Geschichte Kaliforniens

Entdeckung und erste Besiedlung | Kalifornien in Mexiko| Kalifornien als 31. Staat der USA | Kalifornien im 20. Jahrhundert | Kalifornien vom 2.Weltkrieg bis heute | Literatur zur Geschichte Kaliforniens

Die Geschichte Kaliforniens ist nach europäischen Maßstäben, eine kurze Angelegenheit. Das liegt an zwei Sachverhalten, der Eine ist, dass eine Geschichtsschreibung erst mit der europäischen Eroberung der Region beginnt, die im 16. Jahrhundert einsetzt, aber eigentlich bis zum späten 18. Jahrhundert nicht wirklich bemerkenswert ist. Der andere Grund ist, dass die Geschichte der Ureinwohner Kaliforniens, der Indianer der zahlreichen Stämme der Region, der Yuki, Kumasch, Hoopa, Miwok, Pomo, Yokut, Panamint, Yuman, um nur sehr wenige Beispiele zu nennen, eine weniger berücksichtigte Vorgeschichte darstellt. Das ist damit begründbar, dass die Indinanerstämme keine Aufzeichnungen ihrer Historie hinterlassen haben, was dann wieder dazu führt, dass die Geschichte Kaliforniens eine Erzählung ist, die aus der Perspektive der Neusiedler, also der ehemaligen Europäer geschrieben wurde. Vernachlässigt man also die zahlreichen indianischen Einwohner, die auf dem Gebiet des heutigen Kaliforniens leb(t)en – und dabei soll es sich bei großzügigen Schätzungen, um rund ein Drittel aller Ureinwohner Nordamerikas gehandelt haben- so beginnt Kaliforniens Geschichte mit spanischen Kolonisatoren.

Entdeckung und erste Besiedlung

Der Name Kalifornien tauchte als erstes in der Alten Welt auf und reicht wohl mindestens zurück auf ein Stück spanische Prosa von Garci Ordóñez de Montalvo, in welchem es um die Belagerung von Kostantinopel geht. Unter den beteiligten Akteuren waren auch schwarze Amazonen, die von einer Königin des namens Califa angeführt wurden und die eigentlich auf einer entfernten, aber wohlhabenden Insel lebten. Die Annahme das Kalifornien eine Insel war und es gegebenenfalls etwas Gold zu finden gäbe, trug auch den (von den Ureinwohnern) gefürchteten Eroberer Mexikos Hernán Cortès und seine Soldaten an. Als sie auf der Halbinsel des heutigen Niederkaliforniens ankamen, glaubten sie auf einer Insel zu sein und gaben ihr den Namen California, woraus man schlussfolgern kann, dass das eigentliche Kalifornien, das heutige „Baja California“ ist. Francisco de Ulloa fand nur wenig später heraus, dass Kalifornien durchaus keine Insel war und eine Landverbindung hatte. Heute ist der Teil der Halbinsel Kaliforniens mexikanisches Staatsgebiet und wird als Niederkalifornien bezeichnet (lange hielt sich für den heutigen US-Staat die Bezeichnung „Alto California“, also Ober-Kalifornien). 1542 wurde eine Expedition unter Juan Rodríguez Cabrillo entsandt, welche am 28. September in der heutigen San Diego Bay enterte und damit als erster Europäer den Boden des heutige US-Bundesstaates Kalifornien betrat. Die Expedition setzte ihren Weg nach Norden fort. Cabrillo verstarb an den Folgen eines Unfalls, doch seine Crew zog bis zum 42.Breitengrad weiter und erreichte damit die heutige Grenze Kaliforniens mit Oregon (die tatsächlich nur ein gerader Strich ist). Doch es sollte für einige Zeit die letzte Expedition der Spanier in dieser Region gewesen sein.
Tatsächlich war es 1577 der britische Seefahrer und Pirat Francis Drake, der sich in der Region wiederfand, als er die zweiten Weltumseglung der menschlichen Geschichte unternahm. Zwei Jahre nachdem Start 1579, kam er an den Gestaden des heutigen Nordkaliforniens an und blieb hier für 5 Wochen, bevor er und seine Crew nach Westen hin seine Reise fortsetzten, nicht ohne vorher das Land „Nova Albion“ (Neues England) zu taufen und es für die Krone seiner Königin Elisabeth zu reklamieren. Aber für die Ureinwohner und ebenso die Spanier bleib das vollkommen folgenlos.
Für Spanien wurde Kalifornien am Ende des 16. Jahrhunderts wieder etwas interessanter, da man herausfand das der günstigste Seeweg von Japan über den Pazifik, hier wieder auf Land stieß. So konnte man entlang der kalifornischen Küste weiter nach Süden reisen, wo man nach Mexiko gelangte, der wirklich bedeutenden Kolonie des spanischen Weltreiches. 1602 startete eine weitere Expedition unter der Leitung von Sebastian Vizcaíno, der die Monterey Bucht erreichte, welche er nach dem Vizekönig benannte und fuhr weiter nördlich am Golden Gate vorbei, wobei er die bis dahin weitreichendsten Aufzeichnungen der Küste vornahm. Trotzdem verpasste er die Einfahrt zur San Francisco Bucht, welche von den Europäern bis dato immer noch nicht entdeckt worden war. Tatsächlich sollte dies noch lange so bleiben, denn in mehr als 150 darauffolgenden Jahren wurde Alta California mehr oder weniger ignoriert. Der spanische Staat hatte einfach nicht die Ressourcen weitere Unternehmungen in der Region vorzunehmen, geschweige denn hier eine Zivilgesellschaft aufzubauen. So wurde es den Jesuiten-Orden vorbehalten, die Region zu zivilisieren, was diese auch taten, wenngleich erst in Niederkalifornien, wo sie zahlreiche Missionen aufbauten. Nachdem die Jesuiten unter der Regentschaft von Carlos III. von Spanien als zu mächtig angesehen wurden, vergab der spanische Staat dem Franziskaner-Orden die Aufgabe, neue Missionen in Nordkalifornien zu erbauen. Unter dem Franziskaner Junípero Serra wurde die Kolonisierung von Alto California geplant und eine „heilige Expedition“ vorbereitet. Zur See und zu Land sollten vier Gruppen nach Norden vorstoßen. An der Bucht von San Diego sollte ein Basiscamp erbaut werden. Die Expedition hatte jedoch weitaus größere Probleme als erwartet und als man sich 1769 in der Bucht von San Diego traf, waren nur noch die Hälfte der Teilnehmer am Leben. Doch die Gruppen fuhren nach Norden fort und tatsächlich schaffte es eine Landexpedition die Bucht von San Francisco zu entdecken, wenngleich nicht gleich deren Zugang zum Meer. Am 16. Juli 1769 gründete man die erste Mission im heutigen Kalifornien, in San Diego. Von hier aus sollten je eine Tagesreise entfernt 20 weitere Missionen folgen und so ein zivilisatorisches Netz bilden. Diese ersten Stationen waren jedoch alles andere als sich gut entwickelnde Orte, sondern zumeist nur kleine Bretterhütten als Vorposten im Nichts. In jener Zeit war Kalifornien eher ein Gebiet in das man gezwungen werden musste zu gehen, als dass man hier freiwillig hinkam. Erst 1775 wurde letztendlich der Eingang zur Bucht von San Francisco gefunden und dort eine Mission gegründet, die nach dem heiligen Franz von Assisi benannt wurde und damit die Keimzelle der heutigen Stadt ist. Gleichfalls wurde an der Einfahrt der Bucht, am Golden Gate, eine Militärbasis gebaut, deren Nachfolger auch heute noch besichtigt werden kann.
Tatsächlich hatte die Errichtung des Missionsnetzes zwei Folgen für die weitere Geschichte. Zum einen ist es der Startpunkt einer gezielten europäischen Besiedlung der Region und gleichzeitig der Niedergang der indianischen Ureinwohner, die in den folgenden Jahrzehnten fast bis zur Bedeutungslosigkeit verschwand.

Kalifornien in Mexiko

Im Jahr 1822 machte sich Mexiko von Spanien unabhängig und wurde 1824 zu einem Bundesstaat, zudem nun auch (ganz) Kalifornien gehörte. Im neuen Staat wurden die Missionen säkularisiert und (sehr langsam) eine Zivilgesellschaft aufgebaut. Die Missionen blieben als Gebäude bestehen und in einigen von ihnen wurden auch weiterhin Gottesdienste abgehalten (heute übrigens ist nur noch die Mission Santa Barbara im Besitz der katholischen Kirche). Mit der Aufteilung des kirchlichen Besitzes entstand eine Gesellschaft der Rancheros, die das weite Land zu landwirtschaftlichen Zwecken benutzen, nicht ohne dabei auf indianische Arbeit zurückzugreifen. So konnten sich einige wohlhabende Familien etablieren, auf Kosten der unter schwierigen Bedingungen arbeitenden Menschen.
Von Nicht-Mexikanischer Seite her erwuchs immer mehr Interesse an der Region, die in den 1830er Jahren nicht mehr als 7.000 Nicht-Indianische Einwohner hatte. Als erstes waren es die Russen, die 1808 schon einen Stützpunkt im nördlichen Fort Ross etablierten, um in der Bodega Bay Pelze zu gewinnen. Der junge Staat der USA sendete die Hudson Bay Company, welche ebenfalls den Handel in Kalifornien aufnahm. 1826 kamen erstmals Amerikaner nach Kalifornien, angeführt von Jedediah Smith, der ein Gruppe von 17 Trappern anführte. Obwohl nicht viele der Teilnehmer im Westen ankamen, waren es nun die immer wieder aufziehenden amerikanischen Expeditionen, die langsam das kalifonische Land mit dem weit entfernten Osten verbanden. Ab den 1840er Jahren wandelte sich der Zuzug nach Kalifornien. Immer mehr Familien kamen mit den Tracks aus dem Osten um sich hier ein neues Leben aufzubauen, die meisten erreichten ihr Ziel mit dem Schiff, ein geringerer, aber sich zunehmend verstärkender Teil zu Land. Mit den hierhin ziehenden amerikanischen Yankees, sah sich der mexikanische Staat immer mehr der Gefahr ausgesetzt, dass sein Territorium in Kalifornien unterwandert würde. Tatsächlich verbanden die neuen Siedler viele Sympathien mit der jungen USA und diese wiederum sah mit Kalifornien die Möglichkeit ein Staat zu werden, der vom Atlantik bis zum Pazifik reicht. So folgte schließlich der Mexikanisch-Amerikanische Krieg der im Vertrag von Guadelupe Hidalgo endete, der ein rund 1,3 Millionen km² Gebiet von Mexiko an die USA abtrat (die heutigen Staaten Nevada, Utah, Kalifornien, sowie Teile von Colorado, New Mexico und Wyoming). Schon zu Beginn des Krieges gab es freiheitliche Bestrebungen der Kalifornier, am besten in Erinnerung im Bear Flag Revolte. Unbemerkt vom einsetzenden Krieg erlangte die Idee eines eigenen Republik Kalifornien Popularität. Auch wenn die Idee dazu eigentlich vom Entdecker John Charles Frémont kam, waren es 33 wahrscheinlich leicht angetrunkene Siedler im Norden Kaliforniens, die in Sonoma eine mexikanische Kaserne übernahmen und eine eigens kreirte Flagge mit Bären und Stern hissten. 25 Tage lang hielt sich die unabhängige Bear Flag, bevor sie von der Amerikanischen ersetzt wurde, aber noch heute lebt sie in der Flagge des kalifornischen Bundesstaats weiter.
1849 trafen sich in Monterey 38 Mitglieder einer verfassungsgebenden Versammlung und erarbeiteten eine erste Konstitution, in welcher Sklaverei verboten wurde und die Grenzen des freien Staates festgelegt wurden. Tatsächlich waren diese viel kleiner, als die 1,3 Millionen km², welche die USA von Mexiko erwarben. Denn einen solchen Riesenstaat, soviel war klar, würde der US-amerikanische Kongress nicht bewilligen und dieser musste der Aufnahme eines neuen Bundesstaates zustimmen.

