Sueca

Einwohner: 27.598 (2017) | 92,5 km² | Kreisstadt der Comarca Ribera Baixa | am Fluß Xuquer (Jucar) gelegen | 7 km von der Küste des Mittelmeers entfernt | 35km S von València | 8 km NW von Cullera

Mitten in der flachen Landschaft um die spanische Stadt València, welche die Flüsse Turia und Xuquer zwischen dem Mittelmeer und den Bergen abgelagert hat, liegt Sueca. Eine Stadt, die auf dem ersten und sogar zweiten Blick nicht viel bietet. Die S-Bahn von València nach Gandia teilt den Ort in einer geraden Linie. Benutzt man die alte Nationalstraße 332, die schon seit einigen Jahren von einer Autobahn ersetzt wurde, wird man um die Innenstadt herum geführt und hat lediglich einen Blick auf die runtergekommenen erscheinenden Gewerbegebiete. Nicht viel anders ist es, wenn man von der neu gebauten Autobahn A38 zum Meer fahren möchte, auch hier bleibt der Blick auf die Stadt verwehrt, da man das kleine Zentrum umrundet. Jahrelang bin ich an Sueca vorbeigekommen, aber nie kam mir je der Gedanke, mich mal näher mit der Stadt auseinanderzusetzen. Das halte ich heute für einen Fehler, denn Sueca muss man sich bewusst erschließen und dann hat dieses Städtchen seine Reize.

Mit nicht ganz 30.000 Einwohnern ist Sueca Kreisstadt der Comarca Ribera-Baixa und damit der östlichste Teil einer kleinen Metropolregion die sich über Alzira bis nach Xativa zieht und rund 350.000 Einwohner zählt. Die Lage der Stadt ist durch zwei Faktoren bestimmt; zum einen liegt sie mitten in der südlichen Huerta de Valencia (dem „Garten Valèncias“), in welcher sich auch die angrenzende Lagune Albufera befindet. Traditionell wird hier Reis angebaut und Sueca ist so etwas wie die Hauptstadt des Reisanbaus, dem fundamentalen Bestandteil der Paella, die etwas später in diesem Artikel behandelt werden soll.
Zum anderen ist Sueca aber nicht weit vom Meer entfernt, die eigentliche Stadt ungefähr 7 km. Zum Stadtgebiet gehören weite Sandstrände, welche der Wind und die Flüsse hier hingebracht haben. Doch anders als die Städte Cullera oder Gandia, die in Richtung Meer gewachsen sind, um dort mit beachtlichen und teilweise gigantischen Tourismus-Hochhausskylines zu thronen, sind auf dem Gebiet Suecas einzelne Urbanisaciones gebaut worden, die sich wie eine Perlenkette an der gerade von Norden nach Süden gehenden Strandlinie aufreihen. Von der Auto- oder der S-Bahn aus (die noch etwas weiter hinten im Landesinneren liegen), sehen diese Orte wie kleine Burgen aus, mit ihren teilweise weit über 10 Stockwerken hohen Ferienhäusern, die allerdings meistens vereinzelt auftreten und sich mit kleineren Strandhäusern oder niedergeschossigen Appartmentblöcken mischen. So weiß man in der Region València immer, wo das Meer ist, auch ohne es zu sehen. Es ist immer hinter den Hochhäusern. Diese Urbanisationen sind Ferienorte, die im Grunde nur im Sommer bewohnt werden, wenn die Haus- und Wohnungsbesitzer ihre Ferien hier verbringen, Hotels gibt es hier (fast) keine und erst in den letzten Jahren vermieten einige Besitzer ihre Wohneinheiten über internetgestützte Portale, auch an den Randzeiten des Sommers (Mai, Juni und September). Im Juli und August sind alle Lokale und Restaurants der Urbanisationen von früh bis abends geöffnet, Kinder spielen unter lauten Geschrei am Strand oder auf den Straßen bis in die Nacht hinein, in den neu gebauten Kirchen finden am Wochenende rege besuchte Gottesdienste statt, die Apotheken, die den Rest des Jahres nur geschlossene Rollläden aufweisen, sind besetzt und auf den Tennisplätzen duellieren sich Hobby-Nadals gegeneinander, solange der Sonnenstand es zulässt und man vor Hitze nicht zerfließt. Doch schon im September stirbt die Urbanität in den Urbanicaciones langsam wieder, die Schule hat dann angefangen und die Restaurants haben nur noch am Wochenende geöffnet. Das zieht sich bis zum 12.Oktober hin, dem Tag der Region València, welcher der gleichzeitig der letzte Tag der Saison ist. Wie würde sich Jaume I. fühlen, wenn er gewusst hätte, dass der Tag an dem er die Stadt València eroberte, später mal der Feiertag ist, der den Sommer endgültig beschließt. Er hatte wohl besseres zu tun, als über den Sommer nachzudenken. Während in den größeren Wohnanlagen die Pools abgelassen werden, schließen die allermeisten Geschäfte und Lokale bis Ostern und wenn man sich im November oder Februar hierhin verirrt, dann steht einem langen und einsamen Strandspaziergang rein gar nichts im Wege, vielleicht sieht man noch einen Klempner der die leeren Anlagen mit notwendigen Reparaturen versorgt, oder einen der Hauswarte, die sich auch im Winter darum kümmern, dass die Pflanzen der Hausanlagen gepflegt werden.
Viele der Besitzer der Wohnungen und Häuser in den Urbanisationen Suecas (diese ziehen sich wie eine gerade Schnur am Strand entlang, von El Perello im Norden bis nach Mareny Blau im Süden) kommen aus dem Großraum Valencia, während die allermeisten Angestellten der Restaurants und Läden aus Sueca kommen und hier ihren Sommerarbeitsplatz haben. Daraus entsteht eine eigenwillige soziale Differenz. Während man im Sommer an den Stränden spanisch hört, wird in Sueca valenzianisch gesprochen (Valenzianisch ist eine Sprachvariante des Katalanischen). Überhaupt ist Sueca ein Hort der valenzianischen Identität. Aus der Stadt stammt der Schriftsteller Juan Fuster, der nicht nur für seine katalanische Prosa bekannt wurde, sondern gleichfalls für in seinen Essays immer wieder eingetretenen Anspruch, Vertreter des intellektuellen katalanischen Nationalismus zu sein. Von ihm stammt die Betonung der Idee der Paisos Catalans, der katalanischen Länder, die eine Zusammengehörigkeit der Landesteile betont, die katalanisch sprechen (daher Katalonien selbst, Valencia und die Balearen sowie Andorra und kleine Teile von Okzitanien in Frankreich). Noch heute findet sich diese Idee übrigens auf Wetterkarten im katalanischen Fernsehen, die das Gebiet der Paisos Catalans abdecken (ganz ähnlich der Wetterkarten in der BRD, vor der Wiedervereinigung Deutschlands 1990). Nicht uninteressant ist es noch zu betonen, dass diese Art von valenzianischer Identität eine eher linksgerichte Orientierung bzw. Zuschreibung hat (zumindest in der Valenzianischen Gemeinschaft), während ihr rechtes Gegenstück dazu eher eine Betonung der spanischen Einheitlichkeit hat (gleichfalls darf nicht vergessen werden, dass es aber auch Linke gibt, die Zentralspanien preisen, dann aber meistens nicht aus katalanisch-valenzianisch sprachigen Gegenden kommen). Sueca jedenfalls kann als ein Nest, des linken Valenzianismus gelten, gab es hier nach dem Ende der Franco Diktatur nur linke, teilweise sogar kommunistische Bürgermeister.

