten kamen. Das änderte sich erst mit den ankommenden Europäern.
Vor 14.000 – 10.000 Jahren kamen die ersten Menschen nach Patagonien. Sie wanderten wohl aus Asien bis hierher, lebten aber noch in steinzeitlicher Zivilisation. Tatsächlich sollte sich dies auch für viele Jahrtausende nicht ändern. In Patagonien wurden weder große Städte noch Tempelanlagen gebaut, es gab kein Rad und auch keine Töpferwaren, auch ist keine Schrift der Ur-Patagonier bekannt. Die hier lebenden Stämme waren hauptsächlich Jäger und Sammler. Lediglich die weit im Norden der heutigen Region siedelnden Mapuche entwickelten einige Siedlungen und eine eigene Schrift. Tatsächlich lebten ganz unterschiedliche Völker in den tiefen Weiten des amerikanischen Südens. Chris Moss fasst es so zusammen:

„Those people – Tehuelche, Mapuche, Chonos, Selknam, Yahgan and Halakwalup – struggeld for millennia to survive in inhospitable climes, developing a rudimentary folk culture. During the last five centuries five of these groups have been wiped out – most of them during the past 150 years – and the Mapuche, despite resistance and some successes, have largely been forced into reservations and onto poor land with no tribal or agricultural value.”  (Moss; S.4)

