Alcoi

59.106 Einwohner | 130 km² | Hauptstadt der Comarca L‘Alcoiá | Höhe: 561m üNN | Name der Stadt auf Spanisch (zumeist so auch auf Deutsch): Alcoy; Name der Stadt auf Valencianisch und offizielle Bezeichnung: Alcoi | Bezeichnung für die Einwohner der Stadt: Alcoiá/ana (auf spanisch: alcoyano/a)

Verlässt man das flache valenzianische Schwemmland des Turia und des Jucar in Richtung Süden gelangt man schnell in ein Bergland, dass weitaus bevölkerter ist, als viele andere bergige Regionen Spaniens. Hier findet sich das kleine Industriestädtchen Alcoi (auf spanisch: Alcoy), dass so etwas wie das Zentrum der bergigen Region auf der Linie València – Xativa – Ontinxent – Alcoi – Alacant ist. Die Stadt mit ihren rund 60.000 Einwohnern liegt oberhalb einer Landschaft von steil abfallenden Seitentälern der Serpis Flusses, der von hier nach Gandia verläuft.
Bekannt ist Alcoi heute weniger für seine für spanische Verhältnisse äußerst zeitigen Industrialisierung, sondern für das Volksfest „Moros i Christians“. Drei Tage lang, immer um den St. Georgstag wird hier, in gewisserweise der Reconquista gedacht, wobei das Fest religiöse und besonders militärische Züge verdrängt hat und aus wundervollen Paraden der Mitglieder einzelner städtischer Gruppen bestehen. Heute finden sich in vielen Orten im Land Valencia diese Paraden, ihren Ursprung und Höhepunkt haben sie aber in Alcoi. Weiterhin ist die Stadt recht stolz auf zahlreiche Bauwerke des spanischen Jugendstils, des Modernisme, wie er am bekanntesten in Barcelona zu finden ist. Jedoch ist in der gesamten Levante, immer wieder diese sehr schöne Form des Jugendstils zu finden.

In Alcoi bemerkt man schnell in einer alten Industriestadt zu sein. Schon im 15. Jahrhundert nutzten die Bewohner der Umgebung die steilen Hänge und die daraus resultierende Wasserkraft für mechanische Unterstützung von gewerblichen Tätigkeiten. Der Prozess der Industrialisierung setzte dann aber erst im späten 18. Jahrhundert langsam ein, in dem in den Tälern des Barxell und Riquer erste Papiermühlen angetrieben wurden und Wollfärberein weiter im Tal entstanden, wo die Flüsschen in den Molinar mündeten, der wiederum in den Serpis fließt. So entwickelte sich in der Stadt eine leistungsstarke Textilindustrie, gleichfalls ebenso eine Papierherstellung und metallurgische Fertigungen. Die zunehmend benötigte Energie konnte man aus in der Nähe liegenden Kohlenflözen gewinnen. Die Stadt wurde dadurch zu einem ersten industriellen Zentrum der gesamten Region, was nicht nur zu einem Ausbau des mittelalterlichen Stadtkerns führte, sondern gleichfalls zu zahlreichen Brückenschlägen mit anderen Hügeln der Tallage, die der Stadt neuen Platz zum wachsen gaben. Dadurch hat sich Alcoi auch zu einer Stadt durchaus beachtenswerter Brückenarchitektur entwickelt.
Ein weiterer Effekt der Industrialisierung Alcois ist der hiesige Aufstieg einer gut situierten oberen Mittelschicht, die wiederum Trägerschicht für die architektonische Ausgestaltung einiger Häuser im Stil des Modernisme sind. Diese Richtung beschränkte sich nicht nur auf die äußere Gestaltung von Häusern, sondern zeigte sich gleichfalls in der Inneneinrichtung. Noch heute ist dies wundervoll zu besichtigen im Circulo Industrial (allein der Name dieser Kultureinrichtung zeigt die wundervolle Orientierung der Stadt zur Industrie, denn gemeinhin werden diese Institutionen lieber den schönen Künsten gewidmet, wie zum Beispiel in Madrid der Circulo de Bellas Artes). Der Modernisme ist eine vorgänglich an der spanischen Ostküste (Katalonien und València) geprägte Kunstrichtung, die zwar viel mit dem deutschen Jugendstil, dem Art Noveau Belgiens und Frankreichs oder dem Arts and Crafts in Schottland gemeinsam hat, aber eben doch eine eigene Formensprache entwickelte. In Alcoi sind dafür zwei Architekten hauptverantwortlich, welche die überwältigende Mehrzahl der hiesigen Modernisme Bauwerke (sie bauten in der Stadt über 60 Gebäude!) gestalteten. Die ist zum einen Vicente Pascual Pastor, dessen Bauwerke etwas mehr an die belgische Art Nouveau Tradition erinnert, während Timoteo Briet Montaud etwas mehr an der Wiener Secession orientiert war. Obwohl man in Alcoi keine großen Einzelwerke, wie die Sagrada Familia (Barcelona) erwarten darf, finden sich schöne Einzelgebäude mit ihren typisch geschwungenen Balkonen und omegaförmigen Fenstersimsen, als auch die eindrückliche Innenausgestaltung, wie sie am besten im schon erwähnten Circulo Industrial zu finden ist, wo die Bibliothek und der Salon mit seiner Rotunde bestechen.
Wie viele ehemalige Industriestädte befindet sich Alcoi in einer Transition. Seit 1970 nimmt die Bevölkerung in der Stadt leicht ab und hat sich in den letzten Jahren auf knapp unter 60.000 Einwohner stabilisiert. Beeindruckend ist das man in Alcoi seine industrielle Vergangenheit nicht einfach wegwischen oder verschwinden lassen möchte, sondern diese aktiv dem Besucher anbietet. Mir ist keine andere Stadt bekannt, die einen extra Aussichtspunkt anbietet, um auf ein Tal mit heute größtenteil ruinösen Fabrikhallen zu schauen. Diese Hallen haben die Stadt geprägt und sollen heute betrachtet werden, auch wenn sie ein eher betrübliches Bild abgeben. So ist Alcoi keine wirklich schöne Stadt, in einer aber sehr reizvollen Berglandschaft, aber Alcoi weiß um seine Traditionen und um seine Stärken und das macht die Stadt sehr sehenswert.

Bordeaux

Urban facts | Geschichte der Stadt Bordeaux

Bordeaux gehört zu den Städten, die ich bereits vielmals überflogen habe, niemals aber aus Augenhöhe sah. Beim Stadtnamen fallen den meisten Menschen sofort Rotweine ein, wenn sie an die südwestfranzösische Stadt denken. Mir übrigens nicht, denn ich hörte als erstes von Bordeaux als der dortige Fußballverein Girondins im Europapokal der Pokalsieger im Halbfinale 1988 gegen Lok Leipzig scheiterte und Rene Müller seineszeichens Torhüter der Messestädter im Rückspiel im ausverkauften Zentralstadion den entscheidenen Elfmeter einnetzte, weshalb jedes Kind meiner Schulklasse so werden wollte wie Rene Müller (die lebendigste Erinnerung an ihn ist der Jubel nach dem Tor, das ist insofern recht überraschend, als Müller später Torwart bei „meinem Verein“ Dynamo Dresden wurde und ich mich trotz zahlreicher Spiele da an rein gar nicht mehr erinnere).