Kalifornien als 31. Staat der USA

Der Weg, ein US-amerikanischer Bundesstaat zu werden, war tatsächlich gar nicht so einfach. Zwar konnte Kalifornien die Kriterien für die Aufnahme erfüllen, aber zwischen den bisherigen 30 Staaten gab es einen Patt zwischen Nord und Süd. Unterschiedliche Sichtweisen zur Sklavenfrage waren 1850, rund 10 Jahre vor dem Bürgerkrieg, schon die entscheidenden innenpolitischen Fragen und die Aussicht die USA mit der Einverleibung Kaliforniens zum Pazifik hin auszudehnen stand das Problem gegenüber, dass eine der beiden innenpolitischen Seiten eine Übermacht innerhalb der USA bekommen würde, wobei Kalifornien sich gegen die Sklaverei aussprach, sich sonst aber dem Süden gegenüber aufgeschlossen zeigte. Am 18.Oktober 1850 wurde nach längeren Verhandlungen Kalifornien der 31. Staat der USA.
Die erfreuliche Nachricht ging etwas in den Turbulenzen jener Tage unter, denn besonders Nordkalifornien war in jenen Jahren dem Goldrausch erlegen, der eine radikale Umwälzung der Region vollzog und mit dem Jahr 1849 verbunden ist (das American Football Team San Francisco 49ers ist danach benannt). Tatsächlich wurde am 24. Januar des Jahres 1848 von James Wilson Marshall erstmals Gold gefunden und das rein zufällig, denn das Team um Marshall war eigentlich bestrebt Holz zu roden und nach San Francisco zu flössen. Schon im Frühjahr sprach sich herum das sich am American River, einem Nebenfluss des in die Bucht von San Francisco fließenden Sacramento Rivers, Gold finden ließ und als die Nachricht im Dezember 1848 im Kongress in Washington besprochen wurde und Präsident Polk es offiziell machte, das man in Kalifornien Gold gefunden hatte setze ein in der Geschichte einmaliger Run von Glückssuchern ein. In den folgenden zwei Jahren fand der „California Gold Rush“ statt, welcher nicht nur dem Staat seinen noch heute gebräuchlichen Spitznamen verschaffte, sondern seine Stellung und Bedeutung sprunghaft veränderte. Waren es vor Jahrhunderten die spanischen Träume auf ein „El Dorado“, die Menschen antrieb schwierigste Verhältnisse auf sich zu nehmen, so war es nun ein amerikanischer Traum nach (schnellem) Geld, der Menschen aus Nah und Fern antrieb nach Kalifornien zu kommen. Zumal der Abbau nicht auf privaten Feldern stattfand, sondern auf staatlichem Territorium! Jeder der wollte, konnte sein Glück versuchen, musste aber gewisse Regeln beachten. Später wurde dann aber festgelegt, dass nur noch Amerikaner nach Gold suchen durften. Tatsächlich war es ein nicht ungefährliches Unternehmen, jeder 12. Goldsucher verlor dabei sein Leben; Unfälle und Krankheiten machten ebenso die Runde wie Mord und Totschlag. Die Kriminalitätsrate erreichte Rekorde, die hoffentlich nie wieder erreicht werden (in Sonora z.B. lag die Mordrate 1850 bei 506 Fällen auf 100.000 Einwohnern, was das 50-fache des nicht gerade geringen Durchschnitts der USA von 1999 ist). Lynchjustiz war ein häufig anzutreffendes Phänomen und die Opfer stammten zumeist nicht aus der weißen Schicht der Amerikaner.
Die sogenannten 49ers strömten in die Region und machten fast über Nacht San Francisco zum neuen Zentrum der Westküste, während die indianische Urbevölkerung massiv schrumpfte. San Franciscos Aufstieg zur Metropole war rasend, schon 1870 war es die 10.größte Stadt der USA. Gleichzeitig lösten die vielen neuen Siedler eine Urbanisierungswelle in der Region aus, aus den beispielsweise Stockton (heute fast 300.000 Einwohner) oder Sacramento (heute Hauptstadt Kaliforniens mit rund 470.000 Einwohnern) entstanden.
In den 1850er Jahren konnte man Kalifornien so grob in vier Bereiche aufteilen; die urbanisierte Bay Area um San Francisco und die Minen der Goldabbaugebiete, den weiten und fast unbesiedelten Norden, das Central Valley mit seiner Landwirtschaft und den ebenfalls spärlich besiedelten Süden. Bald schon waren mehr Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt als im Bergbau und Kaliforniens Ruf als gutes Anbaugebiet, dass sich heute insbesondere mit dem hießigen Wein weltweit widerspiegelt, begann zu gedeihen. Als der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, war die Stimmung in Kalifornien pro-Unionistisch, jedoch war das Kriegsgebiet so weit weg, dass es keinen größeren Einfluss im Westen hatte, so wie Kalifornien keine Bedeutung für den Kriegsverlauf hatte.
Die Anbindung an den Rest des Landes erfolgte durch die erste transkontinentale Eisenbahn, welche 1869 eröffnet wurde. Durch staatliche Subventionierung wurden die beiden Eisenbahnunternehmen Central Pacific und Union Pacific zu den bedeutendsten Landbesitzern im Westen der USA. Die kalifornische Central Pacific Railroad wurde getragen von vier Unternehmern; Collins P. Huntington, Mark Hopkins, Leland Stanford und Charles Crocker, welche später als die Big Four in die Geschichte Kaliforniens eingehen werden und außergewöhnliche Profite aus der Unternehmung gewannen. Bedeutend beim Bau der Eisenbahnlinie war ein großer Import an Fachkräften und Arbeitern. Zahlreiche Chinesen wurden angeworben, welche zumeist die körperlich sehr harte Arbeit vollbringen mussten, dass Gebirge der Sierra Nevada zu durchkreuzen. Spätestens seit jenen Tagen war Kalifornien immer auch ein Platz für Menschen aus dem Reich der Mitte, wenngleich diese sich immer wieder rassistischen Verfolgungen ausgesetzt sahen. Für die wirtschaftliche Entwicklung nicht nur des amerikanischen Westens, sondern ganz Amerikas war dieser Eisenbahnbau von enormer Bedeutung.
Bis weit in die 1870er Jahre hinein blieb der Südteil Kaliforniens fast unbesiedelt, während der Norden kräftig wuchs, doch bis zur Jahrhundertwende setzte auch hier eine verstärkte urbanistische Entwicklung ein. Getragen wurde diese zumeist von der Mittel- und Oberklasse, die in den günstigen klimatischen Bedingungen ein lohnenswertes Ziel sahen. Von San Diego bis Santa Barbara schossen Kureinrichtungen, erste Hotels und neue Wohnanlagen aus dem Boden, die insbesondere in den warmen Wintermonaten von Menschen aus dem Midwest besucht wurden. Ein mediterranes Empfinden wurde beworben, dass an die koloniale Vergangenheit erinnerte und dabei half, das Südkalifornien seine eigene Identität entwickelte. Am eindrücklichsten ist dies noch heute in Santa Barbara zu sehen, wo die von einem Erdbeben zerstörte Stadt 1925 ganz im spanischen Kolonialstil wieder errichtet wurde.
Währenddessen spezialisierte sich die Landwirtschaft weiter heraus. Während das Central Valley so etwas wie die Kornkammer Kaliforniens wurde, baute man im Süden zumeist Zitrusfrüchte und Wein an. Gegen Ende des Jahrhunderts erreichte der Bundesstaat die Einwohnerzahl von rund 1,5 Millionen, wobei die Hälfte der Einwohner allein in der Bay Area zu finden waren, wo gleichzeitig auch das kulturelle und industrielle Herz schlug. Das Wachstum Los Angeles setzte erst jetzt ein und verdankte sich dem schnellen Ausbau von elektrischen Bahnlinien.

Kalifornien im 20. Jahrhundert

Das Erdbeben von 1906 zerstörte zwar weite Teile San Franciscos, konnte aber dem Wachstum der Stadt insgesamt nichts anhaben, obwohl rund 3.000 Menschen dabei ihr Leben verloren. Die ersten Jahrzehnte des neuen – 20. Jahrhunderts – waren geprägt von einem infrastrukturellen Ausbau Kaliforniens. Dabei war ein Hauptproblem die Verteilung des Wassers, dass im Norden reichlich vorhanden, im Süden aber sehr knapp ist. Zwei Drittel des gesamten Jahresniederschlages fallen im nördlichsten Drittel des Staates, während ein Großteil des Südens Wüstenland ist. So wurde Wasser ins Central Valley geleitet, dessen landwirtschaftliche Nutzbarkeit damit rapide Anstieg. Im tiefen Süden Kaliforniens wurde das Wasser des Colorados angezapft und nach Westen geleitet, wobei das fruchtbare Imperial Valley entstand, aber auch der Salton Lake, ein See der durch einen gewaltigen Leitungsbruch entstand und der zwei Jahre lang unbeabsichtigt geflutet wurde (der See ist noch heute rund doppelt so groß wie der Bodensee!). Los Angeles hätte ohne das 1913 eingeweihte LA Aqueduct mit einer Länge von 235 Meilen an Kanälen, Tunneln und Aquädukten niemals sein gewaltiges Wachstum beginnen können, so wie auch San Francisco durch den O’Shaughnessy Damm mit frischen Wasser versorgt wurde. Tatsächlich wurden jedoch viele dieser neuen Projekte ohne jede Rücksicht auf die Umwelt durchgeführt und führten zu noch heute sichtbaren Zerstörungen. Für das Wachstum Kaliforniens jedoch, war die infrastrukturelle Verbesserung der Wasserversorgung und die Stadtplanung, die in San Francisco oder San Diego groß angelegt wurde maßgebend. 1910 hatte der Bundesstaat bereits 2,3 Millionen Einwohner und bis 1940 sollten schon fast 7 Millionen Einwohner in Kalifornien leben. In jenen Jahren entwickelten sich insbesondere Los Angeles und San Diego zu lebhaften Metropolen (LA wuchs von 100.000 auf 1,2 Millionen Einwohnern von 1900 bis 1940). Die Mehrheit der neuen Bewohner zogen aus dem Mittleren Westen her, aber es gab weiterhin eine Menge Japaner und Chinesen die in Kalifornien ihr Glück suchten, wobei diese sich immer noch starken rassistischen Problemen ausgesetzt sahen (für eine längere Zeit war es Chinesen verboten nach Kalifornien einzureisen, was dazu führte das die schon hier beheimateten Chinesen, die zumeist als Arbeiter beschäftigt waren zu einer Gruppe einsamer alter Männer wurden). Die Anziehungskraft Kaliforniens lag aber nicht nur beim freundlichen Wetter, sondern insbesondere bei seiner boomenden Ökonomie, die nun verstärkt auch den Süden des Landes betraf. Los Angeles wuchs zu einer Stadt des Autos heran, die auf den neu erschaffenen Boulevards brausten. Auch San Francisco erlebte mit dem Bau der Bay Brücken einen infrastrukturellen Ausbau, maßgeblich mit der Bay Bridge und als besonderes Zeichen mit der Golden Gate Bridge aus dem Jahr 1936, die zu einem der bekanntesten Symbole Kaliforniens wurde.
Die Große Depression der 1930er Jahre erreichte Kalifornien leicht verzögert. Aus den wirtschaftlich gebeutelten Gebieten der Great Plains wanderten zahlreiche Menschen ein und verringerten so innerhalb von kurzer Zeit das Lohnniveau nach unten. Die Neuankömmlinge wurden abwertend „Okies“ genannt, da viele von ihnen aus Oklahoma kamen. Auch diese Gruppe, zumeist verarmter amerikanischer Migranten musste sich mit erheblichen Vorurteilen herumplagen. Durch die schlechteren Lebensbedingungen der Krise nahmen Streiks zu, gleichfalls Gewalt und Vorurteile, die sich besonders gegen Minderheiten richteten.