Von all den aufgezählten Kulturen können die Telhuelche als die typischen Patagonier gelten, wobei sie kein eigenes Volk darstellen, sondern sich in viele Ethnien unterteilen. Dabei ist die Abgrenzung in nördliche und südliche Telchuelche die einfachste Unterteilung. Die Telhuelche lebten in Gruppen von ca. 20 Familien unter einem Anführer, der rund 60 Menschen befehligte, wobei die Gemeinschaft weitgehend herrschaftsfrei organisiert war, außer man nahm in Kriegszeiten Sklaven. Den Gruppen stand ein weitreichendes Jagdrevier zur Verfügung. Im Laufe des 17. Jahrhunderts kam es zu einer ersten großen Veränderung im Leben der Telhuelche mit der Einführung des Pferdes. Dieser Prozess war eine Folge der „Aurokanisierung“ Patagoniens. Damit ist ein Vordringen der Aurokanier bzw. Mapuche in den Raum Nordpatagoniens gemeint. Dieses andere Volk der südamerikanischen Ureinwohner wurden 1641 von den Spaniern anerkannt und hatten ihr eigenes Territorium bekommen (allerdings sollten sich die Spanier nicht wirklich lange daran halten). Da die Spanier ihr vordringen nach Norden erschwerten, wanderten sie ab dem 17. Jahrhundert nach Süden und brachten ihre Sprache, aber auch ihre Kultur mit und wandelten die Gewohnheiten der dort lebenden indigenen Völker um. So kam auch das Pferd nach Patagonien und die Telhuelche wurden zu einem Reitervolk. Damit waren sie in der Lage, tiefer in die bisher unbesiedelten Steppen zu ziehen. Eine weitere Folge war, dass sich die lokalen Gruppen auf bis zu 500 Mitglieder erweiterten und die herrschaftsfreie Gruppenstruktur zunehmend von Häuptlingen dominiert wurde. Spätestens im 19. Jahrhundert geriet die nomadische Lebensweise der Telhuelche in Konflikt mit den neuen europäischen Siedlern in Patagonien, die Land für ihre Zwecke einzäunten, Krankheiten einschleppten und später auch rücksichtslose Jagd auf die Ureinwohner machten (Kopfprämien waren keine Seltenheit, auch unternahm die Armee Säuberungsaktionen, die unter dem Deckmantel der „Eroberung des Südens“ der Öffentlichkeit verkauft wurden). Gab es 1800 wohl noch rund 10.000 Telhuelche waren sie ab 1965 praktisch ausgestorben. Trotzdem zählt der argentinische Staat heute immer noch 27.000 Telhuelche, wobei es sich dabei ausnahmslos um Mestizen handelt. Sie arbeiten als Gauchos oder in den Erdölfeldern des Südens.
Der Name Patagonien rührt wie so manch anderer Begriff (z.B. Stiller Ozean oder Feuerland) von der ersten Weltumseglung unter Fernando Magellan in den Jahren 1521-23. Sein Chronist Antonio Pigafetta notierte „pathagoni“ in seinen Aufzeichnungen, als die Expedition als erste Europäer überhaupt, im tiefen Süden Amerikas auf Menschen stieß. Was Pigafetta nicht tat, war eine Ethnologie des Wortes mitzuliefern. So gibt es verschiedene Theorien, wie es zu diesem Namen kam. Die Wahrscheinlichste ist, dass es sich dabei um einen Superlativ des portugiesischen Wortes „Patagon“ handelt, übersetzt „Fuß“. Patagonien, das Land der Riesenfüssler.  Die Einschätzung Pigafettas und der Crew war sicherlich vorgeprägt von den damaligen Überlieferungen. Zu jener Zeit waren die Fahrten in die neue Welt noch wie Reisen in ferne, höchst unbekannte Orte und die Menschen, auf die man traf, waren für die Europäer zwar unzivilisiert, aber keinesfalls ungefährlich (Magellan selbst, sollte auf den asiatischen Molukken einen Angriff von Ureinwohnern zum Opfer fallen). 1512 wurden Erzählungen in Spanien publiziert, die von den Riesen berichteten, die halb Tier, halb Mensch in einsamen Gegenden der Welt lebten. Sicherlich waren diese Berichte Pigafetta bekannt und obwohl die Einheimischen kaum größer waren, als die Seefahrer selbst, nahm man doch an, die angesprochenen Hünen entdeckt zu haben, die man aus den Schilderungen anzutreffen vermutete. Noch Jahrhunderte hielt sich die Wahrnehmung, in den Weiten Patagoniens lebten großgewachsene Wilde. Es ist ein menschlicher Zug, dass Seefahrer, die an den Rand ihrer Welt fuhren, diese Riesen wieder zu sehen glaubten, während im Laufe der Jahre immer mehr Zweifel aufkamen, dass die Patagonier irgendwelche Giganten waren. Hielt sich dieses Thema in Spanien länger, waren es die englischen Seefahrer, die darauf hinwiesen, dass Patagonier keinesfalls so groß gewachsen waren, wie vermutet. Aber der Name Patagonien hatte sich schon festgesetzt und blieb bestehen, auch wenn die Einwohner vermutlich kleinere Füße hatten als gedacht.