Bordeaux gilt als heimliche Hauptstadt Frankreichs, was zum einen wohl daran liegt, dass sie drei Mal tatsächlich Hauptstadt des Landes wurde, nämlich 1870/71, 1914 und 1940, also jeweils als Deutsche ins Land einfielen und Paris als Regierungsort nicht funktionierte. Vielmehr ist sie jedoch ein Ort französischem Lebensgeistes und Genusses, etwas was man in Deutschland so schön: „Leben wie Gott in Frankreich nennt“. Der Wein der Region ist Weltbekannt und hat in der Stadt ein sehr eindrucksvolles neues Museum bekommen, auch die Küche der Stadt ist weit über die Landesgrenzen beliebt. Tatsächlich gesellt sich dazu ein eher unvergleichliches bauliches Erbe der Stadt, dessen Anlage so einheitlich gestaltet ist, wie man es in Europa sonst kaum sieht. Besonders die Schauseite zur Fluss Garonne hin ist sehr beeindruckend. Mit einer Einwohnerzahl von unter einer Millionen ist die Stadt auch als Metropole überschaubar, wirkt im Sommer aber sehr angenehm lebendig ohne überfüllt zu erscheinen. In den Cafes finden sich noch Plätze während man auf einigen Plätzen Konzerte von Bands belauschen kann, oder auf den neu geschaffenen Freiflächen am Flussufer getanzt werden kann. So scheint Bordeaux eine sehr lebenswerte Stadt zu sein (wenngleich sie im dafür eingerichteten Mercer-Ranking nicht auftaucht).

Bordeauxs Geschichte geht zurück in die Antike und mit dem Palais Gallien ist sogar noch ein Bau aus jenen Tagen zu besichtigen. Danach folgten zwei wechselvolle Jahrhunderte, die immer davon geprägt waren dass man als Handelsstadt einen Hafen hatte und mit dem Rotwein ein allgemein sehr begehrtes Produkt herstellte, dass sich sehr gut verkaufen lies. Heute ist Bordeaux auch dank vieler Studenten eine sehr junge Stadt und mit der wieder eingeführten Straßenbahn hat man sich ein sehr erfolgreiches Vorzeigeobjekt für den Öffentlichen Nahverkehr geschaffen.

Egal ob man sich einen Wein zum guten Essen einschenken lässt, oder durch die Straßen und Gassen der Altstadt flaniert, Bordeaux ist eine sehr interessante und vor allem eine wunderschöne Stadt im Südwesten Frankreichs.

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Saint-Jean-de-Luz

Name auf baskisch: Donibane Lohizune | Einwohner: 13.431 | Fläche: 19 km² |

Das kleine Städtchen Saint-Jean-de-Luz liegt nur wenige Kilometer hinter der französisch-spanischen Grenze am Atlantik, genauer in einer kleinen Bucht, der einzigen auf französischem Boden zwischen der Grenze und der Bucht von Arcachon. So hatte der Ort einen geographischen Vorteil, denn hier konnte ein guter Hafen angelegt und dem Fischfang nachgegangen werden.
Im 17. Jahrhundert wuchs der Saint-Jean-de-Luz beträchtlich an und wurde zum zweitwichtigsten Städtchen der baskischen Region Labourd gleich nach Bayonne. Schon damals soll die Stadt 12.000 Einwohner gehabt haben, was auch ungefähr der heutigen Größe entspricht. Das Jahr 1659 ist das wichtigste Jahr der Stadtgeschichte. Seinerzeit wurde der Pyrenäenfrieden unterzeichnet auf der Isla de Faisanes, einem unbewohnten Inselchen des Flusses Bidasoa der Spanien und Frankreich trennt. Der Frieden beendete einen zwischen 1638 und 59 tobenden Krieg der beiden Länder und regelt den bis heute noch gültigen Grenzverlauf der Staaten durch die Gebirgskette der Pyrenäen. Spanien musste im Frieden heftige Gebietsverluste (z.B. Teile Flanderns, das Artois und Nordkatalonien) hinnehmen, gleichzeitig wurde die Hochzeit der spanischen Infantin Maria Teresa mit dem französischen König Ludwig XIV. vereinbart, wobei die Tochter des spanischen Königs Philip IV. jegliche spanische Thronansprüche aufgeben musste, dafür aber eine stattliche Geldentschädigung an Frankreich zu zahlen war. Tatsächlich wurde das Geld nie bezahlt und war später einer der Gründe, der den Anspruch der französischen Bourbonen im spanischen Erbfolgekrieg auf den spanischen Thron untermauern sollte. Zusammengefasst kann man sagen, mit dem Pyrenäenfrieden endete die spanische Dominanz im europäischen Mächtesystem. Für Saint-Jean-de-Luz war jedoch die Hochzeit von Ludwig und Maria Teresa bedeutender, denn diese wurde am 9. Juni 1660 in der städtischen Kirche vollzogen. Wie bei solchen Hochzeiten üblich war die machtpolitische Bedeutung der Verbindung um ein vielfaches höher als die romantische.
Am Ende des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Stadt noch einmal, als von Biarritz aus kommend die adlige Begeisterung für Urlaube am Meer aufkam und Saint-Jean-de-Luz zu einem mondänen Seebad wurde, welches von der damaligen High-Society gern und häufig besucht wurde. Besonders spanische und französische Adlige trafen sich hier, um an sich der Meeresluft und sich selbst zu erfreuen. Die Cote Basque wurde zu einem Synonym für eine Küstenlandschaft der „besseren Kreise“.
Nach dem spanischen Bürgerkrieg wurde Saint-Jean-de-Luz zu einer Zuflucht vor vertriebenen Basken, die im Franco-Staat keine Heimat mehr finden konnten. Die Zeit ab 1945 war dann geprägt von einer immer weniger lukrativen Fischfang-Wirtschaft und einer gleichzeitig sich verstärkenden touristischen Nutzung. Seit den 1960er Jahren ist eine Autobahnanbindung vorhanden, sowohl nach Bordeaux, als auch nach San Sebastian, heute ist es sogar möglich mit dem TGV bis nach Paris zu fahren. Hochhäuser findet man aber auch heute nicht im immer noch idyllischen Saint-Jean-de-Luz mit seinem kleinen Fischerhafen, einer gemütlichen Innenstadt und seiner Strandpromenade, wo prächtige Villen zu bestaunen sind.
Von allen Orten in Labourd ist Saint-Jean-de-Luz vielleicht der baskischste. Hier werden noch die typisch baskischen Kräftemessen veranstaltet, bei denen schwere Gegenstände transportiert werden müssen Eine weitere Tradition findet im Februar statt, wenn der baskische Karneval, der Ihauteriak gefeiert wird.   

Dune du Pilat und Cap Ferret

Die Atlantikküste Südwest-Frankreichs führt in fast gerade Linie von Nord nach Süd. Unterbrochen wird es nur selten, so wie an der Mündung der Gironde oder am Ein- bzw. Ausgang des Bassin d‘ Arcachon, einer rund 155 km² großen Bucht, die eine große Wattlandschaft darstellt und an deren Verbindung zum Meer zwei sehr interessante Landschaften liegen, die Düne von Pilat und das Kap Ferret.

Die Dune du Pilat

Die Dune de Pilat ist die größte Wanderdüne Europas. Sie ist bis zu 100m hoch, rund 500m breit und zieht sich auf eine Länge von 2,7 km. Jährlich strömen über eine Millionen Besucher die steilen Hänge der Düne hinauf, die im Nordteil der Düne einen gekennzeichneten Weg haben. Während hier zahlreiche Touristen kraxeln, verläuft sich deren Anzahl nach Süden hin, wo verstärkt Gleitschirmflieger versuchen, sich in die Lüfte zu schwingen.
Der Sockel der Düne ist von Kiefernwald bedeckt und es ist eine Frage der Zeit, bis sie sich weiter in Richtung Land vorarbeitet. Auf den drei an die Sandwand angrenzenden Campingplätzen kann man diese Wanderung sehr gut nachvollziehen und sieht wie sich der Sand vorarbeitet. Oben auf der Düne hat man einen wunderbaren Blick über die weitreichenden Kieferwälder von Les Landes, auf das Bassin d‘ Arcachon und das Cap Ferret mit seinen vorgelagerten Inselchen, wie die Banc d‘Arguin.
Entstanden ist die Düne übrigens vor rund 18.000 Jahren und noch heute verrät sie unter ihrer Oberfläche viel von ihrer Geschichte (dazu mehr hier), bei der auch der Mensch einen entscheidenden Anteil hatte. Heute wird versucht die dynamische Dünenlandschaft zu bremsen, was teilweise gelingt. Seit 1978 ist die Dune de Pilat ein Naturschutzgebiet.