Kalifornien vom 2.Weltkrieg bis heute

Der 2.Weltkrieg, an dem die USA seit 1941 teilnahm, hatte für Kalifornien besondere Bedeutung. Jedoch nicht als Kriegsschauplatz, sondern als Ausgangspunkt amerikanischer Operationen im Pazifik und einer massiven staatlichen Investition in die neu entstehende Rüstungsindustrie. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour fanden sich besonders die japanischen Einwohner Kaliforniens unter Generalverdacht wieder und getrieben durch einen schon seit Jahrzehnten herrschenden Rassismus kam es zu Reglungen wie der „Proclamation Number One“ aus dem Jahr 1942, die vorsah das in den westlichen Staaten der USA keine Japaner bzw. japanisch stämmigen Amerikaner mehr leben durften und in Internierungslager geschafft wurden. Rund 110.000 Menschen wurden daraufhin aus ihrer Heimat vertrieben. Eine weitere Konsequenz des Krieges im Pazifik war, das die San Francisco Bay zu einem Umschlagplatz für Truppen wurde, die von hier in den Krieg zogen oder aus diesem zurück kamen. Während in San Francisco die Truppen der Army stärker präsent waren, waren es in Los Angeles und besonders San Diego, die der Navy. Allein das Golden Gate sollen während der Kriegszeiten mehr als 1,6 Millionen Soldaten passiert haben.
Einen noch wichtigeren Nebeneffekt stellte die kriegsbedingte Industrialisierung dar. Fast aus dem nichts wurden Werften erbaut. Die an der gesamten Westküste verbreitete „Kaiser shipyards“ bauten 30% aller amerikanischen Kriegsschiffe. Los Angeles entwickelte sich zu einem Zentrum der Luftfahrt, die schon seit 1910 hier beheimatet war und solche Unternehmer wie John Northrop, Glenn Martin, Donald Douglas oder die Brüder Loughead (besser bekannt als Lockheed) hervorbrachten. Diese Industriezweige blieben auch die Wachstumsmotoren nach dem Ende des Krieges und förderten in der Stadt und in ihrem Umland eine Bevölkerungsexplosion noch größeren Ausmaßes, als bisher erlebt. Viele Kriegsveteranen ließen sich nun in Kalifornien nieder und konnten mit staatlichen Subventionen Eigenheime errichtet, die wie Pilze aus dem Boden sprießten. Beispielhaft ist dies an der Entwicklung der Metropolregion Los Angeles zu sehen. Im San Fernando Valley kam es nach dem Krieg zu einem Bauboom. Allein dort wurden im Jahr 1947 die Anzahl der Häuser verdoppelt und vollkommen neue Städte erschienen plötzlich auf der Landkarte, während durch die massenhaft einströmenden Zuwanderer sogar noch von einer Häuserknappheit ausgegangen werden musste. Das 1955 eröffnete Disneyland mit seiner Familienorientierung und seinem unbändigen Fortschrittsglauben wurde zu einem Symbol für das neue Kalifornien, dass besonders im Süden immer weiter ausufernde Vorstadtsiedlungen bekam, die mit Autobahnen zu einem riesigen Verkehrsnetz verbunden wurden. Ein weiterer Pluspunkt für die kalifornische Entwicklung war das die kriegsbedingte Emigration zahlreicher – besonders deutscher – Wissenschaftler, die eine neue wissenschaftliche Elite in die Region brachte. Mit den beiden bundesstaatlichen Systemen,der University of California und der California State University, sowie der Stanford University wurde Kalifornien zu einem weltweit führenden Wissenschaftsstandort. Gleichfalls machte sich die Region einen Ruf darin, neue Ideen zu fördern und fortschrittliche Utopien auszuleben. San Diego entwickelte sich zu einem Zentrum der Biotechnik. Das südlich von San Francisco gelegene Palo Alto wurde zu einem Zentrum der Mikroelektronik, besonders da der geistige Einfluss der Stanford University deutlich war. Hier gründeten in den 1930er Jahren David Packard und William Hewlett ihre Firma in einer Hütte im Hinterhof. Eine Geschichte die sich in den 1970er Jahren ganz ähnlich mit Apple wiederholte. Heute liegt das Herz des Sillicon Valleys immer noch in der südlichen Bay Area, dem weltweit bedeutendsten Standort der IT- und High-Tech Industrie, dessen Produkte das Leben der gesamten Menschheit veränderte (denken sie einfach mal an ihr Handy).
Auf ganz andere Weise für die globale Kultur bedeutungsvoll war die Entwicklung der Filmindustrie. Tatsächlich waren die ersten amerikanischen Filmstudios nicht in Los Angeles, aber die gute Wettersituation und kostengünstige Ausgangsbedingungen förderten die Ansiedlung von Studios in den 1910er und 20er Jahren, wobei die meisten Produktionen sich am Fuße der Santa Monica Berge befanden, im rund 8km von Downtown LA entfernten Hollywood. Nach einem nationalen Aufstieg folgte in den 1940er Jahren der globale Aufstieg Hollywoods zum Zentrum des Films, das wiederum davon profitierte, dass in Europa der 2.Weltkrieg herrschte und zahlreiche Künstler an die Westküste immigrierten.
Die literarische Szene in Kalifornien brachte zahlreiche weltbekannte Schriftsteller hervor. Autoren wie John Steinbeck oder Raymond Chandler schrieben hier. In den 1950er Jahren entstand das Beat Movement in San Francisco (im City Lights Bookstore) mit so bekannten Persönlichkeiten wie Jack Kerouac oder Allen Ginsberg. Henry Miller siedelte sich in der Einsamkeit von Big Sur an und San Francisco wurde eine bevorzugte Destination, der seit den 1960er Jahren erscheinenden Hippies. Gleichzeitig wurde die Metropole zu einem liberalen Zentrum für Homosexuelle. Im Castro Viertel entwickelte sich eine bunte und lebendige Szene und die Stadt hatte dem ersten offen schwulen Stadtvertreter in den USA mit Harvey Milk, der – und das ist vielleicht auch irgendwie amerikanisch – 1978 erschossen wurde. Im Bereich der Malerei lebten und arbeiten Größen wie Diego Rivera und Frida Kahlo in San Francisco und die Malereien im Foyer des Coit Towers zeigen noch heute den eindrucksvoll lebendigen Stil der 1930er Jahre. Nicht zu vergessen ist auch die architektonische Vielfältigkeit und die innovative Kraft, besonders der Moderne in Kalifornien, beispielsweise bei den Case Study Häusern in Los Angeles.
In der 2.Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Kalifornien zum meist bevölkerten Staat der USA mit heute knapp 40 Millionen Einwohnern und wäre die 7. größte Volkswirtschaft der Welt, wenn es ein eigener Staat wäre. Kalifornien war schon immer ein Einwanderungsland und ist geprägt durch eine einzigartige ethnische Diversität, die sich in den letzten Jahrzehnten noch verstärkt hat. Doch das Zusammenleben war (und ist) nie frei von Konflikten und von fairer Behandlung aller Seiten, was wiederum zu einigen größeren Auseinandersetzungen führte. So geschehen bei den Watts Riots 1965 in Los Angeles bei dem 34 Menschen getötet wurden, oder 1992 als vier Polizisten frei gesprochen wurden, die den Afroamerikaner Rodney King ein Jahr zuvor auf offener Straße misshandelten. Die darauffolgenden Unruhen kosteten 53 Menschen das Leben und zählte weit über 1000 Verletzte. Auch die illegale Einwanderung wird in Kalifornien als (großes) Problem wahrgenommen und führte sogar zur Abstimmung der Proposition 187 im Jahr 1996, die vorsah, illegalen Einwanderern von Sozialhilfen auszuschließen, eine Entscheidung, die so aber nie realisiert wurde. Tatsächlich ist der Anteil, besonders von aus Mexiko eingewanderten Menschen in Südkalifornien hoch und nicht wenige Wirtschaftszweige sind von diesen billigen Arbeitskräften abhängig. Immer mehr ethnische Gruppen vermischen sich miteinander, jedoch bestehen weiterhin große Unterschiede nicht nur im ökonomischen Bereich, sondern auch im Miteinander der Bewohner Kaliforniens. Ebenfalls Teil der jüngeren Geschichte ist der Pleitegeier, der seit der Jahrtausendwende über dem Staat schwebt und der nicht ganz unverschuldet seine Runden zieht, denn es war die Politik, die versuchte mit der Öffnung des Energiemarktes billigeren Strom zu erhalten, tatsächlich aber in kürzester Zeit das Gegenteil schuf. Das Platzen der Dotkom Blase führte erschwerend dazu, dass der Bundesstaat in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geriet und so zu dem etwas paradoxen Phänomen, dass eine der wirtschaftsstärksten Regionen der Welt nur einen bitterarmen Staatshaushalt vorfindet. Doch auch wenn Kaliforniens Probleme nicht gering, klein oder einfach zu lösen sind, es bleibt nicht nur in Amerika das Land der Träume mit seinen wundervollen Landschaften, seinen einzigartigen Metropolen und seinen Menschen, die so vieles hier erschufen und weiter erschaffen werden.

Literatur zur Geschichte Kaliforniens

Selbstverständlich gibt es über Kalifornien eine große Auswahl von Büchern. Dieser Artikel wurde maßgeblich geleitet durch: Kevin Starr „California – a history“, das vielleicht beste, aber nur in englischer Sprache erschienene Standartwerk zur Geschichte der Region. Gleichfalls erwähnt werden soll Mike Davis „City of Quartz“, das auch auf Deutsch erschienen ist, sich vorrangig aber mit der Geschichte Los Angeles beschäftigt, dies aber nicht nur sehr innovativ, sondern auch sehr kritisch und lesenswert.

Kalifornien

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Der Goldene Staat liegt hinter den Bergen, wo es nicht mehr weiter westlicher geht und die Sonne abends im Meer so schön verglüht, dass man meinen könnte, die Atmosphäre wäre hier eine andere, weil sie noch kräftiger in die Farbschatulle gegriffen hat, um mit einer besonders großen Portion kitschigen Sonnenuntergang anzugeben. Kalifornien ist das Ziel von großen Hoffnungen und nicht gerade kleinen Erwartungen und vielleicht die Region in der Welt von der sich die meisten Menschen weltweit „das gute Leben“ versprechen. Ein bisschen so, wie die letzte und krönende Szene der Serie „Godless“: der Cowboy reitet durch die Ewigkeit des amerikanischen Festlandes, erklimmt einen letzten Berg und es eröffnet sich die Sicht auf den Ozean und die untergehende Sonne. Er ist da, im gelobten Land, in Kalifornien. Ich habe diese Szene erst gestern gesehen und ich bin mir sicher, sie haben ähnliches über Kalifornien auch schon gelesen, gesehen oder gehört. Es ist nicht zu verleugnen, da ist ein Reiz, der sich mit dem Thema Kalifornien auflädt, etwas Kitschiges, etwas Fernes, etwas Beginnendes und doch auch etwas Finales.