Patagonien blieb noch für viele Jahrzehnte das Land der Ureinwohner. Diese bekriegten sich zwar untereinander und kamen sehr gelegentlich mal mit ein paar neuen Siedlern in Konflikt, aber gerade diese hatten keine größeren Ambitionen sich hier nieder zu lassen. Zuweit weg war Patagonien, zu rau war es hier und auch zu unfruchtbar. Zwar erkannten die Spanier, die sich als neue Herrscher sahen, dass insbesondere die Südspitze eine große strategische Bedeutung hatte, aber ihre Bemühungen sind allesamt von größerer Tragik bestimmt als von Erfolg.
Ein gutes Beispiel sind die Siedlungen Nombre de Jesus und  Rey Felipe, welche von Pedro Sarmiento de Gamboa mit einigen hundert Kolonisten 1584 angelegt wurden. Beide Orte entstanden an der Magellanstraße, wo eine strategische Absicherung der eigenen Ansprüche wichtig erschien. Doch während Sarmiento bei einer Transitfahrt in einen schweren Sturm geriet und schließlich zurück nach Europa steuerte, nur um dort von den Engländern gefangen genommen zu werden und jahrelang in der Alten Welt verbringen musste, verblieben die übrigen Siedler auf sich gestellt in den Neuen Welt. Die widrigen Bedingungen machten das Leben zur Hölle. Drei Jahre später zog es den Briten Thomas Cavendish durch die Magellanstraße. Er stieß auf die Siedlung Rey Felipe, aber alles was er fand, waren dreihundert verhungerte Menschen. Er nannte den Ort Port Famine, übersetzt Hungerhafen, so wie der Platz auch heute noch bekannt ist.
Der tatsächliche Misserfolg der Kolonisierung Patagoniens stand im Wiederspruch mit den ausufernden Geschichten, in welcher die Region als Quelle eines verborgenen Reichtums vermutet wurde. Die Erzählungen beziehen sich dabei zumeist auf eine Expedition von Francisco César, der 1529 im Rahmen einer Reise von Sebastian Caboto vom Rio de la Plata aus ins Landesinnere vordrang. Obwohl César lebend zurückkehrte (nicht so ein Großteil seiner Weggefährten), begann schnell ein Mythos aufzuleben, welcher behauptete, dass es in den Tiefen des Landes eine oder gar mehrere Städte gäbe, die an Herrlichkeit und Reichtum auf der Welt nicht zu übertreffen wären. Dieser geheimnisvolle Ort wurde als die Stadt Cesars bezeichnet. Hier – so wurde gemutmaßt – hätten sich die Männer der Expedition niedergelassen und mit dem Gold, das man hier vermutete, einen Ort geschaffen, der ähnlich wie das sagenumwobene El Dorado alle zeitgenössischen Träume des Wohlstands beinhaltete. Friedlich sollten hier Europäer und Ureinwohner gemeinsam leben. Noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein war dieser Mythos lebendig und die Cesaren, so wurden die Einwohner jener verborgenen Städte genannt, wurden irgendwo in Patagonien vermutet, gut in der endlosen Weite Patagoniens versteckt. 
Erst im 19. Jahrhundert nimmt die Besiedlung mit vorwiegend europäischen Kolonisten Fahrt auf. Die Anfang des Jahrhunderts entstandenen Staaten Chile und Argentinien waren darauf bedacht, Menschen in der Region anzusiedeln, auch um den eigenen Anspruch auf ihr Territorium zu festigen. Nicht unbedingt am zahlreichsten, aber heute noch am besten im Gedächtnis, ist dabei die Kolonisierung durch die Waliser. Mit dem „Gwladfa“ Projekt kamen zahlreiche Waliser nach Patagonien. In ihrer Heimat hoffnungslos verarmt und unterprivilegiert, suchten sie nach einem besseren Leben und Freiheit. Sie starteten 1865 und landeten südlich der Halbinsel Valdes an, in einer Bucht die sie New Bay nannten und die heute noch Golfo Nuevo heißt. Von dort siedelten sie sich in der Chubut-Region an, welche nach dem hier befindlichen Fluss benannt ist. Doch das gelobte Land entpuppte sich als karge Einöde und die ersten zivilisatorischen und wirtschaftlichen Erfolge ließen lange auf sich warten. Bei Chris Moss findet sich die eindrucksvolle Passage eines Neu-Siedlers:

