Madrids Straßen

Einleitung | Gran Via | Die drei Paseos: | del Prado | del Recoletos | de la Castellana

Einleitung und kleiner Überblick

Madrid kann eine recht hohe Anzahl von Prachtstraßen für sich gelten machen. Diese äußerst repräsentativen Schneisen durch die Architektur und Landschaft verliehen der spanischen Hauptstadt den Glanz, der europäische Metropolen ausmacht. Wer auf der niemals müden Gran Via entlang spaziert, der wird sich unweigerlich fühlen, in einer pulsierenden Weltstadt zu sein, egal ob man sich Samstagnachmittags an den bummelnden Einkäufern oder den Schlange stehenden Musicalbesuchern vorbeischiebt, oder an einem Montag morgen die letzten Feiernden des Wochenendes begegnet, die sich in der langsam geschäftig werdenden Stadt verlieren.

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Oder man entdeckt einen der drei Paseos für sich, von der eleganten Präsentation historisierender Pracht und Kunst auf dem Paseo del Prado bis hin zum hinauf ragenden Ende der Castellana, die stetig aufwärts führend bei den Wolkenkratzern des CTBA endet. Die unterschiedlichsten Straßen finden sich in Madrid. Kleine und enge Gassen in der Latina, oder in Chueca erinnern an die mittelalterliche Stadt und sind heute beliebte Ausgehpassagen mit Bars, Restaurants und Geschäften. Die größeren Boulevards, besonders im noblen Osten der Stadt, wie Calle Serrano oder Principe de Vergara durchschneiden das quadratische Nobelviertel Salamanca und sind Heimat von Luxusmarken und edlen Boutiquen. Die Hortaleza, die Fuencarral und die Calle San Bernardo ziehen sich wie kleine Ausfallstraßen durch die nördliche Innenstadt und auf, sowie rechts und links von ihnen gibt es viel zu entdecken, die neusten Bars, trendige Restaurants, einschlägige Clubs oder hipster-magnetisierende Bekleidungsgeschäfte. Alle drei genannten Straßen münden in die Calle de Alberto Aguilera, wo das verwinkelte und alte Madrid der Gassen endet und die planvolle Stadt der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts beginnt. Hier liegt die erste Ringstraße (gelb auf der Karte eingezeichnet) von Madrid und nicht wie man vermutet am Autobahnring M-30, der verkehrsreichsten Straße des ganzen Landes. Die M-30 heißt nicht umsonst 30, weil es schon zwei weitere historisch vorher angelegte Ringstraßen, weiter innerhalb der Stadt liegende Boulevards gibt, die gleichfalls einen Ring um das Innerste der Stadt bilden. Der innerste Ring ist dabei schon in der Zeit Philip IV als Umrundung der Stadt entstanden. Man kann ihn heute noch erahnen, wenn man sich vom Bahnhof Atocha nach Osten bis hinter dem Retiro aufmacht um über den Plaza de Colon auf den Boulevards zu kommen, der an jeder größeren Kreuzung seinen Namen zu ändern scheint (erst Genova, dann Sagasta, dann Carranza, schließlich Alberto Aguilera). Bis man in den im Westen etwas orientierungslos wird, denn hier ist er bis hinunter zur Puerta de Toledo etwas unklar. Das gilt eigentümlicherweise auch für den zweiten Ring (dunkelgelb auf der Karte), der im Norden mit der Avenida de la Reina Victoria beginnt und sich in einem größeren Bogen im Osten (über die Calle de Raimundo Fernández Villaverde, Calle de Joaquín Costa, Calle de Francisco Silvela, Calle del Doctor Esquerdo und Calle de Pedro Bosch) bis zur Calle Méndez Álvaró zieht. Im Westen gibt es eigentlich nur die M-30, welche im vielleicht aufregendsten urbanen Bauprojekt der letzten Jahrzehnte in Madrid unterirdisch geführt wird und Platz für den Madrid-Rio Park macht.

Das hier eine Autobahn unter der Erde verschwindet ist zwar kostspielig, aber keinesfalls bedauerlich, denn Schnellstraßen (wie übrigens Tunnel auch) meint man im Großraum Madrid genug zu besitzen. Es gibt freie und zu bezahlende Schnellstraßen und an Tagen, wo die „Operacion Salida“ ausgerufen wird (also beispielsweise vor Ostern, oder zum Beginn der Sommerferien) sollte man sich überlegen, ob die zahlungspflichtigen Autobahnen, die ein R statt eines M in der Bezeichnung tragen, nicht eine bessere Alternative sind, die Stadt zu verlassen, so wie das scheinbar in diesen Momenten auch jeder andere Autobesitzer Madrids zu planen scheint.
Straßen gibt es also genug und in allen möglichen Variationen in Madrid. Als nächstes sollen die oben schon angedeuteten besonderen Prachtstraßen etwas näher beschrieben werden.

Gran Via

Daten: Länge: 1,3km | Breite: 25-35m | Richtungsverlauf: Ost-West| grün auf der Karte verzeichnet

1910 begann man in der spanischen Hauptstadt, einen neuen Prachtboulevard zu errichten, welcher der Stadt ein weltstädtisches Gesicht einer Metropole geben sollte schließlich wollte man auch etwas vom Glanz Paris haben. König Alfons XIII. selbst hatte großen Einfluss darauf genommen, den nördlichen Teil der Innenstadt, mit ihrem verwinkelten Gässchen aus dem Mittelalter zu durchbrechen und eine Verbindung von der Calle Alcalá zur nordwestlichen Stadtausfahrt herzustellen. Zwar sollte die Gran Vía erst 30 Jahre später komplett fertiggestellt sein (von der Calle Alcalá bis zum Plaza de España), doch bis heute erfreut sie sich großer Popularität. Anders als der Paseo de la Castellana (die Nord-Süd Achse der Stadt) ist die Gran Vía keine Straße der Bürogebäude, sondern eine Geschäfts- und Vergnügungsmeile mit Bars, Restaurants, Kinos, Musical-Theatern und den üblichen Bekleidungsgeschäftsketten.

Architektonisch ist die Gran Vía wie eine Reise von den Boulevards Paris bis hin zu den Hochhäusern New Yorks und drückt so auch das wechselnde Lebensgefühl und die unterschiedliche Ideologie der Zeit ihres Entstehens aus. Sie startet mit eleganten Häusern des Belle-Époque Zeitalters, was den historischen Stil der ersten Jahre ihrer Bauzeit repräsentiert. Ein erstes Mal durchbrochen wird dies durch das Telefónica-Hochhaus. Das 1929 fertiggestellte (89m hohe) Hochhaus gilt als einer der ersten Wolkenkratzer Europas. Die Architekten Ignacio de Cárdenas und Louis S. Weeks schufen hier ein Wahrzeichen der Madrider Innenstadt, das besonders im Bürgerkrieg im Brennpunkt der Luftangriffe stand (auch weil es wegen seiner Höhe einen ziemlich guten Markierungspunkt abgab). Der Palacio de la Música von Secundino Zuazo, der sich etwas weiter in Richtung des Platzes Callao befindet ist der architekturhistorische Wendepunkt der Gran Vía. Das 1928 beendete Gebäude steht genau zwischen dem historischen Stil des Belle-Epoche der ersten Häuser und dem nun einsetzenden sachlichen Stil, der bis zum Monumentalen getrieben werden konnte. Hier am Callao angekommen, einem von Madrids geschäftigsten Plätzen, sticht das vielleicht berühmteste Gebäude der Straße in die Augen, das Edificio Carrión mit dem Kino Capitol. 1933 beendet, unter der Leitung der Architekten Luis Martínez Feduchi und Vicente Eced, ist es zwar mit seiner Getränkemarkenwerbung in den letzten Jahren bekannt geworden, aber seine architektonische Qualität liegt hinter dem blinkenden Schildern. Im Stil der modernen Sachlichkeit erbaut und von den runden, sich über Eck ziehenden horizontalen Fensterbänken, bei Erich Mendelsohns sich inspirieren lassend, ist das Edificio Carríon ein elegantes Meisterwerk, das man nicht zuletzt deshalb auch in einigen spanischen Filmen wiederfindet, wie in „El dia de la bestía” (von Alex de la Iglesia) und das 2010 gleichfalls das Logo der 100 Jahresfeier zum Geburtstag der ganzen Straße zierte. Von hier verläuft die Gran Vía – für eine solch breite Straße ungewöhnlich – recht steil bergab bis hin zum Plaza de España. Dort thronen die monumentalen Hochhäuser der frühen Franco-Zeit. Sowohl das 117m hohe im rötlichen Ton gehaltene Edeficio España, als auch der weiße Torre de Madrid (124m) sind beide von den Architektengebrüdern Joaquín und Julián Otamendi. In den 1950er Jahren errichtet, sollen die Hochhäuser die Potenz des „neuen Spaniens” unter Franco zeigen. Auch wenn hier die Gran Via endet ist ihre Erweiterung die Calle de la Princesa der Ausgang aus der Innenstadt, der nochmals einen monumentalen Abschluss am Plaza Moncloa findet mit einer Art eigenem Forum des Franco-Regimes. Dies beinhaltet zum einen das von Luis Gutiérrez Soto geplante Luftfahrtministerium, dass eine zeitgenössische Version des Escorials darstellen soll. Zum anderen ist noch der triumphale Arco de la Victoria, der seit 1956 daran erinnert das das Franco Regime den spanischen Bürgerkrieg gewann.

Im Jahr 2010 wurde stadtmarketingtechnisch hoch professionell ausgedacht, der 100. Geburtstag der Gran Via gefeiert. Das man dafür so viel Aufwand betrieben hat, zeigt schon die Stellung und das Renommee das die Straße in ganz Spanien genießt. Anders als bei Nachbarschaftsfesten, wo die Straße der Ort des Festes ist und die Bewohner des Ortes dort mit ihren Gästen feiern, ist es bei den Festlichkeiten zu „100 Jahre Gran Vía” so gewesen, dass die Straße zelebriert wurde. Ein ganzes Jahr lang stand die Gran Vía im Mittelpunkt der Feierlichkeiten. TV-Berichte, Ausstellungen und insbesondere, der Ort an für sich, wurden in immer neuen Events in den Vordergrund gehoben. Einen ganz besonderen Anlass erzielte man in Madrid zu San Isidro, dem traditionellen Fest der Stadt. An diesem Tag, dem 15.5. wurde ein blauer Teppich auf der Straße verlegt, um den Autoverkehr für einen Samstag zu verbannen und nur die Menschen auf diesem Teppich laufen zu lassen. Drei verschiedene Bühnen zeigten Konzerte jedweder musikalischer Richtung und zur großen Freude insbesondere aller Restaurantbetreiber, wurde der Genuss, einmal auf der breiten Straße ohne Autoverkehr zu laufen, auch nicht von Imbiss- oder Getränkebuden gestört. Madrid hat es damit geschafft ein Event zu veranstalten, dass die Stadt, ihre Einwohner und Besucher das ganze Jahr beschäftigte, Kommunikation generierte und damit etwas zum Mythos und vielleicht auch zur Aura der Gran Via und damit auch zur Stadt beitrug. In wie weit sich dieses Ereignis ins kulturelle Gedächtnis eingräbt bleibt abzuwarten. Erfreulich ist dabei, dass sich die kommerzielle Nutzung dieses Projektes angenehm zurückhaltend präsentierte und die vielen Ausstellungen und Reportagen durchaus einen Bildungsgedanken in sich trugen, der einen guten Blick auf das letzte Jahrhundert spanischer Geschichte in Madrid zuließ.