Es gibt nur einen einzigen amerikanischen Ort in der deutschen Sprache der hierzulande noch einen eigenen Eigennamen hat und nicht dem englischsprachigen Namen entspricht und das ist Kalifornien (gehen sie es ruhig durch geneigte Leser: New York, Florida, New Orleans…). Warum das so ist und wir nicht auch einfach California sagen ist mir nicht bekannt, aber die Tatsache hinterlässt ein Gefühl der Einzigartigkeit und tatsächlich ist dieser, der 31. Bundesstaat der USA etwas (ganz) Besonderes. In vielerlei Hinsicht.
Seine Naturschönheiten sind atemberaubend. Von den Redwoodbäumen an der nördlichen Pazifikküste über die hoch aufragende Sierra Nevada, die nicht nur den ersten Nationalpark der Welt, den Yosemite beinhaltet, sondern auch die gigantischen Sequoia-Bäume, hin zur Mojave Wüste im Süden mit dem Death Valley oder dem Joshua Tree. Und dabei darf man die Einsamkeit der Big Sur Küste nicht vergessen oder die Lebhaftigkeit von San Francisco und der Bay Area und natürlich nicht den eigenwilligen Glanz der Megacity Los Angeles.
Kalifornien hat eine sehr junge Geschichte, doch ist es tatsächlich dieser Region gelungen, ein elementarer Bestandteil unserer alltäglichen Lebenswelt zu werden. Nicht nur tragen wir Jeans, die hier patentiert wurden, wir schauen Filme und Serien, welche die Städte und Landschaften Kaliforniens zeigen, sondern auch einen Einblick geben, wie das Leben an der pazifischen Küste ist (oder vielleicht auch nur sein soll). Die unsere Körper und unseren Geist mit der Welt verbindenden Smartphones, die Geisel und die Inspiration der letzten 15 Jahre Lebenswelt wurden hier erfunden. Es ist tatsächlich schwer, sich eine andere Region auf der Welt vorzustellen, die auf unser tägliches Leben so viel Einfluss hat wie Kalifornien.

Fakten

Fläche: 423.970 km² (3. größter Bundestaat der USA)
Einwohner: 39.536.653 (2017) (Bevölkerungsreichster Bundestaat der USA)
Zeitzone: Pacific Standard Time (UTC -8)
Spitzname: The Golden State

Hauptstadt: Sacramento 495.234 (1,7 Mio,)
wichtigste Städte:
Los Angeles 3.976.322 (12,1 Mio.),
San Diego 1.406.630 (2,9 Mio.),
San Jose 1.045.785 (1,89 Mio.),
San Francisco 870.887 (4,6 Mio.),
Fresno 522.053 (972.297)
Sprachen: Englisch, Spanisch

Geschichte Kaliforniens

Eine kurze Geschichte Kaliforniens (4.269 Wörter) finden Sie hier.

Kalifornien in der Kunst

Unser Bild des Lebens in der ersten Welt ist maßgeblich geprägt von Bild was uns direkt oder indirekt aus Kalifornien erzählt wird. Direkt spielt dabei Kalifornien eher die Rolle der sonnenbeschienen, ewigen Sommer habenden Strandgegend, wo Surfer Wellen reiten (wie in „Gefährliche Brandung“), gut gebaute Körper bräunen („Baywatch“) oder das leichte und angenehme Leben genießen (wie beispielsweise in „Two and a half Man“ oder noch witziger in „Arrested Development“). Dabei steht zumeist ein eher weißes Kalifornien im Mittelpunkt, was sich aber nicht mehr mit den demographischen Realitäten deckt, denn Kalifornien gehört zu den vier Majority-Minority-Staaten in welchen nicht-spanischsprachige Weiße, sogenannte „Caucasians“ mittlerweile nicht mehr 50% der Bevölkerung stellen (in Kalifornien waren es im Jahr 2000 rund 40%). Doch Hollywood, das bekanntlich in Los Angeles liegt, schafft es einen Glanz in Dinge zu bringen, die viel weniger glänzend schimmern, wenn man vor Ort ist. Bestes Beispiel ist Los Angeles selbst, dass wahrlich nicht zu den schöneren Städten auf unserem Planeten gehört. Die Patina der filmischen Inszenierung beflügelt eine Vorstellungswelt, welche die tatsächlichen Orte nicht mehr erbringen können. Wer die Watts Towers in „La La Land“ oder „In Search for a Kiss before Midnight“ gesehen hat, der kann bei einem Besuch vor Ort schnell ernüchtert sein und meinen sich im hintersten Viertel der Stadt wiederzufinden (was allerdings ein schnelles und falsches Urteil ist) und wer das wunderbar verlassene Griffith-Observatorium von „Am Ende der Gewalt“ kennt, der ist von den Menschenmassen die den Aufstieg auf den Berg, auf welchem es steht, auf sich nehmen, bestenfalls überrascht. Selbst der szenische Mullholland Drive, der über die Hügel West LAs führt, kann in der Realität mit seinen zahlreichen Hollywood Tour-Bussen nie an das ästhetische Traumbild in Wim Wenders Film heranreichen, der nach der Straße benannt ist.
Das soll aber keineswegs die Leistungen der hiesigen Filmindustrie schmälern. Ganz im Gegenteil ist es ein Verdienst unsere Vorstellungswelt zu aktivieren und uns (wenn auch gern in einer, wie eben versucht zu zeigen, Überspitzung der tatsächlichen Gegebenheiten) über Geschichten zu berichten. Es gibt einfach zu viele Filmproduktionen die sich die Historie, oder das aktuelle Leben in Kalifornien zum Thema machten, aber in filmischen Meisterwerken wie „There Will Be Blood“ kann man sich ein Bild von der frühen Ölindustrie in Südkalifornien machen, während Filme wie „American Beauty“ oder Serien wie „Six Feet Under“ zwar nicht explizit kalifornischen Alltag porträtieren, uns aber eine Reflexion erlauben, wie unser Sinn des Lebens aussehen kann und uns damit indirekt mit einem Bild von Kalifornien füttern.

Aber Kalifornien ist nicht Hollywood und die Region findet sich gleichfalls in anderen künstlerischen Produkten wieder, deren Einfluss allerdings weniger massenhaft konsumiert wurden und werden. John Steinbecks Roman „Früchte des Zorns“ ist sicherlich ein wundervolles Zeugnis über Flucht, Einwanderung und das Gefühl der Zweitklassigkeit,so das es heute zu einer Art Standartwerk über kalifornische Geschichte geworden ist. Eine interessante Version der 1990er Jahre über diesen Themenbereich bietet T.C. Boyles „América“, während Thomas Pynchon beispielsweise in „Vineland“ die gesellschaftlichen Veränderungen in Kalifornien bis in die 1990er Jahre beschreibt.

Doch auch in der Musik beschallt uns reichlich kalifornische Musik und das nicht nur wenn der Songtitel, wie bei „California Dreaming“ von The Mama & the Papas oder bei „California Here we come“ von Phantom Planet (beide Bands kommen übrigens aus Los Angeles) davon künden. In den 1930er Jahren war LA eine Stadt im Fieber von Lindy Hop und in den 40er Jahren etablierte sich der West Coast Blues Sound und mit dem Namen Dave Brubeck ist der Jazz der Westküste verbunden. In den 1960er Jahren schappten die psychodelischen Rocksounds von Jefferson Airplane durch die Bucht von San Francisco, während die Beach Boys sich gern am Strandleben „abpopten“. Als in den 1980er Jahren der Punk aufkam gründeten sich in LA Bad Religion und ebenfalls von hier eroberten Guns n‘ Roses die Bühnen der Welt, während Bands wie Green Day, No Doubt, The Offspring, Black Eyed Peas und natürlich die Red Hot Chilli Peppers seit den 1990er Jahren auch aus europäischen Radios erklingen. Nicht zu vergessen ist der West Coast Rap und Hip-Hop, der Szenehelden wie Snoop Dogg oder Dr. Dre hervorbrachte. Die folgenden 15 Songs sollen einen kleinen Überblick geben, wobei nur das erste Lied eines der vielen Beispiellieder ist für einen Song über Kalifornien, während die restlichen 14 Videos von kalifornischen Künstlern stammen:

Living in California

Ob Filme, TV-Serien, Bücher oder Musik. Sie lassen uns ein Bild Kaliforniens vorstellen in welchem Surfer Wellen reiten und Rettungsschwimmer vom Strand aus auf diese Aufpassen (die Surfer und Badegäste, nicht die Wellen), während auf der Promenade der nächste Arnold Schwarzenegger seine Muskeln aufpumpt und Musik hört, die über die gewalttätigen Nachbarschaften kündet und dazu tendiert Konfrontationen mit Waffen zu heroisieren. Derweil macht seine Freundin Joga-Übungen, um sich für potentielle Hollywood Agenten auch mental frisch zu halten. Zur selben Zeit brühten die nerdigen Erfinder des Sillicon Valley schon am nächsten Gadget das unser Leben revolutionieren wird und im Norden des Landes bewirten Winzer ihre gutsituierten Gäste mit köstlichem Wein aus dem Napa-Valley.

Das tatsächliche Leben in Kalifornien ist vor allem eins, es ist teuer! Acht von zehn Gebieten mit den höchsten Häuserpreisen der USA befinden sich in Kalifornien. Die Millionenstadt San Jose, am Rande des Sillicon Valley, gilt als überteuertste Stadt Nordamerikas und Häuser in Palo Alto kosten durchschnittlich 1,5 Millionen Dollar (wir reden nicht von Villen!). Die enormen Preise für Immobilien fördern natürlich auch die Obdachlosigkeit und es wird geschätzt das 20% aller Amerikaner, die auf der Straße übernachten müssen, in Kalifornien leben. Gleichzeitig ist Kalifornien der am schnellsten wachsende Bundesstaat der USA, der erst 1962 New York als bevölkerungsreichsten Staat ablöste, heute aber schon mehr als doppelt so viele Einwohner wie der Ostküstenstaat hat. Um rund 300.000 Menschen wächst Kalifornien pro Jahr (als der Bundesstaat in die USA aufgenommen wurde, hatte er nicht mal 100.000 Einwohner) und er hat mittlerweile rund 40 Millionen Einwohner (ungefähr soviel wie Argentinien). Jeder vierte Kalifornier ist nicht in den USA, jeder Zweite nicht im Bundesstaat geboren worden. Kalifornien ist ein klassisches Einwanderungsland! Und das quasi von Geburt an, denn indigene Ureinwohner bilden nicht mal mehr 2% der Gesamtbevölkerung ab. Das heutige Kalifornien ist ein ethnisch stark gemischter Staat, bei dem, wie schon erwähnt, die nicht-spanischsprachigen Weißen nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Tatsächlich sprechen 40% der Einwohner zu Hause nicht englisch miteinander. Eine besonders stark vertretene Bevölkerungsgruppe sind die lateinamerikanischen Kalifornier, die vor allem in Südkalifornien wohnen, was selbstverständlich mit der Nähe Mexikos zu tun hat. Im Norden, besonders in San Francisco, fallen zumeist die asiatisch-stämmigen Einwohner auf, denn mit rund 5,5 Millionen Einwohnern leben rund ein Drittel aller asiatisch-stämmigen US-Amerikaner im Golden State. Das Zusammenleben in Kalifornien war dabei nie sorgenfrei und stets von Auseinandersetzungen geprägt, angefangen beim Schwund der Indianer mit der ersten europäischen Besiedlung bis zur Proposition 187 im Jahr 1996. Trotzdem gilt Kalifornien als toleranteste Region der USA, nicht nur in religiöser Hinsicht (wenngleich sich hier gern auch religiöse Gruppen formieren, die das Gegenteil von tolerant sind), sondern gleichfalls in lebensweltlicher Sicht, wie bei der Behandlung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, oder aber auch bei der Legalisierung von leichten Drogen.