Cap Ferret

Fast gegenüber der Dune du Pilat liegt die Halbinsel die vom Cap Ferret abgeschlossen wird. Die Nehrung ist geologisch gesehen der jüngste Küstenabschnitt der gesamten Gascogne und gerade einmal 3000 Jahre alt, was in geologischer Zeitrechnung ein Wimpernschlag ist. Menschen lebten auf der Halbinsel erst seit dem 19. Jahrhundert, als sich sich die ersten Fischer hier niedergelassen haben, da an der Ostseite ein guter Ausgangspunkt war, um im Schatten des Atlantiks einen ruhigen Hafen für die Boote zu erhalten. Später entstanden (ab ca. 1860) die Austernzucht, deren Produkte man in den zahlreichen Fischerörtchen zu einem spottbilligen Preis kaufen kann, und die Forstwirtschaft. Heute ist die Haupteinnahmequelle der Bewohner der Tourismus. Die Besucher des Kaps steuern dabei nicht nur die Strände, sondern auch den 62m hohen Leuchtturm an, der 1840 erbaut wurde und seit 1995 automatisiert betrieben wird. Die 258 Stufen zur Aussichtsplattform sind geöffnet und für ein Entgelt besteigbar.

 

Biarritz

Name auf baskisch: Miarritze | Einwohner: 24.457 | 11,6 km² | liegt im Département Pyrénées-Atlantiques | 55km NO von Donostia- San Sebastian, 180km SW von Bordeaux

Es gibt Orte auf unserem Planeten die haben sich im Laufe ihrer Geschichte einen Namen aufgebaut, der immer schon einen Inhalt, oder eine Idee mitschwingen lässt. Auch bei Biarritz ist das so, lässt einen die Fantasie doch an ein nobles Seebad denken, an dem sich die Reichen, Adligen und Schönen kurz, der internationale Jetset trifft.
Ganz im Südwesten Frankreichs gelegen, gehört Biarritz schon zum Baskenland, obwohl es eigentlich keine Verwaltungseinheit in der Grande Nation dafür gibt. Wirklich regional ist in Biarritz auch nichts, viel mehr hat man sich hier dem internationalen Tourismus verschrieben. Einzig die Gründungslegende erinnert heute noch etwas an das Baskische. Vor langer Zeit sollen an jener Küste Basken gelebt haben, welche mit dem Fischfang ihren Lebensunterhalt verdienten. Eine ihrer Töchter hieß Miarritze und hatte eine göttliche Eingebung, dass ein goldener Vogel Reichtum in den Ort bringen würde. Tatsächlich fand man wenige Zeit später einen Eisvogel am Strand und war ermutigt größere Schiffe zu bauen, um auf Walfang zu gehen. Eines Tages sollten dann Seefahrer aus einem anderen Teil der Gascogne in den Ort stoßen. Sie nannten sich die Biarrins und als Miarritze den Anführer der Biarrins ehelichte, wurde der Ort schließlich Biarritz genannt.
Tatsächlich lebten viele Menschen der Gegend vom Walfang, denn aus den riesigen Tieren konnte man allerhand nützliche Dinge gewinnen. Im 17. Jahrhundert waren die Wale in der Biskaya dann aber ausgerottet und der Walfang war damit ebenfalls ausgestorben und Biarritz wurde zu einem unbedeutenden Fischerort. Doch 1854 sollte sich das ändern, denn Kaiserin Eugénie de Montijo, die Frau von Napoleon III., sollte für zwei Monate nach Biarritz reisen. In den nächsten Jahren folgten weitere Besuche, woraufhin eine Residenz für sie und ihren Mann erbaut wurde, das heutige Hotel du Palais. Schnell sprach sich in den Adelshäusern die Sommerresidenz des französischen Paares herum und auch andere Adelsgeschlechter ließen sich in Biarritz blicken, wie beispielsweise auch Elisabeth von Österreich, bekannter als Sissi. Die Stadt entwickelte sich zur Sommerresidenz der Blaublütigen und Wohlhabenden und um 1900 sollen schon rund 10.000 Sommergäste gezählt worden sein. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts konnte sich Biarritz als Urlaubsort des Adels behaupten, danach endete ab den 1960er das mondäne Zeitalter der Stadt. Doch als Henry King 1957 hier „The Sun also Rises“ drehen ließ, eine Kinoversion von Hemingways Roman „Fiesta“, wurde erstmals in Biarritz gesurft, was sich schnell großer Popularität und Nachahmerschaft erfreuen sollte. Der Wellengang der Biskaya begünstige das Wellenreiten und Biarritz wurde zu einem der Surfspots in Europa.

Heute bietet die Stadt so etwas wie das touristische Komplettprogramm. Noch immer kann man in noblen Boutiquen Luxusartikel kaufen, während man für Kongresstouristen gleichfalls eine Basis anbietet, wie für die nicht unerhebliche Menge an jungen Urlaubern, welche in den zahlreichen Bars, Shops und Restaurants der Innenstadt zu finden sind. Biarritz hat dabei nicht die Hochhäuser spanischer Badeorte (wenngleich es einige höhere Bauwerke gibt, die man sonst an der Südwestküste Frankreichs nicht findet), trotzdem ist der Massentourismus auch hier deutlich zu bemerken, was Biarritz wohl vom ruhigeren Saint Jean de Luz unterscheidet.     

Bayonne

Name auf Baskisch: Baiona | Einwohner: 49.207 (2015) | Ballungsraum: 288.359 (2012) | Fläche: 21,6 km² | Hauptstadt des Arrondissements Bayonne | 55km NO von Donostia-San Sebastian, 180km SW von Bordeaux

Wer in den ersten Augusttagen nach Bayonne kommt, der wird schon weit bevor er die Innenstadt erreicht von einem eigenartigen Dress-Code der Einheimischen erwartet. Scheinbar jedermann, ob alt oder jung, Mann, Frau oder Kind trägt weiße Kleidung und dazu ein rotes Halstuch, einige – besonders jüngere Männer – haben ihre weiße Kleidung schon beschmutzt, so als wären sie durch den Schmutz gerobbt. Schnell vermutet man richtig, dass hier ein großes Volksfest stattfinden muss und tatsächlich Fêtes de Bayonnes eines der populärsten und meistbesuchten Feste Frankreichs. Die Idee dahinter stammt übrigens aus Pamplona bzw. wurde 1932 erstmals von dort übernommen. Seinerzeit wollten die Einwohner der Stadt eine ähnliche Feierlichkeit, wie das seinerzeit in Pamplona hoch geschätzte San Fermín haben, wobei in Bayonne Stiere nicht durch die Straßen der Stadt hetzen sollten, sondern auf einem Platz verblieben, dem Place Sant André. Mit über einer Millionen Besucher ist die Fête auch die zweitgrößte Veranstaltung nach San Fermín im Baskenland. In jenen Tagen ist ein Besuch der Innenstadt, nur um die Stadt zu erkunden zwecklos, denn diese ist voll mit Feiernden, die aus dem ganzen Umland und noch weiter weg her kommen. So empfiehlt es sich an einem anderen Tag wiederzukommen und Bayonne zu besichtigen.

Bayonne ist wenn man so will die letzte größere und nördlichste baskische Stadt, auch wenn „Baskisch“ in Frankreich viel mehr mit Folklore zu tun hat als mit tatsächlichem Leben (wenn man mal Baskisch auf der Straße hört ist man sich nicht sicher, ob es Einheimische sind, oder Touristen von der anderen Seite der Pyrenäen).