Unabhängig von politischer Willensbildung und Identifikation ist der Reisanbau in Sueca von höchster Bedeutung und damit aber auch wieder ein Teil eines weitgreifenden kulturellen Erbes. Weltweit bedeutend ist die Paella Valanciana, eine Reispfanne (wobei ich damit niemals sagen würde, dass Paella Reis mit irgend etwas ist, Paella ist mehr und sollte von Ihnen, lieber Leser unbedingt mal vor Ort gegessen werden), die in Sueca besonders geehrt wird, denn seit 1961 wird alljährlich Anfang September ein internationaler Paella Kochwettbewerb veranstaltet (der Concurso Internacional de Paella Valenciana de Sueca), der zwar regelmäßig von valencianischen Köchen gewonnen wird, bei dem jedoch gleichfalls Teams aus Asien, Australien oder Amerika teilnehmen (der einzige Gewinner außerhalb Spaniens war ein Restaurant aus Kuba). Und so finden sich in den engen Gassen Suecas auch einige wundervolle Restaurants, die zu sehr erschwinglichen Preisen eindrucksvoll wohlschmeckende Paellas anbieten (am besten probiert man es an einem Wochentag, da diese dann im günstigen Menüpreis enthalten sind, mehr Informationen im Beitrag „Essen und Trinken in València“).
Der Reisanbau prägt auch die Landschaft um Sueca, die sich im Laufe des Jahres vielfarbig verändert. Die Saison beginnt mit den grauen Böden, die im Mai geflutet werden und dann die Landschaft in einen riesigen See verwandeln, der ungefähr die Größe erreicht, welche die Lagune Albufera mal vor 150 Jahren hatte, bevor sie durch die Einflüsse des Menschen auf ihre heutige Größe geschrumpft ist. Darauf folgt im Sommer der grün aufwachsende Reis, bis er im Herbst sich gelb verfärbt und geerntet wird. Dann sind Erntetraktoren auf den kleinen Wegen zwischen den Parzellen der Bauern unterwegs und in den Mühlen hört man das beständige Summen der Maschinen, die rund um die Uhr arbeiten. Im Winter verwandelt sich die Landschaft wieder in die grauen Felder und man wartet auf den nächsten Sommer, wenn die Felder grünen werden und die Touristenmassen wieder intensives Leben bringen werden.