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Bildergalerie Patagonien

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Patagonien

Die Faszination PatagoniensDie Größe PatagoniensDie Spezifik PatagoniensDie Geschichte PatagoniensPatagonien in wenigen FaktenLiteratur und Fotos zu PatagonienKarte Patagoniens

Die Faszination Patagoniens

Wann ich das erste Mal von Patagonien hörte kann ich nicht mehr sagen, wohl aber dass sich unter dem Namen für mich immer eine ferne und raue Welt verbarg, deren Besonderheit wohl darin lag, dass sie so weit weg lag. Ich erinnere mich an Fernsehberichte (vielleicht der von Klaus Bednarz, aber sicher bin ich mir nicht mehr), in denen Punta Arenas beschrieben wurde, die südlichste Großstadt der Welt und der Ausgangspunkt für Antarktisexpeditionen. Für mich bedeutete dies, der Endpunkt einer möglichen Reise meinerseits, denn Expeditionen ins ewige Eis kamen (und kommen) mir unangenehm kalt und noch dazu nicht ungefährlich vor. Obwohl Australien viel weiter weg von Dresden aus liegt, schien es mir keinen entfernteren Ort zu geben als die Südspitze Südamerikas. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich sehr gern einen Globus bei meiner Oma betrachtete und entsprechend drehte. Die Südspitze Amerikas waren auf ihm immer am schwierigsten zu sehen und die vielen Fjorde, Inseln und Wasserstraßen ließen nicht wirklich klar werden, welcher Punkt bereist werden konnte und welcher Ort verlassen auf den ersten Menschen wartete. Es waren die gezackten Linien von Wasser und Land die zu verschwimmen schienen, welche diese Gegend so reizvoll und gleichzeitig geheimnisvoll machten. Patagonien und Feuerland waren gewissermaßen die größten Ausläufer meines Fernwehs.
Im Jahr 2000 kaufte ich das Buch „In Patagonien“ von Bruce Chatwin und auch hier bin ich mir nicht sicher, ob die Kaufmotivation aus einer Lobpreisung des Autors und seines Textes  (vom wem, diese kam ist mir nicht mehr erklärlich) oder dem Interesse des Gegenstandes galten. Jedoch muss ich, zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht wirklich weit mit dem Buch gekommen bin. Der Kassenzettel als Lesezeichen wanderte nicht weiter als ins erste Drittel. Vielleicht war die Beschreibung dieses fernen Landes mir dann doch zu fern.

Die Größe Patagoniens

Patagonien ist keine wirklich klar definierte Region. Da es in zwei Ländern, nämlich Chile und Argentinien liegt, gibt es auch kein einheitliches Verwaltungsorgan Patagoniens. Ebenfalls gibt es in keinem der Länder eine Provinz die Patagonien umreisen würde, außerdem sind die politischen Mitsprachemöglichkeiten der Provinzen in beiden Ländern sehr unterschiedlich. In Argentinien werden die Provinzparlamente und Gouverneure gewählt, während sie in Chile von der Zentralregierung eingesetzt werden. Einen Patagonier, scheint es daher so nicht zu geben.
Während man mit natürlichen Grenzen klar sagen kann, dass die Region im Osten an den Atlantik und im Westen an den Pazifischen Ozean grenzt, ist die Ausdehnung nach Norden, als auch nach Süden nicht deutlich definiert. Orientiert man sich an geografischen Grenzen, so wird Patagonien im Norden an den Flussläufen des Rio Negro in Argentinien und des Rio Bío Bío in Chile festgemacht. Genauso kann man jedoch argumentieren, dass die nördliche Ausbreitung in Argentinien erst mit dem Rio Colorado endet (der etwas nördlicher der Rio Negro verläuft), während man das Ende Patagoniens in Chile mit dem Reloncaví Fjord begrenzen kann, was weitaus südlicher als der Bío Bío liegt. Eine Karte von 1862 spart sogar die Insel Chiloé in Chile aus. Auch im Süden der Region stellt sich die Frage, ob die Magellanstraße Patagonien von Feuerland trennt, oder ob Feuerland ein Teil Patagoniens ist. Im Regelfall wird letzteres heute so gesehen (um bei Bruce Chatwin zu bleiben, den ich mittlerweile gelesen habe, er bereist Feuerland und verschwendet nicht ein Wort darüber, dass es vielleicht gar nicht zu Patagonien gehören könnte).
Wie auch immer man zu den genauen Verläufen der Region stehen mag (siehe dazu unten in den statistischen Daten mehr), viel wichtiger ist ihre grobe geografische Zweiteilung, welche durch die Anden erfolgt. Der westliche Teil ist daher gebirgig und verregnet, während der östliche Teil trocken, flach und sehr vegetationsarm ist. Gemeinsam ist beiden, der Mangel an menschlicher Besiedlung. Nur rund 2 Menschen leben hier auf einem Quadratkilometer, so wenige wie in keinem anderen Gebiet Südamerikas und das bei einer Größe, die mit über 1 Million Quadratkilometer die Fläche von Deutschland und all seiner Nachbarländer (ausgenommen Frankreich) übersteigt.

Die Spezifik Patagoniens

Diese Fakten machen dann auch das Wesen Patagoniens aus. Wie auch immer man zu dieser Region steht, auffallend ist ihre Leere an Menschen und teilweise auch an Vegetation, gepaart mit ihrer Weite. Drei bekannte Straßen führen durch Patagonien. Die Ruta National 3, die von der Bahia Lapataia im Nationalpark Tierra del Fuego entlang der Atlantikküste nach Norden verläuft, die Ruta National 40 die am argentinischen Rand der Anden entlang führt, wie auch die Carretera Austral in Chile, die sich durch die Anden schlängelt. Allen drein ist gemeinsam, dass sie über viele Kilometer durch das Nichts führen, es kann manchmal Stunden dauern, bis man zur nächsten Ortschaft gelangt oder das sich die Landschaft verändert. Die beiden letzten Straßen bestehen weiterhin zu einem nicht unerheblichen Teil aus Schotterpiste, was die Fortbewegungszeit erheblich streckt. Eine bei Reisenden beliebte Busfahrt auf der RN 40 von El Calafate nach Bariloche dauert ungefähr 25 Stunden, bei einer Distanz von rund 1.500km. Einheimische tendieren daher lieber dazu, die besser ausgebaute RN3 zu nehmen. Die Carretera Austral in Chile hat den Nachteil in der Fjordlandschaft der Anden zu enden und nicht die südlich gelegenen Orte Punta Arenas und Puerto Natales mit dem Rest des Landes zu verbinden. Wer von dort in den Norden Chiles möchte, muss die Fähre nehmen, oder über Argentinien fahren, oder sich in ein Flugzeug setzen, eine inner-chilenische Straße gibt es nicht.
Das zweite Markenzeichen der Region ist der Wind. Umso südlicher man kommt, umso mehr scheint es zu stürmen. Wer beispielsweise nur für einen Tag nach Punta Arenas kommt, um sich einer sehr beliebten Tour zu den Pinguininseln anzuschließen, der muss damit leben, dass diese sehr häufig abgesagt werden müssen, da der Sturm eine Ausfahrt der Boote unmöglich macht.
Sturm und Leere scheinen die Essenzen zu sein, die Patagonien ausmachen. Und diese werden je nach Sichtweise unterschiedlich bewertet. Man kann in dieser Einsamkeit bei teilweise tagelang grauenhaftem Wetter verzweifeln, wie der Kapitän der HMS Beagle, Prinkle Stockes, bei deren erster Erkundungsfahrt. 1828 notierte er in sein Tagebuch: „Nothing could be more dreary than the scene around us. … The weather was that in which … the soul of a man dies in him.” (zitiert aus Moss; Patagonia S. 93). Diese wenig erfreuliche Einschätzung des patagonischen Winters schrieb er im Juni 1828 nieder. Drei Monate später schoss er sich in den Kopf und verstarb einige Tage später. Selbstverständlich kann man auch ganz anders urteilen, nicht zuletzt die immer zahlreicher werdenden Touristen, die von Hotspot zu Hotspot ziehen (so wie der Autor dieser Zeilen). Diese lassen sich von der atemberaubenden Landschaft der Torres del Paine begeistern, der Ruhe des Perito Moreno Gletschers, die bin in die Seele vordringt, sie steigen auf den Cerro Campanario und haben plötzlich ein traumhaftes Märchenpanorama aus Bergen und Seen vor sich liegen, oder sie lassen sich von der Tierwelt der Halbinsel Valdes im Atlantik verzücken. Vielleicht begeistert sich der ein oder andere Reisende, gerade wenn er aus Europa kommt, auch am Gefühl am anderen Ende der Welt zu sein, oder den Platz anzusehen, wo die Atombombe mit ihrer Zerstörungskraft wohl als letztes hingelangt, ein Motiv das schon Bruce Chatwin erwähnte und das ich tatsächlich vor nicht langer Zeit wieder hörte. Keine Kondensstreifen erscheinen in Patagonien am Himmel, denn es gibt einfach keine Flugrouten mehr, die so weit unten im Süden entlang laufen. Überhaupt wird für Mitteleuropäer der Begriff Süden hier umgedeutet. Steht er in Deutschland für die Wärme und den Lebensgeist des Mittelmeers, so wird in Südamerika daraus die große Freiheit, die Einsamkeit, die Leere, der Rand des Globus und das Ende der Welt, so wie Keimzeit es in ihrem Lied „Kling Klang“ besingen. Aber vielleicht ist ja auch gerade hier der Anfang unserer Erde.

