Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden
Ich erinnere mich noch als Olympique Marseille 1993 die Champions League gewann. Nicht das ich das Spiel gesehen hätte, aber ich weiß noch was ich an jenem lauen Frühsommerabend machte. Ich war auf dem Universitätssportplatz und versuchte ein Mädchen zu beeindrucken, mit meinen Fußballkünsten. Ein ziemlich dämliches Unterfangen, denn Mädchen kann man fast nie mit Fußball beeindrucken und erschwerend kommt hinzu, dass ich auch des Spiels viel zu wenig mächtig war (und bin), um auch nur irgendjemand damit zu beeindrucken. Aber ich war noch jung und diese Erfahrung war vielleicht nützlich für mich. Als ich dann später nach Hause kam, erfuhr ich das Marseille den Cup gewonnen hatte und ich glaube ich war ganz zufrieden damit (ich glaube ich war auch mit dem Abend mit dem Mädchen zufrieden, kann das aber nicht mehr genau sagen, es war wohl eine gesunde Portion Selbstverblendung im Spiel).
Der Sportplatz auf dem ich an jenem Abend weilte, war nicht mehr lange ein Solcher, denn nur wenig später gab es Pläne, auf ihm ein neues Gebäude zu errichten. Ein sehr guter Freund berichtete mir von diesem „Schandplan“ und prangerte dabei gleichzeitig die Zerstörung wertvoller Grünflächen an. Ein Argument dem ich mich nur schwer entziehen konnte. Dabei fiel mir wehmütig der Abend von 1993 ein und so wollte auch ich nicht wirklich ein neues Gebäude auf diesem Platz sehen.
Als ich dann 1998 anfing, an der Technischen Universität in Dresden zu studieren, war aus dem Vorhaben ein Projekt geworden. Noch zu meiner Grundstudiumszeit war der Sportplatz zu einer Baustelle umgewandelt, mittlerweile wusste ich auch um die Funktion des neu zu errichteten Bauwerks. Es sollte ein Bibliotheksbau werden, der fast alle quer auf dem Unigelände verteilten Bibliotheken vereinen sollte, ja gar noch mehr, was den Namen Landes- und Universitätsbibliothek erklärt. Eine nicht unpraktische Sache, wie ich damals fand.
Als 2002 der Bau für die Studenten eröffnet wurde, kam er mir von außen ungewöhnlich und versteckt vor, hinter einem recht hohen grünen Wall und ich hatte Mühe den klotzartigen und kühl wirkenden Bau, in mein Herz zu schließen. Doch Innen beeindruckte mich die SLUB sofort, weitläufige Gänge auf denen viel Platz war, eine wirklich wunderbare Auswahl an Büchern, vieler Disziplinen und ein riesiger Lesesaal, der mit natürlichem Licht gespeist wurde. Die Zeit meines Hauptstudiums sollte ich häufiger mal in der Bibliothek verbringen.
Heute besuche ich immer noch regelmäßig die SLUB, zumeist um mir Bücher über Architektur auszuleihen, wie auch jenes das gerade vor mir liegt und das unter dem Titel „Neue Architektur in Deutschland“ auch das Dresdner Bibliotheksgebäude wohlwollend beschreibt. Anders als auf der Homepage der SLUB (die nicht einen Satz zur architektonischen Bedeutung des Bauwerks verliert), scheint das Gebäude des Architekturbüros „Ortner & Ortner Baukunst“ durchaus Beachtung gefunden zu haben (wie auch in der Ausstellung Neue Deutsche Architektur). Die beiden Kuben mit ihren rechteckigen Fensterschlitzen und der mosaikartigen Fassade aus Travertin lassen das Bauwerk, wie zwei große Bücherregale aussehen. Mittig zwischen den beiden Steinquadern befindet sich eine bündig in die begrünte Oberfläche eingelassene Glasfläche, die das Oberlicht des großen Lesesaals bildet. Dadurch sind die für die Öffentlichkeit zu benutzenden Räume auf Erdgeschoß bzw. Kellergeschoss (zwei an der Zahl) Niveau, was das Gefühl des Bunkers zumindest bei einigen meiner Kommilitonen evozierte. Im oberirdischen Bereich des Nordkubus befindet sich neben einer Cafeteria und Veranstaltungssälen noch ein Buchmuseum. Das südliche Gebäude beherbergt vorwiegend die Verwaltung. Zwischen beiden Gebäuden ist zumeist eine recht ruhige Atmosphäre zu genießen (immer Sommer auch in Form einer Liegewiese), die sich im Inneren des Hauses zwischen den Bücherregalen nicht immer findet, da von Jahr zu Jahr immer mehr Studenten Gefallen an der SLUB zu scheinen finden. Nachdem es nun über 20 Jahre her ist, dass ich letzt- und einmalig auf jenem Platz Fußball spielte, erfreue ich mich sehr über den Bau der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek, die Dresden sicherlich zu einem klügeren Ort gemacht hat.