Geschichte von Los Angeles

Every city has it’s boom, but the history of Los Angeles is the history of booms” [Carey Mc Williams]

Am 4. September 1781 gründeten 44 Siedler in der Nähe der franziskanischen Mission San Gabriel die Gemeinde Los Angeles. Tatsächlich war es aber die folgenden Jahre recht einsam im Süden des heutigen Kaliforniens. Auf großen Farmen wurde Landwirtschaft betrieben und es gab etwas Handel mit von der Ostküste der USA kommenden Schiffen. Dem ein oder anderen Seemann muss die Gegend angenehm vorgekommen sein und er sah im wohltemperierten Klima dieses so weit abgelegenen Ortes die Möglichkeit, selbst Geld zu machen. Ein Beispiel dafür ist Abel Stearns, der in den 1820er Jahren aus Massachusetts hier landete und sich schnell zum Katholizismus der damaligen Einwohner bekehren ließ, denn Kalifornien gehörte bis 1848 zu Mexiko (und vor dessen Unabhängigkeit zu Spanien, mehr Details gibt es im Beitrag zur Geschichte Kaliforniens). Stearns ließ ein Warenhaus bauen, eröffnete eine Pferdekutschenverbindung und wurde in den 1840er Jahren Besitzer weiter Landflächen, die er zur Viehzucht nutzte. Der steigende Wohlstand im Norden Kaliforniens, durch den Goldrausch von 1849, erhöhte die Absatzmärkte von Vieh. Der Wirtschaftszweig florierte bis eine große Dürre in den 1860ern abertausende von Tieren dahinraffte und die ursprünglichen Rancheros in große wirtschaftliche Schwierigkeiten brachte.
Sonst blieb das Örtchen Los Angeles von den Auswirkungen des Goldrausches im Norden des Bundesstaates kaum beeinflusst und hatte bis zu seiner Erlangung des Stadtrechts 1850 nicht mehr als 2.000 Einwohner. Trotzdem trug das seiner Zeit eher unbekannte Städtchen den Beinamen „Höllenstadt“, weil es einer der gefährlichsten Orte der USA war. So soll es im Los Angeles County pro Tag einen Mord gegeben haben und das bei einer Gesamtbevölkerung von 3.600 Einwohnern.
Der Ruf verschlechterte sich noch mit den chinesischen Massakern von 1871, als 20 Chinesen von einem wütenden weißen Mob getötet wurden. Ein rassistischer Hass auf die Chinesen war damals ein weitreichendes Phänomen in Kalifornien, wo es durch die pazifische Anbindung in jeder größeren Ansiedlung auch einige Asiaten gab, die häufig in ihren eigenen Vierteln lebten, wie ab den 1880er Jahren auch in Los Angeles. Das Chinatown befindet sich heute noch etwas nördlich der Innenstadt (für das es aber auch schon eine suburbanisierte Form gibt, das New Chinatown). Der größere Teil der Bevölkerung war über das landesweit Aufmerksamkeit erhaltene Massaker schockiert. Die kriminellen Machenschaften und die Rufschädigung wollte und konnte man nicht auf sich sitzen lassen und so gründete man Einrichtungen, wie das „Rebuild LA Committee“, welche sich für eine bessere urbane Zukunft von Stadt und Region einsetzten. Tatsächlich startete ab den 1880er Jahren ein Boom in Los Angeles. Noch 1880 war die Stadt auf Rang 187 im US-Zensus der größten Städte. Nur 40 Jahre später war es schon die größte Stadt im Westen des Landes. Wie konnte das passieren?

Anders als in San Francisco, in dessen Umgebung man Gold fand, waren schnelle Reichtümer aus der Erde hier nicht zu finden, sieht man von den begrenzten Erzvorkommen im Death Valley ab, das aber erstens weit entfernt war und zweitens bei weitem keine so große wirtschaftliche Strahlkraft hatte, wie das Gold und später das Silber das in San Francisco gehandelt wurde. Der schon angesprochene Niedergang der Vieh-Ranchs ab den 1860er Jahren, führte zu einer Umverteilung der Besitzverhältnisse, die für die weitere Entwicklung nicht unwichtig wurde. Neues Kapital kam aus San Francisco, wo die Besitzer der Silberbergwerke und der neuen transkontinentalen Eisenbahn erheblichen Reichtum angehäuft hatten und den nun ruinierten Weidelandbesitzer ihr Land abkauften. Es stand zur Debatte, was man mit den Landflächen am besten anstellen könnte. Es wurde Schafwirtschaft betrieben und später Weizen angebaut. Auch wenn man damit einige Zeit gute Profite einstrich, war dies keine Boomwirtschaft und die Gewinne waren überschaubar. Es musste sich also etwas ändern.
