Champalimaud Center for the Unknown

Denkt man an Lissabon, denkt man nicht automatisch an moderne, zeitgenössische Architektur. Die Stadt scheint sich eher dem langsamen Verfall zu widmen. Wenn man schon baut, so hört man sich als Besucher der Stadt sagen, sei es doch wichtiger, die historische Baubustanz zu retten, statt neuen, vermeintlich teuren Projekten zu frönen. Aber – und das ist gut so – hört man nicht immer auf die Besucher. Es gibt zahlreiche sehr innovative neue Gebäude in Portugals Hauptstadt, insbesondere am Tejo-Ufer in Belém ist man bestrebt, neben den historischen – unter UNESCO-Schutz stehenden – Bauwerken, wie dem Mosterio dos Jerónimos und dem Torre de Belém eine neue anspruchsvolle Seafront zu bauen. Dabei ist schon ein neuer Radweg entstanden, der vom Terreiro do Paço bis nach Belém führt, vorbei am neuen Yachthafen und unter der Brücke des 25.Aprils. Insbesondere in Belém sind das Museo de Coches und das Centro Cultural de Belém zu benennen, die Alt und Neu zu einer attraktiven Mischung machen sollen.

Das auffallendste und gleichzeitig innovativste Objekt, dieser Neubauten hört auf einen eigenwilligen Namen, das „Champalimaud Center for the Unknown“.  Dabei handelt es sich um einen Komplex für biomedizinische und neurologische Forschung in welchem geforscht, aber auch Menschen behandelt werden. Am 5.Oktober 2010 wurde es an historischer Stelle eröffnet, denn hier, direkt am Tejo, starteten einst die Seefahrer Portugals ihre Reisen in das Unbekannte.

Der Besitzer und Auftraggeber des Komplexes ist die Champalimaud Stiftung, die auf den letzten Willen des portugiesischen Industriellen António de Sommer Champalimaud zurückgeht, der 2004 in Lissabon verstarb. Die Forschungsabteilung der Stiftung, beschäftigt sich intensiv mit neuesten Methoden in der neurologischen und der onkologischen Forschung. Dafür wird auch jedes Jahr ein Preis ausgelobt, der António Champalimaud Vision Award.

Das Bauwerk, das auf der Idee des indischen Architekten Charles Correa basiert, besteht aus zwei Baukörpern, die zusammen rund 60.000 m² Grundfläche ermöglichen. Neben einem ambulanten Versorgungszentrum existieren auch ein Auditorium, Konferenz- und Lehrräumen, sowie ein Ausstellungsbereich. Ein Cafe, das nach Charles Darwin benannt ist, ist für die Öffentlichkeit zugänglich und erfreut sich großer Popularität.
Gelangt man zum Champalimaud Center, so sieht das Gebäude aus einiger Entfernung zwar innovativ und wie eine wohlgeformte Schiffsskulptur aus, aber es verbirgt noch etwas seinen wirklichen Charme. Einen ersten Einblick bekommt man im Amphitheater im Außenbereich, der unter anderem für die Preisverleihung benutzt wird.  Der spektakulärste Teil des kurvig, aber sehr elegant, angelegten Komplexes befindet sich zwischen den beiden Baukörpern in einer Art von Innenhof. Hier verbindet zum einen, eine Glasbrücke die beiden Häuser, die nicht nur die Verbindung von Forschung und Anwendung funktionalisiert, sondern auch als Symbol für den Aufbruch ins Unbekannte gelesen werden kann. Noch stärker wird dies im hinteren Bereich des Innenhofes deutlich, der mit einem kleinen Teich im Stil eines Open-Pools abschließt (der eine kleine Insel beherbergt, die vielleicht schon das Unbekannte ist, oder doch nur der Rücken eines Fisches sein soll?). Dadurch scheint der Hof und auch das Bauwerk fließend in den Tejo über zu gehen, der wiederum an dieser Stelle in die Weiten des Atlantik mündet. Das ist nicht nur ein großartiges Panorama, sondern gleichzeitig wird dem Betrachter bewusst, dass die unbekannten Herausforderungen, die einst im 15. Jahrhundert die Seefahrer als Pioniere ansteuerten, heute in ganz anderen Herausforderungen liegen. So schafft es Correa, den historischen Ort mit der Funktion des Gebäudes, in einen ästhetisch wundervoll gelungenen Zusammenhang zu setzen. Auch gelingt es ihm mit dem Center for the Unknown, den öffentlichen Bereich sehr attraktiv zu gestalten (als Ziel eines kleinen Ausfluges), ohne den nicht-öffentlichen Teil einzuschränken, in welcher zur gleichen Zeit Patienten behandelt oder neue Forschungsergebnisse diskutiert werden können. Man kann Correa sehr gut verstehen, wenn er meint, er wäre glücklich, dass dieses Haus kein Museum moderner Kunst wäre, sondern ein Gebäude, was Menschen mit großen gesundheitlichen Problemen versucht zu helfen.  Die Architektur selbst soll – neben den Heilmitteln – gesundheitsfördernd und entspannend wirken und steht man hier am Ufer des Tejo, selbst wenn Wind und Regen auf einen einpeitschen, so kann man wirklich daran glauben. Nur sehr selten ist ein Forschungsgebäude oder Gesundheitszentrum von solch außergewöhnlicher Schönheit, was gerade in einem von der Wirtschaftskrise so stark betroffenen Land wie Portugal, als eine Botschaft gewertet werden muss, an einem Ort der die großen Momente einer Nation zitiert, aber trotzdem auf die Zukunft ausgerichtet ist. Das Champalimaud Center for the Unknown ist eines der wohl schönsten Bauwerke, das in den letzten Jahren in Europa gebaut wurde.