In den letzten Jahren wurde die Gran Via dem immer starker werdenden Fußgängerverkehr angepasst und die Bürgersteige gegenüber der Fahrbahn erheblich verbreitert, während der Autoverkehr zunehmend für reine Durchfahrten gesperrt wurde. Das trägt nicht nur dem allgemeinen Trend Rechnung, Innenstädte wieder in die Hände von Fußgängern und Radfahrer zu legen. Ihre Stellung für den Autoverkehr verliert die Gran Via zunehmend und man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass es von Jahr zu Jahr mehr Fußgänger werden, welche die Gran Via zu jeder Tageszeit zu einer quriligen Großstadtmagistrale machen. Doch im Gewirr der Musicalbesucher, afrikanischen Handtaschen und Fußballtrikothändler, Schuhputzer, Selfiestangen tragenden Touristen, gestressten Madrilenen, Flaneuren aller Art und Flagshipstore Bummlern verliert die Straße auch etwas. Das gilt besonders für die Restaurants der Straße. Seit 1981 hier das erste McDonalds Spanien eröffnete, hat sich die Gran Via in ein Sammelbecken von Bar- und Restaurantketten gewandelt, was die Straße zwar einerseits zu einem Musterbeispiel der globalisierten Welt des weltweiten Marktplatzes macht, andererseits aber auch etwas unspannend werden lässt, denn eine traditionelle spanische Bar findet sich auf der ganzen Gran Via nicht mehr.

Die drei Paseos: Prado, Recoletos und Castellana

Madrids Nord-Süd Achse ist ein gewaltiger Straßenzug, der sich vom Hauptbahnhof der Stadt Atocha im Süden bis zum neuen Wolkenkratzergebiet im Norden dem CTBA zieht. Diese über acht Kilometer lange Schneise am früheren östlichen Ende der Stadt, die heute Mitten in Madrid liegt, unterteilt sich in drei unterschiedliche Straßen, deren Gemeinsamkeit im ersten Wort ihrer Namen liegen. Es sind die Paseos … del Prado, …del Recoletos und …de la Castellana (alle in unterschiedlichen blau Tönen auf Karte verzeichnet).

Paseo del Prado

Daten: Länge: 1,1km | vom: Plaza del Emperador Carlos V (S) zum Plaza de Cibeles (N) führend

Der Paseo del Prado ist der historisch erste Abschnitt der Nord-Süd Achse, der zum Zeitpunkt seiner Entstehung aber eher der Ostabschluss der Stadt Madrid war. Früher lag hier ein kleines Tal, dass man noch heute in seiner geographischen Lage erkennt, wenn man vom Retiro-Park abwärts zum Paseo del Prado läuft, ihn überquert und dann die Calle Atocha wiederum steil aufwärts spaziert. Besondere Bedeutung bekam die in diesem Abschnitt entstehenden Straße, als im Laufe des 18. Jahrhunderts das Schloss, der Palacio Real neu aufgebaut werden musste, da das alte Bauwerk 1734 ein Opfer der Flammen wurde. Die königliche Familie verlegte daraufhin ihren Sitz in den heute nicht mehr existierenden Palacio Buen Retiro, von dem quasi nur der Park übrigblieb. Die Nähe der höchstmöglichen Gesellschaft verleitete die feine Madrider Gesellschaft den Paseo zum Flanieren zu benutzen, zum Sehen und Gesehen werden, ob nun mit Kutsche, Pferd oder nur zu Fuß. José de Hermosilla legte 1767 einen Plan für das Projekt „Salón de Prado“ vor, dass eine breite Allee beinhaltete, die von runden Plätzen mit Brunnen unterbrochen wurden, ideal für das städtische Bedürfnis nach aristokratischem Flanieren. Da er aber verstarb, setzte Ventura Rodríguez seine Pläne um und ließ den Kybele Brunnen, (im spanischen „Cibeles“), den Neptunbrunnen (beide je 1782), den Vierjahreszeitenbrunnen, der auch als Apollobrunnen (1802) bekannt ist und den Artischockenbrunnen (1781) bauen. Damals war vollkommen unklar und sicherlich unvorstellbar, dass Cibeles und Neptuno heute für die Siegesfeierlichkeiten der beiden großen Fußballklubs Real und Atletico Madrid benutzt werden und dann als Sammlungspunkt für ausgelassene Feierlichkeiten dienen. Die Arbeiten am neuen „Salón de Prado“ fanden in einer Epoche statt, in welcher der Paseo so etwas wie der erste Ort der Umgestaltung Madrids hin zu einer europäischen Metropole der Aufklärung wurde. Im Geiste dieser Bewegung wurde der Botanische Garten angelegt. 1785 entstand nördlich vom Park ein Bau, der eine wissenschaftliche Akademie aufnehmen sollte, ein Kabinett der Naturgeschichte und ein chemisches Labor. Letztendlich wurde es 1808 fertiggestellt, doch die französische Besetzung Spaniens verhinderte seine Nutzung. Erst 11 Jahre später, am 19. November 1819 wurde der Bau eröffnet, allerdings in vollkommen anderer Nutzung, als Kunstmuseum „Prado“. Heute ist er der Mittelpunkt einer ganzen Ansammlung von Museen, die allesamt Weltruhm genießen. Ganz im Süden des Paseos, entlässt die erst kürzlich umbenannte Metro-Station „Estacion de las Artes“, jede Menge Kunstbegeisterte aus dem Untergrund, welche hier in die bis heute entstandene „Museumsmeile“ einbiegen können. Ob nun in das „Reina Sofia“ (das allerdings nicht mehr auf dem Paseo liegt, aber in unmittelbarer Nachbarschaft), das Caixa Forum, das Thyssen-Bornamiza oder eben den Prado, dem Kunstliebhaber bietet der Paseo del Prado so viel an, wie er es sonst kaum noch in Europa in so einer zusammengeballten Dichte finden kann. Der Ausdruck von Eleganz und Stil, gern im historisierenden Stil (lediglich das Caixa Forum bildet da eine gewisse Ausnahme bei den Bautwerken der Straße) ist das äußerliche Credo des Paseos del Prados. Das zeigt sich architektonisch nicht nur in den Luxushotels am Plaza Neptuno, sondern auch am Bauwerk der Börse oder der spanischen Staatsbank, der Banco de España, die am nördlichen Ende des Paseos thront und Madrids vielleicht repräsentativste Straße abschließt.

Paseo de Recoletos (oder auch nur kurz: Recoletos)

Daten: Länge: 0,7 km | vom Plaza de Cibeles (S) zum Plaza de Colón (N) führend

Immer noch elegant wird am Plaza de Cibeles aus dem Paseo del Prado der Paseo del Recoletos. Sein in der Straßenmitte führender Fußgängerboulevard macht diesen Teil der großen Paseo Nord-Süd-Achse zu einem sehr einladenden Abschnitt für einen Spaziergang. Es finden sich Wasserspiele und Denkmäler, Straßencafes laden zum Verweilen ein und viele Menschen nutzen diesen Mittelteil der Straße zum schlendern (auch weil die an den Straßenseiten angebrachten Fußwege ärgerlich eng sind). So finden auf diesem mittleren Fußgängerboulevard im Laufe des Jahres auch immer wieder kleinere Märkte statt, wie die Bücherstände im Frühjahr und Herbst des Jahres, bei denen man fast vergisst hier eigentlich im Mitten des Madrider Verkehrs zu stehen. Geschichtlich ist Recoletos eng mit dem Paseo del Prado verbunden und quasi eine Erweiterung des Boulevards, den man im kleinen Abroñigal Flusstal baute. Benannt ist dieser Abschnitt nach dem Augustiner-Rekolleten-Kloster welches in dieser Gegend seit 1592 existierte. Die Straße endet schließlich im großen Plaza Colón, dessen Größe nur noch von der auf ihm aufgestellten spanischen Flagge überboten wird.

Paseo de la Castellana (oder auch nur kurz: Castellana)

Daten: Länge: 6,3km | vom Plaza de Colón (S) zur M30 (N) führend

Der Paseo de la Castellana ist die mit Abstand breiteste Straße der Stadt (ausgenommen die Autobahnen der Stadt) und sie bildet den Hauptteil der Nord-Süd Achse Madrids. Anders als auf der Gran Via ist die Castellana aber eine Straße des Autoverkehrs. Nur ausgewiesene Enthusiasten würden die Straße von ihrem Beginn am Plaza de Colón bis zu ihrer Einmündung in die Autobahn M-30 im Norden komplett spazierend abgehen, zumal die Castellana auch anders als die beiden anderen Paseos keinen breiten mittleren Fußgängerweg mehr hat. So finden sich auf der Castellana auch keine Theater (ausgenommen vielleicht vom Estadio Bernabeu, dem Stadion von Real Madrid) sondern hauptsächlich Banken, Botschaften, Bürokomplexe und Hochhäuser. Noch dazu ist die Straße Schauplatz jährlicher Großveranstaltungen, angefangen von der Drei Königsparade am 5.Januar, einem besonders von den Kindern der Stadt überaus geschätzter Termin über Festveranstaltungen zum Nationalfeiertag bis hin zu Sportevents wie der letzten Etappe der Radrundfahrt Vuelta de España.
Die Straße beginnt am Plaza Colón und endet nach rund 6km im Norden der Stadt an der Autobahn M30. Ihre Geschichte ist aber abgekoppelt von den beiden anderen Paseos und beginnt weitaus später. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die Stadt stark nach nördlicher Richtung hinaus, ungefähr bis auf die Höhe des heutigen Komplexes Nuevos Ministerios, wo damals noch eine alte Pferderennbahn stand, die in ihrer schieren Größe das Wachstum der Stadt an dieser Stelle bremste und verlegt wurde. Dafür wurden hier seit 1933 die neuen Ministerien gebaut, ein großzügiger Verwaltungskomplex, der von Secundino Zuazo geplant wurde, aber im Bürgerkrieg gestoppt wurde und schließlich 1942 fertiggestellt wurde. Daran anschließend sollte eine Hauptstraße weiter nach Norden führen, für die schon in den 1930er Jahren Pläne angefertigt wurden. Erst nach dem Bürgerkrieg wurden diese Überlegungen im sogenannten Plan Bidagor umgesetzt. Damit bildet der Paseo de la Castellana (im Volksmund auch nur Castellana) die entscheidende städtebauliche Nord-Süd Achse der spanischen Hauptstadt. Die Castellana wurde dabei als moderne Straße geplant, deren erster Ausdruck das Hochhaus und Verwaltungszentrum AZCA wurde, dem ersten Komplex von Wolkenkratzern in Spanien. Es dauerte aber bis in die 1980er Jahre als die Bauwerke in den Himmel schossen, trotzdem sind hohe Häuser zu einem Erkennungszeichen der weiterführenden Castellana geworden, die sich über den Plaza de Cuzco zum Plaza de Castilla zieht und dort mit den Torres KIO einen vermeintlichen Abschluss findet. Erst nach der Jahrtausendwende entstand noch weiter nördlich das CTBA, ein weiterer – noch höherer – Wolkenkratzerkomplex. (Mehr Informationen zu den Hochhäusern in Madrid finden sich hier)
Wie es sich für eine gute Verkehrsstraße gehört endet die Castellana im Norden einfach damit in die Ringautobahn M-30 zu fließen, was urbanistisch gesehen, äußerst unspektakulär verläuft, aber nur nochmal den Charakter dieser Straße als Autostraße verdeutlicht.