Die Voraussetzungen für den schnellen Aufstieg der Stadt lagen in der Eisenbahn und dem Bau einer zweiten kontinentalen Eisenbahnverbindung Kaliforniens von Los Angeles aus in Richtung New Orleans. Die Stadt sollte zu einem neuen Verkehrsknotenpunkt werden. Tatsächlich waren die ersten Jahre der Anbindung, keinesfalls als erfolgreich zu bezeichnen. Die lokale Landwirtschaft litt unter billig herangebrachten Produkten aus dem Osten. Die Eisenbahn sah sich in der Verantwortung, die Landwirtschaft in der Region zu stärken, wollte man weiterhin zahlreiche Güter von und nach Los Angeles transportieren und damit Geld machen. Der Anbau von Zitrusfrüchten war eine geeignete Lösung. Sie zog zahlreiche neue Investoren an, welche gleichzeitig den Wert des Landes steigerten. Mindestens ebenso wichtig war, dass man gleichzeitig ein angenehmes Image als mediterranes Paradies aufbauen konnte, wo die Früchte der Sonne wachsen. Daraus konnte wiederum der einsetzende Tourismus der Region gestärkt werden. Mit dem gestiegenen Interesse und sich verteuerndem Land, setze schließlich der Wirtschaftszweig ein, der den Boom in Los Angeles maßgeblich prägte, der Immobilienhandel. Innerhalb der Stadt, angefangen bei der lokalen Zeitung Los Angeles Times, über Banken und Landentwicklungsunternehmen, machten sich wirtschaftliche Akteure daran, ein Image der Stadt zu erschaffen, dass auf den Pfeilern: Sonnenschein und ewig gutes Wetter, keine lästigen Gewerkschaften (entsprechende Gesetze dazu wurden erlassen), sowie der Lebensweise traditioneller (konservativer) Werte abzielte. Das Wesen und die Arbeit der frühen franziskanischen Missionen wurde gepriesen und gefeiert, Südkalifornien und Los Angeles stellten das heile Traumland dar, in Zeiten der Massenverstädterung und des Elends der Arbeiterklasse, war hier eine gesunde Alternative am entstehen. Der Aufbau dieses Images war ein großes Zugpferd für die in Scharen kommenden sogenannten WASPs, weiße Protestanten angelsächsischer Herkunft, welche aus dem Mittleren Westen der USA immigrierten und sich hier ein besseres Leben erhofften.
Die Isolation Kaliforniens des am Rande liegenden Nirgendwo, wurde so allmählich aufgehoben und ersetzt durch das Bild eines reichen und gesunden Südkaliforniens, das noch heute ein Grundpfeiler der kalifornischen Identität ist. Mit Mike Davis, dessen Buch „The City of Quartz“ eine brillante Studie der Stadtgeschichte LAs ist, kann man erstaunt feststellen, dass Los Angeles tatsächlich damals schon eine Imagepflege betrieben hat, wie man sie in den letzten 30 Jahren nur von postindustriellen Städten kennt, die ein (neues) Bild von sich entwerfen müssen (weil die Industriestadt in Nordamerika und Europa ausgedieht hat). In LA tat man das in einer Zeit, als die Stadt noch gar keine Industrie hatte! Schnell wurden neue Städte und Siedlungen gebaut, die sich zu den drei bestehenden Städten Los Angeles, sowie San Buenaventura und San Bernadino zugesellten, wobei klar war das Los Angeles der Kern des neuen urbanen Gebietes war.
Die Landwirtschaft erlebte den erhofften großen Aufschwung und bis zur Jahrhundertwende entwickelte sich Südkalifornien zum ertragreichsten Gebiet der USA. Durch den nicht versiegenden Strom von neuen Siedlern, erhielt die Bodenspekulation auftrieb, ein Geschäftsfeld das von damals bis heute maßgeblich zum Aussehen und zur Ausbreitung des heutigen LAs beigetragen hat. Schon 1860 stellten übrigens Beobachter fest, in der Stadt gebe es eine höhere Dichte an Immobilienmaklern als irgendwo sonst auf der Welt.
