Meißen

Einwohner: 27.936 | Fläche: 30,9 km² | Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises | an der Elbe gelegen | 25km NW von Dresden | 75km O von Leipzig

Inhaltliche Gliederung dieses Beitrags: Meißen und die Entstehung der Mark Meißen | Das Meissner Porzellan | Meißen als Symbol: von der Industrialisierung bis heute

Ein des sächsischen Landes nicht Kennender könnte bei oberflächlicher Betrachtung des Dresdner Umlandes schnell zu dem Schluss kommen, Meißen wäre ein rund 25km elbaufwärts gelegener Vorort der Landeshauptstadt. Nichts würde der geschichtlichen Bedeutung dieser Stadt weniger gerecht, denn Meißen gilt gemeinhin als die Wiege Sachsens, als Urkeim der sächsischen Geschichte und mit dem Dom und der Albrechtsburg auf dem Felsen über der Elbe als das in der Landschaft platzierte Symbol des heutigen Freistaates.

Meißen und die Entstehung der Mark Meißen

Im Jahr 929 gründete der deutsche König Heinrich I. von Sachsen die Burg „Misna“ nachdem er einige erfolgreiche Feldzüge gegen die Slawen im Osten der Saale gefochten hatte. Deutsche Ritterheere stießen im 10. Jahrhundert immer weiter nach Osten vor, in ein sehr dünn besiedeltes Land, dass sich noch durch eine große Wildnis auszeichnete. Um das neu gewonnene Territorium zu sichern, wurden von Magdeburg bis nach Meißen Festungen gebaut und in den wichtigsten Zentren kirchliche Institutionen etabliert. Auf der Synode von Ravenna 968 wurde daher das Bistum Meißen begründet (gemeinsam mit denen von Merseburg und Zeitz). Erster Bischof wurde der Benediktiner Burchard, der aus dem Kloster Emmeram in Regensburg stammte. Die ottonischen Kaiser erhoben die drei Bistümer, um Kultur und Glauben zu formen, aber vor allem, um die Herrschaft in den Gebieten östlich der Saale zu festigen. Gerade im 19. Jahrhundert wurde insbesondere das Datum 929 als Gründungsjahr Sachsens zelebriert, denn es symbolisierte nicht nur das Sachsen aus deutscher Hand entstanden ist, sondern gleichfalls ein Sieg des Christentums über die slawischen Heiden war. Tatsächlich ist der Beginn der sächsischen Geschichte jedoch vielschichtiger, kleinteiliger und nicht mit einem Datum festzulegen. Beispielsweise entsteht eine wirklich einschneidende deutsche Besiedlung des Gebietes erst im 12. Jahrhundert.
Was tatsächlich bemerkenswert ist, ist die Gründung der Markgrafschaft Meißen. Zuerst sicherte ein Netz von Burgwarden (freie Edelleute, die sich mit sorbischen Kriegern umgaben) die neuen deutschen Besiedlungen. Als diese jedoch militärisch nicht mehr notwendig waren, erschuf der deutsche Kaiser Otto I. das Markgrafenamt, einem ihm ergebenen Herren, der gleichzeitig militärischer Befehlshaber und oberster Verwaltungsbeamte in der Region war. Im Jahr 1046 wurde erstmals schriftlich die Mark Meißen erwähnt, so dass man annehmen kann, dass dieser auf der hiesigen Burg seinen Sitz hatte. 1089 übernahm der Wettiner Heinrich I. von Eilenburg diese Position und begründete die bis 1918 reichende Herrschaft dieses Adelsgeschlechts über Sachsen. Neben dem Markgrafen saß auch der Burggraf auf der Meißner Burg. Dieser war für den unmittelbaren Schutz der Anlage zuständig. Die dritte wichtige Person auf dem Burgberg, war der Bischof des Bistums. Durch die Anwesenheit dreier mächtiger Herrscher, war dieser Ort das unumstrittene Zentrum der Region.
Bis ins 12. Jahrhundert hinein bleiben die Verhältnisse hier am Rande des deutschen Reiches alles andere als einladend. Nur einzelne ehemalige slawische Siedlungen stachen aus den weiten Waldlandschaften heraus. Kolonisten wurden in dieses menschenleere Gebiet gerufen und in der Mitte des Jahrhunderts begann die Erschließung des Landes. Dörfer wurden von so genannten Lokatoren gegründet, welche Bauern anwarben und ihnen für mehrere Jahre beim Aufbau von Dorfstruktur und Ackerbau behilflich waren, während sie später einen Teil der Erträge bekamen. Diese Grundherren wiederum wurden vom Markgrafen belehnt, der wiederum Treue und militärische Gefolgschaft einforderte. Für die Namen der neuen Siedlungen übernahm man in der Regel die slawischen Begriffe („Misna“ ist ein slawischer Name des Baches am Burgberg, Dresden ist die eingedeutschte slawische Bezeichnung für „Auwaldbewohner“). Bis 1300 verzehnfachte sich die Bevölkerung in der Mark Meißen, wobei die verbliebenen slawischen Bewohner mit den neuen Siedlern zusammenlebten, bis eine Unterscheidung marginal wurde und alle in eine sächsischen Bevölkerung aufgingen.
