Bahnhöfe in Madrid
Estacíon de Atocha | Estacíon de Delicias | Estación del Norte | Estacíon de Chamartín
Madrid ist weltweit gesehen, vielleicht eine der besten, an den Zug-Fernverkehr im Hochgeschwindigkeitsbereich angebundenen Städte des Globus. Momentan können 18 spanische Städte mit dem Schnellzug AVE angefahren werden. Dies verteilt sich allerdings auf zwei Bahnhöfe. Im Norden der Stadt liegt Chamartin und am südlichen Ende der Innenstadt Atocha. Beide Bahnhöfe sollen in den folgenden Zeilen etwas genauer vorgestellt werden. Zwei andere Bahnhöfe, die für die (Bahnhofs-) Geschichte der Stadt nicht unwichtig sind (aber heute teilweise andere Funktionen haben), sollen ebenso kurz vorgestellt werden.
Estacíon de Atocha | Erst Kopf-, jetzt Durchgangsbahnhof | 88 Mio. PAX (2012) |
Der Bahnhof Atocha ist heute so etwas wie der Hauptbahnhof Madrids und der am zentralste gelegene Bahnhof der spanischen Hauptstadt, wobei zentral bedeutet, dass er am südlichen Ende des Paseo del Prado am Ende der Innenstadt steht. Der Bahnhof geht zurück auf die erste spanische Bahnlinie von Madrid nach Aranjuez, welche 1851 eingeweiht wurde. Diese Privatbahn startete am Embarcadero Atocha, einem einfachen Gebäude, das zu jener Zeit noch außerhalb der Stadtmauern von Madrid lag, ein typischer Ort für die ersten Eisenbahnbauten. Der spanische Bahnverkehr war in jenen Jahrzehnten der ersten Eisenbahnwelle, geprägt von privaten Unternehmen, die unterschiedliche Linien betrieben und damit aber auch unterschiedliche Bahnhöfe in der Stadt errichteten. Den Ausgangspunkt Atocha nutzte ab 1856 die Gesellschaft MZA (Madrid-Zaragoza-Alicante), die zusammen mit dem größten Rivalen, der Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España (CCHNE) bald die größten Eisenbahnunternehmen Spaniens werden sollten. Die CCHNE ließ später den Bahnhof Norte in Madrid bauen, worauf weiter unten noch näher eingegangen werden soll. Schon in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts gab es Überlegungen, wie und insbesondere wo, ein einheitlicher Großbahnhof in Madrid errichtet werden könnte und schon damals hielt man den Standort Atocha für den geeignetsten, jedoch war die Zeit für einen einzigen Bahnhof noch lange nicht gekommen. 1864 brannten große Teile des ersten Bahnhofsgebäudes ab, dass wie seinerzeit üblich, aus vielen Holzbauteilen stammte. Bei ersten Reparaturen wurden Eisenteile eingesetzt, jedoch machte sich bald die Notwendigkeit eines vollkommenen Neubaus bemerkbar. Dafür wurden zwei Entwürfe eingereicht, wobei der Plan von Alberto de Palacio y Elissague umgesetzt wurde. 1882 wurde schließlich der neue Bahnhof unter dem Titel „Estación del Mediodía“ eingeweiht. Der Kopfbahnhof hatte eine mittig liegende 152m lange und 27m hohe Bahnsteighalle. Ähnlich dem kurz vorher fertiggestellten Bahnhof Delicias, wurden rechts und links Abfertigungs- und Verwaltungsgebäude der zentralen Halle angefügt, die im regional typischen Stil mit roten Ziegeln gefertigt wurde. Stiltechnisch wurde der in jenen Jahren in Madrid vorherrschende Eklektizismus angewandt. Der Bahnhof bot rund 2000 Reisenden Platz, eine für damalige Zeiten sehr hohe Zahl. Das Wachstum der Stadt um die Jahrhundertwende bezog sehr schnell die Umgebung der Station mit ein. Nicht nur im näheren Umkreis entstehen neue Gebäude, auch die beiden Luxushotel „Ritz“ und „Palace“, die wenige hundert Meter weiter nördlich an der Prachtstrasse Paseo del Prado errichtet wurden, nutzten die günstige Lage zum nahen Bahnhof aus. Zunehmende Erweiterungen der Anlage wurden aber immer komplizierter, da auch die Nachbarschaft des Bahnhofs immer weiter zugebaut wurde. Das Metronetz der Stadt bekam 1921 einen Anschluss an den Bahnhof, während Straßenbahnen natürlich schon viele Jahre vorher (Innen-) Stadt und Bahnhof verbanden.