Bahnhof Datenbank

Auf dieser Seite sind alle Bilder von Bahnhöfen gespeichert und geordnet:

Name

Ort

1: Typ
2: Jahr der Eröffnung

1: PAX
2: Anzahl Gleise

Empfangsgebäude
1: Erbaut
2: Architektonische Form
3: Architekt

Bahnsteighalle
1: Form
2: Höhe
3: Länge

Estación de Atocha

Madrid

1: Kopf- und Durchgangsbahnhof
2: 1882

1: 240.000

1: 1882
2: Eklektizismus
3: Alberto de Palacio y Ellisague

1: 2 Hallen (davon eine für AVE Züge als Puerta de Atocha Züge; Architekt Rafael Moneo

Estación de Chamartín

Madrid

1: Reiterbahnhof
2:1967

1:60.000
2:21

1: 1975
2: Moderne
3: Alonso, Corrales, Molezún

Keine Halle, lediglich Dächer über den Bahnsteigen

Dresden Hauptbahnhof

Dresden

1: Insel- und Kopfbahnhof
2: 1898

1: 60.000
2: 16

1: 1898
2: Historismus
3: Giese & Weidner, Arwed Rossbach

1: 3 Hallen, davon eine Haupthalle für Kopfbahnhof, Überdachung 2006 von Norman Foster

Estació de França

Barcelona

1: Kopfbahnhof
2: 1848

2: 12

1: 1929
2: Historistisch mit modernisme Elementen in U-Form um Halle
3: Pedro Muguruza

1: 2-schiffige Halle
2: 29m
3: 195m

Hamburg Hauptbahnhof

Hamburg

1: Reiterbahnhof
2:1906

1: 480.000
2: 18 (8 Fernbahn, 4 S-Bahn, 6 U-Bahn)

1: 1906
3: Heinrich Reinhardt, Georg Süßenguth

1: 1-schiffige Halle mit 73m Spannweite
2: 37m
3: 114m breit und 150m lang

Leipzig Hauptbahnhof

Leipzig

1: Kopfbahnhof
2: 1915

1: 120.000
2: 19 + 2 im City-Tunnel

1: 1915
2:
3: William Lossow, Max Hans Kühne

1: 6-schiffige Halle

3: Länge des Querbahnsteiges beträgt 270m

Estació del Nord

Valéncia

1: Kopfbahnhof
2: 1852

1:40.000
2: 10

1: 1917
2:Modernisme in U-Form um Halle
3: Demetrio Ribes Marco

1: einschiffige Halle

Saint Exupéry TGV

Lyon

1: Durchgangsbahnhof
2:1994

2: 5+ 2 Straßenbahn

1: 1994
2: zeitgenössisch
3: Santiago Calatrava

1: unterirdische Halle
3: 450m lang und 56m breit

Saint Jean Bordeaux

Bordeaux

1: Durchgangsbahnhof
2: 1898

1: 30.000
2: 15

1: 1898
2: Historistisch (eklektizistisch)
3: Marius Toudoire

1: einschiffige Halle (Architekt: Gustave Eiffel)
2: 36m
3:277m lang; 56m breit

Los Angeles Union Station

Los Angeles

1: Kopfbahnhof
2: 1939

1: 4.700
2: 6 (+ 3 Metro)

1: 1939
2: Kolonialstil mit Art Déco Elementen
3: John und Donald B. Parkinson

Keine Halle, lediglich Dächer über den Bahnsteigen

Estacíon de Zaragoza-Delicias

Zaragossa

1: Reiterbahnhof
2: 2003

1: 8.500
2:

1: 2003
2: zeitgenössisch
3: Carlos Ferrater und José María Valero mit Félix Arranz und Elena Mateu

1: Halle ohne Stützen, die Empfangs- und Nebengebäude einschließt, bestehend aus 6 Kuben die 22m breit und 395m lang und jeweils um 22m versetzt sind
2: 30m
3: 440m

 

Der Bahnhof

Aufteilung in BahnhofstypenPhasen des BahnhofsbausDie Elemente des BahnhofsDer Bahnhof und die StadtLiteratur

Einleitung

Obwohl Bahnhöfe nur ganz selten älter als 150 Jahre sind, haben sie sich doch tief in die DNA einer jeden Stadt eingebrannt. Sie sind nicht nur Orte des Transits, des Verlassens und Ankommens, sondern haben auch eine eigene urbane Lebenswelt erschaffen und nicht zuletzt sind sie erstaunliche architektonische Leistungen, die wegen ihrer Größe und Lage, das Aussehen einer Stadt mitbestimmen.
Bahnhöfe können auch zum Mittelpunkt städtischen Lebens werde, ohne das von ihrer Transitfunktion Gebrauch gemacht wird. Als Dresdner erinnere ich mich (wenngleich nur vom Hören-Sagen) an den Herbst 1989, als der hiesige Hauptbahnhof Zentrum einer sich bildenden Protestbewegung wurde. Der Bahnhof war damals dunkel und vor allem sehr schmutzig, eine Entwicklung die in die 1980er Jahre passt, als Bahnhöfe (fast schon weltweit) einen schweren Stand hatten. Erst als ein führender Politiker (leider erinnere ich mich nicht wer) mit dem Zug nach Dresden kommen sollte, wurde ordentlich geputzt und gesäubert, was den normalen Bürger und Zugbenutzer natürlich aufregte, weil es implizierte das für den täglichen Bedarf es ruhig schmutzig aussehen durfte. Einige Zeit später sollten die Prager Botschaftsflüchtlinge in die BRD ausgefahren werden, wobei die Strecke durch den Hauptbahnhof verlief, ohne das die Züge hier stoppen sollten. Der potentiell republikflüchtige und konterrevolutionäre Teil der Dresdner ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, den Zug vielleicht sogar zu stoppen, um selbst mit aufzuspringen. So kam es zu einem heftigen Polizeieinsatz. Und auch als sich später die Gruppe der 20 bildete, die zwischen Demonstranten und politischer Führung im Herbst 1989 vermitteln wollte, setzte sich diese Gruppe auf der Prager Straße in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs zusammen.
Allein diese Ereignisse aus dem Jahr 1989 zeigen, welche große, über einen Nicht-Ort des Transits hinausgehende Bedeutung, ein Bahnhof in einer Stadt haben kann. Deshalb werfen wir als nächstes einen Blick auf Bahnhöfe, als erstes mit der Frage, welche Typen man grob unterscheiden kann, dann welche Phasen im Bahnhofsbau geschichtlich identifiziert werden können, bevor wir einige Elemente des Bahnhofs herausarbeiten und als folgenden Punkt wollen wir grob umreißen, welche Rolle der Bahnhof bei der Umgestaltung und Erweiterung der Stadt gespielt hat. Als letztes sollen einige Bahnhöfe vorgestellt werden.

Aufteilung in Bahnhofstypen

Bahnhöfe tauchen in den unterschiedlichsten Formen in der (Stadt-)Landschaft auf. Ganz grundsätzlich kann man zwischen Güter- und Personenbahnhöfen unterscheiden. Güterbahnhöfe sollen hier nicht weiter betrachtet werden. Personenbahnhöfe wiederum können nach ihrer Lage im Liniennetz unterteilt werden (beispielsweise Endbahnhof, Kreuzungsbahnhof etc.). Wesentlich interessanter ist jedoch eine Einteilung von Personenbahnhöfen nach ihrem Grundriss. Damit zeigen sich die Formen, die der Bahnhof in der Stadt einnimmt und die Verbindungen mit dem einen Bahnhof das Aussehen einer Stadt formt.

Die häufigste Form des Bahnhofs ist der Durchgangsbahnhof. An ihm kann ein einfahrender Zug, zur anderen Seite wieder ausfahren. Sonderform des Durchgangsbahnhofs ist der Reiterbahnhof, bei dem das Empfangsgebäude quer über den Gleisen gebaut wurde. Ein bekanntes Beispiel ist der Hauptbahnhof Hamburg. Eine andere Form ist der Inselbahnhof, wo die Gleise das Empfangsgebäude komplett umschließen, so wie beispielsweise in Halle (Saale).  So etwas wie ein doppelter Durchgangsbahnhof ist ein Turm- oder auch Etagenbahnhof. Hier führen die zumeist durchgehenden Gleisanlagen auf unterschiedlichen Ebenen über- bzw. untereinander vorbei. Ein bedeutendes Beispiel dafür ist der Hauptbahnhof Berlin, wo sich die Strecken von Ost nach West und Nord nach Süd auf unterschiedlichen Ebenen kreuzen.

Dem gegenüber ist bei einem Kopfbahnhof keine Durchfahrt möglich. In Kopfbahnhöfen endet das Gleis. Diese Grundrißform entstand in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Da man keine Eisenbahnverbindung weiter in die Innenstädte vorließ, oder die Grundstückspreise einen Weiterbau nicht finanzierbar machte, entstanden an den zumeist an den damaligen Stadträndern Kopfbahnhöfe. Hatte die Stadt noch eine Stadtmauer, so wurden die Stationen bis zu diesen gebaut. Nachdem Verschwinden der städtischen Befestigungen wurden so die Bahnhöfe zu so etwas wie den Toren zur Stadt für ankommende und abfahrende Passagiere. Da die Städte auch durch die Anbindung der Eisenbahn enorm wuchsen, finden sie sich heute am Rande der Innenstadt wieder. Meist konnten, insbesondere in größeren Städten, mehrere Kopfbahnhöfe errichtet werden, da es unterschiedliche Eisenbahngesellschaften gab. Das konnte sogar zu einer ganzen Reihe von Bahnhöfen in unmittelbarer Nähe führen, wie in London, wo keine Bahnlinie näher an die Stadt ranfahren durfte,  als bis zur Euston Street. Tatsächlich konnten sich aber zahlreiche Gesellschaften mit ihren Gleisen dort treffen, bauten jedoch jeweils eigene Bahnhöfe, die man auch heute noch so finden kann, mit der Euston Station, Kings Cross und St.Pancras Station. In anderen Städten wurden diese Bahnhöfe später zusammengelegt, wie in Frankfurt oder Leipzig (wo je drei Endhaltestellen auf engstem Raum ankamen) und riesige Großbahnhöfe entstanden.