Die Geschichte der Stadt geht bis in die Antike zurück und besaß damals den Namen Lapurdum, der sich wohl von der so bezeichneten Region Labourd ableitete. Im 3. Jahrhundert war es ein befestigter Handelsplatz und wichtigster Hafen in der weiteren Umgebung. Nach römischer Herrschaft wechselten sich viele Herrscher ab; Westgoten, Basken, Franken und Normannen. Am Ende des 10. Jahrhunderts gaben die Herzöge der Gascoigne und später Aquitaniens der Stadt so viele Privilegien, dass sie sich prächtig entwickelte und die Menschen schon vor den Stadtmauern siedelten. 1130 versuchte sich Alfons I. von Aragón die Stadt zu erobern, was aber misslang und vorsichtigerweise zum weiteren Ausbau der Stadtmauern führte. Schon damals hatte sich der baskische Name Baiona eingebürgert, der übersetzt „einzige Bucht“ bedeutet.
Nach der Hochzeit von Eleonore von Aquitanien mit dem zukünftigen englischen König Heinrich kam die Stadt, ebenso wie beispielsweise Bordeaux in englische Hände. Es gelang die städtischen Freiheiten zu verbessern, als auch den Wohlstand zu mehren. Doch mit dem Hundertjährigen Krieg, den über lange Sicht nur, das weitaus bevölkerungsreichere, Frankreich gewinnen konnte, fiel Bayonne 1451 letztendlich wieder an Frankreich, wodurch sie allerdings zahlreiche Selbstbestimmungsrechte verlor. Erschwerend kam für die Stadt hinzu, dass der Fluss Andour, der hier in den Atlantik mündet, seit dem 15.Jahrhundert versandete und seine Mündung veränderte, womit Schiffe nicht mehr den Hafen anlaufen konnten und in benachbarten Dörfern, wie Capbreton, entladen werden mussten. Erst 1579 wurden effektive Maßnahmen ergriffen, diesen Zustand zu korrigieren. Trotzdem war Bayonne noch ein lohnenswertes Ziel, was die Spanier mehrmals dazu bewog die Stadt zu erobern, was allerdings stets misslang.
Gegen 1640 herum soll in der Stadt das Bajonett erfunden worden sein, welches den Namen der Stadt trägt. Irreguläre Truppen der Stadt sollen bei heiß geschossenen Musketen einfach ihre Jagdmesser in den Mündungsschacht gesteckt haben um damit weiterzukämpfen. Tatsächlich wurde Bayonne als strategischer Ort, nahe der Pyrenäen immer wichtiger und wurde von Frankreich zunehmend besser befestigt. Obwohl sich adlige Personen in der Stadt niederließen. verarmte Bayonne mit den Jahrzehnten immer mehr, Probleme mit der Flussmündung des Adour traten immer wieder auf und wurden nur unzureichend behoben, woraufhin auch der Handel niederging. Von rund 16.000 Einwohnern zu Beginn des 18. Jahrhunderts, waren in der zweiten Hälfte weniger als 10.000 Bewohner übrig. Bilbao und San Sebastian wurden als Hafenstädte bedeutender und erst 1784 mit der Abschaffung des merkantilistischen Verbotssystem änderte sich die wirtschaftliche Situation der Stadt wieder zum besseren. Bayonne wurde Freihafen und konnte in den Handel mit Amerika einsteigen. In nur sechs Jahren blühte der Handel wieder auf, Bevölkerungszahl und Preise sollen beide um ein rund ein Drittel angestiegen sein.
1808 traf sich Napoleon mit Karl IV. von Spanien und dessen Sohn Ferdinand im Schloss Marraq, nahe der Stadt. Ergebnis dieses Treffens war die Einsetzung einer spanischen Nationaljunta von Napoleon, die sich in Bayonne versammelte und eine Konstitution verabschiedete, in welcher Napoleons Bruder Joseph Bonaparte zum neuen spanischen König erhoben wurde und am 9.Juli von Bayonne nach Madrid reiste, was zum ersten Guerillakrieg der Geschichte in Spanien führte. Nach dem spanischen Unabhängigkeitskrieg wurde Bayonne von den Briten in der Schlacht von Bayonne belagert und schließlich erobert, was eine der letzten Schlachten der napoleonischen Kriege auf der iberischen Halbinsel war. Andersherum wurde Bayonne in der Zeit der spanischen Karlistenkriege zu einem Zufluchtsort für spanische Emigranten.
Seit 1854 verband die Eisenbahn die Stadt mit Paris, was auch zum Aufstieg der Nachbarstadt Biarritz zu einem noblen Seebad führte. Während sich dort Adlige und Reiche niederließen verwandelte sich Bayonne in eine Hafenstadt, in welcher auch die Stahlindustrie operierte. Jedoch schrumpfte die Bedeutung des Hafens schon im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts und ist heute ohne Bedeutung.
So ist Bayonne heute eine Stadt mit regionaler Bedeutung, aber großer Historie, die man durchaus noch in der schönen Altstadt erkennt. Sie ist auch Bistumssitz der katholischen Kirche. In den letzten Jahren wuchs die Bayonne mit Biarritz und Anglet (das nur unwesentlich kleiner ist) zusammen. Obwohl Didier Dechamps, der französische Fußballweltmeister als Spieler und Trainer aus der Stadt kommt, ist Bayonne eher eine Rugbyhochburg mit dem ortsansässigen Club Aviron, der 3 mal französischer Meister wurde und heute in der 2.französischen Liga spielt.

Monasterio de San Jerónimo de Yuste

Einsam, fast verlassen, aber doch gut besucht in heutigen Tagen, liegt das Kloster von Yuste am Berghang ganz im Westen der Sierra de Gredos etwas oberhalb des Tales des Flusses Yerte in der spanischen Provinz Extremadura. Das ehemalige Hieronymiten-Kloster ist wegen seiner historischen Bedeutung heute zu einem symbolträchtigen Ort geworden, denn Karl V., seines Zeichens in der Mitte des 16. Jahrhunderts, mächtigster Mann der Welt, verbrachte hier seine letzten Lebensjahre.

Obwohl das Kloster 1408 gegründet wurde ist seine Bedeutung fast ausschließlich mit ihm verbunden. Karl war bis 1556 nicht nur Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, sondern auch König von Spanien. Im Alter von 55 Jahren übergab er die Herrschaft über Spanien an seinen ältesten Sohn Philipp. Seinen jüngerer Bruder Ferdinand erhielt das österreichische Kronland und damit auch den Kaisertitel. Dadurch teilte sich übrigens die habsburgische Linie in eine spanische (Casa de Austria) und eine österreichische Linie (Haus Habsburg-Österreich). Das Kloster des Einsiedlerordens der Hieronymiten erschien ihm als idealer Rückzugsort, wollte er doch keine Besucher mehr empfangen, sondern in der Abgeschiedenheit der Berge leben (wobei er natürlich noch einen Hofstaat hatte, der zwischen 50 und 60 Personen angehörten). Er trat aber nicht dem Orden bei, sondern lebte in einem extra angebauten Bauwerk direkt am Kloster. Dieser kleine im italienischen Stil gehaltene Palast wurde 1557 fertiggestellt. Die Gicht machte ihm zunehmend zu schaffen, weshalb er von seinem Schlafzimmer in den Altarraum blicken konnte, um die Messe trotz größter Bewegungsprobleme zu verfolgen. 1558 verstarb Karl V. an der Malaria (so wie es neueste Untersuchungen gezeigt haben). Seine Überreste liegen heute im El Escorial.
In den Unabhängigkeitskriegen mit Frankreich wurde das Kloster bis auf die Grundmauern zerstört und es war die Franco-Diktatur, die in ihrer Betonung des spanischen Erbes, 1949 den Wiederaufbau des Monasterio de San Jerónimo de Yuste veranlassten. Interessanterweise hat das Kloster nicht nur für Spanier eine große Anziehungskraft, sondern unter anderem auch für Deutsche, die in Karl V. Einen (und ihren) historisch bedeutsamen König sehen. So befindet sich unterhalb des Bauwerks ein alter deutscher Soldatenfriedhof von (ausschließlich) Männern, die in den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts ihren Tod fanden und als letzte Ruhestätte ich diesen Ort am Rande Europas aussuchten (oder ausgesucht bekamen).

