Die Entwicklung von Hochhäusern am Beispiel von New York City

Schon seit den 1870er Jahren startet eine Entwicklung, die noch heute New York City prägt und die Stadt weltweit bekannt machte, es ist  der Bau von Hochhäusern. Der Trend immer weiter in die Höhe zu bauen wurde, als eine Variante für Gebäude die Menschen auch vertikal nutzen können (im Gegensatz zu Kirchtürmen beispielsweise), erst mit dem schnellen und sicheren Transport von Aufzügen möglich. 1859 stellte Elisha Otis seinen Sicherheitsaufzug vor und legte damit einen Grundstein für den zügigen vertikalen Transport von Personen innerhalb eines Hauses. Die Entwicklung des Hochhausbaues startete aber nicht in New York, sondern in Chicago. Dort wurde bei einem Brand im Jahre 1871 die Innenstadt zerstört. Damals war „the windy city“, wie die Stadt in Illinois auch genannt wird, der am meisten boomende Ort der ganzen USA. Schnell wurden neue Häuser gebaut, welche aber mehr Platz bieten sollten. Logischerweise musste man dann auf dem begrenzten Raum nach oben bauen.
Die ersten Hochhäuser waren noch in Massivbauweise errichte Gebäude, welche aber den Nachteil hatten, nur eine bestimmte Höhe erreichen zu können, ohne das Gebäude nach unten hin, extrem zu verbreitern. Die Nutzfläche von massiven Hochhäusern war in den unteren Etagen sehr gering, da große Flächen für die Traglast vorgesehen werden mussten.  Eine spektakuläre Erfindung, welche den Hochhausbau revolutionierte, war das Stahlskelettgebäude. Diese Bauweise wurde von der „Chicago School“ erdacht und vertreten, einer Architektengruppe zu der neben William Le Baron Jenny auch Louis Sullivan gehörte, der mit dem „Wainwright Building“ in St. Louis  eines der bedeutendsten, heute noch erhaltenen Gebäude dieser neuen Bauweise lieferte. Der Legende nach soll einer der Architekten, auf die Idee des Stahlskelettbaus gekommen sein, als er sah, wie auf dem Käfig seines Vogels ein schweres Buch gelegt wurde. Der Käfig konnte durch sein Gitternetz das Buch bequem tragen. Nach dieser Grundidee, werden auch heute noch hohe Gebäude erstellt, denn die Stahlskelettbauweise ermöglicht es Ebene auf Ebene (oder Vogelkäfig auf Vogelkäfig) zu stellen und trotzdem eine leichte und stabile Architektur vorzufinden. So konnten nun neue Hochhäuser gebaut werden, die bei höherer Stabilität einen geringeren Platz benötigten.
In ihrer Ausformung unterscheiden sich die ersten Hochhäuser von Chicago und New York. Folgten die Bauwerke in Illinois mehr einer einheitlichen klaren Linie mit einem Flachdach, so war in New York ein größerer Stilmix zu beobachten. Zumeist waren die Häuser mit historischem Anlehnen verziert, mit einem Auge nach Europa schielend. Um die Jahrhundertwende setzten sich Stahlskelettkonstruktionen immer mehr durch, die Verfahren zur Bearbeitung des Materials verbesserten sich ständig und die Bedenken nahmen ab. Die Architekten der Chicago School entwickelten auch die Technik, oder den Stil der „Curtain Wall“. Damit wurde die Fassade als tragendes Element abgelöst und diente nur noch als Begrenzung von Innen nach Außen, oder anders gesagt: zum Schutz vor schlechten Wetter. Erst mit einer Änderung der Bauordnung im Jahre 1892 konnten die Curtain Walls auch in New York gebaut werden (als einziges Beispiel eines Gebäudes von Louis Sullivan in NYC ist heute das „Condict Building“ erhalten, es wurde mit einer Terrakotta Vorhangfassade ausgestaltet).

