Wrocław

urban facts Wrocław

Obwohl nur etwas mehr als 2 Stunden mit dem Auto entfernt (ca. 275km) gehört Wrocław zu den Zielen, die ein Dresdner selten ansteuert. Sicherlich spielt hier auch eine Rolle, das die einst guten Bahnangebote verschwunden sind und es keine Zugverbindung zwischen Sachsen und Niederschlesien mehr gibt. Das ist alles andere als ein schöner Zustand, denn Breslau ist eine äußerst spannende und auch sehr schöne Stadt.
Mit über 600.000 Einwohnern, an der Oder gelegen, ist sie die viertgrößte Stadt Polens und hat eine einzigartige Geschichte, die man an vielen Stellen in der Stadt nachvollziehen kann. Bis 1945 wechselte Breslau von Herrschaftsgebiet zu Herrschaftsgebiet, so wie die Region Schlesien, von welcher sie die Hauptstadt ist. (allerdings ist sie heute nur noch die Hauptstadt Niederschlesiens) Dies führt auch zu den unterschiedlichen Stadtnamen in verschiedenen Sprachen: Breslau (Deutsch), Wrocław (Polnisch), Brassel (schlesisches Deutsch) oder Vratsilav (Tschechisch).
Die Geschichte der Stadt geht wohl auf böhmische Siedler zurück, welche sie als Handelsort an der „Via Regia“ nutzten. Später gelangte sie in die Hände polnischer Herrscher bevor sie 1241 vom Mongolensturm schwer verwüstet wurde. In der Folgezeit siedelten sich zumeist Deutsche an. 1335 wurden weite Teile Schlesiens und damit auch Breslaus böhmischer Besitz und kamen so zum Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die Reformation ließ Breslau als erste schlesische Stadt protestantisch werden. Sie gelang 1526 unter habsburgische Herrschaft. Nachdem Ende des Siebenjährigen Kriegs wechselte Schlesien in preußische Hände (Preußen war lange sehr bemüht, die Region zu besitzen und scheute nicht wenige Kriege gegen das habsburgische Österreich). Als Hauptstadt der Region Schlesiens ging Breslau im Staat Preußen auf und damit 1871 auch im Deutschen Kaiserreich. Die Industrialisierung brachte der Stadt ein enormes Bevölkerungswachstum und machte sie zeitweise zum fünft größten Ort des Deutschen Reiches. Damit verbanden sich zahlreiche Herausforderungen für das Bauen im 20. Jahrhundert. Breslau lieferte viele Beispiele wie innovativ schon vor 100 Jahren Bauwerke errichtet werden konnten. Nicht nur die Jahrhunderthalle von Max Berg beeindruckt noch heute die Besucher, auch zahlreiche Gebäude aus den 1920er Jahren (wie die Kaufhäuser Pettersdorff oder Wertheim, das Postcheckamt oder das Sparkassenhochhaus oder auch die Mohrenapotheke) sind noch heute erhalten und bezeugen den Glanz der Baubewegung der Moderne in Breslau.
Der 2.Weltkrieg brachte aber schließlich die entscheidendsten Veränderungen für den Ort mit sich. Die Stadt wurde erst 2 Tage vor Ende des Kriegs von der Roten Armee nach mehrmonatiger Belagerung erobert und ist entsprechend zerstört gewesen. Zur damaligen Zeit weilten immer noch über 100.000 Zivilisten in Breslau. Die überwiegend deutsche Bevölkerung (1910 gaben 97% der Bevölkerung an Deutsch als Muttersprache zu sprechen) wurde innerhalb weniger Jahre komplett vertrieben und mit Polen zumeist aus Lemberg ausgetauscht, da diese Stadt nun zur Sowjetunion gehörte und nicht mehr zu Polen.


Heute blüht Wrocław sichtbar auf und entwickelt sich zu einem Zentrum für Tourismus und Wirtschaft. Die vielen Narben des Krieges, mit seinen für den Wiederaufbau im sozialistischen Block typischen Freiflächen im Stadtbild, verschwinden zunehmend. An vielen Ecken wird gebaut, insbesondere neue Einkaufszentren entstehen scheinbar im Überfluss. Der Skytower, Wrocławs einziger Wolkenkratzer  (an dieser Stelle sei angemerkt, dass Breslau schon in den 1920er Jahren einen Hochhausplan erstellte, aber nur zwei höhere Bauten wurden davon errichtet; Sparkasse und Postcheckamt, die aber heute mit ihrer Höhe nicht auffallen) , ist mit seinen 212m immerhin das 2. höchste Haus Polens und beschert der Stadt das Bild einer „Einzelner-Wolkenkratzer-Silhouette“. Das Stadtbild wird maßgeblich von junger Bevölkerung geprägt, denn rund 140.000 Studenten wohnen hier. Zu den Eigenheiten der Wrocławer gehört es aber trotzdem an roten Fußgängerampeln stehen zu bleiben und Straßen nur an sicheren Punkten zu überqueren. Zu diesem vorbildlichen Verhalten gesellt sich allerdings eine gewisse Unbedachtheit beim Aufhalten von Schwingtüren und ähnlichem, bei dem die Devise gilt, bin ich durch, soll das Ding hinschwingen wo es will, denn ich habe gerade keine Zeit auf den Nächsten zu warten. Es muss aber dennoch betont werden, dass man eine freundliche Grundstimmung in der Stadt fast überall empfindet, auch wenn trotz deutscher Vergangenheit die erste Fremdsprache eindeutig Englisch ist und besonders bei der jungen Bevölkerung auf hohem Niveau gesprochen wird.