Geschichte Madrids
Übersicht dieses Artikels nach Abschnitten: Die arabische Siedlung Mayrit | Das christliche Städtchen Madrid | Madrid wird zur spanischen Hauptstadt | Das Madrid der Habsburger | Die Bourbonen in Madrid bis zum Zeitalter der Aufklärung | Die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts | Von der Mitte des 19. Jahrhundert bis zum spanischen Bürgerkrieg | Von Franco bis heute
Die arabische Siedlung Mayrit
Obwohl man es in Madrid weniger gern hört, ist die Stadt eine arabische und keine christliche Gründung, obgleich es nicht wenige Historiker gibt, die Überlegungen anstellen, ob es Madrid nicht doch schon früher gab. Doch es gehört nur zur Vorgeschichte der Stadt, dass schon zu römischer Zeit hier eine Handelsstraße, von Complutum (dem heutigen Alcalá de Henares) kommend auf dem Stadtgebiet entlang führte. Anders als so viele spanische Städte, insbesondere der Mittelmeerküste, ist Madrid kein Überbleibsel einer römischen oder gar noch älteren Siedlung, sondern wurde in der Regierungszeit des Emirs von Cordoba (852-886), Mohammed I. erstmals (wohl 856) erwähnt. Das kleine Örtchen wurde Mayrit genannt, was eine Kombination aus den arabischen Wort „mayra“ (Wasserlauf) und dem lateinischen „etum“ bzw. in seiner Kurzform „it“(was mit Fülle übersetzt werden kann) ist. Diese Fülle an Wasser, die für diese Gegend typisch ist und auch den Namen der Stadt ausmacht, war zur damaligen Zeit von großer strategischer Bedeutung. Wurde ein Ort belagert, waren mehrere Wasserquellen ein großer Vorteil, um sich leichter zu verteidigen, da der Trinkwasservorrat nicht abgeschnitten werden konnte. Dieser Wasserreichtum ist für das spätere Wachstum Madrids nicht unentscheidend, denn anders als gewöhnlich, wächst die Stadt nicht entlang des Ufers des großen Flusses Manzanares, sondern erstaunlicherweise eher weg von ihm.
Mayrit war eine befestigte Frontstadt, die gegen die christlichen Eroberer des Nordens errichtet wurde, insbesondere um die weit wichtigere Stadt Toledo, die Hauptstadt der Region, vor Angriffen des christlichen Königreichs Leon (das dann später im Königreich Kastilien aufging) zu schützen. Noch heute sind am Ende der Calle Mayor Reste der maurischen Stadtmauer zu sehen. Mayrit besaß alle juristischen und religiösen Institutionen einer Kleinstadt, inklusive einer Moschee. Im Laufe der Jahre wurden die Mauern verstärkt und die nicht wenigen Angriffe der Christen abgewehrt. Unter dem Herrscher Abd-al-Rahman III. (929-961) erweiterte man die Stadt und Mayrit wurde zur „Medina“. Dieser Stadttyp besteht aus einer ummauerten Burg, einem „Alcazar“ und einer ebenfalls extra ummauerten Stadt, der Medina, in welcher sich die Wohnhäuser und die Moschee befanden. Man muss sich die Stadt als verwinkeltes Straßengewirr vorstellen, typisch für die arabische Architektur, die großen Wert auf Privatsphäre der Hausbewohner legt und zur Straße hin vermauert und abweisend wirkt. Außerhalb dieser Stadtmauern befanden sich Vororte, die zumeist von Christen bewohnt wurden. Der damalige Ort führte bis zum kleinen Tal des San Pedro Baches (heute führt hier die Calle Segovia entlang). Hier stand wohl auch die Puerta de la Vega, ein Stadttor, das zu den Gärten am Fluss führte (Vega symbolisiert den Ausgang zu den Gärten).
Mayrit hatte neben seinem militärischen Charakter als Sammlungs- bzw. Verteidigungsort der muslimische Heere, um nach Norden hin Strafexpeditionen gegen die aufmüpfigen Christen zu starten, noch eine Versorgungs- und Kommunikationsfunktion, den es befand sich immer noch in der Nähe der wichtigen Handelsstraße, die weiter nach Toledo führte. So siedelten sich auch mit der Zeit immer mehr Menschen hier an, wobei die Bedeutung des Orts weiter überschaubar bleib. Mit dem Zerfall des Kalifats von Cordoba fiel die Mayrit an das Taifa (daher ein kleineres arabisches Königreich) Toledo. Dieses Territorium wurde 1083 von Alfons VI. übernommen, der seit 1072 König von Kastilien, Leon und Galizien war. Nicht in einem kriegerischen Gefecht (wie es gern geschrieben wurde und zur Ideologie der Reconquista eher passte), sondern durch einen politischen Handel wurden die Herrschaftsverhältnisse verändert. Denn Alfons sicherte Alcadir, dem Herrscher von Toledo, Unterstützung bei Kämpfen gegen das islamische Königreich Valencia zu und bekam dafür das Taifa von Toledo mitsamt einigen Festungen, unter denen sich auch Madrid befand. Damit endete die arabische Geschichte der Stadt.
Das christliche Städtchen Madrid
Nach der Übernahme der Christen kam es zu einigen Veränderungen in Madrid. Aus der Moschee wurde natürlich eine Kirche. Insbesondere die wohlhabenderen Mauren verließen die Stadt, die anderen Mudejar (ein Mudejar ist ein Muslim, der im christlichen Teil Spaniens lebt) tauschten die Wohnviertel mit den ehemaligen mozarabischen Christen (also jenen Christen, die im maurischen Spanien lebten). Diese zogen jetzt mehrheitlich, in die von Mauern geschützte Innenstadt. Die Mudejar durften weiter ihre Religion ausüben, mussten dafür aber eine spezielle Steuer zahlen. Aber auch neue Bürger siedelten sich an. Hauptsächlich waren dies Ritter und Krieger aus den nördlichen Regionen der iberischen Halbinsel und sogar nördlich der Pyrenäen, diese erhielten Zahlungen und Land für ihre Verdienste, die zumeist direkt vom König Kastiliens kamen, denn dieser war für die Herrschaft in der Stadt verantwortlich. So entstanden neue Gemeinden entlang des alten Stadtkerns, die sich zumeist um eine neue Kirche Kirche ansiedelten. Ebenso zogen einige Juden in die Stadt, welche sich aber Repressionen erwehren mussten. Am schlimmsten dabei war ein Massaker im Jahr 1391, als auch die Synagoge der Stadt niedergerissen wurde.