Die konjunkturelle Schwächeperiode der 1890er Jahre zeigte die wirtschaftlichen Schwachpunkte der Region auf, die ganz auf Bauwirtschaft und Immobilien gegründet war. Konsequenterweise wurde in deren Folge ab 1900 verstärkt auf ein bisher nicht vorhandenes industrielles Wachstum gesetzt, dessen Beispiel der nordostamerikanische American Manufacturing Belt gab. Bis 1920 wandelte sich Los Angeles so, zur einer Industriestadt, wenngleich noch auf bescheidenem Niveau. Es etablierte sich die Ölindustrie, bedingt durch Ölfunde im Umland, die neu entstehende Filmindustrie, welche im klimatisch vorteilhaften LA perfekte Bedingungen antraf und die Flugzeugindustrie, die vor allem auf private Initiativen von Unternehmern wie der Loughead Brüder (Lockheed) und Donald Douglas entstand.

Von essentieller Wichtigkeit für den weiteren Aufstieg der Stadt war daher das Schaffen geeigneter Infrastruktur. Mit der Fertigstellung des Los Angeles Aqueducts 1913 und weiterer Trinkwasserverbindungen wurde die wachsenden Stadt mit notwendigem Trinkwasser versorgt. Der Ausbau des Hafens war eine weitere Notwendigkeit und so wurde 1907 der Port of Los Angeles eröffnet.
Zum Wachstum der Stadt gehörte das damals überragend dichte Nahverkehrsnetz der „Red Cars“, das eine intensive, aber nur kurze Geschichte hatte, denn keine andere Stadt der Welt erfuhr so zeitig eine massenhafte Automobilisierung wie Los Angeles, die wiederum zu einer kontinuierlichen Abschaffung der gerade erst eingerichteten Straßenbahnen führte, deren Zahl sich von 1924 bis 34 halbierte, während die großen Boulevards, Figeroua, Pico, Western, Olympic, Wilshire und Sunset breit ausgebaut wurden, um die neue Verkehrslast bewältigen zu können. Schon 1925 gab es in keiner anderen amerikanischen Großstadt so viele Autos wie in LA und die Stadt entwickelte sich von da an, zur weltweit massivsten Autofahrerstadt. 1924 zählte man 310.000 Autos, die täglich in die Stadt hineinfuhren und die Kreuzung Adams/Figueroa Street war mit fast 70.000 Fahrzeugen pro Tag, der verkehrsreichste Punkt der USA. Damals kam ein Auto bereits auf 1,6 Einwohner! Eine Rate auf welche die USA insgesamt erst in den 1950er Jahren kommen sollte. 1940 schließlich wurde der Arroyo Seco Parkway eröffnet, der erste Autobahnabschnitt, der Downtown und Pasadena verband und damit den ersten Teil des komplexen und ständig vollen Autobahngewirrs der Region darstellt (heute gibt es in Greater LA mehr Autos als in ganz Russland!).
Tatsächlich führte die Möglichkeit und die breite Nutzung des wachsenden Individualverkehrs zu einer Abwertung der Downtown innerhalb von Los Angeles. Wurden 1920 noch 90% des Einzelhandels hier durchgeführt, sank diese Rate bis 1950 auf lediglich 17%. Die Autostadt LA ist damit fast schon genetisch mit der Suburbanisierung und ihrer ständig weiteren Dezentralisierung verbunden. Mit dem Bedeutungsverlust der Downtown folgte der Aufstieg der Westside, die sich als Zentrum einer neuen städtischen Elite der Filmwirtschaft etablierte.

Die Migrationströme die sich sich in Los Angeles ansiedelten bekamen im Laufe der Jahre neue Quellen. Mexikanier, aber auch Japaner und Süd- bzw. Osteuropäer immigrierten in die bis dato fast ausschließlich von WASP dominierte Stadt (Indianer spielten schon lange keine Rolle mehr). Los Angeles entwickelte sich zu einem multi-ethnischen Schmelztiegel an der Westküste, der aber mit scharfen ethnischen Separierungen einherging. Tatsächlich waren diese Separierungen ein Ergebnis der Immobilienindustrie. Es waren insbesondere weiße Hausbesitzer, die sich in eigenen „Communities“ versammelten, die darauf bedacht waren, dass der Preis für Grund und Boden wertvoll blieb, was augenschienlich heißen musste, dass nur andere Weiße als geeignete Nachbarn akzeptiert waren. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildeten sich Eigentümergemeinschaften, denen nicht nur darum ging Verbesserungen in und für die Nachbarschaft zu erzielen, sondern vor allem auch darum Nicht-Weiße oder Latinos aus ihrem Gebiet herauszuhalten.