Geschichte Bordeaux

Antike und Mittelalter: Von Kelten, Römern und Briten

Bordeaux geht geschichtlich zurück bis weit vor die Zeitenwende und gehört damit zu den älteren Städten des Kontinents. Schon im 3. Jahrhundert v.Chr. lebte der keltische Stamm der Bituriger im Gebiet des Zusammenflusses von Garonne und Dordogne. Der Hauptort dieses Stammes war verkehrstechnisch günstig gelegen an der Stelle der heutigen Stadt, denn hier bestand die Möglichkeit die Garonne zu queren (was einem heute gar nicht so klar wird, wenn man die Mächtigkeit der Garonne sieht).
Als die Römer Gallien eroberten, nannten sie fortan die Stadt Burdigala und die ehemalige keltische Siedlung sollte in ihrer Bedeutung wachsen, denn sie war einerseits ein Umschlagplatz für in der Region angebauten Weizen, andererseits wurden hier größere Mengen von Metallen im Seehafen umgeschlagen und ins Imperium verschifft. Die Römer waren es auch, die den Weinanbau in der Region einführten, der sich hier glänzend entwickelte und zu einem Markenzeichen wurde. Schon in der Antike wurde daraus ein wichtiges, vielleicht das wichtigste Produkt der Gegend, das sich die Römer gern in die Hauptstadt exportiert ließen und somit die wirtschaftliche Bedeutung Burdigalas stetig erhöhten. Als führende Handelsmetropole im 2.Jahrhundert (AD) wurde Burdigala zur neuen Hauptstadt der römischen Provinz Aquitania ernannt. Bis zum 3.Jahrhundert entwickelte sich eine reiche und blühende Stadt. Davon zeugen noch heute die Reste des alten Amphitheaters, das 15.000 Menschen Platz bot (!) und dass bei einer Gesamtgröße der Stadt von rund 20.000 Einwohnern. Manche Zeitgenossen sprachen anerkennend von einem „kleinen Rom“.
Nachdem die Grenzen des römischen Reiches unsicherer wurden und 276 die Barbaren in die Stadt einfielen, wurde eine erste Stadtmauer errichtet, die damals aber lediglich 32ha beschützte. Mit dem endgültigen Untergang des Reiches begann auch für die Stadt eine lange Zeit ständiger Unsicherheit. Nach dem Einfall der Mauren und deren Zurückdrängung in der Schlacht von Poitiers, erhob Karl der Große Aquitanien zum Königreich und übergab dieses im Jahr 781 an seinen Sohn Ludwig dem Frommen. Gleichwohl bedeutet dies ebenso keine Zeit der Ruhe. Immer wieder überfielen Wikinger die Region und das Königreich Aquitanien existierte nur bis ins Jahr 863, wurde aber 1036 wieder als Lehen, zusammen mit der Gascoigne errichtet.
Einen wirklichen Aufstieg der Stadt gelang unter Eleonore von Aquitanien, die das Lehen von ihrem Vater erbte und eine Ehe mit Ludwig IX. von Frankreich einging. Die Hochzeit wurde 1137 in Bordeaux gefeiert. Tatsächlich blieb die Verbindung kinderlos und damit machtpolitisch wenig erfolgreich und wurde im Jahr 1152 annulliert. Kurz darauf heiratete Eleonore Henri Plantagenêt, der zwei Jahre danach zum englischen König Heinrich II. gekrönt wurde und damit Aquitanien zum englischen Kronland machte. Somit wurde Bordeaux eine englische Stadt und erlebte einen wirtschaftlichen Aufstieg, den der Handel mit der Insel sollte schnell florieren. Der Erfolg zeigte sich unter anderem darin, dass eine zweite Stadtmauer gebaut werden konnte, die im 14.Jahrhundert wiederum weiter ausgebaut wurde. Bordeaux wurde Hauptstadt des Fürstentums Guyenne (die englische Version von Aquitanien). Der Export von Wein war die Erfolgsformel und führte zu einem für die Gegend außerordentlichen hohen Lebensstandard in jenen Jahren des späten Mittelalters. Die kirchlichen Bauwerke wie Saint Michel oder Saint André wurden erbaut und 1441 wurde die Universität der Stadt gegründet. Erst mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges in der finalen Schlacht von Castillon fiel die englische Provinz Guyenne und gehörte ab 1453 wieder zu Frankreich.

Die Neuzeit – Zwischen Misstrauen, Goldenem Zeitalter und Revolution

Begeisterung war aber keinesfalls zu spüren, als die Bourdelais, wie die Einwohner der Stadt genannt werden, wieder zu Frankreich gehörten und das schon allein aus ökonomischer Sicht; Bordeaux Absatzmärkte in England waren von einem auf den anderen Tag weggefallen. Gleichfalls waren die französischen Autoritäten nicht von der Loyalität der neuen Mitbürger überzeugt und ließen als erstes zwei Festungen mitten in der Stadt bauen. Es handelte sich bei dem Château de la Trompette und dem Château du Hâ zwar um Verteidigungsbauten, die eigentlich vor fremden Mächten Schutz bieten sollten, aber die Geschütze konnten ohne Probleme auch gegen potentiell Aufständige in der Stadt gerichtet werden. Dies wiederum sah die Bevölkerung als größtmögliche Provokation. Der Neustart lief also erstmal ohne großes Vertrauen beider Seiten ab, doch das Verhältnis sollte sich entspannen. 1494 bekam die Stadt erstmals wieder die Möglichkeit, eine begrenzte Selbstverwaltung durchzuführen. Tatsächlich waren aber wirtschaftliche Blütezeiten nun seltener. Dafür war Bordeaux ein Ort des aufblühenden Humanismus, so war Michel de Montaigne Bürgermeister der Stadt. Die eher antiroyal geneigte Stadtbevölkerung versäumte es aber auch nicht ihren Unmut gegen den königlichen Hof zu zeigen und im 17. Jahrhundert kam es zu einigen Aufständen, die allerdings niedergeschlagen wurden.
Dem folgte aber eine dritte Blütezeit der Stadt, denn Bordeaux bekam das französische Monopol für den Westindien-Handel, in denen die Franzosen mehr und mehr einstiegen und wurde schnell zum zweitgrößten Hafen Europas. Im 18. Jahrhundert erlebte Bordeaux daher sein Goldenes Zeitalter. Der geschäftige Hafen, der Teil des lukrativen, aber moralisch äußerst fragwürdigen Dreieckshandels zwischen Europa, Afrika und Amerika war, brachte Reichtümer an die Garonne. Prächtige Stadthäuser entstanden und schon in dieser Zeit wurden die Fortifikationsanlagen abgerissen, allein schon deshalb, um den Hafen am Fluss weiter ausbauen zu können. 1733 wurde der glorreiche Place de la Bourse eröffnet, welcher vom Fluss ankommenden Gästen schon auf dem ersten Blick den selbstbewusst zur Schau gestellten Prunk der Stadt ankündigte. Neue Straßenzüge und Promenaden wurden angelegt, öffentliche Gärten angepflanzt und urbane Plätze angelegt, so wie die heutigen Place Gambetta oder Victoire. 1773 öffnet schließlich das Grand Théâtre, das zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Es sind die klassizistischen Bauten dieser Epoche, die auch heute noch das Stadtbild von Bordeaux prägen.
Die Französische Revolution brach mit dem Sturm auf das Château de la Trompette auch in Bordeaux aus. Zwar wurde die Stadt 1790 die Hauptstadt des neu geschaffenen Départements Gironde und mit den Girondisten wurde sogar eine liberale Gruppe in der neugeschaffenen Nationalversammlung in Paris in den Anfangszeiten der Republik federführend, aber schon bald übernahmen die Jakubiner die Herrschaft und mit ihnen schwappte der Terror über Frankreich. Über 300 Bordelais wurden öffentlich geköpft. Die wirtschaftliche Katastrophe setzte nur wenig später mit den napoleonischen Kriegen ein, denn mit der Kontinentalsperre gegenüber Großbritannien, kam der Handel der Hafenstadt fast zum Erliegen. Einzig die Verlegung von Truppen in den Süden brachte eine Verbesserung der Infrastruktur, dessen bedeutendstes heutiges Zeichen, die 1807 begonnene Pont die Pierre ist, die seit 1821 den gewaltigen Strömungen der Garonne ausgesetzt ist (in Bordeaux sind die Auswirkungen von Ebbe und Flut deutlich zu spüren). An die Stelle des Château de la Trompette wurden die Esplanades des Quinconces, der damals größte Platz der Welt angelegt, der jedoch heute wie ein überdimensioniertes Exerzierfeld wirkt.