Ein für mittelalterliche Städte zentraler Punkt war die Erhaltung und Erweiterung der Stadtmauern, um sich vor Gefahren zu schützen (diese Gefahren waren nicht nur kriegerische Angriffe, sondern auch Krankheiten die eingeschleppt werden konnten, nicht zu vergessen sind auch steuerliche Aspekte, die man mit einer festgelegten Grenze gut abrechnen konnte). Madrid lag anfangs immer noch im Frontgebiet des Flusses Tajo und 1108 versuchte der almoravidische König Yusuf Ben-Tashufin die Stadt zurückzuerobern. Doch Madrid konnte der langen Belagerung standhalten, jedoch waren Hunger und Krankheiten innerhalb der Mauern die Konsequenzen. Das heutige Campo del Moro erinnert noch heute daran, wo die Mauren ihren Belagerungs-Stützpunkt hatten. Im 12. Jahrhundert wurde daher ein zweiter Mauerring um die Stadt angelegt, der jetzt erstmals über den Verlauf des San Pedro Baches nach Süden hinausging.
Mit den weiteren militärischen Erfolgen der christlichen Heere, im Zuge der Reconquista, verlor Madrid seine Bedeutung als Frontstadt zunehmend, aber nicht als Quartier der kastilischen Könige, die sich immer häufiger hier aufhielten. Ein Grund war sicherlich das reichhaltige Jagdrevier El Monte del Pardo. Ab 1309 wurden immer häufiger auch die Cortes, die Standesversammlungen, also eine frühe Form des Parlamentes, in Madrid abgehalten. Auch die Stadt selbst schuf sich eine Verwaltung, den Rat der Stadt, der zumeist aus Rittern und wohlhabenden Bürgern bestand. Er traf sich in der nicht mehr existierenden Kirche San Salvador, auf dem heutigen Plaza de la Villa. Bis ein eigens Rathaus errichtet wurde, dauerte es aber noch Jahrhunderte, denn erst 1694 wurde dies eröffnet. 1498 erschien erstmals das Wappen der Stadt mit einem Bären und sieben Sternen. 1544 erhielt dass das Wappen eine königliche Krone, was die zunehmende politische Bedeutung Madrids ausdrückte. In jene Zeit fällt auch die Legende des Heiligen Isidro, eines Landarbeiter, dessen unverwester Leichnam 1170, vierzig Jahre nach seinem Tod, auf dem Friedhof San Andrés gefunden wurden sein soll. Dieser lokale Kult wurde im Laufe der Jahrhunderte immer bedeutender.
Die wachsende Stadt zog wohlhabende und prominente Familien an, die sich immer größere Stadthäuser bauen ließen, wie die Casa de los Lujanes oder die Casa Cisneros. Auch Gelehrte, damals zumeist im Zusammenhang mit der Gründung von Klöstern, kamen in die Stadt. Es entstand das Benediktinerkloster San Martín. Franz von Assisis, der 1217 in der Stadt weilte, gründete eine Kongregation der Seinigen außerhalb der Stadtmauern, am Talhang zum Manzanares. Ebenso die Dominikaner, die unter besonderem Schutz des Königs standen, bauten ein Kloster, welches anfangs ebenfalls am Fluss stand, 1505 aber in den Osten der Stadt (außerhalb der Stadtmauern) zog, wohl weil es dort bessere klimatische Bedingungen gab, weshalb diese Gegend auch als „Buen Retiro“, also als „gute Erholung“ bekannt wurde. Dort wurde die Klosterkirche San Jeronimo (Architekt: Enrique Egas) errichtet, die für königliche Zeremonien, wie der Vereidigung der Erbprinzen genutzt wurde.
Im Jahr 1528 hielt sich der Habsburger und spanische König Karl V. (nach spanischer Zählung Karl I.) lange in Madrid auf, berief hier die Cortes ein und ließ den Ausbau des Palastes Alcázar planen, der dann unter seinem Sohn Philipp II. beendet wurde. In eben jenem Alcázar saß auch der französische König Franz I. ein, der nach der Schlacht von Pavia, um die Vorherrschaft in Italien gefangen genommen wurde. Er unterzeichnete danach den Frieden von Madrid, der Spanien zahlreiche Zugeständnisse machte. Nach der Freilassung von Franz I. wiederrief dieser aber die Verträge umgehend, was zum Wiederaufflammen der italienischen Kriege führte.
Madrid wird zur spanischen Hauptstadt
Philipp II. kündigte am 11. Mai 1561 die Verlegung des Königshofes nach Madrid an. Er reagierte damit auf den ungünstigen Umstand, dass er ständig (zumeist zwischen Valladolid und Toledo) umherziehen musste, zumal er als Habsburger immer wieder ins Heilige Römische Reich Deutscher Nation reiste (Karl V., Philipps Vater, war nicht nur spanischer König, sondern auch Herr über die Niederlande und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, diese Universalmonarchie führte selbstredend zu ständigem Touren). Seit 1559 konzentrierte Philipp sich aber auf seine Aufgaben vor Ort auf der iberischen Halbinsel, war doch Spanien zu jener Zeit eine Weltmacht geworden, mit zahlreichen Gebieten im neu entdeckten und eroberten Überseeterritorien, insbesondere in Amerika. Für die Stadt Madrid bedeute dies einen ungeheure Aufwertung und in Folge dessen ein noch nie da gewesenes Wachstum. 1563 konnte man rund 2500 Gebäude in der Stadt beziffern, 1603 waren es bereits 7000. Natürlich wuchs auch die Anzahl an Bewohnern. Zählte man 1530 rund 3.000 Einwohner, waren es 20 Jahre später schon 8.000, 1560 9.000, und nach der Erhebung zur Hauptstadt, lebten 1570 bereits 34.000 Menschen in Madrid, während es 1600 erstaunliche 84.0000 waren. Welche Anziehungskraft dabei der königliche Hof hatte, macht deutlich, dass bei der Verlegung der Residenz 1601 nach Valladolid (jedoch nur bis 1606, dann kehrte er nach Madrid zurück) die Stadt auf einen Schlag rund 50.000 Einwohner verloren haben soll, die sich jedoch später wieder ansiedelten. Die strukturellen Probleme, die dies nach sich zog können nur erahnt werden. Um diese abzufedern wurde ein Gesetz verabschiedet, die „Regalia de Aposento“, welche besagt, dass jedes zweite Geschoss der Häuser Madrids für königliche Beamte freigelassen werden muss. Doch die Einheimischen versuchten diese Reglung, so gekonnt es ging, zu umgehen. Entweder es wurden weite Wohnflächen zu Pferdeställen umdeklariert oder aber bei Neubauten wurde darauf geachtet, dass Häuser nach außen hin eine Etage vorgaben, aber tatsächlich im Inneren, zwei Stockwerke vorhanden waren.