Unterhalb der Burg entwickelte sich schon vor 1200 eine kleine Stadt, die zu Beginn unter dem Schutz des Burggrafen stand. Dieser darf nicht mit dem Markgrafen verwechselt werden, der als reichsunmittelbarer Landesfürst auftrat. Dem Burggrafen gehörten einzelne Gebiete um den Burgberg herum, sowie auch die 1200 gegründete Stadt Lommatzsch. Als 1426 Burggraf Heinrich II. in der Schlacht bei Aussig gegen die Husiten starb, übernahmen die Wettiner Markgrafen die burggräflichen Gebiete.
Im Triebischtal, östlich der Burg, siedelten sich noch unter burggräflicher Herrschaft Menschen an, unter ihnen auch Juden. Als 1205 der Markgraf eine Rechtsstadt mit Mauer, Markt und Kirche anlegen ließ, sollten die älteren Ansiedlungen außerhalb der neuen Mauern liegen (das Gebiet liegt am heutigen Neumarkt). Interessanterweise versuchte auch der Bischof zu jener Zeit eine eigene Stadt namens Cölln zu gründen und zwar am anderen Ufer der Elbe, was aber nur von sehr bescheidenem Erfolg war. Dies zeigt eindrücklich, wie Stadtgründungen von mächtigen Eliten vorangetrieben worden, wobei es auch immer einen experimentellen Charakter haben konnte, denn die Versuche der Kirche eine eigene Stadt an dieser Stelle zu gründen misslang. Erfolgreicher war der Versuche aber beispielswiese in Bischofswerde, wo noch heute der Name der Stadt auf den Gründer verweist, wenngleich die Stadt heute auf a endet. Der Markgraf von Meißen wiederum ließ es sich nicht nehmen noch weitere Städte zu erheben, so wie Dresden, Pirna, Großenhain und Oschatz.
Um 1250 wurde mit dem Bau des Meißner Doms begonnen, in dessen Fürstenkapelle (welche 1410 erbaut wurde) vier Generationen wettinischer Herrscher liegen (bis die Grablege, in Folge der Reformation, nach Freiberg verlegt wurde). Die Mark Meißen wuchs nicht nur an Einwohnern, sondern auch an Fläche und erreichte bald den Kamm des Erzgebirges und das Pleißeland, trotzdem war die Stadt Meißen nicht die Hauptstadt der Mark, wenn man es nach heutigen Maßstäben bemisst. Bis ins 16. Jahrhundert hinein war der Herrscher eines Territoriums in diesem ständig unterwegs, denn nur dort wo er war, konnte der Markgraf regieren. Trotzdem war Meißen der wichtigste Ort für den Markgrafen, hier verbrachte er Ostern und Pfingsten, wo ihm der Dom einen geeigneten Rahmen für die Festtage gab.
Im Jahr 1423 wurde dem Markgrafen von Meißen, Friedrich dem Streitbaren, die Kurwürde des Herzogtums Sachsen-Wittenberg übergeben. Seitdem war er – und seine Nachfahren – nicht mehr nur Markgrafen, sondern Kurfürsten, was gleichzeitig darin mündete, dass die territorial sich weiterhin ausdehnende Markgrafschaft Meißen nun zum „Kurfürstentum Sachsen“ wurde. Trotzdem hält sich „Meißen“ als Begriff für das sächsische Land noch lange. Die Stadt und der Burgberg sollten schon bald ein prächtiges Schloss bekommen, das eines Kurfürstentums würdig war. Um 1470 beauftragten die beiden Brüder Albrecht und Ernst, die in Personalunion das Kurfürstentum regierten, den Baumeister Arnold von Westfalen mit dem Bau einer Residenz im spätgotischen Stil. Doch schon während der Bauarbeiten wurde klar, dass hier niemals ein Fürst wohnen würde. Nach der Leipziger Teilung Sachsens, zwischen den beiden Brüdern, im Jahr 1485, verlegte Albrecht seine Residenz nach Dresden, während Ernst Wittenberg ausbauen ließ. Das Schloss wurde zu einem gebauten Machtsymbol ohne wirkliche Residenzfunktion. Vielleicht weil es nicht bewohnt wurde, wurden zukünftige Baumaßnahmen hier nachdem historischen Vorbild der Spätgotik weitergeführt, auch nachdem dieser Baustil nicht mehr in Mode war. Erst Kurfürst Johan Georg II. (regierte von 1650 bis 1680) ließ das Schloss „Albrechtsburg“ nennen, in Erinnerung an seinen Ahnen Albrecht, den Begründer der albertinischen Linie nach der Leipziger Teilung, die das heutige Sachsen ausmacht.
Hierin zeigt sich deutlich das Meißen mehr zu einem Symbol für Sachsen geworden war, als zu einem tatsächlichen Handlungsort. Trotzdem geht natürlich die sächsische Geschichte nicht spurlos an der Stadt vorbei. Als die Reformation Luthers eine Transformation des Glaubens bringt, ist es Moritz von Sachsen, der im alten (und nun nicht mehr genutzten) St.Afra Kloster eine von drei neuen Fürstenschulen errichten lässt. Später sollte hier unter anderem Gotthold Ephraim Lessing studieren.
Die Einwohner Meißens lebten zumeist von der Tuchmacherei, die insbesondere in den Zeiten des 30-jährigen Krieges in existentielle Nöte kam.