Vom 19.Jahrhundert bis heute: Ringstraßen, verlegte Regierungen und der Zusammenschluss zur Metropole

Im 19.Jahrhundert hatte Bordeaux einen guten Ruf in der Welt der Kunst, so lebten Stendhal und Francisco de Goya hier (letztere starb auch in der Stadt). Die Bevölkerung der Stadt wuchs schneller an als je zuvor, die Welle der Industrialisierung jedoch, die die meisten Städte Europas maßgeblich veränderte betraf Bordeaux weniger. Die Glasindustrie entwickelte sich, als man Wein nun in Flaschen abfüllte. Tatsächlich entstand in Bordeaux aber nie eine wirklich bedeutende Schicht der Arbeiterschaft.  
Das Bordeaux keine Industriestadt wurde hat auch damit zu tun, dass die Weinproduktion in der Region schon seit der Antike eine hohe wirtschaftliche Bedeutung hatte und zusammen mit dem Hafen die guten Geschäfte beförderte. In eine fast existentielle Krise kam damit nicht nur dieser Wirtschaftszweig, sondern die gesamte Weinregion als die Reblaus in der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts in Europa ihr Unwesen trieb und Millionen von Hektar Rebfläche vernichtete. Nur unter sehr hohem Einsatz und der Einführung resistenter Weinstöcke gelang es diese Krise zu überwinden.
Im Jahr 1853 beschloss man den Bau einer Ringstraße, um die Stadt herum. Dieses Unternehmen war Grund für zahlreiche kontroverse Überlegungen, wo ein günstiger Verlauf der Straßen liegen sollte, denn Bordeaux wuchs aus seinen engen Grenzen immer weiter in die Vorstädte hinaus. So wurde beschlossen die Ringstraße, die zukünftig nur die „Boulevards“ genannt wurden, in einer Linie zu ziehen, die einige Vorstädte außerhalb beließ, so wie Caudéran, dass sich im weiteren Verlauf aber zu einem eleganten Vorort entwickelte. Bis in die 1880er Jahre wurde an den Boulevards gebaut, die die gesamte linke Uferseite der Garonne umfasst, den weitaus größten Teil Bordeaux. An diese Boulevards setzen dann die neuen Stadtviertel an, die im Laufe der Jahrzehnte entstanden. Diese waren dabei recht homogen, von einfachen Siedlungen bis hin zum gehobenen Vorort mit seinen Jugendstil Bauten, wie im schon erwähnten Caudéran. Der Schienenverkehr erreichte ebenfalls die Stadt, zwei wichtige Eisenbahnlinien begannen in Bordeaux und das auch heute noch sichtbarste Zeichen dafür ist der 1898 eröffnete Gare Saint Jean.
Schon einige Jahre vorher, nämlich 1870, wurde Bordeaux kurzzeitig Hauptstadt Frankreichs, als die Nationalversammlung im Deutsch-Französischen Krieg flüchten musste. Dieses Szenario wiederholte sich noch zweimal; 1914 und im Juni 1940, beides wieder im Zusammenhang mit der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen. So hat sich bis heute noch der Ruf Bordeaux gehalten, die „heimliche Hauptstadt“ Frankreichs zu sein.
In den Zwischenkriegsjahren war der Hafen, die Weinproduktion und der Holzabbau in Les Landes die wichtigsten Standbeine der Ökonomie der Region, auch wenn diese Produktionszweige immer mal wieder mit größeren Krisen zu kämpfen hatte. Nicht unerheblich ist der Fakt, dass die Neubauten jener Jahre sich ins Stadtbild integrierten, als Beispiele können hier die Bourse de Travail (1938) oder die Piscine Judaique gelten (die allerdings in neuster Zeit ein recht unansehnliches Glasvordach bekam).
Nach dem 2.Weltkrieg übernahm Jacques Chaban-Delmas das Amt des Bürgermeisters in einer fast schon rekordverdächtigen Amtszeit von 1947 bis 1995! Unter seiner Führung entstanden modernistische Projekte wie das Mèriadeck-Viertel in direkter Nachbarschaft zur Innenstadt, dass einen deutlichen Bruch mit dem klassizistischen Erbe der Bausubstanz darstellt. Chaban-Delmas dachte aber Bordeaux auch als metropolitane Region, das aus Kernstadt und in die Region wachsenden Städten besteht, die eng zusammenarbeiten sollten. Die Universität der Stadt wurde in den Vorort Talence verlegt, zum einen, um einen geschlossenen Campus zu erhalten, zum anderen vielleicht aber auch, um potentiell revoltierende Studenten aus der Innenstadt raushalten zu können. Der Hafen wurde aus der Stadt entfernt und flussabwärts nach La Verdon an die Gironde verlegt (aus der Bordeaux durchfließenden Garonne und der Dordogne wird wenige Kilometer nach Bordeaux die Gironde, welche in den Atlantik fließt). 1966 wurde der Gemeindeverband Communauté urbaine de Bordeaux gegründet, der heute den Namen Bordeaux Métropole trägt und der mit seiner Größe auch ein deutlicheres Bild über den Umfang von Bordeaux abgibt, als die viel engeren Grenzen der administrativen Kernstadt. Er ist für alle Probleme zuständig die über die jeweiligen Gemeindegrenzen hinausgehen und besitzt ein eigenes Parlament. Zu seinen wichtigsten Aufgaben in letzter Zeit gehört die Koordination der öffentlichen Verkehrsbetriebe. In jene Jahre des Zusammenschließens fällt auch der Bau und die Öffnung (1972) des Autobahnrings der Stadt (der A630), der wie die Boulevards des 19. Jahrhunderts wiederum die gewachsene Stadt neu umschließt. Innerhalb des Autobahnrings trifft man heute auf dichte Bebauung, dahinter wird die Siedlungsdichte erheblich dünner.
Ein neuer Abschnitt in der Verkehrsplanung der Stadt ist die Wiedereinführung der Straßenbahn, die seit 2008 auf drei Linien die Innenstadt mit den Vororten verbindet und dabei über 200.000 Passagiere pro Tag befördert. Nicht zuletzt die Berufung als UNESCO-Weltkulturerbe 1976 förderte das Bewusstsein für das einzigartig erhaltene Stadtbild Bordeaux mit seinen vielen klassizistischen Bauten, das auch seit den 1990er Jahren weiter aufgewertet wird, wie beispielsweise durch die neuangelegte Uferpromenade. Gleichzeitig möchte Bordeaux natürlich auch nicht den Sprung in die Gegenwart verpassen, wie man am neuen Viertel um die Brücke Chaban-Delmas und die Cité du Vin sehen kann. Für die Zukunft plant die Stadt auch mit dem nationalen Projekt „Bordeaux – Euratlantique“, das nicht nur den Bahnhof Sant Jean mit einem TGV Anschluss nach Paris erhöht, sondern den gesamten Umkreis des Bahnhofs, der tatsächlich nicht unbedingt zu den Glanzlichtern der Stadt zählt, zu einem neuen blühenden Stadtteil aufwertet, der hauptsächlich als Wirtschaftsstandort funktionieren soll.    

