Bilbao

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Bilbao ist aus sehr vielen Perspektiven eine höchst interessante Stadt. Zum einen ist sie Nordspaniens größte Stadt und hat mit ihren Vororten rund eine Millionen Einwohner. Zum anderen ist sie das wirtschaftliche, kulturelle und industrielle Zentrum des Baskenlandes und entwickelt eine ganz eigene Atmosphäre, die sich so in Spanien nicht wieder findet. Dann liegt Bilbo (wie die Stadt auf Baskisch heißt) auch im grünen Teil der iberischen Halbinsel liegt, was ein vollkommen anderes Klima und eine andere Vegetation bedeutet (als Beispiel sei genannt, dass es in Bilbao rund doppelt so viel regnet, wie in London). Nicht zuletzt soll darauf hingewiesen werden, dass nach dem Stadtumbau der letzten Dekaden, sogar ein ganzer Effekt benannt wurde.

Es gibt wohl nur sehr wenige Städte in Europa, die in den letzten 20 Jahren einen so großen Umbruch erfahren haben wie Bilbao. Dies geschah, etwas überspitzt formuliert, mit nur einem einzigen Gebäude, dem Guggenheim-Museum. Dieses 1997 eröffnete architektonische Meisterwerk von Frank O. Gehry, machte aus der schmutzigen Industriestadt Bilbao, fast über Nacht, eine Kunst- und Kulturstadt. Dieses Phänomen fand sogar Eingang in den Wörterkanon der Sozialwissenschaften, als sogenannter „Bilbao-Effekt“. Darunter versteht man die Aufwertung von Orten durch spektakuläre Bauten. Aus einem hässlichen Entlein, die Industriestadt Bilbao, die stark unter Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung litt, macht man einen schönen Schwan, die trendige Kulturstadt, die massenhaft urbanen Tourismus anzieht. 1995 zählte die Stadt rund 25.000 Besucher, 2009 waren es 615.000!
Doch was genau ist passiert? Entlang des Flusses Nervión entwickelten sich seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts verstärkt industrielle Produktionsstätten. Bilbao wurde neben Barcelona zu der Industriestadt in Spanien. Doch im Laufe der 1970er Jahre schwanden der Industrie massiv die Kräfte. Bilbao verlor erst Arbeitsplätze, dann auch noch Einwohner. Da besann man sich in der größten Stadt des Baskenlandes, dass nur weitreichende Veränderungen den Ort wieder attraktiver machen könnten. Alte Industrieanlagen wurden abgerissen und der Hafen vom Flussgelände ans Meer verlegt. Der frei gewordene Platz wurde mit neuer Architektur urbanisiert. Hauptaugenmerk war dabei das Guggenheim-Museum, eines der aufregendsten Gebäude der letzten Jahre, eines der Hauptwerke des Dekonstruktivismus und gleichzeitig ein spektakuläres Haus, dass allein schon durch sein andersartiges Aussehen den Betrachter fasziniert. Durch eine entsprechende Vermarktung entwickelte sich ein Besucherstrom aus ganz Europa, um sich das Gebäude anzusehen und in seinen Ausstellungshallen, Meisterwerke der zeitgenössischen Kunst zu bewundern (wenngleich die Kunst sich immer hinter ihrem Behälter anstellen muss oder anders gesagt: der Star ist das Bauwerk, nicht sein Inhalt).
Doch mit dem Museum allein ist es nicht getan. Weitere international renommierte Stararchitekten verewigten sich in der Stadt und formten das neue Bilbao, 1995 wurde eine U-Bahn von keinem geringeren als Norman Foster gestaltet, Santiago Calatrava projektierte die ZubiZuri Brücke und den Terminal des Flughafens und das Architekturbüro von Cesar Pelli plante den 165m hohen Büroturm der Konzernzentrale eines großen Energieunternehmens. Dazu gesellen sich einige historisch höchst interessante Bauwerke, wie die „Puente Colgante“ die 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Bilbao wirkt daher heute wie eine alte Industriestadt, die im ständigen Wandel zum modernen Zentrum unterliegt.