Dieser kurze Film gibt weitere Informationen und Einblicke zum Gebäude (leider nicht mit einer deutschen IP abrufbar!):

urban facts Lissabon

Allgemeine Daten:

Einwohner Stadt:
Ballungsraum Grande Lisboa:
Metropolregion Lissabon:
545.245 (2011)
2.242.326 (2013)
2.821.697 (2011)
Einwohnerentwicklung Stadt 2001-2011 -3,44%
Fläche: Stadt Lissabon
Grande Lisboa
Metropolregion Lissabon
84,92 km²
1381 km²
2921 km²
Bevölkerungsdichte in Stadtgebiet 6421 Einw./km²
Koordinaten 38° 43′ N – 9° 10′ W
Geographische Höhe 0-226m
Niederschlagsmenge /Regentage / Sonnenstunden pro Jahr 774mm / 117 / 2806
Fluss Tejo (mündet hier in den Atlantik nach 1007km)

 

Infrastruktur:

Bürgermeister Fernando Medina Maciel Almeida Correia (PS – Sozialdemokraten; seit 2015)
Verwaltungstechnische Bedeutung Hauptstadt Portugals seit 1255
Anzahl Besucher im Jahr 3,54 Mio (2015)
Platz in der Mercer-Studie 41. (2015; hinter Barcelona, aber vor Madrid)
Flughafen Flughafen Lissabon-Portela (LIS; eröffnet 1940; 18 Mio; PAX 2014; Drehkreuz von TAP; 2 Landebahnen, 2 Terminals; 7km N der Innenstadt)
ÖPNV Metro Lisboa: in Betrieb seit 1959; 4 Linien auf 45,5km Länge mit 55 Stationen; 2006 mit 418 Mio. PAX
weiterhin existieren vier S-Bahn Linien, sowie 5 Straßenbahnlinien (von ehemals 27) bei 26km Streckenlänge; als Pferdebahn 1873 eröffnet, seit 1901 elektrisch betrieben
Bus: 80 Linien auf 680km Netzlänge
Elevadores: drei Standseilbahnen und der Aufzug Elevador de Santa Justa
ÖPNV Eigentümlichkeiten Im ÖPNV bezahlt man größtenteils Ticketlos, in dem man eine Karte mit Geld auflädt, in touristischer Hochsaison sind die traditionellen Straßenbahnlinien wie die 28 restlos überfüllt
Entfernung nach… Madrid 625km (Auto: 5h15min; Bahn: lediglich einmal täglich verkehrender Nachtzug: 11h)
Porto 310km (Auto: 2h40min; Bahn: 2h45min)

nächster Ort über 500.000: Sevilla 390km
nächster Ort über 1000.000: Madrid 625km

 