Das Meissner Porzellan

Mit der Stadt verbunden ist heute aber ein ganz anderer Wirtschaftszweig, das Meissner Porzellan (seit 1972 wird die Markenbezeichnung „Meissen“ mit Doppel-S geschrieben, damit man auf den intentionalen Märkten besser zu finden ist).  Die Geschichte des Meißner Porzellan beginnt mit der Wende zum 18. Jahrhundert herum. In dieser Zeit transformierten sich die europäischen politischen Systeme in absolutistische Staaten, mit einem dominanten Monarchen und einer in der Regel aufwendigen Hofhaltung (die uns so beeindruckende Paläste und Gärten hinterließen). In diesen Jahrzehnten durfte es an Luxusgütern nicht fehlen und eines davon war Porzellan, dass man für viel Geld aus Japan oder China heranholen musste. So war es auch am sächsischen Hof, dessen Regentschaft 1694 Kurfürst Friedrich August I., genannt „August der Starke“ übernahm. Ein gewinnbringender Gedanke war die Idee, Porzellan nicht zu importieren, sondern selbst produzieren zu können. Die Legende besagt das Johann Friedrich Böttger, ein Apothekergehilfe aus Berlin, der versprochen hatte Gold herzustellen, aus diesem Zwecke vom Kurfürsten eingesperrt wurde bis er dies für seine Majestät tat und schließlich die Porzellan Herstellung in Europa erfand. Diese Legende hört sich zwar spanend an, Tatsache ist nur, dass Friedrich August einen sehr hohen Finanzbedarf hatte, weil er neben seiner Regentschaft als Kurfürst von Sachsen, auch noch polnischer König wurde und sich als solcher in den Nordischen Krieg mit Schweden verwickeln ließ. Eine Expertenkommision wurde 1702 gegründet, bestehend aus Montanwissenschaftlern aus Freiberg, Ehrenfried Walter von Tschirnhaus und eben jenen genannten Böttger, welche zusammen das so beliebte „weiße Gold“ des Porzellans suchten und schließlich nach zahlreichen Experimenten eine erfolgreiche Formel fanden. So wurde 1710 die Porzellanmanufaktur gegründet und diese wurde auf der Albrechtsburg in Meißen eingerichtet, was mehrere Gründen hatte. Zum einen war das Wissen um den Herstellungsprozess sehr kostbar (denn damit konnte man als Einziger europäischer Produzent auftreten) und man wollte den Zugang zu der Manufaktur gut beobachten können, falls Diebe eindringen wöllten. Diese Bewachungsform war auf dem Burgberg gut möglich. Zum anderen war Meißen an der Elbe gelegen und man konnte die Waren einfach und günstig verschiffen. Die Manufaktur entwickelte sich zu einer wahren Geldmaschine, denn die Meissner Porzellan entwickelte sich in Windeseile zu einem Markenbegriff für Luxus (übrigens ist es tatsächlich eine der ältesten Marken der Welt, die heute noch besteht). Meissner Porzellan eroberte die Anwesen der europäischen Elite und füllten die Staatskassen Sachsens. In Meißen selbst zeigte sich der Prunk des Porzellans nicht, dafür wurde in Dresden ein eigenes Porzellanschloss gebaut, das Japanische Palais, dessen Bauarbeiten 1728 begonnen wurde. Es sollte chinesisches und japanische Porzellan ausstellen und als Höhepunkt, stolz die eigenen Leistung der sächsischen Porzellanherstellung präsentieren. Bald schon wurden einzelne Stücke auch als diplomatische Geschenke an andere Fürstenhäuser verschenkt und selbst Erich Honecker brachte bei seinem Staatsbesuch 1981 in Japan dem Gastgeber Meißner Porzellan mit. Noch heute ist die Porzellanmanufaktur im Besitz des Freistaates Sachsens, wenngleich sich der Markt für diese Art von Luxusgütern in den letzten Jahren abgekühlt hat und der Betrieb zu nicht unerheblichen Verlusten führte.