Phasen des Bahnhofsbaus

Im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert hatten neue Bahnhofsbauten  eine große architektonische Bedeutung. Die Eisenbahn wurde zum bedeutendsten und fortschrittlichsten Transportmittel der Welt. Sie revolutionierte nicht nur das Reisen, sondern die gesamte Lebensweise der Menschen, die in der Nähe eines Eisenbahnanschluss wohnten. Um nur ein Beispiel zu nennen, die heutigen Zeitzonen unserer Erde, mussten erst durch die Erfindung der Eisenbahn geschaffen werden, da man eine standardisierte Zeit für die korrekte Abwicklung der Fahrpläne benötigte. Durch die Bahnfahrt wurde eine Distanz nicht mehr räumlich, sondern zeitlich gedacht (das geschieht auch heute noch, neue Hochgeschwindigkeitsstrecken werben mit der Zeitersparnis gegenüber alten Routen).
Die Eisenbahn erneuerte die Bewegung der Menschen. Jede Stadt wollte daher im 19. Jahrhundert möglichst schnell an das Eisenbahnnetz angeschlossen werden und so wurde auch der Bahnhofsbau zu einem Brennpunkt der Bauplanung. Schon allein wegen seiner fortschrittlichen Rolle, wurde er zu einem der zukunftsweisendsten Bauwerke der Stadt.
Obwohl die Literatur über Bahnhöfe eher bescheiden anmutet, wenn man ihre Größe und Bedeutung betrachtet (eine kleine Aufstellung findet sich am Ende des Beitrags), hat sich doch eine historische Einteilung für den Bau von Bahnhofsgebäuden durchgesetzt.
Die erste Phase war die Pionierzeit von 1830 bis 1850. Erste Linien wurden angelegt und verbunden. Der Bahnhof wurde dabei der Poststation nachgeahmt, die bis zu seiner Erfindung für den Betrieb der Postkutschen zuständig war und bei denen die Pferde gewechselt wurden. Die ersten Bahnhöfe wurden daher auch im Abstand von rund 15 bis 20km eingerichtet, um die Wasser- und Kohlenvorräte zu erneuern. Daraus entstammt auch der Name „Bahnhof“ im deutschen Sprachgebrauch, da es sich um eine geschlossene Anlage für die Eisenbahn handelte. Er bestand aus Hochbauten auf beiden Gleisseiten, die mit Zäunen gesichert wurden, wobei sogar die Gleise umzäunt waren.
In den 1850er Jahren folgte die Phase der Vereinheitlichung, die vor allem besagt, dass aus einzelnen Linien, Netze wurden. Auch die unterschiedlichen Spurweiten pegelten sich ein, was hauptsächlich daran lag, dass die Lokomotiven aus Großbritannien gekauft wurden und damit die Spurweiten vorgegeben wurden. Bahngesellschaften versuchten verstärkt bei ihren Stationen ein einheitliches Bild abzugeben.
 Von 1860-90 folgte die Phase der stilistischen Verfeinerung. In dieser Zeit kann für Europa festgestellt werden, dass die Hauptrouten fertiggestellt wurden und der Ausbau kleinerer Strecken begann. Dem folgte bis zum 1.Weltkrieg die Phase der Megalomanie, dass heißt der Bahnhofsbauten die immer größer und gigantischer wurden. Diese entstanden, da Vereinheitlichungen vorgenommen wurden und Großbahnhöfe die vielen kleinen Haltepunkte, die gern auch nebeneinander lagen, vereinen sollten.
Danach sind die Einteilungen nicht mehr einfach zu treffen, da je nach Nation unterschiedliche Wege gegangen wurden. Der 2.Weltkrieg betraf insbesondere Europa und führte zu riesigen Beschädigungen die selbstverständlich auch Bahnhöfe trafen, die sehr häufig Ziele der Bombardements wurden. Klar ist, dass nach dem 2.Weltkrieg das Zeitalter des Automobils begann und damit die Eisenbahn zurück gedrängt wurde. Spätestens in den 1960er Jahren ist ein massiver Rückbau von Bauwerken zu beobachten gewesen, einige der besten und schönsten Stationen vielen dem Abriss zum Opfer, so wie die historische Penn Station in New York oder die alte Euston Station in London. Auch wenn zu jener Zeit die ersten Bewegungen entstanden, die darauf drängten Bahnhöfe als kulturelles Erbe zu erhalten (und die einigen Erfolg hatten, wie sich an der Grand Central Station in New York zeigt, die abgerissen werden sollte, oder am Gare d’Orsay in Paris, der zwar kein Bahnhof blieb, aber zu einem Kunstmuseum umgebaut wurde), konnte man bis in die 1980er Jahre hinein, eine zunehmende Verwahrlosung von Bahnhöfen feststellen, die dann ab den 1990er Jahren in einer Renaissance endeten, als Bahnhöfe mit neuen zusätzlichen Funktionen ausgestattet wurden. Bahnhöfe wurden zu Orten des Konsums, nicht nur für die Reisenden, sondern auch für andere Bürger, die lediglich seine nicht enden wollende Öffnungszeiten benutzen wollten. Damit veränderte sich sukzessive seine Eigenschaften und teilweise wurden Bahnhöfe zu Malls mit Gleisanschluss.

Die Elemente des Bahnhofs

Als gegen 1830 die ersten Bahnhöfe gebaut wurden, folgten diese Bauten meist dem architektonischen Stils des Zeitgeistes von Neogotik oder Neoklassik. Trotzdem durften Architekten beim Bahnhofsbau durchaus Neuerungen einsetzen, war doch der Bahnhof Symbol einer modernen Welt. Einige Eisenbahngesellschaften wollten einen eigenen, wiedererkennbaren Stil durchsetzen, während bei anderen Unternehmen der Architekt frei entscheiden konnte, was er für die beste stilistische Lösung hielt. Die ersten Stationen hatten zumeist ein Verwaltungsgebäude, was an der Längsseite des oftmals einzigen Gleises stand. Später wurden doppelseitige Bahnhöfe gebaut, an Endpunkten Kopfbahnhöfe. Die ersten Bahnsteighallen, die mehrere Gleise in sich vereinten, wurden fast immer mit einem gewölbten Dach gebaut. Interessanterweise war dies aber keine Tätigkeit für einen Architekten. Es sollte von den künstlerisch weniger beschlagenen und solideren Ingenieuren konzipiert werden, die für Innovationen bekannt waren, aber nicht für Kunst. Diese bauten  leichte, weite Hallen, deren Bogenrippen erst aus Holz, später aus Eisen errichtet wurden. Das erste gewölbte Eisendach entstand 1849 an der Liverpooler Lime Street Station. Diese Hallen wurden mit den Jahren immer größer und orientierten sich an den neuesten Stand der Technologie, welcher sich zumeist in den großen Ausstellungsgebäuden der Weltausstellungen der 2.Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigte.  Später wurden die Hallen sogar mehrfach überspannt. Den Rekord hält der Leipziger Hauptbahnhof, der sechsfach überspannt ist.
Jedoch waren es meist die Abmessungen der Bahnsteighalle, welche die Größe des Gesamtbaus definierte. Das Empfangsgebäude, das für das künstlerische Aussehen des Bahnhofs stand, wurde von Architekten erdacht, wobei es dabei durchaus Spezialisten für Bahnhofsarchitektur gab. Selbstverständlich waren diese Bauwerke nicht nur rein funktionale Bauten, sondern mussten auch Repräsentieren, ob nun die Stadt oder die Eisenbahngesellschaft oder beide zusammen. Hier lassen sich zwei Merkmale aufzeigen, die für Bahnhofsgebäude typisch wurden.
Seit den 1880er Jahren kamen Torbögen an der Eingangsfront in Mode. Sie hatten zum einen die symbolische Funktion, als ein neues Stadttor zu fungieren (man darf nicht vergessen, die meisten Stadtmauern und Tore wurden erst im 19. Jahrhundert abgerissen und waren noch nicht weit aus dem kollektiven Gedächtnis entschwunden). Zum anderen hatten sie den gewachsenen Andrang an Passagieren zu bewältigen, denn die Eisenbahn wurde zu dem Massentransportmittel schlechthin. Dabei konnte der Torbogen sich in der Fassadengestaltung wiederholen. Steve Parissien schreibt, dass deutsche Bahnhöfe besonders gern dreibogige Eingänge haben.
Ein weiteres typisches Bahnhofscharakteristikum ist die Turmuhr oder auch der Uhrenturm, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts durchsetzte und die die Rolle der Zeit nochmals objektiv darstellte. Diese Türme unterbrachen zumeist die eher horizontale Wirkung der breiten Bauten und fügten ein vertikales Element ein. Eine der ersten Uhrentürme wurde von George Gilbert Scott am ausschweifenden Bahnhof St. Pancras in London angebracht. Uhrentürme konnten dabei sowohl als symmetrisches Element in die Mitte der Gesamtstruktur eingebaut werden, gleichfalls eigneten sie sich aber auch als unsymmetrisches Bauteil, dass den Bahnhof auflockerte. Uhrentürme waren bei Nord- und mitteleuropäischen Bahnhöfen übrigens weitaus verbreiteter als in Südeuropa.