Die Geschichte Patagoniens

Die Geschichte Patagoniens muss mit dem Einheimischen beginnen, den indigenen Völkern, die hier Jahrtausende lang lebten, gern einmal auch kriegerisch gegeneinander vorgingen, aber nie in existenzbedrohende Zeiten kamen. Das änderte sich erst mit den ankommenden Europäern.
Vor 14.000 – 10.000 Jahren kamen die ersten Menschen nach Patagonien. Sie wanderten wohl aus Asien bis hierher, lebten aber noch in steinzeitlicher Zivilisation. Tatsächlich sollte sich dies auch für viele Jahrtausende nicht ändern. In Patagonien wurden weder große Städte noch Tempelanlagen gebaut, es gab kein Rad und auch keine Töpferwaren, auch ist keine Schrift der Ur-Patagonier bekannt. Die hier lebenden Stämme waren hauptsächlich Jäger und Sammler. Lediglich die weit im Norden der heutigen Region siedelnden Mapuche entwickelten einige Siedlungen und eine eigene Schrift. Tatsächlich lebten ganz unterschiedliche Völker in den tiefen Weiten des amerikanischen Südens. Chris Moss fasst es so zusammen:

„Those people – Tehuelche, Mapuche, Chonos, Selknam, Yahgan and Halakwalup – struggeld for millennia to survive in inhospitable climes, developing a rudimentary folk culture. During the last five centuries five of these groups have been wiped out – most of them during the past 150 years – and the Mapuche, despite resistance and some successes, have largely been forced into reservations and onto poor land with no tribal or agricultural value.”  (Moss; S.4)

Von all den aufgezählten Kulturen können die Telhuelche als die typischen Patagonier gelten, wobei sie kein eigenes Volk darstellen, sondern sich in viele Ethnien unterteilen. Dabei ist die Abgrenzung in nördliche und südliche Telchuelche die einfachste Unterteilung. Die Telhuelche lebten in Gruppen von ca. 20 Familien unter einem Anführer, der rund 60 Menschen befehligte, wobei die Gemeinschaft weitgehend herrschaftsfrei organisiert war, außer man nahm in Kriegszeiten Sklaven. Den Gruppen stand ein weitreichendes Jagdrevier zur Verfügung. Im Laufe des 17. Jahrhunderts kam es zu einer ersten großen Veränderung im Leben der Telhuelche mit der Einführung des Pferdes. Dieser Prozess war eine Folge der „Aurokanisierung“ Patagoniens. Damit ist ein Vordringen der Aurokanier bzw. Mapuche in den Raum Nordpatagoniens gemeint. Dieses andere Volk der südamerikanischen Ureinwohner wurden 1641 von den Spaniern anerkannt und hatten ihr eigenes Territorium bekommen (allerdings sollten sich die Spanier nicht wirklich lange daran halten). Da die Spanier ihr vordringen nach Norden erschwerten, wanderten sie ab dem 17. Jahrhundert nach Süden und brachten ihre Sprache, aber auch ihre Kultur mit und wandelten die Gewohnheiten der dort lebenden indigenen Völker um. So kam auch das Pferd nach Patagonien und die Telhuelche wurden zu einem Reitervolk. Damit waren sie in der Lage, tiefer in die bisher unbesiedelten Steppen zu ziehen. Eine weitere Folge war, dass sich die lokalen Gruppen auf bis zu 500 Mitglieder erweiterten und die herrschaftsfreie Gruppenstruktur zunehmend von Häuptlingen dominiert wurde. Spätestens im 19. Jahrhundert geriet die nomadische Lebensweise der Telhuelche in Konflikt mit den neuen europäischen Siedlern in Patagonien, die Land für ihre Zwecke einzäunten, Krankheiten einschleppten und später auch rücksichtslose Jagd auf die Ureinwohner machten (Kopfprämien waren keine Seltenheit, auch unternahm die Armee Säuberungsaktionen, die unter dem Deckmantel der „Eroberung des Südens“ der Öffentlichkeit verkauft wurden). Gab es 1800 wohl noch rund 10.000 Telhuelche waren sie ab 1965 praktisch ausgestorben. Trotzdem zählt der argentinische Staat heute immer noch 27.000 Telhuelche, wobei es sich dabei ausnahmslos um Mestizen handelt. Sie arbeiten als Gauchos oder in den Erdölfeldern des Südens.
Der Name Patagonien rührt wie so manch anderer Begriff (z.B. Stiller Ozean oder Feuerland) von der ersten Weltumseglung unter Fernando Magellan in den Jahren 1521-23. Sein Chronist Antonio Pigafetta notierte „pathagoni“ in seinen Aufzeichnungen, als die Expedition als erste Europäer überhaupt, im tiefen Süden Amerikas auf Menschen stieß. Was Pigafetta nicht tat, war eine Ethnologie des Wortes mitzuliefern. So gibt es verschiedene Theorien, wie es zu diesem Namen kam. Die Wahrscheinlichste ist, dass es sich dabei um einen Superlativ des portugiesischen Wortes „Patagon“ handelt, übersetzt „Fuß“. Patagonien, das Land der Riesenfüssler.  Die Einschätzung Pigafettas und der Crew war sicherlich vorgeprägt von den damaligen Überlieferungen. Zu jener Zeit waren die Fahrten in die neue Welt noch wie Reisen in ferne, höchst unbekannte Orte und die Menschen, auf die man traf, waren für die Europäer zwar unzivilisiert, aber keinesfalls ungefährlich (Magellan selbst, sollte auf den asiatischen Molukken einen Angriff von Ureinwohnern zum Opfer fallen). 1512 wurden Erzählungen in Spanien publiziert, die von den Riesen berichteten, die halb Tier, halb Mensch in einsamen Gegenden der Welt lebten. Sicherlich waren diese Berichte Pigafetta bekannt und obwohl die Einheimischen kaum größer waren, als die Seefahrer selbst, nahm man doch an, die angesprochenen Hünen entdeckt zu haben, die man aus den Schilderungen anzutreffen vermutete. Noch Jahrhunderte hielt sich die Wahrnehmung, in den Weiten Patagoniens lebten großgewachsene Wilde. Es ist ein menschlicher Zug, dass Seefahrer, die an den Rand ihrer Welt fuhren, diese Riesen wieder zu sehen glaubten, während im Laufe der Jahre immer mehr Zweifel aufkamen, dass die Patagonier irgendwelche Giganten waren. Hielt sich dieses Thema in Spanien länger, waren es die englischen Seefahrer, die darauf hinwiesen, dass Patagonier keinesfalls so groß gewachsen waren, wie vermutet. Aber der Name Patagonien hatte sich schon festgesetzt und blieb bestehen, auch wenn die Einwohner vermutlich kleinere Füße hatten als gedacht.
Patagonien blieb noch für viele Jahrzehnte das Land der Ureinwohner. Diese bekriegten sich zwar untereinander und kamen sehr gelegentlich mal mit ein paar neuen Siedlern in Konflikt, aber gerade diese hatten keine größeren Ambitionen sich hier nieder zu lassen. Zuweit weg war Patagonien, zu rau war es hier und auch zu unfruchtbar. Zwar erkannten die Spanier, die sich als neue Herrscher sahen, dass insbesondere die Südspitze eine große strategische Bedeutung hatte, aber ihre Bemühungen sind allesamt von größerer Tragik bestimmt als von Erfolg.
Ein gutes Beispiel sind die Siedlungen Nombre de Jesus und  Rey Felipe, welche von Pedro Sarmiento de Gamboa mit einigen hundert Kolonisten 1584 angelegt wurden. Beide Orte entstanden an der Magellanstraße, wo eine strategische Absicherung der eigenen Ansprüche wichtig erschien. Doch während Sarmiento bei einer Transitfahrt in einen schweren Sturm geriet und schließlich zurück nach Europa steuerte, nur um dort von den Engländern gefangen genommen zu werden und jahrelang in der Alten Welt verbringen musste, verblieben die übrigen Siedler auf sich gestellt in den Neuen Welt. Die widrigen Bedingungen machten das Leben zur Hölle. Drei Jahre später zog es den Briten Thomas Cavendish durch die Magellanstraße. Er stieß auf die Siedlung Rey Felipe, aber alles was er fand, waren dreihundert verhungerte Menschen. Er nannte den Ort Port Famine, übersetzt Hungerhafen, so wie der Platz auch heute noch bekannt ist.
Der tatsächliche Misserfolg der Kolonisierung Patagoniens stand im Wiederspruch mit den ausufernden Geschichten, in welcher die Region als Quelle eines verborgenen Reichtums vermutet wurde. Die Erzählungen beziehen sich dabei zumeist auf eine Expedition von Francisco César, der 1529 im Rahmen einer Reise von Sebastian Caboto vom Rio de la Plata aus ins Landesinnere vordrang. Obwohl César lebend zurückkehrte (nicht so ein Großteil seiner Weggefährten), begann schnell ein Mythos aufzuleben, welcher behauptete, dass es in den Tiefen des Landes eine oder gar mehrere Städte gäbe, die an Herrlichkeit und Reichtum auf der Welt nicht zu übertreffen wären. Dieser geheimnisvolle Ort wurde als die Stadt Cesars bezeichnet. Hier – so wurde gemutmaßt – hätten sich die Männer der Expedition niedergelassen und mit dem Gold, das man hier vermutete, einen Ort geschaffen, der ähnlich wie das sagenumwobene El Dorado alle zeitgenössischen Träume des Wohlstands beinhaltete. Friedlich sollten hier Europäer und Ureinwohner gemeinsam leben. Noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein war dieser Mythos lebendig und die Cesaren, so wurden die Einwohner jener verborgenen Städte genannt, wurden irgendwo in Patagonien vermutet, gut in der endlosen Weite Patagoniens versteckt. 
Erst im 19. Jahrhundert nimmt die Besiedlung mit vorwiegend europäischen Kolonisten Fahrt auf. Die Anfang des Jahrhunderts entstandenen Staaten Chile und Argentinien waren darauf bedacht, Menschen in der Region anzusiedeln, auch um den eigenen Anspruch auf ihr Territorium zu festigen. Nicht unbedingt am zahlreichsten, aber heute noch am besten im Gedächtnis, ist dabei die Kolonisierung durch die Waliser. Mit dem „Gwladfa“ Projekt kamen zahlreiche Waliser nach Patagonien. In ihrer Heimat hoffnungslos verarmt und unterprivilegiert, suchten sie nach einem besseren Leben und Freiheit. Sie starteten 1865 und landeten südlich der Halbinsel Valdes an, in einer Bucht die sie New Bay nannten und die heute noch Golfo Nuevo heißt. Von dort siedelten sie sich in der Chubut-Region an, welche nach dem hier befindlichen Fluss benannt ist. Doch das gelobte Land entpuppte sich als karge Einöde und die ersten zivilisatorischen und wirtschaftlichen Erfolge ließen lange auf sich warten. Bei Chris Moss findet sich die eindrucksvolle Passage eines Neu-Siedlers:

„I have never been so disappointed by anything. The region is nothing like we read and heard about it before… It’s an almost infinite plain, without trees or rocks, only different types of grasses and bushes, some reaching above head-height, so it is very difficult to move around and only the luckiest comes out of it with their skin intact.” (Moss S. 130f).