Die genauen Gründe, warum das nicht unbedingt bedeutende Madrid neue Hauptstadt Spaniens wurde sind unbekannt, da es keine offizielle Ernennungsurkunde gibt. Sicherlich war dabei wichtig, dass die Stadt geografisch im Zentrum der iberischen Halbinsel lag und das Netz der königlichen Schlösser von hier schnell erreichbar schien. Wasser war ebenso reichlich vorhanden, wie ein etwas besseres Klima als in Städten der Umgebung (auch wenn dies in den heutigen Sommermonaten in Madrid nur noch schwer vorstellbar ist). Außerdem war Madrid nicht Sitz einer kirchlichen Institution (wie bspw. Toledo), hatte ebenso keinen bedeutenden Adel, der in der Stadt um Einfluss rang und konnte so besser und einfacher nach königlichem Wunsch ausgebaut werden. Das manifestierte sich sogar in dem – allerdings nicht umgesetzten Plan- die Stadt nach dem König, in „Felipa“ umzubenennen.
Das Madrid der Habsburger
Als Hauptstadt eines Weltreiches hatte Madrid eine erhebliche Anziehungskraft. Nicht nur königliche Beamte und Höflinge zogen hier her, auch kirchliche Vereinigungen drängen in die Stadt. Neue Kloster und Hospitäler entstanden und bestimmten in den Folgejahren das Stadtbild. Das konnte auch teilweise zu einer Einschränkung der benachbarten Bauten führen, denn diese durften beispielsweise weder höher, noch ein direktes Fenster in Richtung eines Klosters haben. Die allermeisten der religiösen Gebäude überlebten die Enteignung kirchlichen Besitzes im Jahr 1836 nicht. Einige zeugen aber noch heute davon, was für eine gottesfürchtige Stadt Madrid seinerzeit war, so wie das Real Monasterio de la Encarnación. Es wurde zwischen 1611 und 1616 gebaut und von Margarete von Österreich gegründet, der Frau König Felipes III. Es hatte einen direkten Zugang zum Alcázar, allein das zeigt schon die Nähe von Orden und Hof. Die Anlage wurde von Alberto de la Madre de Dios im Herrera-Stil geplant und ausgeführt. Insgesamt wurden unter der Regentschaft Filipe III. und der seines Sohnes Felipe IV. 28 Klosteranlagen in Madrid erbaut.
Den beeindruckendsten Kirchenbau des 17. Jahrhunderts realisierten die Jesuiten mit der San Isidro el Real, einem von 1622 bis 1661 errichteten Gotteshaus, welches hauptsächlich nach Plänen von Francisco Bautista erbaut wurde. Ebenso ausdrucksstark wie die königlichen Gebäude, besticht das Gotteshaus jedoch mit seiner Granitfassade, die eine monumentalere Wirkung erzielt und damit dem Repräsentationswunsch des Ordens gerecht werden sollte. Der heutige Name San Isidro stammt übrigens erst aus dem Jahr 1766, als Karl III. die Jesuiten aus dem Land vertrieb und die Gebeine des Schutzheiligen in die Kirche bringen ließ. Von 1883 (als das Bistum Madrid gegründet wurde) bis zur Fertigstellung des Doms La Almudena fungierte die Kirche übrigens als Ersatzkathedrale. Auch San Isidro el Real ist dem spanischen Bürgerkrieg zum Opfer gefallen und wurde verändert ab 1940 wieder aufgebaut. Eine weitere architektonische Besonderheit dieser Zeit ist die Kirche San Antonio de los Alemanes (1633 fertiggestellt) von Pedro Sánchez. Er entwarf auf dem Grundriss einer Ellipse, einen in der Kuppel auflösenden Raum, der mit Malereien der Innenfläche versucht, eine sich selbst negierende Architektur zu erschaffen.
Innerhalb der Stadt wurden im 17. Jahrhundert königliche Institutionen ausgebaut, um Madrid zu einer würdigen Residenzstadt umzugestalten. Über den Manzanares Fluss wurde die Puente de Segovia (erbaut 1584 bis 1598 aus Plänen von Juan de Herrera) errichtet, deren für damalige Zeiten, gigantische Ausmaße, zahlreiche Zeitgenossen amüsierte (denn der unter der Brücke fließende Manzanares ist überwiegend ein überschaubares Flüsschen). Ein erstes großes Prestigeobjekt war die Neugestaltung des Plaza Mayor. Schon seit den 1580er Jahren gab es erste Überlegungen zu einem neuen zentralen Platz in der Stadt. Juan Gómez de Mora schuf die finalen Pläne welche von 1617 bis 22 einen repräsentativen rechteckigen Platz hervorbrachten, der dem Wirrwarr einer mittelalterlichen Stadt mit verwinkelten Gässchen, ein gleichmäßiges, geordnetes und geradliniges Gegenstück bietet. Der Platz sollte zu einem Symbol der Ordnung für die Monarchie werden. Auf seiner Mitte fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, seien es nun Feste, Prozessionen, Stierkämpfe, Theateraufführungen oder Hinrichtungen. Auf den Balkonen der Häuser konnten die Höflinge und Mitglieder der Oberschicht die beste Sicht erlangen. Dem König oblag es -im Mittelpunkt – auf dem Balkon der Casa de la Pandería zu stehen (deren heutige farbenfrohe Malerei übrigens erst 1992 angebracht wurde, auch die Schließung der Straßenmündungen wurden erst nach einem Brand unter Juan de Villanueva hinzugefügt). Ein weiteres wichtiges Bauwerk der Habsburgerzeit ist die Cárcel de Corte, der Sitz der Justizbehörde. 1629 ebenso nach Plänen von Juan Gómez de Mora beendet, dominieren zwei Ecktürme den Backsteinbau, der Granitsteine quasi zur Umrandung mit aufnimmt. Das zentrale Portal mit dorischen Säulen und königlichem Wappen sowie einer Statue des Erzengels Michaels, betonen die unumstößliche Autorität des Königs. Dieser Grundriss mit zwei Höfen, hohen Ecktürmen und Spitzdächern findet sich immer wieder in der habsburgischen Architektur in Spanien.
Auch die Stadt wollte den königlichen Bauwerken nicht nachstehen und ließ sich 1629 die Erlaubnis für den Bau eines Rathauses geben, dass 1644 begonnen, aber erst 1696 fertiggestellt wurde. Hier stammen die Pläne ebenfalls von Gómez de Mora. An der neuen Casa de la Villa scheint sich ebenfalls das königliche Architekturverständnis, mit Ecktürmen und Spitzdächern und streng gegliederten Portalen, durchgesetzt zu haben. So ist es auch nicht verwunderlich das sich immer mehr Mitglieder des Hofes im Stadtrat wiederfanden. Genau dieser Adel baute natürlich seine Paläste, beispielhaft ist der Palacio de Uceda (auch Palacio de los Consejos) zu nennen.