1933 begannen die Bauarbeiten an einem Eisenbahntunnel der quer durch die Stadt von Süden nach Norden führen und so einen Anschluss der Züge nach Nordspanien ermöglichen sollte. Dieser Bau jedoch wurde von riesigen Problemen begleitet, nicht nur vom spanischen Bürgerkrieg, der auch am Bahnhof Atocha seine Spuren der Zerstörung hinterließ. Nach seinem Ende wurden die Bahnen Spaniens verstaatlicht, so dass ab 1941 der Bahnhof Atocha zur staatlichen Gesellschaft RENFE gehörte. Nach über 30 Jahren Bauzeit wurde 1967 der Tunnel nach Norden eröffnet, der wegen seiner erheblichen Bauprobleme, auch „Túnel de la risa“, (daher: „Tunnel des Gelächters“) genannt wurde. Er machte aus dem Kopfbahnhof Atocha einen Durchgangsbahnhof und führte zu einer Konzentration auf die Nord-Süd Achse, die schon bald zu wenig Kapazitäten für den rollenden Verkehr aufwies. Dies führte in zweiter Instanz aber zum Niedergang anderer Madrider Bahnhöfe (Delicias, Norte) bei gleichzeitiger Steigerung der Kapazität von Atocha, weshalb der Bahnhof in den 1980er Jahren komplett erneuert werden musste. Der spanische Architekt Rafael Moneo ließ die ehemalige Bahnsteighalle zu einem botanischen Garten mit Shops und Verwaltungseinrichtungen umbauen, gleichzeitig wurde eine neue Bahnsteighalle etwas weiter südlich eingeweiht und sowohl den S-Bahnverkehr (Cercanias) als auch den Fernverkehr beherbergt. 1992, mit der Eröffnung der der AVE-Linie nach Sevilla, kam schließlich der neue Bahnhof „Madrid Puerta de Atocha“ dazu, der als Haltepunkt für den neuen Hochgeschwindigkeitsverkehr dient. So sehr man die Umgestaltung des alten Bahnhofs bewundern kann, so sehr ist verstört doch aber insbesondere die Bahnsteighalle des neuen Teils, die bestenfalls als zusammengebastelt bezeichnet werden kann.
Seine schlimmsten Stunden erlebte der Bahnhof am 11.März 2004, als islamistische Terroristen Bomben in eingefahrenen S-Bahnen zündeten und damit 191 Menschen töteten und über 2.000 Verletzten. Diese Attacke führten weiterhin zu einem politischen Erdbeben, bei den nur wenig später stattfindenden Wahlen in Spanien. Eine ausführliche Darstellung der Ereignisse findet sich auf wikipedia (hier). In Erinnerung an die Opfer der Gewalt wurde im Bahnhof ein Raum der Stille eingerichtet.
Mit den weiteren AVE-Linien nach Katalonien und in die Levante, hat Atocha heute seine Rolle als Hauptbahnhof ausgebaut. Momentan wird ein dritter Tunnel nach Norden gebaut, um es auch AVE Schnellzügen zu ermöglichen von Süd nach Nordspanien zu fahren und trotzdem in Atocha zu halten. Heute reisen rund 240.000 Menschen täglich von der Estacíon de Atocha ab.
Estacíon de Delicias | Kopfbahnhof | heute Eisenbahnmuseum |
Der Bahnhof Delicias ist der einzige der vier beschriebenen Stationen, der überhaupt keinen regelmäßigen Zugverkehr mehr aufweisen kann, trotzdem ist er ein historischer Platz. Hier wurde am 30.März 1880 der erste große mit einer gewölbten Bahnsteighalle ausgestattete Bahnhof Madrids eröffnet. 1879 begannen die Arbeiten unter der Leitung des französischen Baumeisters Emile Cacheliévre. Beeindruckend ist noch heute die rationalistische Bauweise der Haupthalle, deren Giebel als unverkleidete Stahlkonstruktion erbaut wurde. Es ist der erste Bau mit einer Stahl-Glas Bauweise in Madrid. Die 22m hohe, 35m breite und 170m lange Halle beherbergt fünf Gleise. Ihre Konstruktion folgt dem gleichen Prinzip der Weltausstellungshalle von Henri de Dion, welche nur ein Jahr vorher in Paris eröffnet wurde. Dabei werden die armierten Stützpfeiler in betonierte Pfeiler eingelassen, wodurch eine Bahnsteighalle ohne Abspannungen, Verstrebungen oder Wiederlager möglich wurde. Rechts und links sind Seitengebäude angeschlossen, die etwas an die damals gern benutzte Neomudejar-Architektur erinnern. Sie dienten zur Passagierabfertigung und als Diensträume. Die ersten hier abfahrenden Züge gingen nach Ciudad Real und von da in Richtung portugiesische Grenze, wobei zu einem Großteil auch Waren abgefertigt wurden. Doch nur 10 Jahre später sollte der Ausbau, des in der Nähe befindlichen Bahnhofs Atocha fertig sein, der eine weitaus größere Zahl an Zugverbindungen hatte. Obwohl auch Delicias Zugang zu diesem Netz hatte, war der Bahnhof nie so bedeutend wie Atocha. Und dieser Zugang führte noch zu einer kleinen Besonderheit. Da das Schienennetz rund sieben Meter tiefer als die namensgebende Straße Paseo de Delicias lag, liegt der Bahnhof etwas versteckt und ist von der Straße nicht sichtbar.