Ein Bahnhof besteht aus sehr unterschiedlichen Elementen. Als wichtigstes ist natürlich die Anbindung an seine Infrastruktur zu bemerken. Das heißt, es führen Gleise durch oder um die Stadt bis ins Gebäude hinein. Die Gleise im Bahnhof sind zumeist überdacht, entweder mit einem Bahnsteigdach oder in Form einer Bahnhofshalle, die imposante Maße annehmen kann. Die ersten Bahnhöfe hatten zumeist auch ein Verwaltungsgebäude, was an der Längsseite des oftmals einzigen Gleises stand. Später wurden doppelseitige Bahnhöfe gebaut, dass heißt an beiden Seiten befanden sich Gebäude, dessen Zweck es zu Beginn des Eisenbahnzeitalters war, die ankommenden und die abfahrenden Passagiere voneinander zu trennen und Ein- und Ausstieg zu regeln, so wie man es heute noch bei Flughäfen kennt. Diese Bauwerke wurden auch als Empfangsgebäude bezeichnet.  Am Anfang war dies zumeist nur ein simpler Bau, der aber mit der Zeit zunehmende Wichtigkeit errang, weil er neben seinen Funktionen auch repräsentieren musste. Diese Bauwerke standen zumeist neben den Gleisen, auch bei Kopfbahnhöfen. Erst danach entstanden unterschiedliche Grundrissformen. Erst danach entstanden unterschiedliche Grundrissformen. Gerade Kopfbahnhöfe konnten U-förmig, L-förmig oder auch mit anderen Lösungen die Gleise umbauen. Dabei entstand auch der Querbahnsteig (daher die begehbare Fläche die rechtwinklig nach dem Ende der Gleise begann), der anfangs noch geteilt war, zum einen als Teil der Empfangshalle, zum anderen als Teil der Bahnsteighalle.
Das gesamte Prozedere der Bahnreise war anfangs von einigen Regeln geleitet, welche die Reise erheblich zeitaufwändiger machten, als wir dies heute praktiziert wird. Kann man heutzutage, quasi in letzter Minute, noch seinen Zug bekommen, war die Bahnreise früher ein sehr geordneter Prozess, der sich tatsächlich mit der heutigen Flugreise vergleichen lässt. Die Passagiere fanden sich weit vor dem Abfahrtszeitpunkt der Reise ein und saßen in einem Wartesaal, welcher auch nach Klassen unterteilt werden konnte. Sie wurden dann für ihren Zug aufgerufen und zum Bahnsteig geleitet. Mit der Vereinfachung dieses recht aufwendigen Prozesses, wurden architektonische Veränderungen möglich. Die Wartesäle verloren an Bedeutung, das Empfangsgebäude wurde zum Durchgang degradiert. Der Zug konnte nun zügig, vom Eingang des Bahnhofsvorplatzes über die lange Empfangshalle erreicht werden. Im Mittelpunkt standen dabei die Fahrscheinschalter, an denen Billets erworben werden konnten. In den Zwischenräumen siedelten sich kleine Verkaufsläden an, die Reisebedarf anboten. Heute sind daraus, oft nach massivem Umbau, ganze Malls geworden, wie am Leipziger Hauptbahnhof. Diese gestalten die Funktionalität eines Bahnhofes erheblich um. Teilweise werden aus Bahnhöfen dann Einkaufszentren, die mit anderen Shoppingcentern in der Stadt konkurrieren. Dabei können sie teilweise ihren Charakter als öffentlicher Ort stark verändern. 

Am Ende des 19.Jahrhunderts zeigte sich, das Hochbauten im Vergleich zur Trassierung und zur Wartung der Strecke recht preisgünstig waren, wodurch sich die Überlegung ergab, zu Werbe- und Repräsentationszwecken stattliche und bewundernswerte Bauwerke zu errichten. Weiterhin entwickelten sich die Bahnhöfe zu Orten des öffentlichen Raumes der Stadt, die sich aber von anderen Bauwerken im urbanen Kontext unterschieden. So war es nicht das Empfangsgebäude, welches das Stadtbild erneuerte, sondern die Bahnsteighalle, welche sich zumeist dahinter emporschwang. Für die bauliche Qualität sprach dann, wenn es einem Bahnhof gelang Halle und Empfangsgebäude in eine künstlerische Einheit zu bringen.
Eine Bahnsteighalle gehörte bald zum guten Ton eines Bahnhofes, denn man wollte die Passagiere nicht den Wetterbedingungen aussetzen. Diese Hallen wurden zu den charakteristischen Gebäuden des 19. Jahrhunderts und waren damals der Höhepunkt an baulichen Möglichkeiten der Raumbedeckung mit immer größerer Spannweite. Hatten die ersten Bahnhöfe zumeist nur einfache Zimmermannsdächer, so wurden später Gus- und Schmiedeeisenkonstruktionen herangezogen, auch weil sie einen höheren Schutz vor Feuergefahr brachte. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Stahlkonstruktionen für die Dachträger üblich. Obwohl gerade nach der Jahrhundertwende die Hallen immer gigantischer wurden, gab es doch auch Bahnhöfe, die es bei einem simplen Bahnsteigdach beließen. Ein Beispiel ist der der Madrider Bahnhof Chamartín, ein Neubau aus den 1970er Jahren, der nur mit Bahnsteigdächern und ohne Halle gebaut wurde.

Der Bahnhof und die Stadt

Historisch gesehen folgt der Bahnhof dem Postkutschverkehr. Deren Abfertigungsstationen lagen zumeist mitten in der Stadt und unterschieden sich kaum von anderen Häusern der Ortschaft. Nur der Name des nahen Gasthofes „Zur Post“ und alte Postmeilensäulen erinnern heute noch daran. Mit der Bahn ändert sich die Position der Stationen der neuen Transportmittel, denn die ersten Bahnhöfe lagen außerhalb der Stadtmauern, da innerhalb dieser das Land stark benutzt und teuer war. Doch mit der Eisenbahn kam die Veränderung. Die Transformation der engen mittelalterlichen Stadt zur modernen Stadtlandschaft, die sich so rasend schnell im 19. Jahrhundert vollzieht ist das „Resultat der Industriellen Revolution im allgemeinen, der Transportrevolution der Eisenbahn im besonderen.“ (Schievelbusch; S. 158). Die Eisenbahn war – zumindest in Europa – mitverantwortlich für die dichte Bebauung in der Innenstadt und sie prägte den Charakter der ihr anliegenden neuen Vorstädte, nicht zuletzt war sie ein entscheidender Faktor des Immobilienmarktes des 19. Jahrhunderts.  
Der neu entstehenden Bahnhöfe hatte bald eine Scharnierfunktion (der Ausdruck stammt von Thomas Hengartner aus seinem Aufsatz „Bahnhöfische Welten“) in der Stadt eingenommen. Erst war er ein Appendix, der am Rande der Stadt gebaut wurde, doch wurde er bald zu einer Schleuse, der den Strom der Reisenden in die Stadt hinein bündelte. Der Bahnhof wurde das Tor zur Stadt, für Personen, die in sie hinein wollen, gleichzeitig aber auch das Tor zur Welt, für die Reisenden, die die Stadt verlassen wollten. Schon das ist in gewisser Weise in die Architektur – gerade von Kopfbahnhöfen – eingeschrieben. Das steinerne Gebäude des Empfangsgebäudes ist der Stadt zugwendet und hat eine urbane Dimension, während die weite Bahnsteighalle dahinter die Ausweitung des Raumes mit seinen oft riesigen Bögen bereits andeutet. Außerdem geht dieser Einteilung eine langsame lebensweltliche Annäherung der Stadtbewohner und Passagiere voraus. Das steinerne – dem Stadtbild einbezogene – Gewand der Empfangshalle, milderte in gewisser Weise die dahinterliegende Technologie ab und bettete sie in die Stadt ein. Die zur damaligen Zeit als futuristisch einzuordnenden Hallen, wurden also gegenüber dem alten Stadtkern etwas versteckt.
Wie schon erwähnt, wurde die Eisenbahn zu einem gewaltigen Faktor für die Industriealisierung, insbesondere in Europa. Wo ein Bahnhof entstand, konnte sich neue Industrie ansiedeln. So wurde der Bahnhof auch schnell zu einem Faktor für frühe Segregation. Die Innenstadt wurde zu einem Zentrum, in das Menschen einströmen konnten.
Auf der anderen Seite der Bahnhöfe, abgewandt vom Stadtkern entwickelten sich städtische Infrastrukturbauten (wie Gaswerke, Schlachthöfe etc.) ebenso wie Wohnanlagen für die unterprivilegierten Schichten. Die jeweilige Dynamik der städtischen Entwicklung spielte hier eine große Rolle. In London beispielsweise wurden die Bahnanlagen nur durch proletarische und damit billige Gebiete gebaut. Die Bahnhöfe im armen East End konnten viel tiefer in die Stadt eingesetzt werden, als im reichen West End, wo sie nur an der Peripherie entstanden. Gleichzeitig wuchs die Stadt schier unaufhörlich und bald lagen die Bahnhöfe nicht mehr am Rande, sondern fast in ihrer Mitte.
Der Bahnhof trug nach seiner Eröffnung auch zu einer erheblichen Steigerung des Verkehrsflusses in der Stadt bei. Die umliegenden Straßen veränderten ihren Charakter in großer Geschwindigkeit. Die Bahnhofsstraße entstand, welche – wie gerade gesagt – die Station mit dem Stadtkern verband und die strömenden Menschenmassen anzog. Das ging nicht ohne eine Erweiterung oder gar einen Neubau, der bisherigen Struktur. Straßenbahnen rollten über sie, Geschäfte der neuen bürgerlichen Welt eröffneten und luden zum Konsumieren ebenso ein, wie zum Flanieren. Das Kaufhaus entstand nicht zufällig auf diesen neuen Straßen. Es basierte auf dem Prinzip des hohen Umsatzes bei niedriger Profitrate. Die Preise wurden fest ausgezeichnet und der Eintritt in das Kaufhaus verpflichtete niemanden zum Kauf.  Der Konsum im Kaufhaus wurde unpersönlicher, da eine Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer, anders als in traditionellen kleinen Läden, nicht notwendig wurde. Das Preisschild ersetzte in gewisser Weise das Verkaufsgespräch.
Die Umgestaltung von Paris unter Baron Hausmann ist ein gutes Beispiel, wie diese neue Stra0ßenform die Struktur und auch das Leben in der Stadt veränderten. Der massive Stadtumbau beginnt mit dem Boulevard de Strasbourg, welcher in gerader Linie (einer Bahnlinie nicht unähnlich) vom Gare de l’Est in die Innenstadt führt. Der Bahnhof wurde zum Brückenkopf für den Verkehr in der Stadt und die (Bahnhofs-) Straße leitete diesen Verkehr weiter. Sie existierte von ihm und für ihn und das unterscheidet sie von der mittelalterlichen Gasse, die der Schauplatz des gemeinschaftlichen Lebens war. (Exkurs: der gerade Boulevard des hausmannschen Paris unterscheidet sich ebenso von der barocken Allee. Zwar sind auch beide gerade angelegt, doch während die Allee auf den Fluchtpunkt zielte, der die königliche Macht repräsentierte, ist der Boulevard in erster Linie gerade, weil er damit am schnellsten von A nach B führt.) Die Eisenbahn und mit ihr der Bahnhof bringen den Verkehr in die Stadt und dieser wird zu einem solch dominanten Faktor, dass er von nun an, für die Planung der Stadt von großer Relevanz wird.
Der Bahnhof wiederum, als Quelle des urbanen Lebens, wie als kaum zu übersehende architektonische Markierung, wurde zu einem – wenn nicht gar dem – städtischen Orientierungspunkt und Wahrzeichen.