urban facts Bordeaux

Allgemeine Daten:

Einwohner: Stadt / Ballungsraum / Metroregion

249.712 / 773.542 (Bordeaux Metropole) / 1.215.769 (Aire urbaine de Bordeaux )

Einwohnerentwicklung: Stadt

2011-2015: +4,54%

Fläche: Stadt /Ballungsraum / Metroregion

49,36 km² / 578.3 km² (Bordeaux Metropole) / 5.613 km² (Aire urbaine de Bordeaux )

Bevölkerungsdichte: Stadt /Ballungsraum / Metroregion

5059 Einw./km² / 1338 Einw/km² (Bordeaux Metropole) / 216 Einw./km² (Aire urbaine de Bordeaux )

Koordinaten

44° 50‘ N, 0° 35‘ W

Geographische Höhe

1-42m

Niederschlagsmenge /Regentage / Sonnenstunden pro Jahr

944mm / 124 / 2035

Fluss

Garonne

KfZ-Kennzeichen

33 (für das Département Gironde)

Infrastruktur:

Bürgermeister

Alain Juppé (Républicains / Rechts konservativ)

Verwaltungstechnische Bedeutung

Hauptstadt des Dèpartement Gironde und der Region Nouvelle-Aquitaine

Anzahl Besucher im Jahr

6 Mio. (2015), im gleichen Jahr zur besten Touristendestination der Welt gewählt worden

Global City Status

Sufficieny (12. und letztmögliche Kategorie)

Verkehrsfluss – Staugefahr

29h im Stau pro Jahr (2017); 205.Platz weltweit

Flughafen

Aéroport de Bordeaux-Mérignac (BOD; eröffnet: 1917; 6,2 Mio; PAX 2017; 8.größter Flughafen Frankreichs ; 2 Landebahnen, 2 Terminals; 10km W der Innenstadt)

ÖPNV

3 Straßenbahnlinien (wiedereröffnet 2003, vorher von 1891 bis 1957) auf 66km Streckenlänge mit 86 Haltestellen
Tageskarte kostet 4,60€
Vcub (V³) Fahrradleihsystem mit 174 Stationen und 1700 Rädern

Entfernung nach…

Paris: 585km (LL: 500km); Auto: 5h30min; Bahn: 2h10min
Toulouse: 245km (LL: 215km); Auto: 2h25min; Bahn: 2h
Bilbao: 335km (LL: 255km); Auto: 3h30min; Bahn: 6h45min
Madrid: 685km (LL: 555km); Auto: 6h40min; Bahn: 10h (nur Bus)
Barcelona: 570 km (LL: 445km); Auto: 5h55min; Bahn: 9h15min

nächster Ort über 500.000: Toulouse 245 km
nächster Ort über 1000.000: Barcelona 570km

Kultur / Geschichte:

Anzahl Universitäten

Université de Bordeaux; gegründet 1441 durch Papst Eugen IV., 2014 als Fusion von 3 Universititäten wiedergegründet, 49.600 Studenten (2016)
Université Bordeaux Montaigne; gegründet 1971, hauptsächlich Sozialwissenschaftlich, 15.230 Studenten

Anzahl Museen

wikipedia.fr zählt 19 Museen

Sportvereine der Stadt

Fußball:
Girondins de Bordeaux: gegründet: 1881; 6x frz. Meister, 4x frz. Pokalsieger, 1x EC3 Finalist; Ø-Zuschauer: 26.048 (2017/18) @ Matmut Atlantique (42.052)
Rugby:

Union Bordeaux Bégles: gegründet 2006 aus zwei Rugbyvereinen, welche insgesamt 9 frz. Meisterschaften gewannen Ø-Zuschauer: 23.689 (2014/15) @ Stade Chalbon-Delmas (34.694)

Tageszeitung der Stadt (Auflage)

Sud Ouest (Tageszeitung, gegründet 1944, 288.000 Auflage 2011)

Erste urkundliche Erwähnung

3.Jahrhundert v.u.Z. (von den Römern Burdigala genannt)

Gegründet von:

Kelten

Großstadt seit

1793 bzw. 1841 (dazwischen unter 100.000)

Das entscheidende Jahr

1453: Bordeaux fällt nach der Schlacht von Castillon wieder an Frankreich

Meisten Einwohner im Jahr

1966: 266.662

Einwohnerverlust von Höhepunkt bis heute

6,7%

Wirtschaft / Attraktivität:

Sehenswürdigkeit Nr.1

Place de la Bourse

Architektonisches Highlight

Einheitlichkeit des Stadtbilds der Altstadt

Prachtstraße

Allées de Tourny

Höchstes Gebäude

Cité Administrative – Tour A (92m)

Meist fotografiertes Gebäude

Citè du Vin

Kaufkraftindex in EU (oder Region)

135,1 (Region Nouvelle-Aquitaine)

Arbeitslosenquote

16% (2014) Frankreich gesamt: 10,8%

Bevölkerungsentwicklung:

1793

1821

1831

1841

1856

1876

1901

1911

1931

1946

104,676

89,202

99,062

104,686

149,928

215,140

256,638

261,678

262,990

253,751

1954

1962

1968

1975

1982

1990

1999

2006

2011

2015

257,946

249,688

266,662

223,131

208,159

210,336

215,363

232,260

239,399

249,712

rt

Sueca

Einwohner: 27.598 (2017) | 92,5 km² | Kreisstadt der Comarca Ribera Baixa | am Fluß Xuquer (Jucar) gelegen | 7 km von der Küste des Mittelmeers entfernt | 35km S von València | 8 km NW von Cullera

Mitten in der flachen Landschaft um die spanische Stadt València, welche die Flüsse Turia und Xuquer zwischen dem Mittelmeer und den Bergen abgelagert hat, liegt Sueca. Eine Stadt, die auf dem ersten und sogar zweiten Blick nicht viel bietet. Die S-Bahn von València nach Gandia teilt den Ort in einer geraden Linie. Benutzt man die alte Nationalstraße 332, die schon seit einigen Jahren von einer Autobahn ersetzt wurde, wird man um die Innenstadt herum geführt und hat lediglich einen Blick auf die runtergekommenen erscheinenden Gewerbegebiete. Nicht viel anders ist es, wenn man von der neu gebauten Autobahn A38 zum Meer fahren möchte, auch hier bleibt der Blick auf die Stadt verwehrt, da man das kleine Zentrum umrundet. Jahrelang bin ich an Sueca vorbeigekommen, aber nie kam mir je der Gedanke, mich mal näher mit der Stadt auseinanderzusetzen. Das halte ich heute für einen Fehler, denn Sueca muss man sich bewusst erschließen und dann hat dieses Städtchen seine Reize.