Nach dem spanischen Bürgerkrieg und der Integration des Streckennetzes in den Staatskonzern RENFE wurde der Bahnhof elektrifiziert, 1969 aber für den Personenverkehr und 1971 für den Güterverkehr endgültig still gelegt. Glücklicherweise wurde das Gebäude nicht Opfer des zur damaligen Zeit weltweit vorherrschenden Zeitgeistes der Schleifung von Bahnhöfen, sondern fand eine neue Nutzung. Seit 1984 dient das Bauwerk als Eisenbahnmuseum der Stadt Madrid.
Estación del Norte | Erst Kopf-, jetzt Durchgangsbahnhof | Kein Fernverkehr mehr |
Die Estación del Norte heißt heute „Príncipe Pío“ und wie auch der geänderte Name vermuten lässt, hat der Bahnhof heute eine andere Funktion als noch zu seiner Entstehung. Der Nordbahnhof wurde auf Veranlassung der Bahngesellschaft Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España (CCHNE) oder auch kurz nur der „Norte“ erbaut. Diese verband Madrid mit dem Norden Spaniens bis hin nach Irún. Die Estación del Norte diente dabei als zentraler Bahnhof in Madrid, wobei der Name lediglich die Richtung der anfahrenden Züge anzeigt, denn eigentlich liegt der Bahnhof im Westen der Stadt (diese Besonderheit wiederholt sich beispielsweise in Valencia, wo die Estación del Norte im Süden der Stadt liegt). 1861 wurde der erste Bahnhof im Tal des Flusses Manzanares eröffnet, wenngleich die Linie damals nur bis nach El Escorial ging. Im Jahr 1882 wurde schließlich ein neues Abfertigungsgebäude für Passagiere eröffnet, es entstand parallel zum Paseo de la Florida. Im Jahr 1928 wurde dann ein weiteres repräsentatives Empfangsgebäude erbaut, dass den Bahnhof zur Stadt hin, zur Cuesta San Vicente abschloss und von zwei Türmen gekrönt wurde. 1925 wurde der Bahnhof mit der Metro verbunden, was gleichzeitig bedeutete, dass man den recht steilen Aufstieg aus dem Tal zur Innenstadt bequem vermeiden konnte. Heute ist diese Metrolinie noch als Linie „R“ vorhanden und verbindet „Príncipe Pío“ mit „Opera“. Als RENFE alle privaten spanischen Eisenbahngesellschaften übernahm, wurde die „Estación del Norte“ zum zweitwichtigsten Eisenbahnstopp in Madrid. Alle Züge nach Kantabrien, Altkastillien oder Portugal starteten hier. Zum Verhängnis wurde dem Nordbahnhof aber, als man im tatsächlichen Norden Madrids mit dem Bahnhof „Chamartín“ einen neuen Bahnhof baute, welcher dann auch noch mit dem seit Ewigkeiten geplanten Nord-Süd Tunnel mit „Atocha“ verbunden wurde. Nach dessen Fertigstellung wurde die „Estación del Norte“ zunehmend unwichtiger und 1993 verließ ein letztes Mal ein Fernzug den Bahnhof in Richtung Galizien. Daraufhin folgte ein grundlegender Umbau der Station. Unter der Leitung von Javier Bustinduy Fernández wurde ein großes Loch unter der Bahnsteighalle ausgehoben, um den Metrolinien 6 und 10 eine Haltestelle zu geben, die dann Príncipe Pío hieß. Weiterhin wurde die alte Bahnverbindung zum Bahnhof „Atocha“ neu eingerichtet und größtenteils untertunnelt, womit Príncipe Pío auch an das S-Bahnnetz angeschlossen wurde. Im Jahr 2000 wurde das alte Empfangsgebäude von 1882 und eine Bahnhalle zu einem Einkaufszentrum und Kino umgebaut, das nun auch den Namen „Príncipe Pío“ trug. Durch den Ausbau der M30 unter den in der Nähe liegenden Fluss Manzanares, mit Projekt Madrid Rio, wurde gleichzeitig ein unterirdischer Tunnelbusbahnhof in Principe Pio gebaut, der 2007 eröffnet wurde und Anschlüsse insbesondere in den Westen und Nordwesten der Region bereithält. Lediglich das Empfangsgebäude aus dem Jahr 1928 liegt immer noch ungenutzt an der Cuesta San Vicente und verfällt trotz vielfältiger Nutzungsideen.