Literatur

Parissien, Steven (1997); Bahnhöfe der Welt. Eine Architektur- und Kulturgeschichte;
Eines der wenigen Bücher, die sich insbesondere um Bahnhöfe drehen. Wunderbar bebildert, aber leider sehr aus der britischen Perspektive des Autors beschrieben, der an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas weniger Wertung und mehr Struktur in seine Ausführungen gebracht hätte. Allerdings als Einführung ins Thema wunderbar!

Schivelbusch, Wolfgang (1977); Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert;
Der Klassiker zur Kulturgeschichte der Eisenbahn. Ein fast schon unverzichtbares Standartwerk, dass Bahnhöfe aber nur am Rande behandelt.

Kubinszky, Mihály (1969); Bahnhöfe Europas. Ihre Geschichte, Kunst und Technik;
Wer sich für europäische Bahnhöfe interessiert kommt an Kubinszky nicht vorbei. Die ersten 65 Seiten geben einen Überblick über die Geschichte des Bahnhofsbaus. Die restlichen 250 Seiten stellen europäische Bahnhöfe dar, wobei ein Schwerpunkt auf Deutschland liegt.

Bahnhöfe in Madrid

Estacíon de Atocha | Estacíon de Delicias | Estación del Norte | Estacíon de Chamartín

Madrid ist weltweit gesehen, vielleicht eine der besten, an den Zug-Fernverkehr im Hochgeschwindigkeitsbereich angebundenen Städte des Globus. Momentan können 18 spanische Städte mit dem Schnellzug AVE angefahren werden. Dies verteilt sich allerdings auf zwei Bahnhöfe. Im Norden der Stadt liegt Chamartin und am südlichen Ende der Innenstadt Atocha. Beide Bahnhöfe sollen in den folgenden Zeilen etwas genauer vorgestellt werden. Zwei andere Bahnhöfe, die für die (Bahnhofs-) Geschichte der Stadt nicht unwichtig sind (aber heute teilweise andere Funktionen haben), sollen ebenso kurz vorgestellt werden.

 

Estacíon de Atocha Erst Kopf-, jetzt Durchgangsbahnhof 88 Mio. PAX (2012)

 

Der Bahnhof Atocha ist heute so etwas wie der Hauptbahnhof Madrids und der am zentralste gelegene Bahnhof der spanischen Hauptstadt, wobei zentral bedeutet, dass er am südlichen Ende des Paseo del Prado am Ende der Innenstadt steht. Der Bahnhof geht zurück auf die erste spanische Bahnlinie von Madrid nach Aranjuez, welche 1851 eingeweiht wurde. Diese Privatbahn startete am Embarcadero Atocha, einem einfachen Gebäude, das zu jener Zeit noch außerhalb der Stadtmauern von Madrid lag, ein typischer Ort für die ersten Eisenbahnbauten. Der spanische Bahnverkehr war in jenen Jahrzehnten der ersten Eisenbahnwelle, geprägt von privaten Unternehmen, die unterschiedliche Linien betrieben und damit aber auch unterschiedliche Bahnhöfe in der Stadt errichteten. Den Ausgangspunkt Atocha nutzte ab 1856 die Gesellschaft MZA (Madrid-Zaragoza-Alicante), die zusammen mit dem größten Rivalen, der Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España (CCHNE) bald die größten Eisenbahnunternehmen Spaniens werden sollten. Die CCHNE ließ später den Bahnhof Norte in Madrid bauen, worauf weiter unten noch näher eingegangen werden soll. Schon in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts gab es Überlegungen, wie und insbesondere wo, ein einheitlicher Großbahnhof in Madrid errichtet werden könnte und schon damals hielt man den Standort Atocha für den geeignetsten, jedoch war die Zeit für einen einzigen Bahnhof noch lange nicht gekommen. 1864 brannten große Teile des ersten Bahnhofsgebäudes ab, dass wie seinerzeit üblich, aus vielen Holzbauteilen stammte. Bei ersten Reparaturen wurden Eisenteile eingesetzt, jedoch machte sich bald die Notwendigkeit eines vollkommenen Neubaus bemerkbar. Dafür wurden zwei Entwürfe eingereicht, wobei der Plan von Alberto de Palacio y Elissague umgesetzt wurde. 1882 wurde schließlich der neue Bahnhof unter dem Titel „Estación del Mediodía“ eingeweiht. Der Kopfbahnhof hatte eine mittig liegende 152m lange und 27m hohe Bahnsteighalle. Ähnlich dem kurz vorher fertiggestellten Bahnhof Delicias, wurden rechts und links Abfertigungs- und Verwaltungsgebäude der zentralen Halle angefügt, die im regional typischen Stil mit roten Ziegeln gefertigt wurde. Stiltechnisch wurde der in jenen Jahren in Madrid vorherrschende Eklektizismus angewandt. Der Bahnhof bot rund 2000 Reisenden Platz, eine für damalige Zeiten sehr hohe Zahl. Das Wachstum der Stadt um die Jahrhundertwende bezog sehr schnell die Umgebung der Station mit ein.  Nicht nur im näheren Umkreis entstehen neue Gebäude, auch die beiden Luxushotel „Ritz“ und „Palace“, die wenige hundert Meter weiter nördlich an der Prachtstrasse Paseo del Prado errichtet wurden, nutzten die günstige Lage zum nahen Bahnhof aus. Zunehmende Erweiterungen der Anlage wurden aber immer komplizierter, da auch die Nachbarschaft des Bahnhofs immer weiter zugebaut wurde. Das Metronetz der Stadt bekam 1921 einen Anschluss an den Bahnhof, während Straßenbahnen natürlich schon viele Jahre vorher (Innen-) Stadt und Bahnhof verbanden.
1933 begannen die Bauarbeiten an einem Eisenbahntunnel der quer durch die Stadt von Süden nach Norden führen und so einen Anschluss der Züge nach Nordspanien ermöglichen sollte. Dieser Bau jedoch wurde von riesigen Problemen begleitet, nicht nur vom spanischen Bürgerkrieg, der auch am Bahnhof Atocha seine Spuren der Zerstörung hinterließ. Nach seinem Ende wurden die Bahnen Spaniens verstaatlicht, so dass ab 1941 der Bahnhof Atocha zur staatlichen Gesellschaft RENFE gehörte. Nach über 30 Jahren Bauzeit wurde 1967 der Tunnel nach Norden eröffnet, der wegen seiner erheblichen Bauprobleme, auch „Túnel de la risa“, (daher:  „Tunnel des Gelächters“) genannt wurde. Er machte aus dem Kopfbahnhof Atocha einen Durchgangsbahnhof und führte zu einer Konzentration auf die Nord-Süd Achse, die schon bald zu wenig Kapazitäten für den rollenden Verkehr aufwies. Dies führte in zweiter Instanz aber zum Niedergang anderer Madrider Bahnhöfe (Delicias, Norte) bei gleichzeitiger Steigerung der Kapazität von Atocha, weshalb der Bahnhof in den 1980er Jahren komplett erneuert werden musste. Der spanische Architekt Rafael Moneo ließ die ehemalige Bahnsteighalle zu einem botanischen Garten mit Shops und Verwaltungseinrichtungen umbauen, gleichzeitig wurde eine neue Bahnsteighalle etwas weiter südlich eingeweiht und sowohl den S-Bahnverkehr (Cercanias) als auch den Fernverkehr beherbergt. 1992, mit der Eröffnung der der AVE-Linie nach Sevilla, kam schließlich der neue Bahnhof „Madrid Puerta de Atocha“ dazu, der als Haltepunkt für den neuen Hochgeschwindigkeitsverkehr dient. So sehr man die Umgestaltung des alten Bahnhofs bewundern kann, so sehr ist verstört doch aber insbesondere die Bahnsteighalle des neuen Teils, die bestenfalls als zusammengebastelt bezeichnet werden kann.
Seine schlimmsten Stunden erlebte der Bahnhof am 11.März 2004, als islamistische Terroristen Bomben in eingefahrenen S-Bahnen zündeten und damit 191 Menschen töteten und über 2.000 Verletzten. Diese Attacke führten weiterhin zu einem politischen Erdbeben, bei den nur wenig später stattfindenden Wahlen in Spanien. Eine ausführliche Darstellung der Ereignisse  findet sich auf wikipedia (hier). In Erinnerung an die Opfer der Gewalt wurde im Bahnhof ein Raum der Stille eingerichtet.
Mit den weiteren AVE-Linien nach Katalonien und in die Levante, hat Atocha heute seine Rolle als Hauptbahnhof ausgebaut. Momentan wird ein dritter Tunnel nach Norden gebaut, um es auch AVE Schnellzügen zu ermöglichen von Süd nach Nordspanien zu fahren und trotzdem in Atocha zu halten. Heute reisen rund 240.000 Menschen täglich von der Estacíon de Atocha ab.

 

Estacíon de Delicias Kopfbahnhof heute Eisenbahnmuseum

 

Der Bahnhof Delicias ist der einzige der vier beschriebenen Stationen, der überhaupt keinen regelmäßigen Zugverkehr mehr aufweisen kann, trotzdem ist er ein historischer Platz. Hier wurde am 30.März 1880 der erste große mit einer gewölbten Bahnsteighalle ausgestattete Bahnhof Madrids eröffnet. 1879 begannen die Arbeiten unter der Leitung des französischen Baumeisters Emile Cacheliévre. Beeindruckend ist noch heute die rationalistische Bauweise der Haupthalle, deren Giebel als unverkleidete Stahlkonstruktion erbaut wurde. Es ist der erste Bau mit einer Stahl-Glas Bauweise in Madrid. Die 22m hohe, 35m breite und 170m lange Halle beherbergt fünf Gleise. Ihre Konstruktion folgt dem gleichen Prinzip der Weltausstellungshalle von Henri de Dion, welche nur ein Jahr vorher in Paris eröffnet wurde. Dabei werden die armierten Stützpfeiler in betonierte Pfeiler eingelassen, wodurch eine Bahnsteighalle ohne Abspannungen, Verstrebungen oder Wiederlager möglich wurde. Rechts und links sind Seitengebäude angeschlossen, die etwas an die damals gern benutzte Neomudejar-Architektur erinnern. Sie dienten zur Passagierabfertigung und als Diensträume. Die ersten hier abfahrenden Züge gingen nach Ciudad Real und von da in Richtung portugiesische Grenze, wobei zu einem Großteil auch Waren abgefertigt wurden. Doch nur 10 Jahre später sollte der Ausbau, des in der Nähe befindlichen Bahnhofs Atocha fertig sein, der eine weitaus größere Zahl an Zugverbindungen hatte. Obwohl auch Delicias Zugang zu diesem Netz hatte, war der Bahnhof nie so bedeutend wie Atocha. Und dieser Zugang führte noch zu einer kleinen Besonderheit. Da das Schienennetz rund sieben Meter tiefer als die namensgebende Straße Paseo de Delicias lag, liegt der Bahnhof etwas versteckt und ist von der Straße nicht sichtbar.
Nach dem spanischen Bürgerkrieg und der Integration des Streckennetzes in den Staatskonzern RENFE wurde der Bahnhof elektrifiziert, 1969 aber für den Personenverkehr und 1971 für den Güterverkehr endgültig still gelegt. Glücklicherweise wurde das Gebäude nicht Opfer des zur damaligen Zeit weltweit vorherrschenden Zeitgeistes der Schleifung von Bahnhöfen, sondern fand eine neue Nutzung. Seit 1984 dient das Bauwerk als Eisenbahnmuseum der Stadt Madrid.