„I have never been so disappointed by anything. The region is nothing like we read and heard about it before… It’s an almost infinite plain, without trees or rocks, only different types of grasses and bushes, some reaching above head-height, so it is very difficult to move around and only the luckiest comes out of it with their skin intact.” (Moss S. 130f).

Schlussendlich verstanden es die Waliser schon, sich das Land nutze zu machen. Im Gegensatz zu vielen anderen Geschichten der „Eroberung des Südens“ hatten sie weitestgehend friedliche Kontakte mit den Ureinwohnern und in Puerto Madryn erinnert ein Denkmal an die gute Nachbarschaft. Allerdings sind heute sind nicht nur diese Ureinwohner verschwunden, auch die walisischen Ortschaften haben ihre vorwiegend walisische Identität verloren.  
Natürlich siedelten in jener Zeit auch viele andere Menschen in Patagonien an. Feuerland wurde bald von britischen Missionaren besucht, in Punta Arenas gab es viele Kroaten und auch Franzosen und Deutsche versuchten ihr Glück zu finden. Die wohl ungewöhnlichsten Neuankömmlinge waren die amerikanischen Banditen Butch Cassidy und Sundance Kid, welche aus dem zunehmend kleiner werdenden rechtsfreien Raum des nordamerikanischen Wilden Westens nach Patagonien gingen, angeblich um hier Land zu kaufen und Rinder zu züchten. Zusammen mit der Amerikanerin Etta Place lebten sie einige Jahre in Patagonien. Jedoch hatten sie ihre kriminelle Energie nicht völlig verbraucht und so überfielen sie 1905 eine Bank in Rio Gallegos und tauchten danach in den Weiten Patagoniens ab. 1908 sollen sie bei einem Überfall in Bolivien erschossen wurden sein, was eine entsprechende Aufarbeitung in Hollywood gefunden hat. 1969 kam „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ mit Paul Newman und Robert Redford in die Kinos (in Deutschland als „Zwei Banditen“) und wurde ein gewaltiger Kassenerfolg. Nocheinmal über zwanzig Jahre später (1991) wurden die Gräber der beiden Räuber in Bolivien geöffnet und eine DNA Analyse durchgeführt, wobei festgestellt wurde, dass es sich bei den getöteten Räubern in Bolivien nicht um Butch Cassidy und Sundance Kid handelt.
Schließlich zog auch das 20.Jahrhundert über das Land. Politische Regime kamen und gingen und verursachten teilweise großes Leid. Öl wurde gefunden und ist heute ein Wirtschaftsfaktor der Region. Die wundervolle Natur wurde als solche entdeckt und den Menschen zugänglich gemacht. Nationalparks wurden gegründet und neben ihnen Städte etabliert, welche den Menschen Einlass zu den Schönheiten Patagoniens bieten soll. Als 1946 der argentinische Nationalpark „Los Glaciares“  eröffnet wurde, verwandelte sich ein winziger Umschlagplatz für Wolltransporte, El Calafate, in eine Stadt für Touristen, die von hier aus zum Gletscher Perito Moreno reisen wollen. Ähnlich verhält es sich mit Patagoniens jüngstem Dorf, El Chaltén am Fuße des FitzRoy Massives. Das Dorf, das hauptsächlich Trekking-Touristen beherbergt, trägt dabei den indianischen Namen des Berges und gilt als jüngste Siedlung Patagoniens.

Patagonien in wenigen Fakten

Fläche: 1.043.076 km² (bestehend aus den argentinischen Provinzen: Neuquén, Rio Negro, Chubut, Santa Cruz, Tierra del Fuego und der chilenischen Palena Provinz sowie den Regionen Aisén, Magallanes)
Einwohner: 2 Millionen
Einwohner / km² 1,9
Wichtigste Städte: Neuquén 224.000
Comodoro Rivadavia 173.000
Punta Arenas 115.000
San Carlos de Bariloche 108.000
Sprachen: Spanisch
Markanteste Berge: Mount FitzRoy (3406m), Torres del Paine (3050m)
Bekannteste Nationalparks: PN Torres del Paine (UNESCO Schutz seit 1978), PN Tierra del Fuego, PN Los Glaciares (UNESCO Schutz seit 1981), Peninsula Valdés (UNESCO Schutz seit 1999)
Artikel zur Region Patagonien: Punta Arenas | Ushuaia |Feuerland | Beagle-Kanal | Magellanstraße

     

Literatur und Fotos über Patagonien

Chris Moss: Patagonia. A Cultural History. 2008. Oxford University Press: Chris Moss kulturelle Geschichte Patagoniens ist das beste mir bekannte Buch über den südlichsten Teil Südamerikas, dass leider nur in Englisch erschienen ist. Moss beleuchtet die Geschichte der Region, aber auch, was über sie geschrieben wurde, was Menschen über sie empfinden und er zeigt, dass es sehr unterschiedliche Perspektiven über Land und Leute gibt. Dieser Artikel beruht in vielen Teilen diesem wunderbaren Buch.

Bruce Chatwin. In Patagonien. 1981 (dt.). Reinbek: Chatwins Reisebericht über Patagonien ist das Standartwerk jedes Reisenden in der Region und wohl eines der am meisten gelesenen Reisebücher überhaupt. Obwohl es Chatwin meisterhaft versteht Orte, Geschichten und Menschen zu verknüpfen, ist das Buch heute nur noch bedingt zu empfehlen. Chatwins Bericht ist in die Jahre gekommen und beschreibt das Patagonien des 1970er Jahre. Weiterhin ist seine Erzählung nicht frei von einer gewissen erzählerischen Arroganz, die das Lesevergnügen mindert. A must have, you don’t must have!

Durch die Fülle an Fotos wurden diese auf eine eigene Bildergalerie-Seite Patagonien ausgelagert. Diese finden Sie hier.

Karte Patagoniens

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