Mit der Beschränkung der Höhe der Gebäude in Chicago auf 40m zog New York am Konkurrenten aus dem Mittleren Westen schnell vorbei, zumindest was den Wettstreit um die höchsten Gebäude der Welt betraf. Dabei waren die Hochhäuser an der Ostküste nicht nur höher, sondern sie offenbarten auch spektakulärere Formen, wie das 1902 entstehende „Flatrion Building“. Zusammen mit dem „Singer“ und dem „Woolworth Building“ bildeten diese Wolkenkratzer die Vorreiter für reichverzierte Himmelsstürmer.

Die Wolkenkratzer erreichen immer größere Höhen, schon seit Ende des 19. Jahrhunderts herrschte ein Bauboom, der skurrile Formen annahm. Manchmal wurden Hochhäuser schon nach wenigen Jahren weggerissen, um für noch größere Bauwerke Platz zu schaffen. 1908 entstand das „Singer Building“, dass mit 186m das höchste Haus der Welt war. Schon ein Jahr später wurde es deutlich vom „Metropolitan Life Tower“ mit 213m übertrumpft. Der Wettkampf schien kein Ende zu finden, denn 1913 wurde das neogotische „Woolworth Building“ mit 241m das neue höchste Haus der Welt. Diesen Status konnte es über einige Jahre verteidigen, auch deshalb weil der 1. Weltkrieg ausbrach. Zwar bekam man das in New York nur mit, weil in der Stadt der größte Marineumschlagplatz der Navy war, aber die einsetzende Weltwirtschaftskrise machte auch den Bauboom zunichte.

Die Bauentwicklung in New York wurde aber nicht nur von wirtschaftlichen Faktoren und technologischen Entwicklungen geleitet, sondern ebenfalls von administrativen Regularien, so wie ein neues Baugesetz der Stadt, das sogenannte „Zoning Law“ von 1916. Anlass dafür war das „Equitable Life Building“, ein 38 stöckiger Klotz der schnurrgerade am Rand des Broadways nach oben aufsteigt. Das Gebäude warf einen so starken Schatten, das sich zahlreiche Anwohner darüber beschwerten.  Mit dem „Equitable Life Building“,  wurde ein Trend fortgesetzt, der damals schon seit einigen Jahren anhielt. Nämlich die Gebäude immer breiter zu bauen, um den vorhandenen Platz innerhalb der Fassade zu maximieren. Das „Equitable Biulding“ nutze die ganze Breite eines Blocks aus, bei einer Höhe von 164m, was seine Nachbarn in weniger hohen Höhen in „ewige Dunkelheit“ hüllte. Die neue Verordnung regelte daher die Bebauung von neuen Grundstücken. Eine zentrale Regel besagte, dass wenn ein Gebäude mehr als 25% der Grundstücksfläche (bzw. der Blockbreite) einnimmt, es sich nach oben hin verjüngen muss, um der Straße etwas mehr Sonnenlicht zu geben. Mit dieser Reglung konnten die typischen Wolkenkratzer entstehen, welche wie Hochzeitstorten zu ihrer Spitze hin immer schmaler werden, ohne das dabei jedoch eine Höhenbeschränkung beachtet werden musste. Durch den Zoning Code wurden auch sogenannte „Air Rights“ festgelegt. Dabei handelt es sich um die Verlängerung der Bodenrechte von Grundstücken in die Höhe. Ab den 1920er Jahren begann ein intensiver Handel mit den „Air Rights“.

Die Goldenen Zwanziger und die steigende Weltwirtschaft führten zu einem neuen Bauboom. Die neuen Hochhäuser zeigten sich zumeist als elegante und wohl proportionierte Himmelsstürmer, welche fast alle mit einer Spitze versehen wurden. Spätestens in der zweiten Hälfte der 20er Jahre wurden die neuen Häuser so geplant, dass sie neue Höhenrekorde brechen würden. Noch vor der schlagartig einsetzenden Depression wurden zahlreiche neue Gebäudetürme begonnen, welche aber alle erst nach dem 24. Oktober 1929 fertig gestellt wurden (dem „schwarzen Donnerstag“ mit dramatischen Kurseinbrüchen, der zur Weltwirtschaftskrise führte, mit einem Tag Verzögerung kam es dann in Europa zum „schwarzen Freitag“). 1930 wurde das 282m hohe „40 Wall Street“ Gebäude eröffnet, dass das „Woolworth“ als höchstes Haus der Welt ablöste. Nur wenige Wochen später erreichte das „Chrysler Building“ 319m und es entstand erstmals ein Haus, welches höher als der Eiffelturm war.