Mit nicht ganz 30.000 Einwohnern ist Sueca Kreisstadt der Comarca Ribera-Baixa und damit der östlichste Teil einer kleinen Metropolregion die sich über Alzira bis nach Xativa zieht und rund 350.000 Einwohner zählt. Die Lage der Stadt ist durch zwei Faktoren bestimmt; zum einen liegt sie mitten in der südlichen Huerta de Valencia (dem „Garten Valèncias“), in welcher sich auch die angrenzende Lagune Albufera befindet. Traditionell wird hier Reis angebaut und Sueca ist so etwas wie die Hauptstadt des Reisanbaus, dem fundamentalen Bestandteil der Paella, die etwas später in diesem Artikel behandelt werden soll.
Zum anderen ist Sueca aber nicht weit vom Meer entfernt, die eigentliche Stadt ungefähr 7 km. Zum Stadtgebiet gehören weite Sandstrände, welche der Wind und die Flüsse hier hingebracht haben. Doch anders als die Städte Cullera oder Gandia, die in Richtung Meer gewachsen sind, um dort mit beachtlichen und teilweise gigantischen Tourismus-Hochhausskylines zu thronen, sind auf dem Gebiet Suecas einzelne Urbanisaciones gebaut worden, die sich wie eine Perlenkette an der gerade von Norden nach Süden gehenden Strandlinie aufreihen. Von der Auto- oder der S-Bahn aus (die noch etwas weiter hinten im Landesinneren liegen), sehen diese Orte wie kleine Burgen aus, mit ihren teilweise weit über 10 Stockwerken hohen Ferienhäusern, die allerdings meistens vereinzelt auftreten und sich mit kleineren Strandhäusern oder niedergeschossigen Appartmentblöcken mischen. So weiß man in der Region València immer, wo das Meer ist, auch ohne es zu sehen. Es ist immer hinter den Hochhäusern. Diese Urbanisationen sind Ferienorte, die im Grunde nur im Sommer bewohnt werden, wenn die Haus- und Wohnungsbesitzer ihre Ferien hier verbringen, Hotels gibt es hier (fast) keine und erst in den letzten Jahren vermieten einige Besitzer ihre Wohneinheiten über internetgestützte Portale, auch an den Randzeiten des Sommers (Mai, Juni und September). Im Juli und August sind alle Lokale und Restaurants der Urbanisationen von früh bis abends geöffnet, Kinder spielen unter lauten Geschrei am Strand oder auf den Straßen bis in die Nacht hinein, in den neu gebauten Kirchen finden am Wochenende rege besuchte Gottesdienste statt, die Apotheken, die den Rest des Jahres nur geschlossene Rollläden aufweisen, sind besetzt und auf den Tennisplätzen duellieren sich Hobby-Nadals gegeneinander, solange der Sonnenstand es zulässt und man vor Hitze nicht zerfließt. Doch schon im September stirbt die Urbanität in den Urbanicaciones langsam wieder, die Schule hat dann angefangen und die Restaurants haben nur noch am Wochenende geöffnet. Das zieht sich bis zum 12.Oktober hin, dem Tag der Region València, welcher der gleichzeitig der letzte Tag der Saison ist. Wie würde sich Jaume I. fühlen, wenn er gewusst hätte, dass der Tag an dem er die Stadt València eroberte, später mal der Feiertag ist, der den Sommer endgültig beschließt. Er hatte wohl besseres zu tun, als über den Sommer nachzudenken. Während in den größeren Wohnanlagen die Pools abgelassen werden, schließen die allermeisten Geschäfte und Lokale bis Ostern und wenn man sich im November oder Februar hierhin verirrt, dann steht einem langen und einsamen Strandspaziergang rein gar nichts im Wege, vielleicht sieht man noch einen Klempner der die leeren Anlagen mit notwendigen Reparaturen versorgt, oder einen der Hauswarte, die sich auch im Winter darum kümmern, dass die Pflanzen der Hausanlagen gepflegt werden.
Viele der Besitzer der Wohnungen und Häuser in den Urbanisationen Suecas (diese ziehen sich wie eine gerade Schnur am Strand entlang, von El Perello im Norden bis nach Mareny Blau im Süden) kommen aus dem Großraum Valencia, während die allermeisten Angestellten der Restaurants und Läden aus Sueca kommen und hier ihren Sommerarbeitsplatz haben. Daraus entsteht eine eigenwillige soziale Differenz. Während man im Sommer an den Stränden spanisch hört, wird in Sueca valenzianisch gesprochen (Valenzianisch ist eine Sprachvariante des Katalanischen). Überhaupt ist Sueca ein Hort der valenzianischen Identität. Aus der Stadt stammt der Schriftsteller Juan Fuster, der nicht nur für seine katalanische Prosa bekannt wurde, sondern gleichfalls für in seinen Essays immer wieder eingetretenen Anspruch, Vertreter des intellektuellen katalanischen Nationalismus zu sein. Von ihm stammt die Betonung der Idee der Paisos Catalans, der katalanischen Länder, die eine Zusammengehörigkeit der Landesteile betont, die katalanisch sprechen (daher Katalonien selbst, Valencia und die Balearen sowie Andorra und kleine Teile von Okzitanien in Frankreich). Noch heute findet sich diese Idee übrigens auf Wetterkarten im katalanischen Fernsehen, die das Gebiet der Paisos Catalans abdecken (ganz ähnlich der Wetterkarten in der BRD, vor der Wiedervereinigung Deutschlands 1990). Nicht uninteressant ist es noch zu betonen, dass diese Art von valenzianischer Identität eine eher linksgerichte Orientierung bzw. Zuschreibung hat (zumindest in der Valenzianischen Gemeinschaft), während ihr rechtes Gegenstück dazu eher eine Betonung der spanischen Einheitlichkeit hat (gleichfalls darf nicht vergessen werden, dass es aber auch Linke gibt, die Zentralspanien preisen, dann aber meistens nicht aus katalanisch-valenzianisch sprachigen Gegenden kommen). Sueca jedenfalls kann als ein Nest, des linken Valenzianismus gelten, gab es hier nach dem Ende der Franco Diktatur nur linke, teilweise sogar kommunistische Bürgermeister.

Unabhängig von politischer Willensbildung und Identifikation ist der Reisanbau in Sueca von höchster Bedeutung und damit aber auch wieder ein Teil eines weitgreifenden kulturellen Erbes. Weltweit bedeutend ist die Paella Valanciana, eine Reispfanne (wobei ich damit niemals sagen würde, dass Paella Reis mit irgend etwas ist, Paella ist mehr und sollte von Ihnen, lieber Leser unbedingt mal vor Ort gegessen werden), die in Sueca besonders geehrt wird, denn seit 1961 wird alljährlich Anfang September ein internationaler Paella Kochwettbewerb veranstaltet (der Concurso Internacional de Paella Valenciana de Sueca), der zwar regelmäßig von valencianischen Köchen gewonnen wird, bei dem jedoch gleichfalls Teams aus Asien, Australien oder Amerika teilnehmen (der einzige Gewinner außerhalb Spaniens war ein Restaurant aus Kuba). Und so finden sich in den engen Gassen Suecas auch einige wundervolle Restaurants, die zu sehr erschwinglichen Preisen eindrucksvoll wohlschmeckende Paellas anbieten (am besten probiert man es an einem Wochentag, da diese dann im günstigen Menüpreis enthalten sind, mehr Informationen im Beitrag „Essen und Trinken in València“).
Der Reisanbau prägt auch die Landschaft um Sueca, die sich im Laufe des Jahres vielfarbig verändert. Die Saison beginnt mit den grauen Böden, die im Mai geflutet werden und dann die Landschaft in einen riesigen See verwandeln, der ungefähr die Größe erreicht, welche die Lagune Albufera mal vor 150 Jahren hatte, bevor sie durch die Einflüsse des Menschen auf ihre heutige Größe geschrumpft ist. Darauf folgt im Sommer der grün aufwachsende Reis, bis er im Herbst sich gelb verfärbt und geerntet wird. Dann sind Erntetraktoren auf den kleinen Wegen zwischen den Parzellen der Bauern unterwegs und in den Mühlen hört man das beständige Summen der Maschinen, die rund um die Uhr arbeiten. Im Winter verwandelt sich die Landschaft wieder in die grauen Felder und man wartet auf den nächsten Sommer, wenn die Felder grünen werden und die Touristenmassen wieder intensives Leben bringen werden.