Durch die schon erwähnte Dezentralisierung LAs wurde aus dem Wachstum der Stadt, dass Wachstum des Umlands von Los Angeles, wo schon in den ersten zwei Dekaden des 20.Jahrhunderts 40 neue Städte gegründet wurden, die sich polyzentrisch um die Stadt verteilten. Damals war dies noch zum Großteil dem Auffinden von Ölvorkommen geschuldet. Das Ergebnis das schon in jener Zeit zu Tage trat, lässt sich in den Worten von Edward W.Soja und Allen J. Scott folgendermaßen beschreiben: „Die Ölraffinerie, das Automobil, der Flughafen, das Filmstudio, die Gemeinden an den Stränden und in den Bergen, die Arbeitersiedlungen der Immigranten, das Industriegebiet und der Allzwecktourismus – sie alle spannten die Stadt gleichsam auf und ließen damit eine umfassende Pluralität urbaner Orte und Erfahrungen entstehen“ (aus: Schwentker; S. 288).
Die Stadt Los Angeles gemeindete ab den 1920er Jahren zahlreiche umliegende Gebiete (wie bspw. Venice oder Watts) ein und erhielt so ihre heutige Form. Einige Gemeinden konnten sich jedoch ihre Eigenständigkeit erhalten, so wie Beverly Hills und Santa Monica, was den etwas eigenwilligen Grundriss der Kernstadt in der heute riesig ausfransenden urbanen Agglomeration Los Angeles ausmacht. Den flächenmäßig größten Zuwachs machte die Stadt aber schon 1915, als es das San Fernando Valley kaufte und damit ihre Größe verdoppeln konnte. Zum Zeitpunkt des Kaufs noch ein übersichtliches Gebiet mit Farmen, wurde das Tal besonders nach dem 2. Weltkrieg zu einem der zentralen Baustellen des neuen „LA suburbia“ mit ihren typischen Einfamilienhäusern, kleinem Garten und Pool, breiten Boulevards und Einkaufszentren.
Der Wachstumsboom setzte aber bereits in den 1920er Jahren ein, als außergewöhnlicher Bevölkerungsschub Los Angeles erfasste. Die Bevölkerung des LA Countys verdoppelte sich von einer auf zwei Millionen Menschen in dieser Dekade, in welcher Los Angeles 1928 zum ersten Mal Ausrichter von Olympischen Spielen wurde. Auch wenn die Große Depression ab 1929 den Zuzug milderte, verschwand er in den 1930er Jahren nicht. Bis 1940 wurde bereits der komplette Südwesten des LA Countys (das LA County hat eine Größe von 12.308 km², das entspricht fast 80% des Landes Schleswig-Holsteins) besiedelt. Insbesondere Industriearbeiter zogen in die Region, in welchem der sekundäre Wirtschaftssektor das gleiche Wachstum erreichte, wie das in jenen Jahren noch expandierende Detroit. 1935 war Los Angeles die fünftgrößte Industrieregion in der USA, ein Fakt, den man mit der Stadt bis heute eigentlich gar nicht verbindet. Neben den Produzenten der Träume in Hollywood (deren tatsächliches Arbeitskraftpotential nicht zu überschätzen ist), der Ölindustrie und dem Flugzeugbau waren ebenfalls die Zulieferindustrie für Fahrzeuge, der Reifenbau, die Möbelherstellung und die Kleidungsindustrie große hier ansässige Branchen. Die neuen und zumeist billigen Industriearbeitsplätze wurden zum Teil auch von der „dust bowl“ Migrationen besetzt, den sogenannten Okies, welche aber hauptsächlich ins Great Valley zogen, oder aber von ausländischen Immigranten und schwarzen Amerikanern.