Estacíon de Chamartín | Durchgangsbahnhof | 21,3 Mio. PAX (2010) |
Der Bahnhof Chamartín liegt in Madrids Norden und ist so etwas wie der 2.Hauptbahnhof der Stadt. Er ist von seiner Bedeutung allerdings klar Atocha untergeordnet. Von hier verkehren heute zahlreiche Fernzüge in den Norden Spaniens, der Nachtzug nach Lissabon, sowie die Hochgeschwindigkeitsverbindung nach Valladolid und Leon. Die Geschichte dieses eigentlichen Nordbahnhofes ist eng verbunden mit dem Problem, das Atocha im Süden der Stadt liegt und man dort keine Züge in Richtung Norden und Nordwesten Spaniens fahren lassen konnte. Deshalb wurde schon in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts ein Tunnel durch die Stadt geplant, welcher unter der „Paseo Castellana“ entlangführt. Die Arbeiten für den Tunnel wurden 1933 begonnen und auf dem Friedhof des Dorfes „Chamartín de la Rosa“ wurde die Fläche für einen neuen Bahnhof angelegt, doch durch den Bürgerkrieg und seine Folgen änderte sich für Jahrzehnte nichts. Erst als der Tunnel fertig wurde, nahm auch der Bahnhof Gestalt an. Wobei erst sehr langsam, anfangs war nur ein Gebäude neben dem Gleis vorhanden. Chamartín wurde daher von Anfang an als Durchgangsbahnhof konzipiert, nicht als Endbahnhof einer Linie. Mit der Zeit wurde mehr und mehr Verkehr nach Chamartín verlegt, wobei er trotzdem für den Großteil des Fernverkehrs die Ausgangs- oder Endstation war. Diese Verlegung bedeutete aber auch, dass insbesondere der Bahnhof „Estacíon del Norte“ an Bedeutung verlor.
Zwischen 1970 und 75 wurde ein neues, großes und repräsentatives Bauwerk der Estacíon de Chamartín errichtet, das gleichzeitig auch einen Einkaufsbereich hatte und die Funktion eines neuen Hauptbahnhof übernehmen könnte. Der Komplex wurde so angelegt, dass die Empfangshalle wie ein Reiter über den Bahnsteigen schwebt, diese aber nur überdacht sind und keine eigene Halle haben. Eine Straßenauffahrt zum Haupteingang hin zeigt, dass man Autos in dieser Zeit keinesfalls mehr vernachlässigen konnte. Gleichzeitig entstand ein Hotelbau im Bahnhofskomplex.
Mit dem fertiggestellten Neubau wurden in den 1980er Jahren, zahlreiche Linien nach Chamartín verlegt. Als Atocha 1986 für Umbauten geschlossen wurde, war Chamartín der mit weitem Abstand bedeutendste Bahnhof der Stadt. Erst als 1992 Atocha wieder ans Netz ging und noch dazu von dort der erste Hochgeschwindigkeitszug AVE nach Sevilla führte, verringerte sich aber wieder sein Rang. Alle weiteren neuen AVE Linien starteten in Atocha und erst 2007 wurde die erste AVE Linie von Chamartín aus eröffnet. Damit wurde die Frage nach der Tunnelverbindung nach Atocha wieder aktuell. Zwar wurde 2004 schon ein zweiter Tunnel eröffnet, der den ersten entlasten sollte, trotzdem waren diese Strecken nicht für AVE-Züge geeignet, da diese eine eigene (die europäische) Spurweite haben. Also wird derzeit an einem dritten Tunnel zwischen Chamartín und Atocha gebaut, um auch das Hochgeschwindigkeitsnetz in Spanien zu vereinen