Kultur / Geschichte:

Universitäten Universidade de Lisboa: geründet 1913 (nach 400 Jahren Pause, Wiedergründung der alten Universität von Lissabon aus dem Jahr 1288) und vereint mit TU Lissabon 2013; 46.900 Stundenten 2013/14 verteilt auf 18 Fakultäten
Universidade Novo de Lisboa: gegründet 1973 mit über 19.000 Studenten (2014)
Universidade Católica (gegründet 1968, mit über 11.000 Studenten (2014)
sowie weitere private Universitäten; 2008 studierten insgesamt 125.000 Menschen in Lissabon)
Anzahl Museen 30 (laut dt. wikipedia)
Sportvereine der Stadt SL Benfica: geründet 1904; 2xEC1 (5x Finalist, sowie 3xFinalist UEFA-Cup bzw. Euro-League); 34x  port.Meister; 25x port. Pokalsieger; Ø-Zuschauer 2014/15: 42.390 @ Estádio da Luz (65.647); Mitgliederstärkster Verein der Welt: 270.000 (2014)
Sporting CP: 1xEC2 Sieger (1xUEFA-Cup Finalist); 18x port.Meister; 16x port. Pokalsieger; Ø-Zuschauer 2014/15: 34.988 @ Estádio José Alvalade XXI
Erste urkundliche Erwähnung 205 v.u.Z. als römisches Olisipo, aber wohl schon weitaus länger besiedelt
Gegründet von: Phöniziern oder Griechen
Großstadt seit Ca. ab Ende des 16. Jahrhunderts
Der entscheidende Tag 1.11.1755: Erdbeben und Tsunami zerstören weite Teile der Stadt
Meisten Einwohner im Jahr 1981: 807.937
Einwohnerverlust von Höhepunkt bis heute 32,5%
Man trifft sich am: Marques de Pompal oder Praca de Comercio
Kneipenviertel: Bairo Alto
City Branding Stadt der 7 Hügel, Königin des Meeres, Stadt des Lichts

 

Wirtschaft / Attraktivität:

Sehenswürdigkeit Nr.1 Mosteiro dos Jerónimos
Architektonisches Highlight Torre de Belém
Höchstes Gebäude Vasco da Gama Turm (145m)
Meist fotografiertes Bauwerk Brücke des 25.April
Tags: Siehe Tagliste.
Anzahl Starbucks 9 in Metropolarea Lissabon
Konzernzentralen von 7 der 10 größten börsennotierten Unternehmen Portugals haben Sitz in Metroregion Lissabon
Kaufkraftindex im Land 2,3 Mal höher als im Landesdurchschnitt (2011)
Arbeitslosenquote 2.Trimester 2015 12,7% für Metroregion Lissabon (leicht über Landesdurchschnitt)

 

 

Lisboa (Lissabon)

Geschichte Lissabons | urban facts Lissabon | Bücher zu Lissabon | Champalimaud Center for the Unknown

Ganz im Südosten Europas, dort wo gleich danach die Weiten des Atlantiks beginnen, liegt die westlichste Großstadt des Festlandkontinents: Lissabon. Je nach Perspektive liegt die Stadt am Ende, oder aber am Anfang von Europa. Klar erscheint aber, dass dieser Ort etwas besonderes hat, was man so nicht wieder findet, ein Flair, dass es zu einem der aufregendsten und schönste Städte macht. Was macht diese besondere Atmosphäre aus?
Es ist zum einen die geographische Lage. Lissabon liegt am nördlichen Ufer des Flusses Tejo (im Deutschen kann genauso die spanische Bezeichnung Tajo verwendet werden). Auf seinem 1000km weiten Weg, vergrößert sich der längste Fluss der iberischen Halbinsel, östlich der Stadt zu einer großen, mehrere kilometerbreiten Bucht, die sich aber südlich der Stadt wieder auf rund 2km verengt und kurz danach letztendlich in den Atlantik mündet. Lissabons Lage war für den Bau eins Hafen von großem Vorteil, weshalb wohl schon die Phönizier hier erstmals siedelten und eine äußerst abwechslungsreiche Geschichte der Stadt beginnen lassen sollten.