Der 2. Weltkrieg und die einsetzende Kriegsproduktion führten zu einem erneuten kräftigen Wachstum. Man kann davon sprechen das Los Angeles eine ganz eigene Form des Keynesianismus bekam, denn staatliche Militärausgaben wurden im großen Maße in Südkalifornien investiert (und somit die Region quasi vom Bundesstaat subventioniert). Militärbasen und die Luftfahrtindustrie entwickelten sich zu blühenden Wirtschaftszweigen, die noch bis weit nach dem 2. Weltkrieg die Wirtschaft ankurbelten und in deren Nachgang zum Aufstieg der Raumfahrtindustrie führte. Dieser neue industrielle Schub beflügelte natürlich auch den weiteren Ausbau der Stadt und damit auch das Kerngewerbe der Stadt, den Immobilienboom.
Bis 1970 wuchs nicht nur das Los Angeles County von drei auf sieben Millionen Einwohnern an, sondern auch die schon darüber hinausgewachsene Agglomeration von Vorstädten breitete sich auf andere benachbarte Countys aus. Insbesondere das südlich gelegene Orange-County verzehnfachte seine Einwohnerzahl in diesen drei Dekaden auf 1,4 Millionen Einwohner. Los Angeles erlebte eine Suburbansierung, daher eine sich in der Fläche ausbreitende Verstädterung die das städtische Kerngebiet räumlich weit hinter sich lässt, wie sie in dieser Form niemals vorher auftauchte. Der Häuserbau ging quasi durch die Decke (wobei man dies eher horizontal sehen müsste). Allein im San Fernando Valley entstanden 1947 über 10.000 neue Wohnhäuser. Hier machte sich der Unternehmer Henry J. Kaiser einen Namen und ein Vermögen, als er preiswerte Fertighäuser vielen, von staatlichen Programmen begünstigten, Kriegsveteranen verkaufen konnte. Das 1950 begonnene Lakewood, östlich von Long Beach war eine nur innerhalb von drei Jahren entstandene Mustersiedlung der Suburbanisierung auf der 17.500 Häuser für 57.000 neue Einwohner entstanden.

Los Angeles schien die Träume aller Immobilien-Käuferschichten erfüllen zu können, ausgenommen vielleicht man gehörte einer der großen Minderheiten an, wie den Mexikanern oder Schwarzen. Diese lebten zunehmend abgekapselt in ihren eigenen Vierteln, wie beispielsweise in East Los Angeles, in dem noch heute 87% der 124.000 Einwohner sich zur ethnischen Gruppe der Latinos zählen (ein interessanter Fakt ist, das East LA eine unincorporated area ist, also ein gemeindefreies Gebiet, dass sich nicht selbst verwalten darf). Wie schon erwähnt, war es nicht einfach möglich für Minderheiten sich in rein Weißen Gebieten anzusiedeln, da diese Mittel und Methoden (auch die Zuhilfenahme des Ku Klux Klans) wählten, um möglichst die Reinheit (in rassischer Sichtweise) und damit die finanzielle Attraktivität ihres Viertels zu bewahren.
Diese Spannungen bleiben nicht ohne Konflikte. Schon 1943 kam es zu den Zoot Suit Unruhen, zwischen in LA stationierten Soldaten und zumeist mexikanisch-stämmigen Jugendlichen. Seit der Zeit des 2.Weltkriegs zogen in einem bisher in dieser Größenordnungen nicht gekannten Ausmaß schwarze Amerikaner nach Los Angeles, da sie hier, beispielsweise in der Luft- und Verteidigungsindustrie, nicht von Rassendiskriminierung betroffen waren. Rund 600.000 Afro-Amerikaner siedelten sich in der Wachstumsmaschine Los Angeles an, wo es für die nicht-Weißen Neuankömmlinge jedoch räumlich immer weniger Platz gab. Sie zogen meistens nach South Central LA, wo viele weiße Siedler daraufhin ihre Wohnquartiere aufgaben und in die gerade nach dem 2.Weltkrieg wie Pilze aus den Boden schießenden Vororten umzusiedeln.