1633 entstand der Palacio de Buen Retiro, ein Lustschloss im Osten der Stadt, gleich neben dem Kloster Los Jerónimos. Nach zahlreichen Anbauten und der Anlage einer weitläufigen Parkanlage, wurde der Palacio schnell zum Mittelpunkt des höfischen Lebens. Als jedoch der Conde (Graf) de Olivares 1643 nach zahlreichen innenpolitischen Schnitzern (u.a. mit der Loslösung Portugals von Spanien und Aufständen in Katalonien) in Ungnade fiel, wurde der Palast verlassen und stand brach. In den Unabhängigkeitskriegen mit Frankreich wurde das Bauwerk schließlich 1808 zerstört, geblieben ist aber der Park, der mit dem Schloss angelegt wurde und heute eine Magnet für Sonntagsspaziergänger ist.
Die städtische Verehrung von San Isidro wurde in Madrid immer populärer und führte dazu, dass er 1622 heiliggesprochen wurde. Ihm wurde eine repräsentative Stätte seiner Gebeine errichtet, die Capilla San Isidro, welche sich direkt an die ältere Kirche San Andres anschloss. Der König ließ dafür Geld von anderen Städten einsammeln, um das Bauwerk zu finanzieren, dessen Bau 1669 beendet wurde (aber leider im spanischen Bürgerkrieg niederbrannte und erst in den 1990er Jahren wieder aufgebaut wurde). Damit übernahm die Monarchie ein lokales Brauchtum der Stadt Madrid, was von der engen Verbindung von Stadt und Königshof zeugt. Auch heute noch wird mit einer Festwoche im Mai, das Fest San Isidro zelebriert.
Kulturell wird das 17. Jahrhundert wird in Spanien gern rückblickend das „Goldene“ genannt, auch wenn das Weltreich politisch langsam zu zerbröseln begann, die Bevölkerung größtenteils sehr arm war und die Inquisition ihr Unwesen trieb. Kunst und Hochkultur errangen allerdings große Bedeutung und Madrid stand in deren Mittelpunkt. Die Stadt beheimatete Literaten, wie den legendäre Cervantes oder die Theaterdichter Pedro Calderón de la Barca, Lope de Vega oder Francisco de Quevedo. In der Malerei sind Diego Velázquez und Francisco Zurbarán zu nennen, die alle in Madrid tätig waren und den künstlerischen Ruhm der Stadt noch heute prägen.
Die Bourbonen in Madrid bis zum Zeitalter der Aufklärung
Als Karl II. 1700 ohne Kinder starb, trat ein offener Streit über seine Nachfolge aus, der im Spanischen Erbfolgekrieg mündete, welcher wiederum erst 1713 mit dem Frieden von Utrecht beendet werden konnte. Sieger war nicht das Haus Habsburg, sondern Philipp von Anjou, ein Enkel Ludwig XIV., ein Bourbone. Ganz nach dem französischen Vorbild ließ er einen verstärkt zentralistischen Staat in Spanien errichten, was Madrid als Hauptstadt natürlich nicht zum Nachteil gereichte. Das französische Vorbild wurde auch in der Kultur, Lebensart und Stadtentwicklung nachgeeifert. Unter dem Stadtgouverneur Vadillo wurden einige Infrastrukturmaßnahmen begonnen, die zumeist vom neuen Stadtbaumeister Pedro de Ribera geplant wurden. Dieser entwarf beispielsweise eine neue Kaserne für die königliche Leibwache. Das Cuartel del Conde-Duque wurde von 1717 bis 36 erbaut und war nachdem Königspalst der zweitgrößte Bau der Stadt. Nach den Regeln der neuen französisch inspirierten Bauordnung wurde eine Anlage mit drei Höfen errichtet, die relativ nüchtern und gradlinig sind, aber mit einem imposanten Eingangsportal aufwarten, das sich bis zum Dach zieht. Nach einem Brand 1869 verfiel das Haus zunehmend und wurde erst 1981 zu einem Kulturzentrum unter der Leitung des Architekten Julio Cano Lasso umgebaut. Eine ebensolche Betonung der Mitte findet sich bei der neuen Puente de Toledo von Ribera, als auch bei seinem Bau des Hospicio de San Fernando, dass mit einem geradezu überladen ornamentierten Haupteingang aufwartet. Heute beinhaltet es ein Museum zur Stadtgeschichte.
Als 1734 das Alcazar, also der königliche Palast, einem Brand zum Opfer fiel, zögerte Philipp IV. nicht lang und ließ den Palacio Real neu, nach zeitgenössischem barocken Geschmack, wiederaufbauen. Dafür engagierte er den Italiener Filippo Juvarra, der einen zwar nur dreistöckig hohen, aber 460 Meter breiten Palast zu bauen beginnen ließ. Als Juvarra aber nur zwei Jahre nach Beginn der Arbeiten starb, oblag es seinem Schüler Giovanni Battista Sacchetti den Weiterbau zu bevollmächtigen. Auf Grund von erheblichen Schwierigkeiten sah sich Sacchetti allerdings veranlasst, erhebliche Änderungen vorzunehmen, er ließ die Breite des Baus verringern, setzte aber teilweise Geschosse nach oben auf und reduzierte die mehreren geplanten Höfe zu einem Zentralhof. Da die Arbeiten bis 1755 dauerten und der Innenausbau, für den renommierte ausländische Künstler wie Giovanni Batista Tiepolo oder Anton Raphael Mengs engagiert wurden, weitere 10 Jahre benötigte, konnte erst Philipps Enkel Karl III. letztendlich 1764 in den Palast einziehen.
In der Zwischenzeit residierte die königliche Familie wieder im Palacio Buen Retiro im Ostteil der Stadt und so fiel die Aufmerksamkeit schnell auf die bei der Bevölkerung sehr beliebte in der Nähe liegende Flaniermeile Paseo del Prado, die einst in einem kleinen Flusstal lag. Wie auch der Paseo de la Florida, der vom Alcazár in Richtung El Pardo, zur dortigen königlichen Residenz führte, wurden beide Straßen zu ausgiebigen Ausfahrten benutzt, sei es in der Kutsche, zu Pferde oder lediglich zu Fuß. Hier konnte man sehen und gesehen werden und die neuesten Gerüchte wurden ebenso weitergegeben, wie nützliche politische Informationen und Neuigkeiten. José de Hermosilla legte 1767 einen Plan für das Projekt „Salón de Prado“ vor, das eine breite Allee vorsah, die von runden Plätzen mit Brunnen unterbrochen wurden, ideal für das aristokratische Flanieren. Da er aber verstarb, setzte Ventura Rodríguez seine Pläne um und ließ den Kybele Brunnen, (im spanischen Cibeles), den Neptunbrunnen (beide je 1782), den Vierjahreszeitenbrunnen bzw. Apollobrunnen (1802) und den Artischockenbrunnen (1781) bauen. Damals war vollkommen unklar und sicherlich unvorstellbar, dass Cibeles und Neptuno heute für die Siegesfeierlichkeiten der beiden großen Fußballklubs Real und Atletico Madrid benutzt werden und dann als Sammlungspunkt für ausgelassene Feierlichkeiten dienen.