Estación del Norte Erst Kopf-, jetzt Durchgangsbahnhof Kein Fernverkehr mehr

 

Die Estación del Norte heißt heute „Príncipe Pío“ und wie auch der geänderte Name vermuten lässt, hat der Bahnhof heute eine andere Funktion als noch zu seiner Entstehung. Der Nordbahnhof wurde auf Veranlassung der Bahngesellschaft Compañía de los Caminos de Hierro del Norte de España (CCHNE) oder auch kurz nur der „Norte“ erbaut. Diese verband Madrid mit dem Norden Spaniens bis hin nach Irún. Die Estación del Norte diente dabei als zentraler Bahnhof in Madrid, wobei der Name lediglich die Richtung der anfahrenden Züge anzeigt, denn eigentlich liegt der Bahnhof im Westen der Stadt (diese Besonderheit wiederholt sich beispielsweise in Valencia, wo die Estación del Norte im Süden der Stadt liegt). 1861 wurde der erste Bahnhof im Tal des Flusses Manzanares eröffnet, wenngleich die Linie damals nur bis nach El Escorial ging. Im Jahr 1882 wurde schließlich ein neues Abfertigungsgebäude für Passagiere eröffnet, es entstand parallel zum Paseo de la Florida. Im Jahr 1928 wurde dann ein weiteres repräsentatives Empfangsgebäude erbaut, dass den Bahnhof zur Stadt hin, zur Cuesta San Vicente abschloss und von zwei Türmen gekrönt wurde. 1925 wurde der Bahnhof mit der Metro verbunden, was gleichzeitig bedeutete, dass man den recht steilen Aufstieg aus dem Tal zur Innenstadt bequem vermeiden konnte. Heute ist diese Metrolinie noch als Linie „R“ vorhanden und verbindet „Príncipe Pío“ mit „Opera“. Als RENFE alle privaten spanischen Eisenbahngesellschaften übernahm, wurde die „Estación del Norte“ zum zweitwichtigsten Eisenbahnstopp in Madrid. Alle Züge nach Kantabrien, Altkastillien oder Portugal starteten hier. Zum Verhängnis wurde dem Nordbahnhof aber, als man im tatsächlichen Norden Madrids mit dem Bahnhof „Chamartín“ einen neuen Bahnhof baute, welcher dann auch noch mit dem seit Ewigkeiten geplanten Nord-Süd Tunnel mit „Atocha“ verbunden wurde. Nach dessen Fertigstellung wurde die „Estación del Norte“ zunehmend unwichtiger und 1993 verließ ein letztes Mal ein Fernzug den Bahnhof in Richtung Galizien. Daraufhin folgte ein grundlegender Umbau der Station. Unter der Leitung von Javier Bustinduy Fernández wurde ein großes Loch unter der Bahnsteighalle ausgehoben, um den Metrolinien 6 und 10 eine Haltestelle zu geben, die dann Príncipe Pío hieß. Weiterhin wurde die alte Bahnverbindung zum Bahnhof „Atocha“ neu eingerichtet und größtenteils untertunnelt, womit Príncipe Pío auch an das S-Bahnnetz angeschlossen wurde. Im Jahr 2000 wurde das alte Empfangsgebäude von 1882 und eine Bahnhalle zu einem Einkaufszentrum und Kino umgebaut, das nun auch den Namen „Príncipe Pío“ trug. Durch den Ausbau der M30 unter den in der Nähe liegenden Fluss Manzanares, mit Projekt Madrid Rio, wurde gleichzeitig ein unterirdischer Tunnelbusbahnhof in Principe Pio gebaut, der 2007 eröffnet wurde und Anschlüsse insbesondere in den Westen und Nordwesten der Region bereithält. Lediglich das Empfangsgebäude aus dem Jahr 1928 liegt immer noch ungenutzt an der  Cuesta San Vicente und verfällt trotz vielfältiger Nutzungsideen.   

Estacíon de Chamartín Durchgangsbahnhof 21,3 Mio. PAX (2010)

 

Der Bahnhof Chamartín liegt in Madrids Norden und ist so etwas wie der 2.Hauptbahnhof der Stadt. Er ist von seiner Bedeutung allerdings klar Atocha untergeordnet. Von hier verkehren heute zahlreiche Fernzüge in den Norden Spaniens, der Nachtzug nach Lissabon, sowie die Hochgeschwindigkeitsverbindung nach Valladolid und Leon. Die Geschichte dieses eigentlichen Nordbahnhofes ist eng verbunden mit dem Problem, das Atocha im Süden der Stadt liegt und man dort keine Züge in Richtung Norden und Nordwesten Spaniens fahren lassen konnte. Deshalb wurde schon in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts ein Tunnel durch die Stadt geplant, welcher unter der „Paseo Castellana“ entlangführt. Die Arbeiten für den Tunnel wurden 1933 begonnen und auf dem Friedhof des Dorfes „Chamartín de la Rosa“ wurde die Fläche für einen neuen Bahnhof angelegt, doch durch den Bürgerkrieg und seine Folgen  änderte sich für Jahrzehnte nichts. Erst als der Tunnel fertig wurde, nahm auch der Bahnhof Gestalt an. Wobei erst sehr langsam, anfangs war nur ein Gebäude neben dem Gleis vorhanden. Chamartín wurde daher von Anfang an als Durchgangsbahnhof konzipiert, nicht als Endbahnhof einer Linie. Mit der Zeit wurde mehr und mehr Verkehr nach Chamartín verlegt, wobei er trotzdem für den Großteil des Fernverkehrs die Ausgangs- oder Endstation war. Diese Verlegung bedeutete aber auch, dass insbesondere der Bahnhof „Estacíon del Norte“ an Bedeutung verlor.
Zwischen 1970 und 75 wurde ein neues, großes und repräsentatives Bauwerk der Estacíon de Chamartín errichtet, das gleichzeitig auch einen Einkaufsbereich hatte und die Funktion eines neuen Hauptbahnhof übernehmen könnte. Der Komplex wurde so angelegt, dass die Empfangshalle wie ein Reiter über den Bahnsteigen schwebt, diese aber nur überdacht sind und keine eigene Halle haben. Eine Straßenauffahrt zum Haupteingang hin zeigt, dass man Autos in dieser Zeit keinesfalls mehr vernachlässigen konnte. Gleichzeitig entstand ein Hotelbau im Bahnhofskomplex.
Mit dem fertiggestellten Neubau wurden in den 1980er Jahren, zahlreiche Linien nach Chamartín verlegt. Als Atocha 1986 für Umbauten geschlossen wurde, war Chamartín der mit weitem Abstand bedeutendste Bahnhof der Stadt. Erst als 1992 Atocha wieder ans Netz ging und noch dazu von dort der erste Hochgeschwindigkeitszug AVE nach Sevilla führte, verringerte sich aber wieder sein Rang. Alle weiteren neuen AVE Linien starteten in Atocha und erst 2007 wurde die erste AVE Linie von Chamartín aus eröffnet. Damit wurde die Frage nach der Tunnelverbindung nach Atocha wieder aktuell. Zwar wurde 2004 schon ein zweiter Tunnel eröffnet, der den ersten entlasten sollte, trotzdem waren diese Strecken nicht für AVE-Züge geeignet, da diese eine eigene (die europäische) Spurweite haben. Also wird derzeit an einem dritten Tunnel zwischen Chamartín und Atocha gebaut, um auch das Hochgeschwindigkeitsnetz in Spanien zu vereinen

Transitort Madrid

Metro Madrid | Flughafen Barajas | Madrids große Bahnhöfe

Madrids Bedeutung in Spanien ergibt sich nicht nur aus seiner politischen Rolle als Hauptstadt. Anders als Paris, London, Moskau oder Berlin liegt Madrid direkt im Zentrum seines Landes, dem Staatsgebiets Spaniens und spielt somit auch als zentrale Verkehrsachse eine dominante Rolle. Der verkehrsreichste Flughafen Spaniens liegt in Madrid und fungiert als Drehkreuz der größten Airline des Landes iberia. Ebenso verkehren alle Hochgeschwindigkeitszüge (AVE) Spaniens von oder nach Madrid und der Streckenausbau wird von der Hauptstadt aus betrieben (was übrigens dazu führt dass es zwischen Madrid und 18 spanischen Städten AVE Verbindungen gibt, nicht aber zwischen der 2. und der 3. größten Stadt des Landes). Alle wichtigen Autobahnen führen von Madrid weg, die A1 bis A6 sind quasi im Uhrzeigersinn von der Stadt ausgehend in alle Himmelsrichtungen verteilt (mit der A7, der Mittelmeerautobahn, die nicht mit der Hauptstadt verbunden ist, beginnt die weitere Zählweise, anders als A1 bis 6 ist die 7 auch teilweise kostenpflichtig). Im folgenden soll etwas genauer ein Blick auf die Einrichtungen des Transits in Madrid geschaut werden.

Bisherige Artikel:
Metro Madrid, die achtlängste U-Bahn der Welt.
Madrids große Bahnhöfe, hier werden vier große und historisch bedeutende Bahnhöfe vorgestellt.

Bahnhöfe in Madrid

Bahnhöfe in Madrid

Metro Madrid

Metro Madrid

Metro Madrid

Das bedeutendste Nahverkehrsmittel der Stadt ist die Metro, deren Stationen fast überall in Madrid anzutreffen sind. Mit einer Gesamtlänge von 293km gehört sie zu den längsten U-Bahnen der Welt und ist eine der am schnellsten wachsenden Metros der Welt, nimmt man die letzten 20 Jahre als Maßstab. Heute fahren jährlich 560 Millionen Passagiere auf den 13 Linien auf denen man insgesamt 301 Bahnhöfe erreichen kann. Fast alle Stationen liegen im Stadtgebiet, jedoch führen einige Linien auch in die Vororte, wobei sie fast ausschließlich unter der Erde verlaufen. Das Netz des öffentlichen Nachverkehrs wird weiterhin von der S-Bahn artigen Cercanias abgedeckt, die weiter entfernte Gebiete in der Metropolregion ansteuert oder von den 3 Linien der Metro Ligero, einer Art Straßenbahn, die 2007 ihren Dienst aufgenommen hat und unmittelbare Vororte im Norden und Westen bedient.