Die Gestaltung der Stadt obliegt somit zunehmend den Besitzern von Wohneinheiten (aber keinesfalls den wenngleich nicht zahlreichen Mietern), welche für die Verbreitung des sich ausufernden Großraums LA verantwortlich sind. Die immer weiter in die Fläche hinauswachsende Stadt wird zu dem Markenzeichen des Großraums Los Angeles. Den neuen Hausbesitzern wird administrativ dazu der Weg geebnet, indem neue Vorort-Ansiedlungen steuerlich besser gestellt wurden, als größere städtische Verwaltungseinheiten. Das führte wiederum zu einem weiteren Entstehen und Auswachsen neuer Siedlungen im Großraum Los Angeles, während die Kernstadt potentiell kräftige Steuerzahler an diese neuen, sogenannten „minimal cities“ im Umland verlor und gleichzeitig mit finanziell schwächeren Gruppen bzw. niedrigeren Steuerzahlern zurückblieb. Ein weiterer Effekt dieser Entwicklung war die Manifestierung einer Ideologie des Anti-Bürokratismus und des Anti-Wohlfahrtstaates, die besonders von den Wohneigentumsgemeinschaften getragen wurde, denen es um die Maximierung der lokalen Vorteile ging. Dies trieb letztendlich auch die Segmentierung der urbanen Landschaft voran und ließ eine Bevölkerung in der Kernstadt zurück, die allerdings wiederum immer stärker auf öffentliche Funktionen angewiesen war.
Ein weiterer Faktor für die Zersiedlung der Stadtregion war die zunehmende Bedeutung der Hochtechnologie, wie der Elektrotechnik, die sich geografisch vom zentralen Industriekern der Stadt entfernte und sich beispielsweise im Orange County ansiedelte, wo wiederum zumeist Weiße Arbeitskräfte wohnten. Diese Trennung der Ethnien wurde (und ist) für Los Angeles zu einem Dauerproblem. Ein weiteres Beispiel lässt sich 1965 bei den Watts Rebellion aufzeigen, den bis dato gewalttätigsten städtischen Aufruhr in der US-Geschichte mit 34 Toten und über 1.000 Verletzten in sechs Tagen Ausnahmezustand.
Der Boom der Region LA schwächte sich in den 1970er Jahren etwas ab. Weitere Zuwächse gab es nun weniger in der Stadt Los Angeles oder im County, als mehr in den benachbarten Countys, weshalb Soja und Scott vom Übergang „einer Phase der großflächigen Suburbanisierung der Stadt zu einer Periode der breit angelegten Suburbanisierung der gesamten Region“ (S. 294) sprechen. Gelegentlich wird dieser Prozess als „Posturbanisierung“ bezeichnet. Was auch immer man für einen Begriffe gebraucht, einzigartig an der Entwicklung von Los Angeles ist nicht der Fakt, dass der Großraum sich zu einer Megacity entwickelte, sondern das dieses massive Wachstum auch nach 1960 nicht verschwand. Los Angeles wurde zur letzten boomenden Mega-City der voll industrialisierten Welt der USA oder Europas, wo städtische Großräume nur noch langsam weiter wuchsen oder sogar wieder abnahmen (freilich im Gegensatz zu den neuen Boomstädten in Asien oder Lateinamerika, die von da an erst zu boomen begannen und in Anzahl und Einwohnerzahl der 1.Welt heute den Rang abgelaufen haben).
In der Innenstadt, der Downtown von Los Angeles, kam es ab den 1970er Jahren zu einer Neugestaltung, im bis dahin nicht wirklich als Kern der Stadt empfunden Bereich. Neue ökonomische Branchen wie Versicherungen oder die Finanzwirtschaft investierten in einem Hochhausboom in Downtown. Die Stadt bekam in wenigen Jahrzehnten die größte und höchste Skyline der Westküste. Parallel dazu entstand an der Westside, dem alternativen Stadtzentrum ein weiterer Verdichtungsraum aus Hochhäusern, die Century City (das auf dem ehemaligen Außenstudiogelände der 20 Century Fox Filmstudios gebaut wurde). Die 1980er Jahre, in welchem die Stadt ein zweites Mal die Olympischen Sommerspiele ausrichten durfte (allerdings bewarb sich für die Spiele seinerzeit auch niemand anderes, weil es ein sehr unsicheres finanzielles Unterfangen war, weshalb man bei den Spiele von 1984 erstmals massiv auf eine Kommerzialisierung des Ereignisses abzielte), waren geprägt von einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung, obwohl Jobs in der Industrie im Niedergang waren. Es verstärkte sich der Trend der Separierung zwischen einem gut bezahlten und hochqualifizierten Arbeitsmarkt und der rasant anwachsenden Gruppe von Niedriglohnjobs. In diesen fanden sich Mexikaner wieder, insbesondere sogenannte „Illegale“, daher Menschen, die ohne gültige Papiere eingewandert sind. Der wirklich lesenswerte Roman „America“ von T.C. Boyle erzählt recht eindrucksvoll vom Leben in LA in den 1990er Jahren und der Frage der illegalen Einwanderung und Migration. Zweifellos ist die Migrationswelle in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch vielfältiger geworden, als je zuvor und macht Los Angeles heute zu einer, wenn nicht der, ethnisch vielfältigsten Metropolen der Welt. Waren 1970 noch 70% der Einwohner angelsächsischer Herkunft, so waren es 1990 bereits 60% nicht-angelsächsischer Herkunft. Dabei spielt gleichfalls die Zuwanderung aus Asien eine Rolle, die rund 10% der Einwohner im LA County stellen, während in den letzten Jahrzehnten aber eine Re-Latinisierung (es darf nicht vergessen werden, dass die ersten Einwohner der Stadt bekanntlich Spanier und dann Mexikaner waren) maßgeblich für die Veränderung von Los Angeles ist, mit einem gewaltigen Anteil an neuen Einwohnern aus Mexiko und weiteren Ländern Lateinamerikas.