Schlussendlich verstanden es die Waliser schon, sich das Land nutze zu machen. Im Gegensatz zu vielen anderen Geschichten der „Eroberung des Südens“ hatten sie weitestgehend friedliche Kontakte mit den Ureinwohnern und in Puerto Madryn erinnert ein Denkmal an die gute Nachbarschaft. Allerdings sind heute sind nicht nur diese Ureinwohner verschwunden, auch die walisischen Ortschaften haben ihre vorwiegend walisische Identität verloren.  
Natürlich siedelten in jener Zeit auch viele andere Menschen in Patagonien an. Feuerland wurde bald von britischen Missionaren besucht, in Punta Arenas gab es viele Kroaten und auch Franzosen und Deutsche versuchten ihr Glück zu finden. Die wohl ungewöhnlichsten Neuankömmlinge waren die amerikanischen Banditen Butch Cassidy und Sundance Kid, welche aus dem zunehmend kleiner werdenden rechtsfreien Raum des nordamerikanischen Wilden Westens nach Patagonien gingen, angeblich um hier Land zu kaufen und Rinder zu züchten. Zusammen mit der Amerikanerin Etta Place lebten sie einige Jahre in Patagonien. Jedoch hatten sie ihre kriminelle Energie nicht völlig verbraucht und so überfielen sie 1905 eine Bank in Rio Gallegos und tauchten danach in den Weiten Patagoniens ab. 1908 sollen sie bei einem Überfall in Bolivien erschossen wurden sein, was eine entsprechende Aufarbeitung in Hollywood gefunden hat. 1969 kam „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ mit Paul Newman und Robert Redford in die Kinos (in Deutschland als „Zwei Banditen“) und wurde ein gewaltiger Kassenerfolg. Nocheinmal über zwanzig Jahre später (1991) wurden die Gräber der beiden Räuber in Bolivien geöffnet und eine DNA Analyse durchgeführt, wobei festgestellt wurde, dass es sich bei den getöteten Räubern in Bolivien nicht um Butch Cassidy und Sundance Kid handelt.
Schließlich zog auch das 20.Jahrhundert über das Land. Politische Regime kamen und gingen und verursachten teilweise großes Leid. Öl wurde gefunden und ist heute ein Wirtschaftsfaktor der Region. Die wundervolle Natur wurde als solche entdeckt und den Menschen zugänglich gemacht. Nationalparks wurden gegründet und neben ihnen Städte etabliert, welche den Menschen Einlass zu den Schönheiten Patagoniens bieten soll. Als 1946 der argentinische Nationalpark „Los Glaciares“  eröffnet wurde, verwandelte sich ein winziger Umschlagplatz für Wolltransporte, El Calafate, in eine Stadt für Touristen, die von hier aus zum Gletscher Perito Moreno reisen wollen. Ähnlich verhält es sich mit Patagoniens jüngstem Dorf, El Chaltén am Fuße des FitzRoy Massives. Das Dorf, das hauptsächlich Trekking-Touristen beherbergt, trägt dabei den indianischen Namen des Berges und gilt als jüngste Siedlung Patagoniens.

Patagonien in wenigen Fakten

Fläche: 1.043.076 km² (bestehend aus den argentinischen Provinzen: Neuquén, Rio Negro, Chubut, Santa Cruz, Tierra del Fuego und der chilenischen Palena Provinz sowie den Regionen Aisén, Magallanes)
Einwohner: 2 Millionen
Einwohner / km² 1,9
Wichtigste Städte: Neuquén 224.000
Comodoro Rivadavia 173.000
Punta Arenas 115.000
San Carlos de Bariloche 108.000
Sprachen: Spanisch
Markanteste Berge: Mount FitzRoy (3406m), Torres del Paine (3050m)
Bekannteste Nationalparks: PN Torres del Paine (UNESCO Schutz seit 1978), PN Tierra del Fuego, PN Los Glaciares (UNESCO Schutz seit 1981), Peninsula Valdés (UNESCO Schutz seit 1999)
Artikel zur Region Patagonien: Punta Arenas | Ushuaia |Feuerland | Beagle-Kanal | Magellanstraße

     

Literatur und Fotos über Patagonien

Chris Moss: Patagonia. A Cultural History. 2008. Oxford University Press: Chris Moss kulturelle Geschichte Patagoniens ist das beste mir bekannte Buch über den südlichsten Teil Südamerikas, dass leider nur in Englisch erschienen ist. Moss beleuchtet die Geschichte der Region, aber auch, was über sie geschrieben wurde, was Menschen über sie empfinden und er zeigt, dass es sehr unterschiedliche Perspektiven über Land und Leute gibt. Dieser Artikel beruht in vielen Teilen diesem wunderbaren Buch.

Bruce Chatwin. In Patagonien. 1981 (dt.). Reinbek: Chatwins Reisebericht über Patagonien ist das Standartwerk jedes Reisenden in der Region und wohl eines der am meisten gelesenen Reisebücher überhaupt. Obwohl es Chatwin meisterhaft versteht Orte, Geschichten und Menschen zu verknüpfen, ist das Buch heute nur noch bedingt zu empfehlen. Chatwins Bericht ist in die Jahre gekommen und beschreibt das Patagonien des 1970er Jahre. Weiterhin ist seine Erzählung nicht frei von einer gewissen erzählerischen Arroganz, die das Lesevergnügen mindert. A must have, you don’t must have!

Durch die Fülle an Fotos wurden diese auf eine eigene Bildergalerie-Seite Patagonien ausgelagert. Diese finden Sie hier.

Karte Patagoniens

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Baskenland

Einführung | Geschichte | Kultur | Lage und Klima | Fakten

Einführung

Das Baskenland ist eine sehr spannende Region, die dem Betrachter vor Augen führt das Abgrenzungen nicht immer einfach zu treffen sind. Das Baskenland als kulturelles Gebiet geht nämlich – je nach politischer und/oder kultureller Sichtweise – über die Grenzen der Autonomen Gemeinschaft des Baskenlandes mit den drei spanischen Provinzen nämlich Gipuzkoa, Biskaya und Àlava hinaus. Zu ihm gehört auch das nördliche Baskenland, das in Frankreich liegt und das drei historische Landschaften Labourd (Lapurdi), Nieder-Navarra (Bennafaroa) und Soule (Zuberoa) beinhaltet, die alle Teile des Departements Pyrénées-Atlantiques sind. Ebenso wird die Autonome Gemeinschaft Navarra kulturell zum Baskenland zugezählt.


Gleich ist allen Regionen, dass in ihnen Menschen leben, die baskisch sprechen und sich als Basken fühlen. Von den rund 2,7 Millionen Einwohnern, der eben erläuterten kulturellen Region des Baskenlandes, sprechen allerdings nur zwischen 700.000 bis 800.000 Menschen die baskische Sprache, die fast gar nichts mit den ihr umgebenden Sprachen (Spanisch bzw. Kastillisch und Französisch, die beide der romanischen Sprachfamilie zu zuordnen sind) zu tun hat. Es wird angenommen, dass die baskische Sprache vielleicht ein Relikt einer Sprache ist, die vor den indogermanischen Sprachen in Europa gesprochen wurde. Da es keine Hinweise gibt, das andere frühere Volksgruppen auf diesem Gebiet siedelten, kann man die Basken daher auch als indigenes oder autochtones Volk bezeichnen, also ein Bevölkerungsgruppe, deren Nachkommen schon vor Eroberung, Kolonisierung oder Staatsgründung an diesem Flecken Erde lebten. Im baskischen Selbstverständnis gibt ihnen das eine historisch tiefe und ursprüngliche Verwurzelung mit den oben genannten Gebieten. Die Basken waren quasi schon immer hier.
Doch aus den eben genannten Tatsachen ergeben sich einige Unstimmigkeiten und Probleme. Denn wer nun genau als Baske gezählt wird, kann je nach Perspektive unterschiedlich bewertet werden, ist dies „nur“ eine Person, die sich der baskischen „Ethnie“ zugehörig fühlt oder sind dies alle Bewohner des Baskenlandes? Natürlich kann man diese Fragen noch weiter ziehen, denn welche Merkmale genau hat denn ein ethnischer Baske? Gibt es überhaupt so etwas wie klar definierbare Ethnien? Und da die Grenzen des Kulturkreises Baskenland ebenso umstritten sind, ist damit auch die Frage umstritten, wer nun überhaupt Bewohner eines „Baskenlandes“ ist. Alle diese Fragen können jedoch nicht den Fakt verdecken, dass es eine Bevölkerungsgruppe im Baskenland gibt, die sich in Fragen der eigenen Sprache, Kultur, Geschichte und Politik zusammengehörig fühlt. Auf Baskisch heißen diese Menschen euskaldunak (=Sprecher des Baskischen). Im Laufe der Entwicklung eines baskischen Nationalgefühls wird heute betont, ob diese Personen Baskisch sprechen, egal woher sie kommen, während früher mehr von einer Ethnie ausgegangen wurde, die im damaligen Zeitgeist auch mit einer „Rasse“ gleichgesetzt wurde, mit spezifischen (kulturellen oder gar biologischen) Merkmalen. Der damals, insbesondere von Sabino Arana, entwickelte Begriff euskotarrak (= ethnische Basken) ist heute jedoch ungebräuchlich geworden. Als Beispiel auf die Frage was man alles im Baskenland als baskisch betrachten könnte, sei der Fußballklub Atletic Bilbao genannt, der nur baskische Spieler für seinen Verein antreten lässt (was aus dem Grundgedanken stammt, dass man sich auch als baskische Nationalmannschaft sah, die das Baskenland vertreten konnte, was insbesondere in Zeiten des spanischen Bürgerkrieges auch getan wurde). Er verwendet  eine kombinierte Definition des baskischen: entweder wurde der Spieler im Baskenland geboren oder von Jugend an dort trainiert er dort oder er ist ethnischer Baske, daher hat er baskischen Vorfahren. Als Baskenland werden dabei alle Provinzen des baskischen Siedlungsgebietes angesehen, weshalb es auch Bixente Lizarazu möglich war für den Klub zu spielen, obwohl er französischer Staatsbürger ist, aber im baskischen Teil Frankreichs geboren wurde und sich auch als Baske fühlt. Eine endgültige Beantwortung, was nun baskisch ist, wer Baske und wer nicht ist, ist nicht möglich, hat aber in der alltäglichen Lebenswelt auch keine allzu große Wichtigkeit.