Das Projekt „Salón de Prado“ sollte aber nicht nur ein Treffpunkt zum Flanieren werden, sondern ist dem Geist der Aufklärung geschuldet. Diesen Geist beförderte besonders Karl III., der in seiner Amtszeit zwischen 1759 und 88 zahlreiche städtebauliche und auch kulturelle Reformen für Madrid durchführte. Ziel war es, eine moderne europäische Metropole aus Spaniens Hauptstadt zu machen. Bildung war dabei eine wichtige Komponente und so wurde am Paseo del Prado ein Botanischer Garten angelegt. Hauptsächlich von Juan de Villanueva entworfen und 1781 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (schon seit 1778 war es den Madrilenen erlaubt, an bestimmten Tagen den Retiro-Park zu besuchen, natürlich nur unter der Maßgabe, eines streng eingehaltenen Dress-Codes), war es dem geneigten Bürger möglich, sich dort über die Pflanzenwelt zu informieren. Ab 1785 entstand ein weiter nördlich angelegter Bau, der eine wissenschaftliche Akademie aufnehmen sollte, ein Kabinett der Naturgeschichte und ein chemisches Labor. Letztendlich wurde es 1808 fertiggestellt, doch die französische Besetzung Spaniens verhinderte eine Nutzung. Erst 11 Jahre später, am 19. November 1819 wurde der Bau eröffnet, allerdings in vollkommen anderer Nutzung, als Kunstmuseum „Prado“, das bis heute zahlreiche Meisterwerke der Malerei beherbergt. Auch im Zuge des Umbaus dieses östlichen Stadtteils wurde die Puerta de Alcalá installiert, als Eingangstor für die immer mehr an Bedeutung zunehmende Straße Calle Alcalá. Der fünf Tore beinhaltende Triumphbogen aus dem Jahr 1778, hatte aber weniger eine praktische, als vielmehr eine symbolisch, repräsentative Funktion.
Der Umbau zur Metropole wurde aber noch anderen Orts in Madrid betrieben. 1760 beauftragte Karl III. den französischen Architekten Jaime Marquet mit dem Bau eines Hauptpostamtes, der Real Casa de Correos an der Puerta del Sol. Diesen fast schon palastartigen Bau mit zwei Innenhöfen und Balkonen wurde im Jahr 1856 ein Uhrenturm im Mittelteil aufgesetzt, der nicht nur dem Gebäude noch mehr Ausdruck verleiht, sondern für das spanische Neujahr von unschätzbarer Bedeutung ist, da seine Glockenschläge das neue Jahr einleiten und traditionell dazu Weintrauben bei jedem Glockenschlag gegessen werden..
Unter die Regierungszeit Karl III. fällt auch der bemerkenswerteste Kirchenbau des 18. Jahrhunderts in Madrid, die Kirche des Franziskanerordens San Francisco el Grande. Nur ein Jahr nach seinem Amtsantritt (1759) wurde sie begonnen und zuständig für den Bau war nicht der Hofarchitekt Ventura Rodriguez, sondern der Franziskaner Francisco Cabezas. Die Kirche besteht aus einer vorspringenden konvexen Fassade hinter der sich ein Zentralbau mit sechs Kapellen und einer gigantischen Kuppel verbirgt, deren Durchmesser mit 33m, die damals Größte in ganz Spanien war. Übrigens löste die Kuppel, die anfangs als Tambour geplant war, einen heftigen Streit über die Stabilität der Konstruktion aus, so dass 1776 Francesco Sabatini den Bau übernahm und ihn 1784 vollendete.
Viel kleiner in seiner Dimension, aber nicht weniger ergreifend, ist die Kirche San Antonio de la Florida, auf dem schon eben erwähnte Boulevard Paseo de la Florida gelegen. Das von Filippo Fontana geplante und bis 1792 gebaute Gotteshaus ist aber weniger wegen seiner architektonischen Form als heller Zentralbau über griechischem Kreuz bemerkenswert, als vielmehr wegen seiner Ausmalung. Die Fresken sind von Francisco de Goya, die er 1798 darin anbrachte. Der neben der Kirche stehende Zwillingsbau ist übrigens 1901 erschaffen worden, damit die Gemeinde in eine andere Kirche ausweichen konnte, um die wertvollen Fresken zu schützen. 10 Jahre später wurden die sterblichen Überreste von Goya in die San Antonio de la Florida überführt, so dass der Ort heute als Grabstelle und Kunstmuseum zu besichtigen ist.
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts
Um die Jahrhundertwende herum war Madrid jedoch immer noch keine blühende europäische Metropole, Karl IV., der Nachfolger Karl III. legte weit weniger Eifer an den Tag seine Hauptstadt auszubauen. Lediglich die monarchischen Bauten und die Adelshäuser ließen Teile der Stadt erblühen. Die industrielle Revolution ging an Madrid ebenso vorüber, wie eine gute Transportverbindung mit dem Rest Spaniens. Madrids Status als Hauptstadt und Mittelpunkt des Königreiches war eher Wunschdenken, als Realität. Das lag auch an einer eher rückschrittlichen Gesetzgebung. Erst 1778 wurden das mittelalterliche Gesetz der „Regalia de Aposento“ unwirksam erklärt. Doch die Hoffnung, dass die beengten und teuren Wohnverhältnisse der Stadt sich bessern könnten, wurden allein schon dadurch eingeschränkt, dass es nicht erlaubt war, außerhalb der Stadtmauern zu bauen. So entstanden schon seit dem 17. Jahrhundert vermehrt die sogenannten „Corralas“, mehrgeschossige Häuser, deren Wohnungseingänge und Fenster in langen, zum Hinterhof hin gelegenen Gängen erreichbar waren. Diese wurden zumeist von den ärmeren Madrilenen bewohnt.