Das Bild der Stadt in den letzten dreißig Jahren ist jedoch nicht wirklich immer ein Glanzvolles gewesen. Der immer noch zunehmenden Autoverkehr führte schon seit den 1970er Jahren zu Problemen mit Smog, neben dem fast endlosen Staus der Stadt (in keiner Stadt der Welt steht man häufiger als in LA). Deshalb investiert man seit den 1990er Jahren wieder verstärkt in den schienenbezogenen Nahverkehr mit dem Bau eines neuen Stadt- bzw. U-Bahnsystems. Obwohl dabei viele Milliarden Dollar investiert wurden, ist der Erfolg überschaubar. Zum einen liegt dies daran, dass ein Untergrundbahnsystem in einem Erdbeben gefährdeten Gebiet äußerst kostenintensiv ist, zum anderen aber auch an der starken Zersiedlung des Stadtgebiets und dem damit verbundenen Umstand das nicht nur lange Distanzen zurückgelegt bzw. gebaut werden müssen, sondern auch das Haltestellen zu Fuß in einer ausgetretenen Siedlungsstruktur einen geringeren Einzugsbereich haben.
Gleichfalls sind es soziale Konflikte, die in Los Angeles immer wieder hochkochen, wie bei den Unruhen von 1992. Auslöser, dieser wiederum größten Rassenunruhen in der Geschichte der USA, war der Freispruch von vier (weißen) Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King auf offener Straße misshandelten und dabei gefilmt wurden. Nach dem als skandalös empfundenen Urteil kam es vom 29.April bis zum 2.Mai zu solch gewalttätigen Ausschreitungen, dass 53 Menschen dabei starben und weit über 2.000 verletzt wurden.
Ein weiteres Problemfeld der Stadt ist die hohe Bandenkriminalität, die einige Stadtteile – insbesondere nachts – zu einer wenig empfehlenswerten Destination machen. So ist zum Beispiel die Mordrate in Compton sechsmal höher, als die des Bundesdurchschnitts der USA (die bekannterweise auch nicht die niedrigste der Welt ist).
Trotzdem etabliert sich Los Angeles im 21. Jahrhundert als Wirtschafts- und Kulturstandort nicht nur der Westküste der USA, sondern im verstärkten Maße auch im pazifischen Maßstab. Während Disneyland oder die Filmstudios immer noch die großen Magneten für Besucher sind, etablieren sich Museen und Galerien, nicht nur in der Westside, sondern auch in Downtown. Auch wenn die Stadt versucht sich herauszuputzen, so wie bei der Walt Disney Concert Hall, bleibt Los Angeles keine wirklich schöne Stadt, aber der kurze Blick in die Geschichte hat gezeigt, dass sie eine wahrlich spannende City ist und wohl auch bleiben wird.

Empfohlene Literatur:

Davis, Mike „City of Quartz“; 1992

Edward W.Soja und Allen J. Scott „Los Angeles 1870 – 1990“, in: Wolfgang Schwentker (Hrsg.) „Megastädte im 20. Jahrhundert“; 2006