Der Wandel bleibt dabei nicht auf die eigentliche Stadt Bilbao beschränkt, die mit rund 41km² und rund 350.000 Einwohnern nicht sonderlich groß ist und eher wie hineingepresst in das Tal des Nervíon liegt. Dieser vermischt sich in Höhe der Altstadt mit Meereswasser und der Fluss wird bis zu seiner Mündung in 16km Entfernung immer breiter. Entlang des Flusses, der ab hier auch Rìa de Bilbao genannt wird, entstanden zahlreiche weitere Orte, die den Ballungsraum Bilbao ausmachen. Interessant ist das an der linken (oder westlichen) Flussseite zumeist die Industrie und die Arbeiterstädte angesiedelt wurden (z.B. Barakaldo), während die rechte Flussseite eher wohlhabende Städte (wie Getxo) entstanden. Summiert man die gesamte Metropolregion auf, so kommt man bei 500km² auf 910.843 Einwohner. Somit ist die Metropolregion die fünftgrößte in Spanien. Interessant ist, dass die eigentliche Stadt Bilbao nur rund 38% der Gesamtbevölkerung der Metropolregion ausmacht. Ein Ziel der Stadtentwicklung, welche die gesamte Region stärker mit einbeziehen möchte, ist es, die Orte am Fluss zu verbinden. Dafür wurde unter anderem das gemeinnütze Unternehmen Ria Bilbao 2000 gegründet, um nicht genutzte ehemalige Industrieflächen wiederzubeleben. Das Unternehmen kann viele Erfolge verzeichnen. Sehr interessante Bauwerke entstanden, wie das Azkuna Zentroa, oder auf Spanisch, die Alhóndiga, ein außergewöhnliches Kulturzentrum, das 1909 als Warenhaus für Wein eröffnet wurde und zum Ende des 20. Jahrhunderts von Philippe Starck umgebaut wurde. Ein weiteres wichtiges Element der Verbindung der Vororte mit dem Zentrum ist die Metro, die größtenteils von Norman Foster gestaltet wurde und auf zwei Metrolinien, die Vorstädte und Bilbao-Zentrum vereint. So kann man von Bilbao nicht nur als der eigentlichen Stadt, sondern als gesamter Region im Unterlauf und der Mündung der Flusses Nerviòn sprechen.

Bilbao liegt im „grünen Spanien“, also an der regenreichen Atlantikküste, genauer am Golf von Biskaya, der für sein stürmisches Wetter bekannt ist. Er hat seinen Namen übrigens von der baskischen Provinz Vizcaya bekommen, in welcher Bilbao liegt. Neben dem ständigen Regen, bedeutet dies, zumeist milde Temperaturen (im Sommer ist ein Temperaturgefälle von 15 Grad zwischen dem rund 400km entfernten Madrid und Bilbao keine Seltenheit), ständig grüne Hügel, die irgendwie das Baskenland auszumachen scheinen und ein Ambiente, dass eine ganz andere Seite von Spanien zeigt. Die Zeit scheint hier etwas mitteleuropäischer zu sein, es wird eher gegessen und in den Bars und Geschäften hört man fast die sonst im Lande quälend dahinfetzende spanische Schlagermusik nur sehr wenig. Auch die Hitze des Sommers ist, wie schon erwähnt, hier auch nur ein seltener Gast. Historisch gesehen entwickelte sich hier vor über 100 Jahren die baskische Nationalbewegung, auch wenn die Stadt wegen ihres eher großstädtischen Flairs auf dem ersten Blick viel weniger baskisch wirkt als beispielsweise Donostia-San Sebastián. Sehr stark vermischt sich baskisches und „Rest-spanisches“, was auch an der hohen Einwanderungswelle lag, von Menschen aus anderen Landesteilen, die in den wirtschaftlich florierenden Zeiten der 1950er, 60er und 70er, Arbeit im Baskenland fanden. Das führt auch dazu, dass nur rund 25% der Einwohner der Stadt Baskisch sprechen. Erschwerend kommt der Fakt hinzu, dass die Sprache keinerlei Ähnlichkeit mit anderen romanischen Sprachfamilien hat und so sehr schwer zu erlernen ist.

Zur Attraktivität Bilbaos zählt ebenso die baskische Küche, die sich vollkommen zu Recht eines großen Ruhmes erweist. Es sei jedem ans Herz gelegt, einen Abend lang von Bar zu Bar zu ziehen und von den dort ausgelegten Pinxos (kleinen Häppchen) zu probieren und diese mit einem Gläschen Xakoli (einem baskischen Wein) abzurunden.