Im Jahr 1808 besetzten französische Truppen Spanien und Napoleon machte seinen Bruder Joseph Bonaparte zum König. Der Wiederstand der Madrilenen, der von einigen als eine der ersten Guerillakriege (guerilla ist der Demonativ von „guerra“ = Krieg und kann damit als „kleiner Krieg“ übersetzt werden) bezeichnet wird, kommt nicht nur in Goyas berühmten Bildern vom 2. und 3. Mai 1808 zum Ausdruck (zu sehen im Prado). Noch heute ist der 2.Mai in Madrid ein Feiertag. Josephs Regime versuchte im Sinne der französischen Revolution, aufklärerisch zu wirken, kam aber nicht zu wirklich vielen Veränderungen (außer des Anlegens von Friedhöfen im Osten der Stadt), da schon 1814 Ferdinand IV. zurückkehrte und das politisch-gesellschaftliche System restauriert wurde. Gerade dieser Bourbone, der bis 1833 regierte, hatte die Züge eines absoluten Despoten. Trotzdem fiel in seine Zeit die Eröffnung des Prado, der als Gemäldegalerie allerdings eine Idee von Bonaparte war, und die Errichtung der Puerta de Toledo, dem jüngsten der Madrider Stadttore. Die auf den Tod von König Ferdinand eintretenden Karlistenkriege (zwischen liberalen und konservativen Kräften) sollten Spanien durch das 19. Jahrhundert begleiten und immer wieder mal aufflammen. Letztendlich waren es diese Konflikte die ebenso die Ausrichtung der Gesellschaft beeinflussten. Ab 1836 wurde die Puerta del Sol umgebaut, ein Platz der heute gar kein Tor beherbergt, aber namentlich an das 1570 abgerissene östliche Stadttor erinnert, dass wohl mit einem Sonnensymbol ausgestattet war. Im Zuge der Auflösung und Verstaatlichung von kirchlichem Besitz konnte auch hier ein halbkreisförmiger Platz entstehen, der neben der schon erwähnten Casa de Correos auch noch die Madrider Bärenstatue (allerdings aus dem Jahr 1970) und den Kilometer 0 beheimatet, dem Ausgangspunkt aller spanischen Fernstraßen. Neben dem Plaza Major entwickelte sich der ehemalige östliche Abschluss der mittelalterlichen Stadt zum wichtigsten Platz in der Stadt.
1843 kam die eher liberale Isabella II. auf den Thron. Die Hemmnisse des Stadtwachstumes wurden nach und nach beseitigt. So wurde es erlaubt, auch außerhalb der alten Stadtmauern zu bauen. Noch wichtiger war aber das Anlegen des Canal Isabel II, der die Stadt mit frischen Trinkwasser des Flusses Lozoya speiste. Es entstand ein 77km langer Kanal, der durch Tunnel und über Aquädukte von den Füßen des Gebirges bis nach Madrid reichte. Hatte die Stadt 1800 rund 160.000 Einwohner, waren es 1850 schon 281.000 (verglichen mit britischen Städten fällt das Wachstum in jenen Jahren allerdings Bescheiden aus). Eines der großen Projekte der Zeit war der Plaza Oriente, der auf Pläne von Isidro González Velázquez zurückgeht. Diese sahen einen halbrunden Platz vor, der vom Palacio Real zur Stadt hin aufgeht. Neben dem Schloss dominiert darauf das Opernhaus Teatro Real. Allerdings hat dies heute mit den ursprünglichen Visionen seines Architekten López Aguado nicht mehr viel zu tun. Als dieser 1831 nach 13 Jahren Bauzeit starb, wurden seine Entwürfe von Velázquez umgestaltet. 1850 konnte das Bauwerk auf hexagonalen Grundriss eröffnet werden. Jedoch wurde das Haus auch später immer wieder umgebaut, so zuletzt in den 1990er Jahren.
Die ständig wachsende Stadt Madrid von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum spanischen Bürgerkrieg
Die Urbanisierungswelle verstärkte sich in der 2.Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Stadt gewann mehr und mehr Einwohner. Waren es 1870 bereits 332.000 so wohnten 1900 schon 540.000 Menschen in Spaniens Hauptstadt, weshalb städteplanerische Arbeiten dringend von Nöten waren. Madrids Antwort darauf hieß „Plan Castro“ und wurde 1860 fertiggestellt (neun Jahre nach dem Plan Hausmann für Paris und zur selben Zeit wie der Plan Cerda für Barcelona, benannt jeweils nach ihren Entwicklern). Um mehr Platz zu schaffen, vielen als erstes die Stadtmauern und die Stadt konnte in alle Richtungen wachsen. Im Norden entstanden die Ringstraßen entlang der Calle Alberto Aguilera / Carranza / Sagasta und Génova. Südlich von ihnen blieben die historischen Straßengeflechte bestehen. Die Wasserversorgung wurde durch den neuen Canal Isabell II. angelegt, der auch heute noch der Wasserversorgung der Stadt ihren Namen gibt. Schon seit 1851 hatte die Stadt die erste Eisenbahnlinie, die nach Aranjuez führte. 1879 wurde dann die erste Straßenbahnlinie in Madrid eröffnet. Die neue Bahn war ein voller Erfolg und die Puerta del Sol wurde zu einem Verkehrsknotenpunkt. So wurde bereits 1893 ein erster Vorschlag gemacht, eine Metro zu bauen, um Passagiere und Güter(!) unter der Erde zu transportieren. Doch diese Pläne gerieten schnell in Vergessenheit und erst 1915 wurde die Idee erneut ausgegraben, allerdings als reines Passagiertransportmittel. Ein privates Konsortium wurde geründet und Investoren gesucht. Der König Alfons XIII. beteiligte sich mit 1 Millionen Peseten (was 10% der Gesamtsumme darstellte). Am 17. Oktober 1919 konnte die erste Fahrt von Sol nach Cuatro Caminos durchgeführt werden. Die Madrilenen nahmen die neue Bahn begeistert an und schon zwei Jahre später konnte die erste Streckenerweiterung nach Atocha fertiggestellt werden. Heute ist die Madrider Metro die 5.längste U-Bahn der Welt, was zum größten Teil das Ergebnis eines Baubooms in den 1990er Jahren ist.