Geschichte der Metro

Seit 1871 gab es erst Pferdestraßenbahnen, später elektrisch betriebene Straßenbahnen, die insbesondere im Stadtzentrum zu einer sehr hohen Verkehrsdichte führten. So kam schon in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts der Vorschlag auf, eine U-Bahn zu bauen, so wie sie seinerzeit in London in Betrieb ging. Doch erst 1913 kam es zu einem ernstzunehmenden Vorschlag der  Ingenieure Miguel Otamendi, Carlos Mendoza und Antonio González Echarte. Sie stellten ein Plannetz aus vier Linien vor mit insgesamt 14km Länge auf. Die Streckenführung entspricht den heutigen Linien 1 bis 4. Mit Hilfe Königs Alfons konnte die Finanzierung geklärt werden und 1917 wurde die „Compañia Metropolitano Alfonso XIII“ gegründet. Die Bauarbeiten bereiteten erhebliche Probleme, da durch den im restlichen Europa tobenden 1.Weltkrieg kaum Material zu beschaffen war. So mussten auch die ersten Wagen aus Paris abgekauft werden, da es keine Firma gab, die eigene Madrider Wagen herstellen konnte.
Am 17. Oktober 1919 eröffnete der König Alfons XIII. offiziell den ersten Abschnitt der Linie 1. Dieser war 4 Kilometer lang und führte von Sol nach Cuatro Caminos am damaligen nördlichen Stadtrand, wo sich auch das Depot für die Züge befand. Der fahrplanmäßige Betrieb begann zwei Wochen später, wobei schon schnell klar wurde, dass die Madrilenen die Metro sehr gut annehmen würden. Bereits zwei Jahre später folgte die erste Verlängerung, die zum Bahnhof Atocha führte. Ebenfalls 1921 installierte man die ersten Rolltreppen, deren Benutzung zu Beginn aber noch kostenpflichtig war, heute zählt die Madrider U-Bahn die meisten Rolltreppen aller Metros weltweit. Eine zweite Linie eröffnete 1924 und führte von Sol zur östlich gelegenen Stierkampfarena Ventas. Ein Jahr später kam eine bis heute noch bestehende Kuriosität dazu. Die Linie R (was als Abkürzung für Ramal (dt.: „Zweig“) steht). Sie führt von Opera ins Manzanares Tal zum damaligen Nordbahnhof (heute Principe Pio) und hat auf ihrer Streckenlänge von 1,1km keinerlei Zwischenhalte. Damals erleichterte sie den Transport erheblich, da die Steigung vom Tal in die Innenstadt erheblich ist und die Straßenbahnen diesen Weg nur unter großen Mühen und mit sehr langsamer Geschwindigkeit bewältigten. Mit dem Ausrufen der Republik 1931 änderte sich der Betreiberfirmenname in „Compañia Metropolitano de Madrid“. 1932 und 1936, nur wenige Wochen vor Beginn des Bürgerkrieges kam es zu Streckenerweiterungen. Die Linie 3 zwischen Sol und Embajadores im Süden ging in Betrieb. Trotz der Kämpfe um Madrid kam es bis zur Übernahme der franquistischen Truppen 1939 kaum zu Betriebsstörungen. Doch auch in der Zeit Francos erlebte die U-Bahn einige Ausdehnungen. 1951 bestand die U-Bahn aus vier Linien mit einer Streckenlänge von 27,6km.
In den 1950er Jahren erlebte Madrid einen enormen Bevölkerungsanstieg. Trotz großer staatlicher Pläne für einen Ausbau der Metro, kam es aber erst 1961 zur Einweihung eines neuen Teilstückes, dass damals unter dem Titel S (suburbano) eröffnet wurde und von Plaza España nach Carabanchel im Südwesten führte. Diese heute zur Linie 10 gehörende Strecke hatte erstmals 90m lange Bahnsteige (statt der üblichen 60m), um mehr Passagiere aufzunehmen. Bis 1966 wurden auch die Bahnsteige der Linie1 auf 90m verlängert, was zur einzigen Schließung einer Station führte, nämlich zum Wegfall des Halts Chamberí. Dieser Bahnhof kann heute als Museum besichtigt werden (LINK). Mit der 1968 eröffneten Verlängerung der Linie 5 ebenfalls nach Carabanchel wurde letztmals eine Kleinprofillinie mit 60m Bahnsteiglänge gebaut. Ein neuer bis 1974 endgültig erstellter Plan legte ein neues Konzept vor, dass von Großprofillinien mit 115m Bahnsteiglänge ausging. Die neuen Großprofillinien (das sind alle Linien ab Nummer 6) haben nicht nur längere Bahnsteige, sondern auch breitere Tunnel und werden von anderen Zugwagentypen durchfahren. Die erste Strecke dieses Großprofils wurde 1974 eröffnet mit der Linie 7 von Pueblo Novo nach Las Musas.
Bis in die 1970er Jahre hinein war die private Metrogesellschaft ein gewinnbringendes Unternehmen. Jedoch häuften sich die Probleme. 1974 wurden erstmals Verluste eingefahren. Daraufhin erhöhte man die Fahrpreise, was auch zu einer Abnahme der Passagierzahlen führte. Zusätzlich sorgten Vandalismus und Taschendiebstähle für einen zunehmend schlechten Ruf der Metro Madrids. Durch den Tod Francos und der Transformation zu einem modernen demokratischen Staat veränderte sich die politische Landschaft in Spanien, was auch Konsequenzen für die U-Bahn der Hauptstadt hatte. Die neue Regierung übernahm die Kontrolle über die Metro und verstaatlichte sich schließlich 1979 komplett. Zu diesem Zeitpunkt war das Streckennetz 64km lang. Es wurde nun verstärkt investiert, sowohl in Sicherheitsmaßnahmen, als auch in die Infrastruktur. Bis 1982 wurde der erste Teil der Ringbahn, Linie 6 eröffnet, die Linie 9 von Sainz de Baranda bis Pavones und der erste Abschnitt der Linie 8 (die heutige Linie 10) von Nuevos Ministerios bis Fuencarral. Damit wurde drei Tage vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in Spanien, das Bernabeu Stadion an das Netz angeschlossen. Mit einem neuen Abschnitt der Linie 9 (von Plaza Castilla bis Herrera Oria, die Strecke hatte noch keine Verbindung mit der restlichen Linie 9 und wurde übergangsweise 9B genannt) erreichte die Metro 1983 eine Gesamtlänge von 100km. 1985 ging die Metro in das öffentlich-rechtliche Konsortium Consorcio Regional de Transportes de Madrid über. 1989 erfolgte eine Umbenennung in Metro de Madrid.
In den 1990er Jahren wurden gigantische Ausbaupläne vom Konsortium vorgestellt, die das Ziel hatten, dass jeder Einwohner der Stadt nur maximal 600m entfernt von einer Station leben sollte. Mit dem schnellen Ausbau der Metro wurde sogar Wahlwerbung gemacht und die rechts-konservative Partido Popular gewann die Wahlen, mit dem Versprechen auf einen schnellen Ausbau. Dabei wurde ein neues Finanzierungsmodell erdacht. Es wurde eine Gesellschaft gegründet (namens: „Arpegio“), die sämtliche Finanzierungsaktivitäten durchführen sollte. Der Gesellschaft wurde staatlicher Grund und Boden vermacht. Sobald dort neue Metrolinien hingeführt wurden, stieg der Wert des Grundbesitzes rapide an und mit dem dann folgenden Verkauf des Landes wurde ein Teil des weiteren Ausbaus finanziert. So wurde nach der Seouler U-Bahn, die Madrider Metro die schnellst wachsendste ihrer Art auf der Welt. Die Ausbaukosten wurden dabei niedrig gehalten und lagen bei rund 31 Mio.€ pro km (die neu angelegte Londoner Jubilee Line soll ungefähr 10mal teurer gewesen sein). 1995 wurde der Ring der Linie 6 geschlossen, seitdem ist es die meistfrequentierte Linie. 1998 wurde die Linie S nach Norden verlängert und dort mit der Linie 8 verbunden und die neue Strecke als Linie 10 (die jetzt von Nord nach Süd die Stadt kreuzte) neu eröffnet. Ebenfalls in diesem Jahr wurde die Linie zum Flughafeneingeweiht, die die Bezeichnung der Linie 8 bekam. Jährlich kamen nun neue Abschnitte hinzu, die Linie 7 wurde auf das zweieinhalbfache ausgebaut, die Linie 9 wurde nach Arganda del Rey verlängert und verließ damit erstmals die Stadtgrenzen. Den Höhepunkt der Ausbauarbeiten gelang am 11.3.2003, wo 47km neue Streckenlänge an einem Tag übergeben wurden (die Verlängerung der Linie 10 in die südlichen Vororte und die daran anschließende Vortort Ringmetro „MetroSur“, die Linie 12). Die Linie 11, im Süden der Stadt, kam hinzu und bis 2007 erfolgte sowohl Stationsausbauten als auch zahlreiche Verlängerungen der Linien. Auch 2007 wurden noch drei weitere straßenbahnähnliche Linien, die Metro Ligero an das Netz angeschlossen (die allerdings getrennt bezahlt werden müssen). Diese führen in weniger dicht besiedelte Gegenden, zumeist in Vororte.

Madrider Metro heute

Heute ist die Madrider U-Bahn die 8.größte Metro der Welt (das ist insofern äußerst beeindruckend, als die Metropolregion Madrid wohl nur zu den weltweiten Top 50 gehört). Die einzelnen Stationen erzählen noch heute die Geschichte ihrer Herkunft. Die Ältesten sind meist noch recht eng, während die neusten Stationen, weiträumig, lichtdurchflutet und behindertengerecht gestaltet sind. Bis 2020 bestehen weitere Ausbaupläne für die Metro, sowohl was ihre innere Verzweigung in der Stadt, als auch ihre Herauswachsen in Vororte betrifft. Alle Stationen sind sauber und gepflegt, wobei die schmalen älteren Bahnhöfe schnell für große Menschen gefährliche Tiefen haben. Die Taktung beträgt in der Hauptverkehrszeit 2 bis 4 Minuten und die Züge verkehren von 6:00 bis 1:30 Uhr. Die Einzelfahrt beginnt ab einem Preis von 1,50€ (10 Fahrten kosten 12,20€). Tickets können aber nur innerhalb des Metronetztes verwendet werden, eine Kombination mit Bus, S-Bahn oder Straßenbahn ist nicht möglich. Trotz zahlreicher Preiserhöhungen in den letzten Jahren ist das Benutzen der Metro immer noch vergleichsweise billig und vor allem ist es sehr schnell. Betrachtet man noch, die außerordentliche Sauberkeit in Zügen und Stationen so kann man feststellen, dass die Metro de Madrid zu den besten ihrer Zunft gehört, was die Stadt durchaus Stolz machen sollte.