Meißen als Symbol: von der Industrialisierung bis heute

Meißen selbst blieb ein eher beschauliches Städtchen, wobei seit dem 19. Jahrhundert das Triebischtal zunehmend industrialisiert wurde. Hier entstand nicht nur der Neubau der Porzellanmanufaktur, sondern auch zahlreiche weitere Betriebe. Da der Platz in dem einstmals engen und romantischen Tal begrenzt war, siedelten sich neuere Unternehmen auch rechtselbisch an und 1901 wurden die Dörfer Cölln und Niederfähre zur Stadt eingemeindet, wo auch der Bahnhof der Stadt entstand. Meißen wurde sogar bis zum 2.Weltkrieg zu einem Zentrum für den Kachelofenbau in Deutschland.
Allerdings ist der weit über das Elbtal bekannte Ruf der Stadt nicht mit Industrie verbunden, sondern profilierte sich besonders ab dem 19. Jahrhundert damit, die symbolische Wiege Sachsens und eine angesehene Porzellanstadt zu sein. Dazu gehörte es auch, die Porzellanmanufaktur wie bereits erwähnt, in ein eigenes Fabrikgebäude im Triebischtal zu verlegen, um den Burgberg mit Albrechtsburg und Dom zu einem strahlenden Punkt sächsischer Identifizierung zu machen. So wurde bis 1881 die Albrechtsburg restauriert und mit einem Bildprogramm meißnisch-sächsischer Geschichte versehen. Eine weitere, durchaus öffentlich begeistert aufgenommene Aufgabe, war die Herstellung der beiden Domtürme der Kirche, die seit einem Blitzschlag von 1547 fehlten. So gründete sich ein Dombauverein, konservativer Prägung, und verkaufte Lose, die das entsprechende Geld für den Aufbau der beiden gotischen Spitzen erbringen sollte. Tatsächlich gelang es rasch entsprechende Einnahmen zu generieren und von 1903 bis 1908 wurden zwei Türme dem Bild der Stadt hinzugefügt und wirkten schon zur Weihe 1912 als seien sie bereits ewig da. Und so zeigt die Silhouette Meißens auch heute noch große sächsische Geschichte an, deren symbolische Wiege sie gleichsam beherbergt und die bei einem Spaziergang durch die steilen Gassen der Altstadt auf den Berg beschnuppert werden kann.