Neue Kultureinrichtungen trugen ebenfalls zum Prestige der spanischen Hauptstadt bei. So wurde 1866 die Biblioteca Nacional begonnen, allerdings wurde der klassizistische Bau von Francisco Jareño Alarcón erst im Jahr 1892 fertiggestellt. Drei Jahre später wurde im rückwärtig gelegenen Teil des Hauses das Museu Arqueolológico Nacional eröffnet, dass die Kultur der iberischen Halbinsel von der Früh- und Vorgeschichte über die römische Besiedlung und die Westgotenzeit bis ins Mittelalter hinein zeigt. Der in der Zeit der französischen Besetzung stark beschädigte Parque del Retiro wurde wieder angelegt, nicht aber das gleichzeitig zerstörte Schloss. 1869 ging er vom Königshaus in städtischen Besitz über, erhielt neue Zugänge und wurde 1890 eingezäunt und zur Freizeit- und Erholungsstätte umgestaltet, die er auch heute noch ist. Zwei neue Ausstellungspaläste, geplant von Ricardo Velázquez Bosco wurden neue Attraktionen im Park. Zum einen das nach dem Architekten benannte Gebäude (1884) und zum anderen, der Glaspalast Palacio de Cristal, der 1887 eröffnet wurde und dessen spektakuläre Glasarchitektur auf einer Stahl-Eisen-Konstruktion den damaligen modernen Geist des Ingenieurs getragen war. 1922 kam schließlich das Denkmal für König Alfonso XII. dazu, vom katalanischen Architekten José Grases Riera, dass sich monumental über dem Estanque, dem Gondelteich, erhebt. Der um die Jahrhundertwende aufkommende „Modernisme“, also der Jugendstil spanischer bzw. zumeist katalanischer Prägung, hat in Madrid lediglich ein Beispiel erhalten, die Casa Longoria aus dem Jahr 1902, die ebenso vom Katalanen Grases Riera stammt.
Das größte Bauprojekt des ausgehenden 19. Jahrhunderts war jedoch ein Kirchenbau. Seit 1883 war Madrid Bischofssitz der Diözese Madrid / Alcalá. Dafür musste eine entsprechende Kathedrale gebaut werden. Als Bauort wurde der Platz zwischen Palacio Real und dem Ende der Calle Alcalá ausgesucht, da dort schon die ältere Kirche Santa María de la Almudena stand, weshalb das neue Haus auch Kathedrale La Almudena heißt. Die Pläne für den gigantischen 103m langen und 73m hohen, neogotischen Kirchenbau lieferte Francisco de Cubas, jedoch blieb das Mammutprojekt lange nur Stückwerk. In den 1950er Jahren wurde das Konzept stark verändert. Fernando Chueca und Carlos Sidro legten neue Pläne vor, nachdem die Kirche klassizistisch umgebaut werden sollte, um besser mit dem Palacio Real zu harmonieren. Auch diese Bauarbeiten zogen sich mehrere Jahrzehnte in die Länge bis schließlich 1993, Papst Johannis Paul II. den Kirchenbau weihen konnte.
Neben den schon bestehenden Kultureinrichtungen und Adelspalästen wurde Madrid immer mehr auch zu einem Finanzzentrum Spaniens. Banken siedelten sich im Umkreis der Calle Alcalá an. Davon zeugen noch heute das Edificio Banesto aus dem Jahr 1891 von José Grases Riera, dass mit seiner runden Ecke und einer eklektizistischen Fassadengestaltung Aufmerksamkeit erregte. Das Edificio Metropolis scheinte diesem noch eines drauf setzen zu wollen. Seine Eckgestaltung wird von einer hohen Kuppel dominiert und mit einer Statue gekrönt. Diese wurde 1975 abgebaut und auf ein neues Gebäude der Firma auf dem Paseo Castellana installiert, seitdem residiert auf dem Metropolis eine bronzefarbene Siegesgöttin. Die Architekten dieses schon dem Beaux-Artes Stils zuzuordnenden Haus waren die Franzosen Jules und Raymond Février, deren Planungen zwischen 1905 und 07 gebaut wurden.
Noch imposanter ist der Palacio de Comunicaciones, das Post- und Telegrafenamt von Antonio Palacios, dass 1905 eingeweiht wurde. Es orientiert sich noch an Formen der Neogotik und der Neorenaissance, aber der sich abzeichnende Umbruch zur Architektur der Moderne, mit dem teilweise zu beobachtenden Hang zur Monumentalität wird hier sichtbar. Palacios stieg damit zu einem der gefragtesten Toparchitekten seiner Zeit auf. Das zusammen mit Julián Otamendi entworfene Hospital de Maudes, dass 1916 übergeben wurde, ähnelt dem burghaften Charakter des Palacios de Comunicaciones. In ihrem Stil nähern sie beide dem amerikanischen Art-Déco-Stil an, am besten zu sehen im 1926 von ihnen beendeten Círculo de Bellas Artes.
Die größte städtebauliche Aufgabe des jungen 20.Jahrhundert war die neue Prachtstrasse Gran Via. König Alfonso XIII. selbst war einer der großen Fürsprecher eines neuen Boulevards Pariser Prägung, der Madrid eine weitere Attraktion reicher machte. Die Straße sollte von der Calle Alcalá im Osten der Innenstadt zur nordwestlichen Stadtausfahrt Richtung Moncloa gezogen werden und dabei die verwinkelte nördliche Innenstadt durchschneiden. 1910 wurden die Arbeiten begonnen, zogen sich aber rund 30 Jahre hin, so dass die Straße zwei architektonische Gesichter trägt. Sie beginnt wie ein Pariser Boulevard mit repräsentativen Häusern des Beaux-Artes Stils, wie dem schon genannten Metropolis. In ihrer Mitte steht das Edificio Telefónica, dass mit 81m erste Hochhaus Spaniens und eines der ersten in Europa überhaupt. Die Architekten Ignacio de Cárdenas und Louis S. Weeks schufen hier ein Wahrzeichen der Madrider Innenstadt. Der Palacio de la Música von Secundino Zuazo, der sich etwas weiter in Richtung des Platzes Callao befindet, ist der architekturhistorische Wendepunkt der Gran Vía. Das 1928 beendete Gebäude steht genau zwischen dem historischen Beaux-Arts Stil der ersten Häuser und der ihm folgenden sachlichen bis hin zum monumentalen Stil. Nur wenige Meter weiter befindet sich das wegen seiner geschwungenen Formen als optisches Highlight der Straße angesehene Edificio Carrión mit dem Kino Capitol. Es wurde 1933 beendet, unter der Leitung der Architekten Luis Martínez Feduchi und Vicente Eced. Im Stil der modernen Sachlichkeit erbaut und von den runden, sich über Eck ziehenden horizontalen Fensterbänken, die sich bei Erich Mendelsohns Inspiration holten, gilt das Edificio Carríon noch heute als ein elegantes Meisterwerk der modernen spanischen Architektur der Vorbürgerkriegszeit. Wiederum anders präsentierte sich das Ende der Gran Via am Plaza de España. Dort erwarten den Besucher die monumentalen Hochhäuser der frühen Franco-Zeit. Sowohl das 117m hohe im rötlichen Ton gehaltene Edificio España, als auch der weiße Torre de Madrid (124m) sind beide von den Architektenbrüdern Joaquín und Julián Otamendi. In den 1950er Jahren errichtet, dienten die Hochhäuser der Anzeige der Potenz des „neuen Spaniens” unter Franco.