Geschichte

Die ältesten menschlichen Knochenfunde im Baskenland sind rund 9000 Jahre alt. Im Jahr 900 v.u.Z. siedelten die ersten Kelten in der Gegend und ab 178 v.u.Z. begann die Romanisierung des Baskenlandes, die jedoch gerade im atlantischen Gebiet nur lückenhaft vollzogen wurde. Wichtig ist die Gründung von Pompaleo, dem heutigen Pamplona im Jahr 75 v.u.Z. und das es immer wieder zu Krisen und Konflikten zwischen den römischen Herrschern und der baskischen Bevölkerung gab. Nach den Zeiten der Völkerwanderung setzten sich die Westgoten im Süden und die Franken im Norden der baskischen Gebiete fest. Beide Volksgruppen versuchten die Herrschaft über das Baskenland zu erhalten, so gründeten die Westgoten 581 Victoriaco, Vorläufer des heutigen Victoria-Gasteiz. Am Rande der Pyrenäen zogen wohl auch zu jener Zeit einige Basken in Richtung Norden und im Frankenreich nannte man die Gegend zwischen dem Gebirge und dem Fluss Garonne, die Gascogne, ein Name der sich von „vasco“ = „Baskisch“ ableitete. Ab dem 8. Jahrhundert drangen immer wieder auch die Mauren bis in den baskischen Raum vor. Als sich im 9. Jahrhundert das christliche Königreich Navarra herausbildete, entstanden die Grafschaften Bizkaia, Àlava und Gipuzkoa sowie die Vizegrafschaften Labourd und Soule. Dieses Königreich erreichte unter Sancho dem Großen (auf Baskisch: Antso Nagusia) seine größte Entfaltung und eine kurzzeitige Vormachtstellung unter den christlichen Reichen Spaniens (die durch die Dominanz der Mauren auf dem Gebiet aber alle noch recht klein waren). So wird heute noch Sancho, als der „König aller Basken“ bezeichnet. Doch nach seinem Tod zerfiel das Reich und wurde unter seinen Söhnen aufgeteilt. 1076 fielen die drei Grafschaften Bizkaia, Àlava und Gipuzkoa an Kastillien und der Rest des Reiches an Aragon. Die nächsten Jahrhunderte sind einerseits geprägt von einigen Stadtgründungen, die im Zusammenhang der Pilgerroute nach Santiago de Compostela standen, oder strategische Erwägungen hatten, so wie bei der Gründung von San Sebastian (1181) oder Bilbaos (1300). Die Herrscher und Herrschaftsgebiete fielen immer wieder in neue Hände. Briten und Franzosen, Kastilien und Aragon besaßen zeitweise einige Gebiete und wechselten sich in anderen Regionen ab. Einen baskischen Staat gab es nicht. 1512 fiel Navarra endgültig an Kastilien und ab 1620 gelangte Niedernavarra ebenso endgültig an Frankreich. Nach bürgerkriegsähnlichen Zuständen und schweren wirtschaftlichen Krisen im 13. Jahrhundert, kam es im 15. Jahrhundert zu einem wirtschaftlichen Aufschwung als die eisenschaffende Industrie im Baskenland auflebte und weite Teile Westuropas belieferte. Auch der Fischfang erblühte in jener Zeit. Ein Ergebnis war, dass 1511 das Konsulat und Handelshaus von Bilbao gegründet wurde.  Im 17. Jahrhundert veränderte sich die wirtschaftliche Struktur etwas, Fischfang verlor ebenso an Bedeutung, wie das baskische Eisen, jedoch wurde Bilbao zum wichtigsten Hafen für die kastilische Wollausfuhr. Immer wieder wechselten sich ökonomische Blütezeiten mit schweren Depressionen ab. Von staatlicher Seite wurde ab dem 17. Jahrhundert damit begonnen festgeschriebene baskische Sonderrechte abzuschaffen, weshalb es immer wieder zu Volksaufständen (Matxinadas) kam.  Mit der französischen Revolution wurden im französischen Teil des nördlichen Baskenlands, sämtliche Sonderrechte beseitigt. Auch in Spanien des 19. Jahrhunderts wurden die baskischen Fueros, die Repräsentationsorgane, die lokale Sonderrechte und die Finanzautonomie verwalteten, immer wieder beschnitten bzw. waren Gegenstände von Diskussionen und Konflikten. In der Mitte des 19. Jahrhunderts begann in Bizkaia und Gipuzkoa die Industrialisierung insbesondere im Bergbau und der metallurgischen Industrie. Bedeutende metallurgische Unternehmen (Forges de l’Adour 1881, Altos Hornos de Vizcaya 1902), Werften (Euskalduna 1900) und Banken (Banco de Bilbao 1875, Banco de Vizcaya 1901) wurden gegründet und ein starkes Bevölkerungswachstum setzte mit zunehmender Urbanisierung und einer neuen Proletarischen Schicht ein. Ab 1879 entstand die Arbeiterbewegung in Bizkaia durch die Gründung der Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) (1879) und der sozialistischen Gewerkschaft UGT (1888). Zu ersten touristischen Zielen wurden die Küstenstädte Bayonne oder San Sebastian. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewann die Bewegung des baskischen Nationalismus unter Sabino Arana Goiri immer mehr an Bedeutung und es wurden die „Baskischen Nationalistische Partei“ (EAJ-PNV) (1895) und die nationalistische Arbeitergewerkschaft ELA-SOV (1911; später ELA-STV) gegründet. Von Bilbao ausgehend, breitete sich die Ideologie des baskischen Nationalismus allmählich im gesamten Baskenland aus. 1917 wurde die Gesellschaft für Baskische Studien (Eusko Ikaskuntza) und 1918 die Königliche Akademie der Baskischen Sprache (Euskaltzaindia) gegründet. Während der Weltwirtschaftskrise von 1929 an, fiel auch die baskische Wirtschaft in eine schwere Krise. Die zweite spanische Republik, die 1931 ausgerufen wurde, zeigte sich offener für die im Baskenland immer lauter vorgetragenen Wünsche nach einem Autonomiestatut. Jedoch brachte der beginnende Bürgerkrieg unter General Franco ab 1936, die größten Veränderungen. Während Navarra und Àvala innerhalb von Tagen auf der Seite der Faschisten standen, fiel nach einigen Wochen auch Guipuzkoa. Nur Bizkaia blieb in den Händen der Republik, die am 1.Oktober 1936 das baskische Autonomiestatut annahmen und José Antonio Aguirre zum ersten Lehendakari, d. h. Präsident der Regierung von Euskadi machten. Es war vorgesehen, nach dem Krieg ein Baskenland zu erschaffen mit vielen Autonomien, doch soweit kam es nicht. Am 26. April 1937 bombardierte die deutsche Legion Condor die Stadt Gernika, ein mythischer baskischer Ort, denn bis 1876 traf sich der baskische Ältestenrat dort unter einer Eiche, um einmal im Jahr Entscheidungen zu treffen. Die Bombardierung war ein Freundschaftsdienst von Hitler an Franco. Das menschliche Leid und Elend ist dabei von Pablo Picasso in seinem Bild „Guernica“ (der spanische Name der Stadt) eindrucksvoll festgehalten wurden und zu einem der bedeutendsten Gemälden des 20.Jahrhunderts. In den späten 1950er Jahren erlebte insbesondere das Baskenland einen neuen, sehr starken wirtschaftlichen Aufschwung, der zahlreich Immigration ins Baskenland nach sich zog und in einigen Gebieten dazu führte, dass Basken ihre Mehrheit in der Bevölkerungszusammenstellung verloren. 1959 wurde die Vereinigung Euskadi ta Askatasuna  (= Das Baskenland und dessen Freiheit), kurz ETA, gegründet, die sich schnell in eine terroristische Gruppierung verwandelte, um die Unabhängigkeit des Baskenlandes auch gewaltsam zu erzwingen. Auch nach dem Ende der Diktatur kämpfte die ETA weiter für ihre Ziele. Bis zum Jahr 2011, als sie einen Waffenstillstand erklärte, fielen ihr über 800 Menschenleben zum Opfer. 1979 trat das Estado de Guernica in Kraft, Ein Gesetz, dass nicht nur die Autonome Gemeinschaft des Baskenlandes, das Euskadi, wieder schuf, sondern ihr auch die finanzielle Unabhängigkeit wiedergaben, die die drei Provinzen bis zum Bürgerkrieg hatten. 1982 wurde die Provinz Navarra eingerichtet, die aber nicht zu Euskadi gehört und anders als im Baskenland, wo seit den 1980ern fast ausschließlich baskische Parteien in der Mehrheit sind, keine baskische- politische Mehrheit hat.

Baskische Kultur

Die Basken gelten als eigenwillige Menschen innerhalb Spaniens. Sie haben einen großen Stolz auf ihre Jahrhunderte altes Volk und ihre Geschichte. Dies äußerst sich auch gern in politischer Meinung und Meinungsbildung, denn Balkone oder Fenster im Baskenland sind oft mit Fahnen und Plakaten geschmückt, die politische Botschaften beinhalten (ob nun mit der Frage der Unabhängigkeit oder der Frage nach ETA Terrorismus).  Den archaischen Charakter, des starken, rohen und zähen Basken wird beispielsweise in Kraftsportarten genüge getan wie beim Baumstammwerfen oder Mühlsteinstemmen. Sportarten, die man in Deutschland auch gern als schottische Highland-Games verortet, aber hier mindestens ebenso populär sind. Ebenso ist der Pelota Sport im Baskenland sehr beliebt und in fast jedem Dorf gibt es dazu einen speziellen Sportplatz, den Frontón. An der Küste ist ebenso der Rudersport sehr angesehen, was wohl auch mit der großen Fischereitradition der Basken zu tun hat. Bereits im 15. Jahrhundert sollen Basken bis nach Neufundland zum Walfang gefahren sein, wobei die Fischerei hauptsächlich auf die Küstenregionen beschränkt war.
Das ganze Gegenteil von grob und archaisch ist die baskische Küche, die weit über die spanischen Grenzen hinaus ein hohes Ansehen erlangt hat. Das Baskenland hat eine sehr hohe Anzahl von renommierten Starköchen. Allein in Donostia-San Sebastian gibt es drei Köche, die die höchste Bewertung des Michelin Führers (3 Sterne) haben (in Madrid ist dies nur Einer! Link:). Historisch ist das Kochen bei den Basken durch die im 19. Jahrhundert entstandenen gastronomischen Gesellschaften auf ein sehr hohes Level geführt wurden. Diese Gesellschaften waren nur für männliche Mitglieder geöffnet, die füreinander in einem Vereinslokal kochten. Auch heute hat diese Tradition Bestand, so gibt es in der 180.000 Einwohner-Stadt Donostia-San Sebastian 119 solcher Gesellschaften.
In den Bars findet man häufig die Darreichungsform der Pintxos. Aufgereiht auf einer langen Tafel, können die Gäste sich hier verschiedene meist innovativ hergestellte Häppchen (die Pintxos) auf den Teller nehmen und dabei ein Glas Txakoli trinken, einen trockenen Weißwein aus Getaria. Nach ein paar Häppchen wandert man zur nächsten Bar und verbringt so den Abend mit wundervollem Essen und entspannter Gesellschaft. Gegessen wird übrigens etwas früher als im Rest Spaniens, am zeitigsten in der Provinz Guipuzkoa, wo man rund eine Stunde eher isst. Natürlich können auch einfach Gerichte á la carte bestellt werden, wie zum Beispiel „Bacalao al Pil Pil“, Stockfisch mit einer Soße aus der vom Fisch selbst gewonnenen Gelatine. Insgesamt legt die baskische Küche weniger Wert auf ein reichhaltiges Würzen, dafür aber verstärkt auf ein sehr gutes Produkt, das manchmal raffiniert, fast immer aber sehr schmackhaft verarbeitet und zubereitet wird, weshalb das Essen im Baskenland im spanischen Vergleich auch etwas teurer ist.

Lage und Klima

Das Baskenland im Norden Spaniens grenzt an den Atlantischen Ozean, oder genauer an den Golf von Biskaya, der nach der baskischen Provinz benannt ist. Geprägt ist das Land von den bergigen Ausläufern der Pyrenäen und des Kantabrischen Gebirges, dass im Süden nur ganz langsam in Richtung Ebro-Becken abfällt. Der höchste Berg des Baskenlandes ist der Hiru Erregeen Mahaia, die „Tafel der drei Könige“, mit 2424m über NN. Die größeren Städte drängen sich in die Täler, die zum Meer führen, insbesondere in Bilbao mit seinen Vorstädten entlang des Nervion Flusses. Das Klima im Baskenland ist mild und feucht und gehört dem „grünen Teil Spaniens“ an. Gerade im Sommer sind hohe Temperaturunterschiede zwischen Zentralspanien und dem Baskenland keine Seltenheit (als Beispiel kann es in Madrid über 35 Grad Celsius haben, während es im 400km entfernten Bilbao kaum mehr als 20 Grad Clesius sind). Weiterhin regnet es sehr häufig und auch im Sommer muss man sich, ganz im Gegenteil zum überwiegenden Restteil der iberischen Insel auf Niederschläge einstellen.

Fakten

Fläche: Autonome Gemeinschaft Baskenland: 7234 km²
Baskenland mit Navarra und franz. Gebieten: 20947 km²
Einwohner: Autonome Gemeinschaft Baskenland: 2,189 Mio.
Baskenland mit Navarra und fraz. Gebieten: rund 3 Millionen
Wichtigste Städte: Bilbao 345.141 (mit Vorstädten: 875.000)
Vitoria-Gasteiz 243.918 (Hauptstadt der Autonomen Gemeinschaft)
Pamplona  195.779 (mit Vorstädten 345.000)
Donostia-San Sebastian 195.226 (mit Vorstädten: 447.000)
Sprachen: Baskisch, Spanisch, Französisch
Name auf Baskisch: Euskal Herria
Name auf Spanisch: País Vasco
Name auf Französisch: Pays basque