Die Geografie Lissabons selbst ist ein einziges Auf und Ab. Lissabon soll an 7 Hügeln liegen, man kann sich aber des Eindrucks nicht erwehren, es müssten eigentlich mehr sein. Diese Berge sind zwar nicht allzu hoch (226m ist die höchste Erhebung), aber sie sind kurz und teilweise äußerst steil. Wer einmal „Erklärt Perreira“ von Antonio Tabucchi gelesen hat und von der Mühe, die der etwas fettleibige Perreira hat, die sommerheißen Straßen hoch und runter zu laufen, der kann sich sein verschwitztes Hemd besonders gut vorstellen, wenn er selbst von der Baixa in die Chiado laufen muss. Überhaupt ist Lissabon ein Quell an literarischer Inspiration. Nicht nur ist es die Stadt von Fernando Pessoa, einer der großen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts oder des Nobelpreisträgers José Saramago, es ist auch Handlungsort vieler literarischer Werke, sei es nun auf der Reise dahin in einem Nachtzug (von Pascal Mercier), Todesfall (von Robert Wilson) oder weil es ein Hoffnungsort für Flüchtlinge gewesen ist (von Erich Maria Remarque). Weitere Beispiele ließen sich problemlos finden.

Lissabon inspiriert noch immer und zieht Millionen von Touristen pro Jahr an. Allerdings hat die Hauptstadt Portugals ein massives Wohnungsproblem, dass aber schon so lange besteht, dass es zum Stadtbild dazugehört. Rund 40.000 Wohnungen sollen in Lissabon leer stehen und verfallen und das fällt jedem Besucher schnell auf. Ursache dieses Problems ist eine schon in der Salazar-Diktatur eingeführte Mietpreisbremse, die es bis in die Gegenwart ermöglichte, dass einige eingesessene Mieter noch immer für wenige Euro im Monat wohnen können. Dies führt zu einem Verfall der Bausubstanz, da der Vermieter kein Geld in die Häuser investiert und diese langsam verfallen. Wohnungen die aber frei auf den Markt kommen sind entweder teuer, oder aber ihr Geld nicht wert. Das alles führt zu einer starken Suburbanisierung von Lissabon. Obwohl die Stadt mit Umland nördlich des Tejos, als Grande Lisboa stetig wachsend rund 2 Millionen Einwohner hat (nimmt man noch die Vorstädte südlich des Tejos dazu kommt man auf fast 3 Millionen Einwohner, was 30% von ganz Portugal sind) verliert die eigentliche Stadt stark an Einwohnern. So ist sie von 1980 bis in die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts von über 800.000 auf unter 500.000 Bewohner geschrumpft). Als Besucher gewöhnt man sich schnell an die vielen leer stehenden Häuser, teilweise noch mit einer beeindruckenden Ausstrahlung, man empfindet sie hier sogar weniger als störend und mehr als prägend für den Charakter der Stadt. So hat man in Lissabon das Gefühl an einem Ort zu sein, wo die Zeit auf eine eigenartige Weise langsamer zu laufen scheint, wo man immer noch auf wunderbar alte Läden treffen kann, die noch Seifen oder Konserven verkaufen und wo noch uralt, aber wunderschön gelbe Straßenbahnen sich mühevoll den Berg hochquälen, vollgestopft mit Touristen, ohne diese es aber die Straßenbahnen wohl schon gar nicht mehr geben würde. Oder man sitzt an einem der zahlreichen Kiosks, in den vielen Parks der Stadt, oder an einem der zahlreichen Ausichtsspunkten und schaut auf den Tejo, der den Atlantik schon erahnen lässt, auch weil die Möwen kreischen und hofft, das die startenden Flugzeuge, die über den Menschen lautstark Richtung Himmel fliegen noch recht lange auf einen warten können.

Lissabon erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit, insbesondere bei Besuchern und es fällt nicht schwer zu prophezeien, dass diese Stadt mehr als nur ein touristischer Geheimtipp ist und zu den Top-Destinationen in Europa gehört. Wie das die Stadt verändert, wird sich zeigen und obwohl man Lissabon bessere Straßen und ein paar mehr gemachte Häuser wünschen würde, hofft man auch, dass in dieser Stadt die Zukunft nicht ganz so schnell zur Gegenwart wird, wie in anderen Orten unseres Kontinents.