Von Franco bis heute – Madrid im Wandel
Madrid ist aber keineswegs eine Stadt des rationalen Bauens der Moderne, die man beispielsweise unter dem Stichwort Bauhaus subsumieren konnte. Diese Architekturform fiel nicht nur den zahlreichen und einflussreichen konservativen Kräften immer wieder zum Opfer, sondern auch den unruhigen Zeiten. Als am 14.April 1931 auf der Puerta del Sol die Republik ausgerufen wurde, begannen turbulente Jahre. Schon 1936 startete ein Bürgerkrieg, den die faschistischen Truppen unter General Franco nach drei blutigen Jahren gewannen. Madrid stand dabei fast die gesamte Zeit im Mittelpunkt der Handlungen, fiel die Stadt doch als eine der letzten in die Hände von den von Mussolini und Hitler unterstützten Truppen Francos (am 29. März 1939). Dieser errichtete danach eine Diktatur, die sich bis in die 1970er Jahre hielt. Trotz dieser dramatisch veränderten politischen Verhältnisse gingen einige wenige Bauprojekte über die Wirren der Zeit hinweg weiter, so auch der Bau der Ciudad Universitaria, einer Hochschulstadt in der Stadt, die im Park von Moncloa errichtet wurde. Schon 1927 ließ der damalige König Alfonso XIII. die Bauarbeiten beginnen, die auf einem Generalplan von Modesto López Otero beruhte. Für die einzelnen Institutsbauten wurden unterschiedliche Architekten gewonnen. So schuf Augustín Aguirre López mit dem Bau der Philosophischen Fakultät und dem Bau der Juristen zwei Beispiele für die seltene moderne spanische Architektur. Da der Campus stark unter den Kämpfen des Bürgerkrieges litt, wurde er in Zeiten der Diktatur wiederaufgebaut, dann aber verstärkt unter den neuen Gesichtspunkten einer triumphalen Ästhetik. Bestes Beispiel dafür ist der 1956 errichtete Triumphbogen, Arco de la Victoria in Moncloa, der den franquistischen Sieg überhöht. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das ebenso im triumphal-pathetischen Stil erbaute Ministerio del Aire von Luis Gutiérrez Soto. Es scheint wie ein modernisierter Nachbau des Schlosses El Escorial wirken zu wollen. Auch die beiden schon erwähnten Hochhäuser am Plaza de España reihten sich nahtlos in die damalig federführende Architektur ein.
Doch mit zunehmender Öffnung des franquistischen Regimes in den späten 1950er Jahren, öffneten sich auch die Möglichkeiten für die Architektur und die Stadtgestaltung. Ein Beispiel dafür ist der Bau für den Gewerkschaftsbund Delegación Nacional de Sindicatos von Francisco de Asís Cabrero. Das heutige Ministerium für Gesundheit ist ein kubistisch-klarer Entwurf der sich der Moderne verschreibt und der sich als ein Wendepunkt in der damaligen spanischen Architektur bezeichnen lässt. So wurden neue Formensprachen möglich und auch erfolgreich ausprobiert, so wie im für die organische Architektur wegweisenden Beispiel des Edificio Torres Blancas von Francisco Javier Sáenz de Oiza. Das Wohnhaus erinnert an ein riesiges Gewächs aus dem Balkone herauswachsen. Ende der 1960er Jahre wurde das nordöstliche Stadtzentrum erweitert, mit dem Anlegen des Plaza de Colón. Dort entstand unter anderem bis 1976 das Zwillingsturmhaus Torres de Colón von Antonio Lamela. Nach Norden hin wurde die Paseo de Castellana mit neuen modernen Bauten aufgewertet. So wurde das Büro- und Geschäftsviertel AZCA erbaut, eine kleine Wolkenkratzerstadt. Der Plan dafür war als Idee schon in den 1920er Jahren aktuell und wurde 1946 als Plan Bidagor wieder aufgenommen, aber erst nach dem Tod von Franco realisiert. Noch weiter im Norden zeigen sich die spektakulären Torres KIO von Philipp Johnson und John Burgee. Die um 15ᵒ Grad geneigten Türme, die 1992 fertiggestellt wurden bilden den Beginn eines Madrids, in welchem sich die Investoren zunehmende um ausländische Stararchitekten bemühten. Am nördlichen Ende der „Castellana“ finden sich seit kurzem ein Zusammenballung von vier Wolkenkratzern, dem sogenannten CTBA, die allesamt die höchsten Gebäude der iberischen Halbinsel darstellen.
Gerade nach dem Ende der Diktatur ist ein wahrer Bauboom in Madrid zu bemerken, der erst mit dem Zusammenbruch der Immobilienblase 2008 abflaute. Zu nennen sind dabei der im Zuge des Zuschlags zur Europäischen Kulturhauptstadt errichtete Parque de Juan Carlos I., der mit 220 ha der größte spanische Park ist. Spektakuläre neue Museumsbauten bzw. Anbauten, wie das CaixaForum von Herzog & deMeuron (2008), die Anbauten des Centro de Arte Reina Sofia von Jean Nouvel (2005) oder der Ausbau des Prados von Rafael Moneo prägen das heutige Bild der Stadt. Neue Theaterbauwerke, wie die Teatros de Canal von Juan Navarro Baldeweg gehören ebenso zum zeitgenössischen Madrid wie das Projekt Madrid Rio, dass die Ufer des Manzanares Flusses für die Bewohner so freilegt, dass die vorher stark befahrene Stadtautobahn M30 unter dem Fluss verschwindet und neue urbane Räume für Sport, Spiel, Kultur und Erholung freigibt. Doch auch schwere Stunden erlebte die Stadt, wie beim schwersten Terroranschlag dieses Jahrhunderts in der EU, dass sich am 11.3.2004 ereignete, als islamistische Terroristen Bomben in Cercanias (also S-Bahn) Zügen am Bahnhof Atocha detonieren ließen. 191 Menschen starben, über 2000 wurden teilweise schwer verletzt. Diese Tat, die kurz vor Parlamentswahlen in Spanien stattfand, löste zahlreiche politische Prozesse aus, ist aber auch eine der wenigen Anschläge, die fast lückenlos aufgeklärt und mit Hilfe von Gerichtsprozessen verhandelt wurden.
Heute ist Madrid immer noch eine Stadt im ständigen Wandel. Es ist das Herz Spaniens und insbesondere in dessen kastilischer Prägung, ebenso die Zentrale von Macht und Geld. Madrid ist aber auch eine ständig kreative Stadt, die sich täglich ein wenig neu erfindet, die alle Arten von Glauben und Ideologien zulässt und eine der großen Metropolen Europas ist.