Das „Chrysler Building“ war und ist ein Mustergebäude des „Art Deco“, eines Baustils, der zur damaligen Zeit fast alle Hochhausbauten in New York formte. Dieser Stil etablierte sich seit der 1925 in Paris durchgeführten Ausstellung „Exposition Internationale des Arts Dècoratifs et Industriels Modernes“. Art Deco kann dabei als „verzierende Künste“ übersetzt werden. Außerhalb der Architektur konnte sich diese Bewegung ebenso in Kleidermode, Gebrauchsgegenständen oder Möbeln manifestieren. Allerdings fehlt es dem Stil an einem einheitlichen Merkmal. Am besten deutlich in der Architektur wird Art Deco durch seine Verwendung von stilisierten und flächigen Darstellungen und einem Hang zum Ornamentalen.

Schon rund ein Jahr später überragte das „Empire State Building“ mit 381m alles andere, nicht nur in New York sondern weltweit. In der Mitte der 1930er Jahre wurde New York zu einem der außergewöhnlichsten Orte der Welt. 18 der 20 höchsten Gebäude unseres Planeten standen in der Stadt am Hudson River.  Andere Projekte fielen jedoch der Wirtschaftskrise zum Opfer. Bestes Beispiel dafür ist das „Metropolitan Life North Building“. Es sollte eine ähnliche Höhe wie das „Empire State“ erreichen. Doch die wirtschaftliche Depression führte zum Baustopp, das Gebäude wurde nach dem 28. Stock nicht weitergebaut und wurde dann für die namensgebende Versicherung zum Lagerhaus von Akten benutzte.

Nur ein einziges Vorhaben trotzte damals der Krise. Es war das „Rockefeller Center“, einer Hochhausstadt, in der Stadt der Wolkenkratzer. Das Mammutprojekt brachte hunderttausenden Menschen Arbeit, in einer Zeit von 25% Arbeitslosigkeit. Die Arbeiter ließen einen riesigen Büro- und Unterhaltungskomplex entstehen, mit eigener Straße, Platz, Hochhäusern. Im Areal entstand auch die Radio Music Hall, die bis heute größte Konzerthalle der Welt.

Auch der „Art Deco“ Stil wurde mit dem Bau des Rockefeller Centers zurückgedrängt. Die europäische Moderne hielt Einzug in der Architektur der Hochhäuser. Diese neue künstlerische Bewegung erhielt einen ersten Schub in Amerika, durch eine 1932 im „Museum of Modern Art“ durchgeführte Architektur-Ausstellung. Der Ausstellungskatalog trug den Namen „The International Style“ und bezeichnete damit den Stil der vom Bauhaus geprägten Moderne. So wurde der Internationale Stil geboren, wobei er noch einige Jahre benötigte ehe er vollkommen durchsetzte.

1940 wurde der Bau am „Rockefeller Center“ beendet und mit ihm endete ebenso endgültig der Boom von Hochhausbauten, auch hier nicht nur in New York sondern global. Der 2. Weltkrieg war im vollen Gange und sollte erst 5 Jahre später, nach Hiroshima und Nagasaki beendet sein. Die Zeit des „Art Deco“ mit seinen kostspieligen und ausufernden Ornamenten und seinem handwerklichen Bedarf war vorbei. Gebäude wurden mehr und mehr industriell erschaffen, was einen immer höheren Grad der Standardisierung von Bauprozessen und Formen beinhaltete. Bald entstand die „Glass box“ und schien schon kurz darauf das einzig legitime Mittel zu sein, neue Wolkenkratzer zu bauen. Dabei wurde das Prinzip des „Curtain Wall“, oder zu Deutsch: Vorhangfassade perfektioniert. Die Außenwände setzten sich aus zwei elementaren Komponenten zusammen, einem Stahlrahmen und einer Glasfront zumeist in Form von Fenstern. Glanzvolle Bauten wie das „Gebäude der Vereinten Nationen“, das „Lever House“ oder das „Seagram Building“ waren die Vorbilder dieser Entwicklung. Insbesondere das „Seagram Building“ kann als Höhepunkt des „International Style“ angesehen werden. Dieses von Mies van der Rohe und Philip Johnson erbaute „nur“ 157m hohe Gebäude, ließ keine wirkliche Steigerung dieses Baustils mehr zu, alles danach war größtenteils Imitation, die bald auch ihre Kritiker fand; zu monoton, gleichförmig und kalt wurden die wie Pilze aus dem Boden schießenden Glas-Gebäude empfunden. Doch das „Seagram Building“ war noch aus einem anderen Grund historisch außerordentlich wichtig. Anders als seine Vorgängerbauten, wurde das Haus 27m von der Straße aus, in das Grundstück eingerückt und gab damit Raum für einen öffentlichen Vorplatz. Diese Idee kam bei der Administration von New York so gut an, dass sie das 1916 beschlossene Baugesetz veränderten. Halböffentliche Plätze sollten auf Teilen der Grundstücke vor den Bürotürmen angelegt werden können. Das neue Gesetz von 1961 ermöglichte nun Bauherren, die Dichte ihrer Bebauung zu erhöhen, wenn sie dafür auf ihrem Baugrund öffentliche Plazas errichteten.

Immer neue technische Verfahren wurden im Laufe der 1960er und 70er Jahre entwickelt und bei Hochhausbauten angewendet. Die einfache und kalte viereckige Glassbox wurde erweitert und variiert. So legte Eero Saarinen mit seinem „CBS Building“ wieder großen Wert auf horizontale Orientierung. Es kann dabei aber kein wirklicher Bruch bei den Architekturstilen festgestellt werden, vielmehr wird daher von der Spätmoderne gesprochen. Ein weiteres Beispiel dafür ist das“ Citigroup Building“ mit seinem abgestuften Dach. Der im wahrsten Sinne überragende Vertreter der Hochhäuser dieser Zeit war das „World Trade Center“. Mit seinen beiden „Twin Towers“ stellte es für ein Jahr die höchsten Gebäude der Welt (überholt vom „Sears Tower“, heute „Willis Tower“ in Chicago).  Mit den riesigen Erdmassen, die für das Fundament der zahlreichen Gebäude entstanden, wurde später der Battery Park angelegt, der dem Hudson River entrissen wurde.

Auch der architektonische Übergang zur Postmoderne ist eher fließend. Ein größer werdender Mix von Gebäudeformen tritt im Laufe der 1970er Jahre zu Tage. Kein stilistisches Element hatte mehr absolute Priorität und so etablierten sich wiederum Steinfassaden, welche größere Möglichkeiten von Farbgebung und Formung eines Hauses brachten. Ein weltweites Wahrzeichen dieser Form des Bauens stellt das „AT&T Building“ von Philip Johnson dar.

Heute stellt New York wohl immer noch eine der beeindrucktesten Skylines der Welt, wenngleich die neuen Rekordhalter der Höhe in Asien zu Hause sind. Aber die Stadt erlebte und erlebt einen neuen Bauboom. Auch wenn dieser nicht mehr Rekordhöhen erreicht, ist die Stadt die niemals schläft weiterhin eine der, wenn nicht sogar die Hochhausstadt der Erde. Und auch in New York geht der Trend zu ökologisch orientierten Bauwerken nicht vorbei und so entstehen heute immer mehr „bioclymatic skyscraper“, welche Versuchen, die nicht immer sehr positiven Ökobilanzen der Wolkenkratzer zumindest zu verbessern.